Thomas Schreiner über »Surprised by Hope« (2)

Hier der zweite und vorerst abschließende Teil der Vorschau über:

  • N.T. Wright, Surprised by Hope: Rethinking Heaven, the Ressurection, and the Mission of the Church, Harper Collins, 2008. 352 S.

Der ersten Teil der Vorschau dieser Rezension von Thomas Schreiner kann hier abgerufen werden: theoblog.de. Der vollständige Text wird demnächst in einer einer Ausgabe der Zeitschrift Glaube und Denken heute erscheinen.

… Sicher haben manche Gläubigen zu Unrecht geglaubt, dass der Himmel nur geistlich sei, aber viele (die meisten derer, die ich kenne) stellen sich den Himmel nicht so vor. Wir könnten sagen, dass Wright seine These übertreibt, um seine Aussage zu verdeutlichen. So weit, so gut. Außerdem kritisiert er deutlich den Ausdruck »in den Himmel gehen«. Dennoch haben wir eine Anzahl an Aussagen in der Schrift, die vom Eintreten (hineingehen!) in das Reich in der Zukunft sprechen (z.B. Mt 5,10; 7,21; 18,3; 19,23-24; Mk 9,47; 10,15; Joh 3,5; Apg 14,22). Die Schrift spricht auch vom Himmel als einem Reich über dem unseren und getrennt von uns (Mt 6,1.9.10.20; 18,10; Lk 24,51; Joh 1,51; Apg 1,10; 2Kor 12,2; Kol 1,5; 1Petr 1,4). Das sagt uns nicht (nur um sicherzugehen), dass unsere zukünftige Bestimmung eine nicht-leibliche Bestimmung ist, aber es betont, dass es ein von unser jetzigen Existenz zu unterscheidender Zustand ist. Ja, Wright sagt richtig, dass der Himmel eine verwandelte Erde sein wird und der Himmel sozusagen in diese Welt kommen wird. Aber weil die Schriften ebenso davon sprechen, dass wir in das Reich hineingehen, weil sie davon reden, dass der Himmel eine Welt über und über uns hinaus ist, und weil die neue Schöpfung noch nicht da ist in ihrer Vollendung, glaube ich nicht, dass es falsch ist, davon zu reden, dass wir »dorthin gehen«, solange wir uns darüber im Klaren sind, dass es lediglich einer der Wege ist, die Realität, die uns erwartet, in Worte zu fassen. Tatsächlich verraten Wright’s Proteste gegen den Gebrauch des Satzes »in den Himmel gehen« seinerseits ein übertrieben wörtliches Verständnis. Daher, widerspricht das Lied Away in the manger entgegen der Meinung Wright’s nicht der Schrift, wenn es Gott darum bittet, »uns für den Himmel zuzubereiten, um mit Dir dort zu leben« (S. 22).

Wie schon bereits bemerkt betont Wright häufig, dass unsere Arbeit in dieser Welt wichtig ist. Christen sollten nicht denken, dass ihre Arbeit in Politik, Wirtschaft, Beruf, Kunst usw. unbedeutsam sei. Es hat eine Art des Pietismus gegeben, die solche Arbeit schwarz gemalt hat. Trotzdem ist es nicht klar, dass die Schulden der dritten Welt zu erlassen eine moralische Verpflichtung ist, die der Abschaffung der Sklaverei gleichkommt. Wright weist diejenigen, die in diesem Punkt nicht mit ihm übereinstimmen, zu selbstbewusst ab, indem er jegliche Einwände durch rhetorisch geschickte Aussagen wegwischt. Moralische Forderungen in der Öffentlichkeit müssen durch sorgfältige Begründung vorgebracht werden und Wright bietet keine Argumente an, die seine Schlussfolgerungen unterstützen. Vielleicht wird er in Zukunft das Thema im begründeten öffentlichen Diskurs anpacken, anstelle durch Forderungen von oben herab.

Wright empfiehlt Evangelisation als Teil unserer Arbeit als Gläubige, aber er betont klar das Engagement in der Politik. Sicherlich hat Wright den Schwerpunkt auf letzterem. Die Schrift lehrt, dass nur diejenigen, die an Jesus Christus glauben und Buße tun von ihren Sünden, die neue Schöpfung erleben können. Ist es daher etwa nicht die wichtigste Sache für Menschen, aufgenommen zu werden in dieser neuen Schöpfung? Gibt es nicht große Künstler und begabte Politiker, die unser Leben in dieser Welt verbessert haben (wofür wir alle dankbar sind), die aber dennoch keinen Anteil an der neuen Schöpfung haben werden, weil sie das Evangelium abgelehnt haben? Außerdem, während Wright korrekt betont, dass alles Handeln in dieser Welt von Bedeutung ist, gibt es auch Diskontinuität zwischen dieser Welt und der zukünftigen. Der Fluch von 1Mo 3 wird nicht aufgehoben werden, bis Jesus wiederkommt. Unsere Arbeit in der Welt ist vorläufig und wird immer von dem Fluch berührt. Die Erfindung des Autos löste ein Verschmutzungsproblem in den Straßen, das durch Pferde verursacht wurde, aber niemand sah voraus, dass es selbst wieder Verschmutzungsprobleme verursachen würde.

Es genügt zu sagen, dass der Evangelisationsauftrag der Christen mehr auf uns lasten bleibt als jeder Auftrag, in der Politik zu arbeiten, wenngleich unsere Arbeit in der Welt bedeutsam ist. Wright betont, dass die gute Nachricht des Evangeliums ist, dass Jesus Herr ist, jedoch ist dies, wie John Piper es herausgestellt hat, keine gute Nachricht, wenn du noch gegen Gott rebellierst; es ist dann eine schreckliche Nachricht. Das Neue Testament ist von der Botschaft durchdrungen, dass wir uns von unseren Sünden abwenden müssen und unser Vertrauen auf Christus setzen müssen. Wright widerspricht der Notwendigkeit, so zu handeln, nicht, aber er scheint mehr besorgt zu sein über unsere Arbeit im politischen und sozialen Bereich.

Ich könnte es vielleicht verstehen, warum Wright soziale Anliegen betont, wenn Englands Kirchen voll wären und blühen würden, wenn fast jeder schon gläubig wäre. Aber es ist seltsam, dass Englands Kirchen leer sind und Unglaube üblich ist. Es scheint so, dass ein Bischof in diesen Umständen die Gemeinde nachdrücklich dazu auffordern würde, zu evangelisieren und die Notwendigkeit des Glaubens an Jesus und der Umkehr von den eigenen Sünden zu betonen. Diese Dringlichkeit sehe ich in Wright’s Buch nicht, und daher weicht er von der Botschaft Jesu und der Apostel ab …

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6 Kommentare
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markus
16 Jahre zuvor

danke für die rezension. die ist übrigens genau so einseitig wie wrights buch ja laut der darstellung von schreiner sein soll. ich weiss ja nicht wie der letzte satz weiter geht. aber wenn ich das lukas ev richtig lese, dann ging es jesus in der ersten hälfte doch vor allem auch um die leiblichen nöte der menschen. dass die soziale komponente in der nachfolge eine abweichung von der botschaft jesu sein soll finde ich doch ein wenig hart, und naja, falsch. 😉 ohne extreme positionen (wenn man wrights thesen so verstehen will) würde es doch in der theologie überhaupt keine benötigten richtungswechsel geben. und übrigens sind die kirchen in deutschland ja auch nicht voller. vielleicht sind sie so leer, weil wir den menschen ein gute nachricht sagen, die aber ihre dringlichsten nöte nicht berücksichtigt. es ist doch berechtigt, dass ungläubige menschen von den händen und füssen christi auch wege aus der sozialen not erwarten dürfen. so lief auch die mission… Weiterlesen »

markus
16 Jahre zuvor

man kann das politische engagemnet natürlich so hoch hängen, dass keine soteriologie mehr übrig bleibt. das tut wright sicher nicht (da sollte man doch den gesamten kontext seiner werke betrachten). aber man kann die soteriologie natürlich auch so hoch hängen, dass kein bezug mehr zu sozialem engagement möglich ist. das tut schreiner widerum bestimmt nicht. aber er bewertet eine, sich von seiner soteriologisch geprägten betonung, stark abweichende missionarisch-politisch-soziale grundhaltung als qualitativ schlechter. in halbsätzen wird dann zwar gesagt, dass wright evangelisation als arbeit für gläubige sieht, aber dennoch andere dinge betont. der evangelisationsauftrag ist „mehr“ als politische verantwortung zu übernehmen. natürlich. aber kann es nicht sein, dass soziales engagement angewandte soteriologie, zumindest aber mal angewandte implizite christologie, ist? der reformierte generalanspruch die einzig richtigen „betonungen“ und damit auch anwendungen zu kennen finde ich befremdlich. hier ein kurzer auszug aus wrights artikel „kingdom come – the public meaning of the gospels“ in dem er die von schreiner kritisierten aussagen in die… Weiterlesen »

markus
16 Jahre zuvor

einverstanden. dein mittelteil im kommentar trifft es besser als ich es ausdrücken konnte. kann man aber immer erwarten, dass ein theologe (auch ein so kontrovers/brillanter wie wright) extensiv jede facette des gesamttheologischen zusammenhangs gleichermassen abdecken muss? ich denke, dass es eben auch dem thema geschuldet ist wie man die seiten füllt. in seinem buch „the ressurrection of the son of god“ geht er wohl weniger auf pneumatologische oder ekklesiologische inhalte ein. daraus aber zu schliessen, er setze in der betonung der auferstehung einen ungesunden schwerpunkt gegenüber der kirche ode dem geist, wäre wohl unangebracht. aber ich muss ja zum glück für den bischof keine lanze brechen. seine äusserungen an der untätigkeit mancher christen/gemeindliche strömungen empfinde ich auch nicht als tadelnd oder kritik, sondern als ermutigend. es geht in erster linie darum, dass ich erkenne, dass ICH mehr tun könnte und, dass der horizont meines wirkens noch nicht ausgereizt ist. meiner meinung nach gibt es kaum noch christliche theologien (auch ausserhalb… Weiterlesen »

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