Der Segen im Neuen Testament

Was ist das besondere am neutestamentlichen Segen? Ulrich Heckel schreibt in seiner exegetischen Gesamtdarstellung des biblischen Segensbegriffs (Der Segen im Neuen Testament, 2022, 237–238): 

Die wichtigste Neuerung ist im eschatologischen Gesamtzusammenhang die christologische Zentrierung, die in den neutestamentlichen Schriften bei allen Unterschieden eine grundlegende Gemeinsamkeit ausmacht.

Schon der herkömmliche Segensgruß εὐλογημένος  (s.u. 3.1) wird stets auf Jesus bezogen. Durch diese Konzentration wird er nicht nur zum Gesegneten schlechthin, sondern zugleich als der einzigartige Segensbringer hingestellt. In den Evangelien ist die Kindersegnung in Mk 10,16 die einzige Stelle, in der der irdische Jesus segnet. Bei Lukas bleibt das Segnen für die Zeit nach der Auferstehung vorbehalten (Lk 24,50f) und bildet in der Petrusrede (Apg 3,26) den heilvollen Zweck seiner göttlichen Sendung (vgl. 28,28).

Beim Argumentieren tritt die christologische Konzentration am stärksten bei Paulus hervor. Er redet nicht nur vom „Segen Christi“ (Röm 15,29), sondern verbindet den Erntesegen in 2. Kor 9,5–15 mit dem von der Christologie geprägten Begriff der Gnade (V 8). In Gal 3,6–4,7 sieht er die SegensverheiBung an Abraham (3,6–9) in Christus als dem einen Nachkommen erfüllt (3,16), durch dessen stellvertretenden Fluchtod der Segen auf die Heiden übergegangen ist (3,13f). So versteht Paulus den Segen durch seine christologische Interpretation der Abrahamsverheißung inhaltlich ganz von der Heilsbedeutung des Todes Jesu her.

Ohne einen expliziten christologischen Bezug begegnet der Segensbegriff nur im Hebräerbrief. Doch geht es schon im Ackergleichnis (Hebr 6,7) eigentlich um das Heil, das von Christus hervorgebracht wurde. Vor allem beruht dieser Segen durch die Melchisedek-Typologie auf der unvergleichlichen Überlegenheit des einmaligen Selbstopfers des Hohepriesters Jesus (7,1.6f). Daher kann er als für das Eschaton verheißenes Heilsgut in 11,20f; 12,17 (vgl. 6,12ff) keinen anderen Grund haben als den Tod und die Auferstehung Jesu, wie der „Segens“-Wunsch am Briefende bestätigt (13,20f).

Studie: Immer mehr Jugendliche bereuen Transition

Laut einer Studie klinischer Gesundheitspsychologen ist nicht nur die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die ihr biologisches Geschlecht hormonell und operativ verändern wollen, in den westlichen Industrienationen rapide angestiegen, sondern auch die Zahl der Jugendlichen, die zu ihrem biologischen Geschlecht zurückkehren wollen. Sie halten eine Transition nicht für das Mittel der Wahl und wünschen sich alternative Angebote. Das berichtete das Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) Anfang Oktober.

DIE TAGESPOST schreibt: 

Fazit der Untersuchung, für die ein Team um den klinischen Gesundheitspsychologen Pablo Exposito-Campos von der Universität des Baskenlandes in Nordspanien Daten von 2.689 Personen sichtete: Die Rückkehr ins eigene Geschlecht sei „oft mit einem Mangel an sozialer und professioneller Unterstützung“, fehlenden Informationen und Ressourcen sowie „mit zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, Identitätsproblemen und Stigmatisierung durch Detransphobie“ verbunden. Betroffene hätten oft „mit komplexen Gefühlen wie Trauer und Schuld“ sowie „mit Diskriminierung und Ablehnung“ zu kämpfen. Das Gros der Betroffenen seien Mädchen.

Mehr: www.die-tagespost.de.

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Abtreibung: Konsequentes Framing

FIAPAC ist eine internationale Vereinigung von Fachleuten, die auf dem Gebiet der Verhütung ungewollter Schwangerschaften und des Schwangerschaftsabbruchs tätig sind. Vorrangiges Ziel der Vereinigung ist es, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch für alle Frauen weltweit durchzusetzen. Cornelia Kaminski hat für DIE TAGESPOST aufgezeigt, wie die FIAPAC auf einem ihrer Kongresse Framing betrieben hat und dabei die volle Unterstützung der WHO genießt: 

Das Weltbevölkerungsprogramm sei ein spezielles Programm der WHO, zu dem die Arbeit an einer Abtreibungsrichtlinie gehöre. „Ich sehe viele Menschen in diesem Raum, die daran mitgearbeitet haben. Sie heißt WHO-Richtlinie zur Abtreibung, aber es ist unsere Richtlinie!“ Beifall aus dem Publikum. Dieses WHO-Dokument sei zwar ein wichtiges Instrument, aber es reiche nicht, um in den Ländern, in denen Abtreibungen noch nicht vollständig erlaubt sind, eine Umkehr zu bewirken. Daher sei ein konsequentes Framing notwendig. Im Kern geht es beim Framing darum, wie eine Nachricht „eingebettet“ wird, sodass bestimmte Aspekte hervorgehoben und andere ausgeblendet werden. Diese „Rahmung“ beeinflusst dann, wie die Information wahrgenommen und beurteilt wird.

Die WHO, so Ganatra, frame Abtreibung als Gesundheitsleistung. Damit dies tragfähig sei, habe die WHO ihre Definition von Gesundheit ausgeweitet. Gesundheit beschreibe nun nicht einfach die Abwesenheit von Tod oder Krankheit, sondern allgemeines und soziales Wohlbefinden. Das ermögliche es der WHO, über Abtreibungen positiv zu sprechen und sie gleichzeitig mit Gesundheit und Politik zu verknüpfen. Das erklärte Ziel der WHO sei es, ihre Empfehlungen zur Abtreibung in den jeweiligen Gesundheitssystemen zu etablieren. Dazu gehöre die chemische Abtreibung mit Mifepriston und Misoprostol. „Wir müssen sicherstellen, dass das, was wir empfehlen, in unsere globale Medikamentenliste aufgenommen wird, damit kein Land bei der Erneuerung seiner Listen außen vor gelassen wird. Unsere Leitlinien müssen in alle Regierungsdokumente aufgenommen werden.“

Mit diesem systemischen Ansatz sei die WHO in den letzten Jahren bereits in Benin, Burkina Faso, Indien, Laos, Nepal, Pakistan, Ruanda und Sierra Leone erfolgreich gewesen. Ganatra führte aus: Innerhalb von vier bis fünf Jahren nach dem Engagement der WHO liberalisierten diese Länder ihre Abtreibungsgesetze. Die WHO konzentrierte sich auf das Thema Müttersterblichkeit und reproduktive Rechte als Ganzes. Dieser systemische Ansatz war dabei nicht auf eine bestimmte Krankheit ausgerichtet, sondern ganzheitlich. Das funktionierte, wenn es ein hohes Maß an politischer Unterstützung gab. Zu den Herausforderungen, so Ganatra weiter, gehöre auch das Risiko, in Vergessenheit zu geraten – es bedürfe ständiger Bemühungen, um sicherzustellen, dass schriftliche Vereinbarungen immer wieder in Erinnerung gerufen und schließlich umgesetzt werden. Das richtige Framing für Abtreibungen nutzen: Diesem Thema war nicht nur ein weiterer Vortrag, sondern auch ein „wissenschaftliches“ Poster gewidmet – sein Titel: „Abortion Framing Tool Kit“ – „Werkzeugkasten für das Abtreibungsframing“.

Hinzugefügt sei noch: „Sobald die Abtreibungsgesetze in den jeweiligen Ländern mittels solcher Instrumente liberalisiert worden sind, eröffnet sich dort ein neuer Markt für die beiden Hauptsponsoren des FIAPAC Kongresses. MSI Reproductive Choices ist neben Planned Parenthood der größte Anbieter von Abtreibungen weltweit mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in Afrika und Südostasien.“

Mehr: www.die-tagespost.de.

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Die geleugnete Natur

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Abigail Favale hat mit Die geleugnete Natur einen bedeutsamen christlichen Beitrag zur Genderdebatte veröffentlicht. Mein Fazit:

Die Autorin stellt die These auf, dass der biblische Schöpfungsbericht und die gängigen Gendertheorien zwei unvereinbare Weisen sind, das menschliche Personsein zu verstehen. Sie ist davon überzeugt, dass uns Menschen eine „Natur“ mitgegeben ist und dass Mann und Frau einander ergänzen. Der heute verbreiteten Vorstellung einer rein sozial konstruierten Identität oder Geschlechtlichkeit erteilt sie eine klare Absage. Die sich daraus ergebenden Fragen diskutiert Favale kenntnisreich und verständlich, wobei sie die sachlichen Ausführungen gewinnbringend und manchmal humorvoll mit ihrer eigenen Geschichte verknüpft. Praktischen und seelsorgerlichen Fragen, die mit Wucht auf uns hereinbrechen, stellt sie sich ehrlich.

Insgesamt hat Abigail Favale ein überaus lesenswertes und wichtiges Buch geschrieben. Sie räumt – um Hanna-Barbara Gerl-Fallkovitz aus ihrem Vorwort zu zitieren – „die postmodernen Altäre ab“ (S. 11). Und sie macht Mut, Themen, die heute die Welt bewegen, eigenständig christlich in den Blick zu nehmen. Möge Die geleugnete Natur viele Christen dazu anregen, konsequenter von Gottes Offenbarung her zu denken und zu leben.

Die vollständige Buchbesprechung gibt es bei Evangelium21: www.evangelium21.net.

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Hinter dem Regenbogen

Gemäß dem affirmativen Modell gilt Transsexualität als ein subjektives Gefühl, das nicht hinterfragt werden darf. Frau Prof. Dr. med. Sibylle M. Winter von der Charité in Berlin sagte dazu einmal: „Für uns bedeutet das: Wir prüfen nicht, wir stellen es nicht infrage. Wir schauen nicht, ob es wirklich so ist“ (siehe hier). 

Dieser affirmative Behandlungsansatz gerät nun immer stärker in die Kritik. Nachfolgernd dazu der Auszug eines WELT-Interviews mit dem Jugendpsychiater Alexander Korte: 

WELT: Die Transgender-Diskussion ist zum Politikum geworden, wird auf Kosten körperlich gesunder Kinder und Jugendlicher ausgetragen, wie Sie es in Ihrem Buch darstellen. Wie kann man wieder – ohne allzu großen Gesichtsverlust der extremen Pole – zu einer sachlichen Auseinandersetzung kommen?

Korte: Der Gesichtsverlust, wenn man so will, findet seit Anfang dieses Jahres statt, seit nämlich der Cass-Review (britische Studie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie, Anm. d. Red.) den affirmativen Behandlungsansatz und Pubertätsblocker als das entlarvt hat, was sie sind: kindergefährdende Freistil-Medizin ohne jede Evidenz. Das Pendel des Zeitgeistes schlägt gerade zurück – auch wenn manche den Big Bang noch immer nicht gehört haben. Die Grünen haben es erkannt, ihre Chefs sind zurückgetreten und haben sich Asche aufs Haupt gestreut. Respekt! Auch so wahrt man sein Gesicht!

WELT: Könnten neben identitätspolitischen Motiven nicht auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen? Immerhin profitieren Ärzte und Pharmafirmen durch Eingriffe und Gender-Beratungszentren. Die Ampel-Regierung hat eine Kostenübernahme für „geschlechtsangleichende“ Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart.

Korte: In den USA machen Pharmakonzerne und körpermodifizierende Medizin schon jetzt ein dreistelliges Millionengeschäft mit der Transgender-Hausse. Mit exponentiellen Zuwachsraten, die wir auch bald bei uns sehen werden. Früher hieß der zynische Spruch amerikanischer Ärzte: „One pacemaker a day keeps your boat in the bay!“ Bald könnte es heißen: „I am a doctor in the gendertainment business!“

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Das mit Spannung erwartete Buch Hinter dem Regenbogen: Entwicklungspsychiatrische, sexual- und kulturwissenschaftliche Überlegungen zur Genderdebatte und zum Phänomen der Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen von Alexander Korte erscheint Ende Oktober und kann bereits vorbestellt werden.

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Der Verlust des biblischen Weltbildes

Peter Jones schreibt in seinem hochinteressanten Buch Das andere Weltbild (CV, 2024, S. 160–162: 

John Oswalt, ein Spezialist für antike Religionen, stellt fest: 

„Sobald ein Mensch oder eine Kultur die Vorstellung annimmt, dass diese Welt alles ist, was es gibt – wie es für den heidnischen Mythos typisch ist -, treten bestimmte Folgen ein – unabhängig von der Primitivität oder der Modernität des Menschen oder der Kultur. Dazu gehören die Abwertung der einzelnen Person, der Verlust des Interesses an der Geschichte, die Faszination für Magie und Okkultismus und die Leugnung der individuellen Verantwortung. Das Gegenteil hiervon, zu dem auch das gehört, was wir für den Ruhm der modernen westlichen Kultur gehalten haben, sind Begleiterscheinungen der biblischen Weltanschauung. So wie diese Weltanschauung bei uns zunehmend verloren geht, verlieren wir auch die Begleiterscheinungen. Weil wir nicht erkennen, dass es sich um Begleiterscheinungen handelt, sind wir überrascht, sie verschwinden zu sehen, ohne eine wirkliche Erklärung dafür zu haben.“

Da unsere Kultur die biblische Weltanschauung verloren hat, verfügt sie nicht mehr über die mentalen Mechanismen, um sich gegen die abwegigen Äußerungen von Radikalen zu wehren, die entschlossen bis an die Grenzen gehen. Wie der Apostel Paulus sagte: „Obwohl sie Gottes Rechtsforderung erkennen, dass die, die so etwas tun, des Todes würdig sind, üben sie es nicht allein aus, sondern haben auch Wohlgefallen an denen, die es tun“ (Röm 1,32).

Wenn das Licht der Welt systematisch ausgelöscht wird, wird die Welt in moralische und geistige Finsternis gehüllt. Und wie viele Christen werden auf diese Täuschung hereinfallen? Wir haben zweifellos einen Wendepunkt erreicht. Wie Judas 7 deutlich zeigt, ist Sodom ein Beispiel für eine Stadt, die wegen ihrer Gottlosigkeit und sexuellen Perversion von Gott verurteilt wurde. Ein weiteres Beispiel ist das alte Volk Israel, das selbst als Volk Gottes trotzig behauptete: „Wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und mit dem Scheol einen Vertrag gemacht. Wenn die einherflutende Geißel hindurchfährt, wird sie uns nicht erreichen, denn wir haben Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in Trug uns geborgen“ (Jes 28,15). In der Anfangszeit der christlichen Gemeinde sprach Paulus davon, dass „das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam“ ist (2Thes 2,7), prophezeite dann aber, dass sich die Dinge noch verschlimmern würden, wenn der „Gesetzlose offenbart werden“ (2,8) wird, der „mit Satans Hilfe“ (2,9; NeÜ) und „mit seinen Verführungskünsten“ an denen wirkt, die „es abgelehnt haben, die Wahrheit zu lieben, die sie gerettet hätte“ (2,10; NeÜ). Auf geheimnisvolle Weise ist auch Gott daran beteiligt, denn er „liefert … sie der Macht der Täuschung aus, dass sie der Lüge glauben“ (2,11; NeÜ). Der kulturelle Zusammenbruch ist unvermeidlich, wenn die Menschen Gott und seine geoffenbarte Weisheit entschieden ablehnen.

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Hans Joachim Iwand: Glaube und Werke

Hans Joachim Iwand schreibt über Glaube und Werke bei Luther (Glaubensgerechtigkeit, Gesammelte Aufsätze II, 1980, S. 84–86):

Gerade weil das Gesetz tötet [vgl. 2Kor 3,6], stellt es den Christus erst recht heraus als „den Tod des Todes“, als den Sieger über Tod und Hölle. Darum sagt Luther: „Die evangelische Verzweiflung, zu der das Gesetz hintreiben soll, ist nicht böse und bleibt nicht immer, sondern sie macht gleichsam Bahn für den Empfang des Christusglaubens, wie geschrieben steht: Den Armen wird das Evangelium verkündigt.“ [Jes 61, 1; Mt 11,5 par.] Die Verzweiflung an dem eigenen Tun vor Gott ist also gerade das Gegenteil von jener Verzweiflung, die den Menschen in den Untergang treibt, zu der Verzweiflung an der Vergebung der Sünden. Denn diese „Höllenfahrt der Selbsterkenntnis“, in der der Mensch erkennt, wie es um ihn steht, bringt ihm die Wahrheit. Die bittere Wahrheit über sich selbst ist der Preis, aber die selige Wahrheit über Gott ist der Lohn. Und das ist die Frage, vor die uns Luther stellt: Ob wir meinen, ohne diese beiden Wahrheiten ans Werk gehen zu können und zu sollen. Kann denn ein auch nur irgend denkbares Mehr an Leistung diesen Mangel an Wahrheit aufheben? Wird nicht in dem aus dem Wahn geborenen Werk der Wurm stecken, der es zerfrit? Wird nicht das Werk, das diese Wahrheit im Rücken hat, ein ganz anderes sein – mag es auch nach außen hin dem Gesetzeswerk gleichen wie ein Ei dem anderen? Muß nicht der aus dem Gesetz lebende Mensch immer wieder versuchen, mit seinen Werken dem Menschen ein Denkmal zu setzen, vielleicht dem frommen, dem heiligen, dem weisen Menschen – aber eben doch dem Menschen? Verdirbt nicht diese Unterschrift: Hoc ego feci – das habe ich getan -, jedes Werk? Müßte nicht der Mensch hinter seinem Werk, wenn es wirken soll, ebenso zurücktreten in die Unsichtbarkeit wie Gott, der auch hinter seinen Werken verborgen ist [vgl. Jes 45,15]? So versteht Luther das Werk des Glaubens. Es ist nicht substantiell verschieden vom Werk des Gesetzes, aber es fehlt der Ruhm, den der Mensch darin sucht [vgl. Röm 3,27]. Denn der Glaube kann nicht leben, ohne zu wirken, aber er lebt nicht davon, daß er wirkt, sondern davon, daß Gott wirkt, daß Christus „nicht müßig ist“. 

Viele Geschichten über die eine Geschichte

Die Kinderbibel Die größte Geschichte ist inzwischen in einer deutschen Ausgabe zu haben. Die Bibel erzählt eine große Geschichte, die sich um Jesus und das Evangelium dreht. Matt Smethurst hat mit dem Autor Kevin DeYoung über das Buch gesprochen:

Es gibt 104 Geschichten, je 52 im Neuen und Alten Testament. Ich habe mich bemüht, die geläufigen Geschichten einzubauen (Noah, Abraham, David, Weihnachten, Ostern), während ich auch unbekanntere Geschichten wie die von Gehasi oder der Töchter Zelophads gewählt habe. Jede Geschichte war schwerer zu schreiben als erwartet. In einem normalen Buch kommst du in den Schreibfluss und kannst 2.000 Wörter durchschreiben, wenn es gut läuft. Aber in diesem Buch brauchte jede Geschichte (mit etwa 500 Wörtern) ihre eigene Einleitung und Zusammenfassung, ihr eigenes Thema, ihren eigenen Spannungsbogen. Ich habe Kommentare gelesen und mich durch alte Predigten gearbeitet, bevor ich das Kapitel schrieb. Ich wollte die Geschichte nicht nur erzählen, sondern sie auch beibringen – und auf eine Art ist das mit Leichtigkeit verbunden, aber es umschließt auch theologische Themen und biblische Erzählstränge, die viele übersehen können. Ich hoffe, dass Erwachsene das Buch ebenso lehrreich finden wie Kinder.

Mehr: www.evangelium21.net.

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Das Studium des Neuen Testaments neu aufgelegt

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Das hilfreiche Werk Das Studium des Neuen Testaments ist beim Verlag VGTG neu erschienen. Das ist eine gute Nachricht, vor allem für Theologiestudenten und Pastoren. Tanja Bitter hat den Klassiker für Evangelium21 vorgestellt: 

Wie der Titel schon erwarten lässt, handelt es sich um ein Lehrbuch, das Theologiestudenten mit den einzelnen Schritten bzw. mit wichtigen Aspekten der neutestamentlichen Exegese bekannt macht. Die Herausgeber, Heinz-Werner Neudorfer und Eckhard Schnabel, haben dafür elf weitere Theologen mit ins Boot genommen, die jeweils einzelne Kapitel beisteuern. Das Buch ist also nicht „aus einem Guss“, sondern ein Sammelband mit Beiträgen unterschiedlicher Autoren.

Im Eröffnungskapitel vermitteln die beiden Herausgeber einen Überblick über Die Interpretation des Neuen Testaments in Geschichte und Gegenwart. Dabei verweisen sie unter anderem auf die problematischen Denkvoraussetzungen der historisch-kritischen Exegese sowie deren Ergebnisse: „Die historische Kritik hat in vielen Haupt- und Nebenfragen eine Vielfalt einander widersprechender Ergebnisse hervorgebracht“ (S. 23). Diese Erkenntnis ist durchaus in der Fachwelt angekommen (vgl. bereits Albert Schweitzers Untersuchung der Leben-Jesu-Forschung), obwohl das historisch-kritische Vorgehen nach wie vor als unverzichtbar gilt. Vor diesem Hintergrund schwankt die Auslegung mittlerweile zwischen Ratlosigkeit und Experimentiergeist. Wo sich kaum mehr etwas mit Sicherheit sagen lässt, ist der Ausleger in seiner Subjektivität gefangen und die Bibel wird zu einem Buch ohne ermittelbare Botschaft.

Demgegenüber verfolgen die Herausgeber eine Hermeneutik, „die dem Charakter der Bibel gerecht wird, … die sich der (An-)Erkenntnis Gottes des Schöpfers, Richters und Erlösers beugt und den Offenbarungsanspruch der Bibel als Wort dieses Gottes anerkennt“ (S. 25). Das schließt gründliche grammatisch-historische Forschungsarbeit nicht aus, sondern ein, denn Gott hat uns sein Wort im Kontext einer realen historischen Situation und in konkreter literarischer Form gegeben.

Mehr: www.evangelium21.net.

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The Seoul Statement

Im Rahmen des 4. Lausanner Kongresses, der Südkorea veranstaltet wurde, ist ein theologisches Statement veröffentlicht worden. Wie angekündigt, sind zwei Abschnitte zur Medienkritik enthalten, die ich hier in einer provisorischen Übersetzung wiedergebe: 

91. Wir erkennen an, dass Medientechnologien die Leichtigkeit, mit der Menschen getäuscht werden können, erhöht haben. Wir bedauern die Tatsache, dass Christen bei der Nutzung dieser Technologien nicht immer „auf geheime und schändliche Wege verzichtet“ oder der Versuchung widerstanden haben, ihr Publikum zu täuschen oder die Botschaft des Evangeliums zum persönlichen Vorteil zu verfälschen. Stattdessen müssen Christen die Menschen an die erste Stelle setzen und ihre Geschichten wahrheitsgemäß erzählen und so die Kraft des Evangeliums in ihrem Leben bezeugen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein solcher Einsatz von Medien und Kommunikationstechnologien durch die Wahrhaftigkeit untermauert wird, die in dem Evangelium selbst zu finden ist, das weitergegeben wird (2Kor 4,2).

92. Wir sind uns bewusst, dass viele Christen, insbesondere junge Menschen, von sozialen und digitalen Medien abhängig sind und von ihnen regelrecht „gejüngert“ werden, weil sie unverhältnismäßig viel Zeit mit der Nutzung solcher Technologien verbringen. Wir erkennen auch an, dass digitale Technologien zwar oft für das Wachstum der Kirche und für evangelistische Zwecke genutzt wurden, die Bemühungen, dasselbe für die Jüngerschaft zu tun, jedoch hinterherhinken. Wir rufen daher alle Kirchen und Führungskräfte dazu auf, Technologien des digitalen Zeitalters für die Jüngerschaft zu einzusetzen. Wir fordern eine treue Präsenz in digitalen Räumen, eine treue Kontextualisierung durch vernetzte Geräte, eine treue Vermittlung digitaler Kompetenzen und eine treue Praxis der Gastfreundschaft, um gesunde Nutzungsgewohnheiten zu fördern.

Hilfreich. Gerade die Betonung der Wahrhaftigkeit gefällt mir. Und doch fehlt mir eine Beschreibung der Grenzen, die uns die Technik beim Jüngerschaftstrainig setzt. Meine Meinung: Technologien können nur sehr bedingt das Jüngerschafttraining fördern. Viel wichtiger sind die Begegnungen von Angesicht zu Angesicht. Hilfreich kann dazu die Anklageschrift Wir amüsieren uns zu Tode: Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie von Neil Portman sein. Er hat schon 1985 die Grenzen der Medientechnologien deutlich benannt. 

Hier kann das gesamte The Seoul Statement eingesehen werden: lausanne.org/statement.

John Warwick Montgomery (1931–2024)

Am 25. September 2024 ist John Warwick Montgomery heimgegangen. Montgomery war nicht nur ein exzellenter Anwalt, er war vor allem ein scharfsinniger, lutherischer Apologet des christlichen Glaubens. Hohe Bekanntheit erlangte er innerhalb der christlichen Szene durch seine Konfrontationen mit Cornelius Van Til. Während Van Til als Pionier der tranzendentalen Apologetik gilt, machte sich Montgomery einen Namen als evidenzbasierte Apologet (vgl. hier).

Vor etlichen Jahren habe ich Montgomery bei der Realisation einiger seiner Buchprojekte unterstützt, darunter der Tractatus logico-theologicus, Christ as Centre and Circumference und Christ Our Advocate [#ad]. In der Zusammenarbeit mit ihm konnte ich viel lernen, vor allem Akribi.

In Erinnerung an John Warwick Montgomery möchte ich nochmals veröffentlichen (vgl. hier), wie er sich an eine Vorlesung von Karl Barth erinnerte:

Barth in Chicago

Als ehemaliges Mitglied der theologischen Fakultät der Universität von Chicago besuchte ich vom 23. bis zum 27. April 1962 die Vorlesungen und Diskussionen von und mit Karl Barth. Ich hatte beträchtliche theologische Erwartungen, verließ die Veranstaltung jedoch auf sehr zwiespältige Weise bewegt.

Positiv betrachtet kann man Barth die stärkste, klarste Darstellung des Evangeliums zuschreiben, die es an der Universität von Chicago je gegeben hat. Ohne jegliche Entschuldigung oder anspruchsvolle Sinnverschleierung predigte Barth eine treffende, auf objektive Weise Christus in den Mittelpunkt stellende Botschaft von Gottes barmherziger Annahme des sündigen Menschen durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes.

Eine solche Botschaft hätte in keinem größerem Kontrast zu Chicagos theoogischer Fakultät stehen können, die ihrer „Divinity School“ schon in frühen Zeiten der Universitätsgeschichte durch ihre sozialgeschichtliche Interpretationsmethode des Christentums einen Namen gemacht hatte. Diese Methode wurde hauptsächlich von Shailer Mathews, Shirley Jackson Case, G.B. Smith, und J.M.P. Smith entwickelt und vertritt im wesentlichen die Meinung, dass
„Religion vor allem ein Phänomen des sozialen Erlebens eines bestimmten kulturellen Zeitalters“ ist, so die Bescheibung eines derzeitigen Mitgliedes des theologischen Fachbereiches, Bernard Meland. Barths Auffassung zufolge, die sich durch seine Kirchliche Dogmatik hindurch zieht, dürfe man das Christentum nie als „Religion“ in diesem Sinne bezeichnen, denn letztendlich ist es nicht das Produkt sozialer Erfahrungen des Menschen, sondern vielmehr das Ergebnis des offenbar gewordenen Wirkens des Wortes Gottes. Als Antwort auf eine Diskussionsfrage, gestellt von Schubert Ogden (ehemals tätig an der SMU und nun ebenfalls an der Universität von Chicago), entgegnete Barth:

Es ist stets eine meiner primären Absichten gewesen, die Eigenständigkeit der Theologie gegenüber der Philosophie und somit auch gegenüber dem zugehörigen Feld der Religion deutlich zu machen.

In einem theologischen Umfeld, das beständig von einer Verwirrtheit im Bezug auf besondere und allgemeine Offenbarungen geprägt ist, erschien Barth wie ein wiedererstandener George Fox, der ausruft „Wehe dir, elende Stadt Chicago“.

Doch unglücklicher Weise scheint die Wirkung der Verkündigung Baths durch seine andauernde Vernachlässigung angemessener erkenntnistheoretischer Theologie teilweise zunichte gemacht. Dieses Problem wurde von Jakob Petuchowski, einem Mitglied des „Hebrew Union College“, aufgegriffen, der in aller Aufrichtigkeit fragte, ob das Herantragen des christlichen Evangeliums an die Juden nicht das Einbeziehen eben jener textuellen und historischen Annahmen fordere, die Barth für gewöhnlich als irrelevant in Bezug auf die zentrale Verkündigung des Christus abwertet. Dieser Sachverhalt wurde umso schmerzhafter deutlich, als Edward John Carnell, ein neo-evangelikaler Vertreter, folgende Frage an Barth richtete: „Inwiefern bringt Dr. Barth seinen Standpunkt, dass die Schrift das objektive Wort Gottes ist, mit seiner Annahme, dass die Schrift mit Fehlern besudelt ist, theologisch, historisch oder sachlich in Einklang?“ Barth verbat sich zu Recht den Gebrauch des Ausdruckes „besudelt“ im Bezug auf seine Position, seine Antwort griff jedoch nicht den Kern der Frage auf, nämlich den Gegenstand angeblicher „theologischer Fehler“ in der Schrift. Dass Barth genau das frei heraus anerkennt, wurde in seiner Antwort auf eine andere Frage Carnells deutlich. Carnell stellte Barths Ablehnung, die ontologische Existenz des Teufels anzuerkennen, in Frage, und bezog sich in diesem Zusammenhang auf das bekannte Zitat Billy Sundays: „Aus zwei Gründen glaube ich daran, dass der Teufel existiert: Erstens, weil die Bibel es sagt, und zweitens, weil ich schon mit ihm zu tun hatte“. Barth konterte, dass die Einstellung Jesu und der Schreiber der Evangelien hinsichtlich der Existenz des Teufels nicht Grund genug sei, diese zu bejahen; eine Aussage die ihm Applaus von Seiten der Divinity School einbrachte.

Keine 20 Minuten später jedoch stellte Barth eine sehr detaillierte (und tadellose) Analyse der exakten Bedeutung des griechischen Ausdrucks „hypotassesthai“ in Römer 13,5 vor, und deutete an, dass dieser Abschnitt das „bewusste Mitwirken an gesellschaftlichen Ordnungen“ für den Christen zur Pflicht mache. Aber wieso sollte man sich bemühen, irgendein neutestamentliches Wort auf seine vollständige theologische Bedeutung hin auszulegen, wenn die eindeutige Position des Evangeliums zur Existenz des Satans schlichtweg abgetan werden kann? In gleicher Weise bot Barth in seinem abschließenden Vortrag über den Heiligen Geist keine Erörterung der Gegenwart des Geistes dar, sondern lediglich das vage Bild „menschlicher Freiheit“, denn „der Wind weht, wo er will“. Doch der Gebrauch der physischen Analogie erfordert die Fähigkeit, objektiv zwischen einer mit Kohlenstoffdioxid durchdrungenen Atmosphäre und einer, die mit Kohlenstoffmonoxid verunreinigt, ist zu unterscheiden.

Nicht-Christen auf der Suche nach Wahrheit, die sich im akademischen Publikum befanden, konnten nicht viel anders, als daraus zu schließen, dass es letztendlich Barths persönliche Vorliebe ist, die für ihn theologische Wahrheit ausmacht – und, dass sie somit jedes Recht dazu hatten, „seine“ Theologie lediglich als eine weitere Möglichkeit unter den zahlreichen existierenden Behauptungen unserer Zeit, von Alan Watts Zen hin zu Satres Existenzialismus, zu sehen.

Barths Vorträge in Chicago wiesen dieselben Stärken und Schwächen auf, die sich auch in seinem epochalen Kommentar zum Römerbrief von 1919 wiederfinden: starke Verkündigung, aber die Weigerung, die Quelle dieser Verkündigung erkenntnistheoretisch zu rechtfertigen. Aber in einer Zeit, in der ein Mangel an mutiger, kerygmatischer Verkündigung herrscht, sollte Barths Einsatz nicht abgewertet werden. Die Hymne Mozarts, die für die Eröffnungsfeier der Vortragsreihe ausgesucht worden war, hatte einen passenden Liedtext: „Laudate Dominum, Quoniam confirmata est supernos misericordia ejus, et veritas Domini manet in aeternum …“ [„Lobet den Herrn, denn seine Barmherzigkeit ist befestigt über uns und die Wahrheit des Herrn bleibt in Ewigkeit …“].

Prof. Dr. Dr. John Warwick Montgomery

Die Übersetzung und Wiedergabe des Beitrages erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzt wurde der Text freundlicherweise von Daniela Stöckel. Der originale Beitrag stammt aus dem Buch: John Warwick Montgomery, The Suicide of Christian Theology, Newburgh, IN: Trinity Press, 7. Aufl. 1998, S. 191–193.

Eduard Thurneysen: Die enge Pforte

Kürzlich habe ich hier auf eine Konferenz zu Eduard Thurneysen verwiesen. In den THEOLOGISCHEN BEITRÄGEN (Ausgabe 24/4, Jg. 55, August 2024, S. 218–226, hier S. 225) bin ich nun noch auf eine Predigt zu Lukas 15,3–7 von Thurnseysen gestoßen, die einen sehr herausfordernden Abschnitt enthält. Kurz: Das Christentum und die Kirche stecken nicht erst heute in der Krise.

Thurneysen predigte 1920: 

Wir sind schon, ob wir es wissen oder nicht, an den Rand hinausgedrängt, wo es zu Ende geht mit allem Menschenwitz. Wir sind schon tief hineingeführt in Unsicherheit und Erschütterung und Untergang. Unsere Zeit steht ja mitten drin. Was wollen wir noch lange Umschweife machen und Auswege suchen? Wir müssen hindurchgehen durch den Zusammenbruch. Wir müssen die Augen auftun und aufrichtig werden.

Wir müssen uns vor die Einsicht stellen: nur Gott kann noch helfen! Also wollen wir es tun. Also gehen wir diesen Weg, nicht dumpf und widerwillig, sondern als solche, die wissen: gerade dieser Weg, der Weg durch die Tiefe führt zum Ziel, aus dem Ende wird der neue Anfang geboren. Wo es zu dieser Aufrichtigkeit, dieser Demut, diesem Mut, dieser Buße kommt, da hilft Gott. Da ist nicht dumpfes Zugrundegehen, Modergeruch und Verwesung, sondern alsbald Morgenrot eines neuen Tages, der der Nacht ein Ende macht. Da zieht an das Verwesliche das Unverwesliche und das Sterbliche das Unsterbliche. Da sterben wir, aber siehe, wir leben! Da ist man freilich auf dem Grunde angelangt. Aber gerade wenn man auf den Grund kommt, findet man wieder festen Boden unter den Füßen. Oder gibt es einen festern Boden als die Gewißheit: nur Gott kann helfen, aber er kann helfen!? Dieses einfache Sätzlein will wieder wahr werden mitten in den Stürmen unsrer Zeit. Dazu sind sie über uns gekommen, dazu stehen wir draußen am Rande des Todes, im Untergang des Abendlandes.

Laßt uns die Zeichen der Zeit verstehen und darum ringen, daß Gottes neuer Boden uns unter die Füße komme. Laßt uns Buße tun! Wir wollen endlich, endlich zugeben, was wir schon lange wissen: es bedarf nicht eines neuen religiösen Auttriebes, nicht noch vermehrter kirchlicher Geschäftigkeit, nicht einer noch schlangenklugeren Auflage der alten Theologie, aber zu einem ganz neuen Fragen nach Gott muß es kommen. Es fehlt unserem Christentum nicht nur irgendwo am Rande, an der Außenseite, etwa an der Organisation und Technik seiner Kirchen, das Loch ist im Zentrum, es fehlt am lebendigen, kräftigen, heilenden und vergebenden, herausführenden und erlösenden Lebenswort Gottes. Darnach muß wieder gesucht werden von uns allen.

Deshalb braucht es nicht beredtere, gewandtere, gebildetere Pfarrer, aber, sagen wir kurz, demütigere Pfarrer, Theologen, denen es wirklich um Gotteserkenntnis zu tun ist, und denen es darum auch wenig ausmacht, um ihres aus dieser Erkenntnis fließenden und darin gegründeten kühnen, kindlichen, in den Himmel greifenden Glaubens willen die „Dümmlinge der menschlichen Gesellschaft“ zu heißen. Und nicht Gemeinden braucht es, die von ihren Predigern immer gesteigerte Leistungen verlangen, weil sie nie genug bekommen an Andacht, Erbauung und geistreichen Worten, aber Gemeinden, die mit eintreten in das Ringen um das lebendige Wort Gottes, die mitleiden unter der innern Not des Christentums und mithoffen auf den anbrechenden Gottestag der Hilfe. Es braucht gerade das, was wir heute so tief beklagen möchten: den Bankrott der Kirche, das an die Wandgepreßtsein des „Christentums“, den Stillstand unserer Missions-, unster Vereins- und Liebeswerke, den Zusammenbruch unsrer Lebensreformen, das Mißlingen unsrer Weltallianzen, damit endlich wir selber stillestehen vor Gott, damit es endlich in unsre Ohren kommen kann, was er geredet hat: „Ich bins, der Gerechtigkeit lehrt und ein Meister ist, zu helfen. Ich trete die Kelter allein und ist niemand unter den Völkern mit mir.“ 

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„Defekte Debatten“

Die Philosophin Svenja Flaßpöhler, Chefredakteuerin beim PHILOSOPHIE MAGAZIN, hat sich kürzlich in einem WELT-Interview sehr klug zur medialen Debattenkultur in Deutschland (und anderswo) geäußert. Es gehe nicht mehr darum, der Vernunft und dem besseren Argument zu folgen, sondern darum, bestimmte Positionen im Sinne eines Kampfes durchzusetzen und dabei in Kauf zu nehmen, dass Gesprächsteilnehmer vernichtet werden.

Zitat: 

Die Philosophin Elsa Dorlin beschäftigt sich in ihrem Buch „Selbstverteidigung“ mit Folterinstrumenten, die so gebaut sind, dass der Gefolterte sich umso mehr verletzt, je mehr er strampelt und zu überleben versucht. Unfaire Streitsituationen sind strukturell ähnlich: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich als Subjekt auflöse, je mehr ich auf meiner Position beharre, je mehr ich mich behaupte. Die einzige Methode, mit der ich damals sozial überleben konnte, hieß: stillhalten. Eigentlich unerträglich für mich, aber womöglich hat es mich vor der Alternative bewahrt, die leider auch häufig ist: Dass Leute, die in eine Ecke gestellt werden, sich radikalisieren. Je aussichtsloser sie sich verteidigen, desto stärker finden sie nur noch in extremen Kreisen Anerkennung.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

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Sexroboter im Anmarsch

Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verwischen mehr und mehr, auch im Raum der Sexualität. Sexroboter sind im Anmarsch. Das erfolgreichste Produkt, Harmony X vom amerikanischen Anbieter Real Dolls, kostet rund 8000 Dollar. Die Website Bedbible meldet, es werden bereits rund 150 Sexroboter am Tag verkauft. Und laut dem Fraunhofer-Institut würde jeder fünfte Deutsche gern Sex mit einem Roboter haben. 

Ein ethische Herausforderung. Ich unterstütze die Position von Kathleen Richardson:

Indem man Menschen davon überzeugt, dass sie eine bedeutungsvolle Beziehung zu einem Stück Plastik entwickeln können, stellt man Menschen und Dinge auf eine Stufe. Dass es zwischen Menschen und Eigentum keinen Unterschied gibt, ist aber die Philosophie der Sklaverei. Diese Idee wird durch solche Technologien derzeit gerade wiederbelebt. Das ist eine ernste Gefahr, die wir als Gesellschaft angehen müssen. Deshalb habe ich die „Kampagne gegen Sexroboter“ gegründet.

Passender ist eigentlich der Begriff „Pornoroboter“. Sie sind eine pornographische Darstellung einer Frau, weswegen sie auch unter die entsprechenden Regeln fallen sollten. Das heißt, dass man sie an öffentlichen Plätzen und in der Nähe von Kindern verbietet. Ich würde es gut finden, wenn derartige Technologien sozial abgelehnt würden. Denn Sexroboter sind das Nebenprodukt einer Kultur, in der Menschen so enorm viel Pornographie konsumieren, dass es ihre emotionale und soziale Funktionsweise stört. In einer Welt, in der die Menschen mehr Zeit miteinander verbringen und harmonische Beziehungen untereinander pflegen, wären Sexroboter überflüssig. Ich plädiere deswegen für eine Politik der Liebe. Liebe ist ein biologisches Bedürfnis, angefangen bei der Bindung an die Mutter. Die Beziehungen, die Menschen zu Robotern entwickeln, bedeuten aber das Ende der Liebe. Durch die Hinwendung zu solchen Objekten wenden wir uns von unseren Mitmenschen ab. Roboter produzieren Menschen mit gestörten Bindungserfahrungen. Als hätten sie alle Hoffnung auf eine Beziehung zu einem menschlichen Wesen aufgegeben. So wird aus dem Elend der Menschen nur Geld gemacht.

Manche Leute argumentieren, dass Roboter als Ventil für schädliches Verhalten genutzt werden könnten. Etwa für Pädophile, die einen kleinen Roboter vergewaltigen sollen, der wie ein Kind aussieht. So ein Vorschlag belegt den Verfall unserer moralischen Standards. Die Gesellschaft sollte keine Artefakte produzieren, die zu diesem potentiellen Missbrauch beitragen könnten. Kinder müssen für Erwachsene tabu sein. Diese Grenze müssen wir immer aufrechterhalten.

Mehr: www.faz.net.

Ist der Papst häretisch?

Zwischen einem lockeren Gespräch und theologischen Verlautbarungen zu unterscheiden, ist eine gute Sache. Trotzdem finde ich es beunruhigend, mit was für einer Selbstverständlichkeit Redakteur Guido Horst den amtierenden Papst Franziskus verteidigt, der kürzlich wieder davon sprach, dass alle Religionen zu Gott führen und jeder Mensch ein Kind Gottes ist. Wie kann ich einem Papst vertrauen, der dies offensichtlich glaubt und dennoch hinter den Dekreten der Kirche stehen muss? Furchtbar! Zumal solche Äußerungen ja keine Versehen sind (vgl. hier und hier).

Trotzdem meint Guido Horst:

Auf Deutsch klingt der entscheidende Satz von Franziskus auf der offiziellen Homepage des Vatikans so: „Alle Religionen sind ein Weg, um zu Gott zu gelangen. Sie sind – ich mache einen Vergleich – wie verschiedene Sprachen, verschiedene Idiome, um dorthin zu gelangen. Aber Gott ist Gott für alle. Und weil Gott der Gott für alle ist, sind wir alle Kinder Gottes.“

Ja, kann man missverstehen. Besonders dann, wenn man Papst Franziskus schon seit geraumer Zeit böse Absichten unterstellt. Die „sprungbereite Feindseligkeit“, über die sich schon Benedikt XVI. beklagte, muss Franziskus besonders aus dem Lager der Konservativen und Traditionalisten erfahren. Aber bitte: einmal durchatmen und sich abregen – es war nur ein Gespräch! Kein theologischer Vortrag und erst recht kein „ex-cathedra“-Spruch. Zumal Franziskus kein Theologe, sondern ein Mann der Seelsorge ist. Er hat mit mehreren Jugendlichen gesprochen – so wie vielleicht vier vernünftige Leute in einem Zugabteil sitzen, feststellen, dass ein Hindu, ein Christ, ein Muslim und ein Buddhist zusammen sind, und anfangen, über das Miteinander der Religionen zu reden. Da wird der Christ auch nicht aufstehen und die anderen ultimativ zu Bekehrung und Taufe auffordern. 

Mehr: www.die-tagespost.de.

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