Der dritte Teil der DLF-Serie über Johannes Calvin ist besser als der Titel vermuten lässt. Zum Einstieg wird Calvins Brief an Simon Grynäus zitiert, indem er sich sehr lobend über Martin Bucer äußert. Neben seiner Ehe wird der Abendmahlsstreit angesprochen. Viel Raum bekommt Calvins exzellentes Antwortschreiben an Kardinal Sadolet von 1539. Calvins Vorbehalte gegenüber einem zweiten Dienst in Genf werden treffend dargestellt.
Freilich wird im letzten Drittel Calvin die obligatorische Fundamentalismusschelte verabreicht. Zwar gibt es gute Gründe, die Rigorosität, mit der damals in das Leben der Städter eingegriffen wurde, infrage zu stellen. Festzuhalten ist aber auch, dass Calvin entschieden an der Unterscheidung zwischen dem irdischen und geistlichen Regiment festhielt (vgl. besonders Institutio, IV, Kapitel 20) und gleichzeitig die Erneuerung des geistlichen Lebens die Stadt Genf zur politischen und wirtschaftlichen Blüte führte. Philip Benedict resümiert in seinem Aufsatz über die Umgestaltung Genfs (Philip Benedict, „Calvin und die Umgestaltung Genfs“, in: M.E. Hirzel u. M. Sallmann (Hg.), 1509 – Johannes Calvin – 2009: Sein Wirken in Kirche und Gesellschaft, Theologischer Verlag Zürich, 2008, S. 26):
In weniger als drei Jahrzehnten hatte sich das gespaltene, recht unbedeutende regionale Handelszentrum Genf in eine Stadt verwandelt, die für ihre Bewunderer in ganz Europa wegen ihrer Gesetze und Kircheninstitutionen ein Vorbild war; von Freund und Feind wurde sie als bedeutendster Ausgangspunkt für die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung Europas anerkannt. Die Genfer Bevölkerung hatte sich verdoppelt, die Wirtschaft hatte eine Belebung erfahren. Vor allem aber hatte sich der Charakter der Stadt verändert. Verschiedene Eigenschaften Calvins helfen erklären, wie er einen so grossen Einfluss auf die Stadt, in der er sich immer als Fremder fühlte, ausüben konnte: sein juristisches Fachwissen; seine aussergewöhnlichen Bibelkenntnisse; was seine frühesten Biographen seine „wahrhaft prophetische Vehemenz“ nannten — die er auch in Disputen von Angesicht zu Angesicht über Fragen der Bibel oder des Rechts nicht bändigte, deren Ausgang so kritisch war, wenn Schlüsselthemen der Theologie oder der Kirchenorganisation diskutiert wurden —; das Ansehen, das er in anderen protestantischen Städten der Umgebung genoss und das er mobilisieren konnte, wenn lokale Stimmen ihn in Genf herausforderten. Es ist aber vor allem sein starkes Vertrauen, dass die von ihm vertretenen Ansichten nichts anderes darstellten als das reine Wort Gottes, verbunden mit seiner tiefen Furcht, dass das geringste Zugeständnis einer zügellosen Unordnung Tür und Tor öffnen könnte, das ihn dazu führte, auf seinem Standpunkt zu beharren, wenn man seine Lehren herausforderte.
Hier der DLF-Mitschnitt:
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