Christoph Strohm sagt über die Hermeneutik von Calvin in: „Johannes Calvin: Institutio Christianae Religionis, Buch I, Kap. 6–9“, in: Oda Wischmeyer (Hrsg.), Handbuch der Bibelhermeneutiken: Von Origenes bis zur Gegenwart, Berlin, Boston: De Gruyter, 2016, S. 363–370, hier S. 367):
Die reformatorische Grundentscheidung, dass Gott spricht und sein Wort in der Heiligen Schrift greifbar wird, steht im Zentrum der Theologie Calvins. Der Theologe hat dieses Wort einfach, verständlich, methodisch geordnet und auf die lebensgestaltendeWirkung ausgerichtet zur Sprache zu bringen. Theologie ist darum nichts anderes als Darlegung der himmlischen Lehre, die auf praktische Anwendung in Gestalt von fides, religio, pietas und aedificatio ecclesiae zielt.
Calvin hebt vielfach hervor, dass die himmlische Lehre die Grundlage und den einzigen Maßstab wahrer Theologie bildet. Sie ist nirgendwo anders als in der Heiligen Schrift zu finden. Niemand kommt auch nur zum geringsten Verständnis rechter und heilsamer Lehre, ohne Schüler der Schrift zu sein. Diese apodiktischen Aussagen richten sich gegen die frivolen und absurden Lehren der Philosophen, die sich mit ihrer Lehre und Rationalität („doctrina et ratio“) in den Himmel aufzuschwingen suchen. Die caelestis doctrina trägt stets ihren himmlischen Ursprung in sich und verrät nichts Irdisches. Sie ist in sich widerspruchsfrei, alle Teile stimmen miteinander überein. Es ist konstitutiv für sie, dass sie Gewissheit schafft und nicht folgenlos bleiben kann.