Die Klarheit der Schrift bei Johannes Calvin

Alexandre Ganoczy und Stefan Scheld schreiben über die Klarheit der Schrift bei Johannes Calvin (Die Hermeneutik Calvins: geistesgeschichtliche Voraussetzungen und Grundzüge, 1983, S. 96–98):

Weil die Schrift durchsichtig, hell und klar ist, kann es keinen Zweifel an ihrer Wahrheit geben. Die ganze Schrift durchzieht nämlich im Grunde nur ein einziger Skopus bzw. Sinn: Jesus Christus. Das Alte Testament verheißt ihn; im Neuen Testament tritt er direkt in Erscheinung. Dies ist auch der Grund, warum Calvin übereinstimmend mit Bucer sagen kann, die Offenbarung Gottes im Alten und Neuen Bund sei in ihrem Wesen identisch. An der Einfachheit, Deutlichkeit und Klarheit der Epiphanie Gottes zu zweifeln, würde somit dem gesamten Duktus der Wortoffenbarung im Alten und Neuen Bund widersprechen. Gott hat sich in seinem Wort, das er den Urvätern und Propheten mitteilte und das er in Jesus Christus unüberbietbar und unüberhörbar ausspricht, in die Niederungen menschlichen Fleisches begeben. Er paßt sich unserem Verständnisvermögen an und handelt wie ein guter Pädagoge. Um allen Menschen einen Zugang zu seinem Wort zu verschaffen, äußert er sich sowohl in kunstvoller und gehobener Sprache als auch in einfacher und schlichter Rede.

Entsprechend bunt ist das Erscheinungsbild der biblischen Autoren. David, Salomon und Jesaja können als Dichterfürsten gelten, und auch Paulus und Lukas zeichnen sich durch Bildung aus, während sowohl die Propheten Amos, Jeremia, Sacharja als auch die Apostel Petrus, Johannes und Matthäus einfache Menschen waren.

Es kann daher nur ein Vorwand für mangelnde Verständnisbereitschaft sein, wenn behauptet wird, die Schrift sei dunkel oder ein Labyrinth. Calvin gibt zwar zu, daß es einige unklare Stellen in der Schrift gibt, aber diese sollen doch nicht dazu veranlassen, das Wort Gottes pauschal der Unklarheit zu bezichtigen. Gott spricht nämlich niemals ohne Grund und Zweck und enthüllt zu seiner Zeit den Sinn seiner Rede, wenn seine Worte im Herzen bewahrt werden.

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Helge Beck
3 Jahre zuvor

Klarheit ist essenziell wichtig. Die Menschen wollen verstehen und verstanden werden.

„Die Schrift“ eben nicht durchsichtig hell und klar. Es ist ja noch nicht mal klar was „die Schrift“ eigentlich umfasst.

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