Heinrich Bullinger war ein Reformator der zweiten Generation, der als Nachfolger Zwinglis in Zürich wirkte. Ihn besonders auszeichnende Eigenschaften waren Fleiß, Ausdauer und Disziplin. Und natürlich liebte er das Wort Gottes, die Wissenschaft, seine Familie und die Kirche.
In dem Artikel „Carpe diem“ zeichne ich nach, wie hart der Pastor gearbeitet hat und dass wir noch heute von ihm viel lernen können:
Dabei hat Zwinglis Schüler kein stilles Schriftstellerleben geführt. Familie und Pastorat verlangten von ihm Außergewöhnliches ab. Bullinger wollte seine Familie immer in seiner Nähe haben. Er sorgte deshalb dafür, dass seine Frau Anna und die elf Kinder beim Großmünster, seinem Arbeitsplatz, lebten. Den akribischen Aufzeichnungen im Diarium, eine Art Tagebuch, ist zu entnehmen, dass er nach seiner Berufung zum Antistes der Züricher Kirche von der Predigtlast fast erdrückt worden ist. Bullinger predigte wöchentlich bis 1538 sechs bis acht Mal. Er setzte sich gründlich mit der ganzen Schrift auseinander und legte das gesamte Neue Testament und weite Teile des Alten Testaments aus.
Wie gelang es Heinrich Bullinger, trotz dieser enormen Belastungen so viel zu schreiben?
Ein Schlüssel zum Verständnis dieser Produktivität ist seine Abneigung gegenüber allem Müßiggang. In seiner 1527 verfassten Anweisung zum Studium (Studiorum ratio) hat er, damals noch ein junger Mann, auf Anfrage eines älteren Freundes beschrieben, wie im humanistisch-reformatorischen Geiste studiert wird. Er erklärte: „Der berühmte Plinius Secundus aus Como, der seine Zeit aufs begierigste auskostete, hielt nichts für schlimmer als Zeitverlust, und er sagte, all diejenige Zeit, die nicht für wissenschaftliche Betätigung aufgewendet werde, sei verlorene Zeit.“
Höchstwahrscheinlich kannte Bullinger den Spruch des Plinius (61/62–113/115 n. Chr.) von dem Humanisten Erasmus (1466/67/69–1536). Dieser hat sich gern auf jenen berufen, um seine Schüler zum Fleiß anzustiften. Das Bedauern über verschwendete Zeit ist unter den Gelehrten und Reformatoren des 16. Jahrhunderts ein Gemeinplatz. Der Straßburger Reformator Martin Bucer (1491–1551) sagte über ihre Strebsamkeit: „Sie hassten den Müßiggang und die Kleinigkeiten; vor dem Zeitverlust hatten sie Angst.“
Mehr: www.evangelium21.net.
Könnte es einfach auch sein, daass H Bullinger sehr begabt war und ein hohes Maß mitbekommen hat?
Muss jeder überproduktiv sein?
Ist Leistung ein Gradmesser .. für … ?
Wofür?
@Jutta: Bullinger war gewiss außergewöhnlich begabt und wir sollten uns gerade nicht mit ihm messen. Deshalb habe ich im Text auch geschrieben:
Liebe Grüße, Ron
Vielen Dank für den spannenden Einblick!
Ich habe mal den Wikipedia-Artikel zu „Carpe diem“ gelesen. Da wird beschrieben, dass „Carpe diem“ aus einem Gedicht des römischen Dichters Horaz stammt und ursprünglich hedonistisch gemeint war („Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!“, https://de.wikipedia.org/wiki/Carpe_diem)
Weißt du, ob Bullinger, oder andere Reformatoren/Theologen etwas über das christliche Verständnis des Begriffs „Carpe diem“ geschrieben haben?
@Timo: Horaz versteht „carpe diem“ als Aufforderung, nichts in diesem irdischen Leben zu verpassen. Wir dürfen uns sicher sein, dass die Christen das „carpe diem“ sehr anders verstanden haben und verstehen. Horaz sucht den Sinn des Lebens und die Wahrheit ganz im Menschen. Das ist bei jenen, die an Jesus Christus glauben, hoffentlich anders. Das christliche „carpe diem“ verbindet sich mit dem „memento mori (lat. „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“; Ps 90,12), aber eben auch mit Mt 6,33. Die Freude über die täglichen Gaben, die Gott schenkt, ist aber ebenfalls sehr christlich.
Liebe Grüße, Ron