Apologetik

„Der Islam ist nicht gewalttätig“

Dass Papst Franziskus der innerchristliche und interreligiöse Dialog ein Herzensanliegen ist, wird ihm kaum jemand absprechen wollen. Anfang des Jahres ging er in einer Videobotschaft sogar so weit, dass er die beachtlichen Unterschiede zwischen den Religionen auf eine mystische Liebesethik reduzierte. Die Menschen, so sagte er, erfahren Gott auf unterschiedliche Weise, die in der Vielfalt der Religionen zum Ausdruck kommt. Ich zitiere: „Wir alle sind Kinder Gottes!“

Obwohl ich diese Gleichmacherei vehement ablehne, bin ich freilich dankbar, dass Franziskus in diesen Zeiten religiös mitbegründeter Spannungen und Kriege verbal abrüstend daran erinnert, dass die Konflikte mit Gewalt nicht zu lösen sind.

Wie sind sie aber dann zu lösen? Ich glaube nicht daran, dass es den Frieden fördert, wenn wir die Ideen, die hinter der Gewalt stecken, gegen Kritik immunisieren. Ganz im Gegenteil meine ich, dass das Ringen um die Wahrheit auch in den religiösen Dingen wiederbelebt werden muss.

Deshalb ärgert es mich, wenn Papst Franziskus, der selbst gern vor pauschalen Verurteilungen warnt, in seiner Friedensethik Gleichmacherei betreibt. Während seines Rückflugs vom Weltjugendtag in Krakau hat er sich erneut den Fragen der Journalisten gestellt. Er warnte – völlig berechtigt – davor, den Islam schlechthin als terroristisch zu bezeichnen. ZEIT ONLINE berichtet weiter:

Jede Glaubensrichtung habe radikale Anhänger, sagte Franziskus. „Wenn ich über islamische Gewalt spreche, dann muss ich auch über christliche Gewalt sprechen“, sagte der Papst. „In fast jeder Religion gibt es immer eine kleine Gruppe von Fundamentalisten – bei uns auch.“ Wenn er die Zeitungen lese, sehe er „jeden Tag Gewalt in Italien“, sagte Franziskus. „Der eine tötet seine Freundin, der andere tötet seine Schwiegermutter, und das sind alles getaufte Christen.“

Nun gab und gibt es leider auch christlich begründete Gewalt. Doch dieser Vergleich hinkt beträchtlich. Die islamistische Gewalt müssen wir ertragen, weil die Täter sich auf ihre Religion berufen (können). Die christliche Gewalt, die Franziskus in Italien findet, erleben wir, obwohl die Täter getauft sind. Das ist ein großer Unterschied.

Dass Franziskus zur Erklärung des islamistischen Terrorismus auf die Perspektiv- und Arbeitslosigkeit verweist, überzeugt ebenfalls kaum. Es wird stimmen, dass solche Faktoren Radikalisierungsprozesse beschleunigen. Erklären können sie diese aber nicht. Soweit ich weiß, gibt es jedenfalls keine Szene arbeitsloser Christen, die mit dem Dschihadismus vergleichbar ist. Ein Neonazi wird nicht Neonazi, weil er arbeitslos ist, sondern weil er einer finsteren Ideologie oder Menschen, die diese Ideologie verinnerlicht haben, vertraut.

Letztlich sind es eben doch Ideen, die Konsequenzen haben. Diese Ideen können wir weder mit Waffen noch mit Gleich-Gültigkeit bekämpfen. Wir müssen sie genau unter die Lupe nehmen. Wir brauchen Respekt und Wahrheit!

Zehn Dinge, die du über Francis Schaeffer wissen solltest

Bei Evangelium21 ist ein Beitrag von William Edgar, Professor für Apologetik am Westminster Theological Seminary in Philadelphia (USA), erschienen. Es heißt dort:

10 things schaeffer teaser

In den frühen 50er Jahren erlebte Francis eine tiefe, aufwühlende geistliche Krise. Während er beständig für die richtige Lehre eingetreten war und sie verteidigt hatte, sah er, wie sein eigenes geistliches Leben mit der Zeit verdorrte. Das brachte ihn dazu, angefangen bei den Grundlagen, alles noch einmal zu durchdenken.

Er ging aus der Krise hervor mit einem neuen Bewusstsein dafür, dass der christliche Glaube wirklich Realität ist. Er fragte seine Frau Edith einmal, ob es in ihrem Leben irgendeinen Unterschied machen würde, wenn alle Stellen in der Bibel über den Heiligen Geist und das Gebet gestrichen würden. Sie kamen zu der Einschätzung, dass es keinen Unterschied machen würde. Deshalb entschlossen sie sich zu einer neuen Abhängigkeit von der Realität des Geistes Gottes und des lebendigen Gebets.

Mehr: www.evangelium21.net.

 

Blaise Pascal. Briefe I: Die private Korrespondenz

Nachfolgend eine Rezension zu:

Blaise Pascal. Briefe I: Die private Korrespondenz

517rS5pF3sL SX309 BO1 204 203 200Der französische Mathematiker, Theologe und Philosoph Blaise Pascal (1623–1662) gilt als Wunderknabe. Als Zwölfjähriger überraschte er seinen Vater, indem er auf dem Küchenboden selbständig die ersten 32 Lehrsätze der euklidischen Geometrie herleitete. Im Alter von 19 Jahren erfand er die erste mechanische Addiermaschine. Sieben Jahre später stellte er bereits den Pascalschen Satz auf, der besagt, dass in Flüssigkeiten der Druck gleichmäßig in alle Richtungen verteilt wird. Überdies gilt er heute als Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Pascals Vater unternahm viel, um seine Kinder zu fördern. Er selbst erlitt 1646 auf einer Reise eine schwere Verletzung, so dass er mehrere Monate ans Bett gefesselt war. In dieser Zeit kümmerten sich zwei gläubige Christen fürsorglich um ihn. Sie waren es, die die gesamte Familie mit dem sogenannten Jansenismus bekannt machten. Der Name geht auf Cornelius Jansen (1585–1638) zurück. Jansen stand unter dem Einfluss von Augustinus und lehrte, dass ein Sünder keinen Einfluss auf seine Erlösung habe, sondern ganz dem göttlichen Gnadenwillen ausgeliefert sei. Die erweckliche Bewegung breitete sich in Frankreich und den Niederlanden innerhalb der katholischen Kirche aus. Besonders die Jesuiten nahmen jedoch daran Anstoß und bekämpften die Be­wegung entschlossen.

Die Bekanntschaft mit dem Jansenismus löste bei Blaise Pascal eine erste Bekehrung aus. Etliche Jahre später folgte ein Erweckungserlebnis, das auch als zweite Bekehrung bezeichnet wird. Nach einem schweren Unfall mit seiner mehrspännigen Pferdekutsche, den wie durch ein Wunder alle Beteiligten überlebten, wurde ihm am 23. November des Jahres 1654 plötzlich klar, dass Gott sein ganzes Herz wollte. Nach seinem Tod entdeckt sein Diener ein in seinem Rock eingenähtes „Mémorial“. Dort steht geschrieben: „… Das ist aber das ewige Leben, da sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Jesus Christus! Jesus Christus! Ich habe mich von ihm getrennt, ich habe ihn geflohen, mich losgesagt von ihm, ihn gekreuzigt. Möge ich nie von ihm geschieden sein. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man ihn bewahren. Vollkommene und liebevolle Entsagung …“ (B. Pascal, Pensées, 1937, S. 248). Von diesem Tag an zog sich Pascal zurück und widmete sich überwiegend geistlichen Aufgaben.

Pascal arbeitete an einer Verteidigung des christlichen Glaubens und machte sich ungefähr von 1657 an Notizen dazu. Er konnte das Werk allerdings nicht mehr fertigstellen. Pascal war von Kindheit an schwächlich und konnte seit seinem 18. Lebensjahr keinen Tag ohne Schmerzen genießen. Am 19. August 1662 starb er jung im Alter von 39 Jahren. Die Fragmente seiner Arbeit erschienen nach seinem Tod als Les Pensées (dt. ‚die Gedanken’) und sind bis heute vielgelesene und geschätzte apologetische Texte.

Zur großen Freude der Pascal-Leser ist 2015 der erste Band einer vierbändigen Briefausgabe in deutscher Sprache erschienen. Der erste Band umfasst 22 Briefe und Brieffragmente aus den Jahren 1643–1660/61. Pascal nutzte Briefe als literarische Stilmittel, für den wissenschaftlichen Gedankenaustausch sowie die persönliche Korrespondenz.

Der erste Band der Reihe enthält private Briefe. Zunächst 9 an die Familie gerichtete Schreiben. Darunter ist auch sein wohl berühmtester Brief, ein Trostschreiben an die Familie Périer vom 17. Oktober 1651. Aus Anlass des Todes seines Vaters stellt Pascal darin „allgemeine Betrachtungen über Leben, Krankheit und Tod an, sofern sie aus christlicher Perspektive aus Gottes Hand genommen werden können“ (S. 25). Ein berückendes Schreiben zur Verherrlichung der Größe Gottes. Der Philosoph stellt der trostarmen Vorstellung, der Lauf der Dinge werde durch den Zufall bestimmt, ein Bekenntnis zur Allmacht Gottes gegenüber. Denn Gott hat von Ewigkeit her in seiner Vorsehung einen Ratschluss gefasst, „der in der Fülle der Zeiten ausgeführt werden soll, in einem gewissen Jahr, an einem gewissen Tag, zu einer gewissen Stunde, an einem gewissen Ort und auf eine gewisse Art …“ (S. 53). „Wir müssen“, so Pascal, „nämlich Trost für unsere Übel nicht in uns selbst suchen, auch nicht bei anderen Menschen oder bei allem, was erschaffen wurde, sondern bei Gott. Und der Grund ist, dass kein Geschöpf die erste Ursache der Geschehnisse ist, die wir Übel nennen, vielmehr ist die Vorsehung Gottes deren einzige und wahrhaftige Ursache, deren unumschränkter Herr und Gebieter, und darum gibt es keinen Zweifel, dass man unmittelbar zur Quelle zurückgehen und bis zum Ursprung hinaufsteigen muss, um wahrhaftige Erleichterung zu finden“ (S. 52).

Die zweite Gruppe (B) enthält nur einen besonderen Brief, nämlich das Schreiben, das Pascal 1652 an die Königin Kristina von Schweden gerichtet hat. Die Königin hatte von seinen Forschungen zur Rechenmaschine erfahren und ließ sich dazu über den Mediziner Pierre Bourdelot Erkundigungen einholen. Pascal schrieb daraufhin der Königin und trat dabei bescheiden und souverän zugleich auf. Betont lobt er die Königin für ihre Liebe zur Wissenschaft (vgl. S. 77). Der Brief ist – so sagt es der Pascal-Kenner Eduard Zwierlein in seiner Einleitung – „ein kleines Meisterwerk nicht nur der Gedankeninhalte, sondern auch der Subtilität der Botschaften, der Disposition und der stilistischen Formung im Spiel der Antithesen, Kontraste, Chiasmen und Ver­schränkungen“ (S. 25).

Die dritte Gruppe (C) gibt 9 Briefe wieder, die an Mademoiselle de Roannez gerichtet sind. Mademoiselle war wohl eine Zeit lang in Pascal verliebt, verspürte gleichwohl zu der Zeit, in der die Briefe entstanden, die Berufung, in das Kloster von Port Royal einzutreten. Port Royal südwestlich von Versailles war ein Frauenkloster des Zisterzienserordens und im 17. Jahrhundert ein Zentrum jansenistischen Ideenguts (es wurde auf Anordnung Ludwigs XIV. 1710 zerstört). Der Bruder von Mademoiselle de Roannez, ein Herzog, stand der Klosterberufung ablehnend gegenüber und versuchte, Pascal auf seine Seite zu ziehen. Der aber unterstütze die Dame auf ihrem geistlichen Weg. Die Briefe dieser Gruppe zeugen von der „emotionalen Intelligenz“ Pascals und geben allerlei Hinweise auf seine geistliche Lebenseinstellung. Anrührend ist seine Menschenzugewandheit. In einem Brief aus dem Jahre 1657 ermutigt er Mademoiselle de Roannez, die mit allerlei Widerständen zu kämpfen hatte, mit den Worten: „Aufrichtig gesagt, Gott ist sehr verlassen. Wie mir scheint, leben wir jetzt in einer Zeit, da ihm der Dienst, den man ihm leistet, höchst wohlgefällig ist“ (S. 100).

Die letzte Gruppe (D) enthält drei Briefe. Ein kurzes Schreiben aus dem Jahre 1660 ist an seinen Freund, den Juristen und Mathematiker Pierre de Fermat (1607–1665), gerichtet. Es bezeugt die fragile Gesundheit Pascals. War er doch so schwach, dass er nicht ohne Stock laufen konnte und an das Sitzen im Sattel nicht zu denken war (vgl. S. 105). Schon 1648 hatte er seiner Schwester Gilberte geklagt, dass ihm nur wenige Stunden bleiben, in denen er Muße zum Arbeiten hat und sich zugleich gesund fühlt (vgl. S. 35). Erkennbar wird fernerhin, dass er inzwischen die Geometrie vernachlässigt, um sich wichtigeren Studien zu widmen. Pascal arbeitete zu der Zeit bereits an einer Apologie des christlichen Glaubens und widmete sich hingebungsvoll der Armenfürsorge.

Ergänzt wird der erste Band dieser Reihe durch eine Kurzbiographie, 70 Seiten Anmerkungen und eine Auswahlbiographie. Die von Eduard Zwierlein erarbeiteten Anmerkungen sind für Pascal-Freunde eine echte Fundgrube. Der erfahrene Übersetzer Ulrich Kunzmann, der bereits Übersetzungen der „Gedanken“ und der philosophischen Schriften Pascals besorgte, hat den Text vorzüglich in die deutsche Sprache übertragen.

Sogar jemand, der die Pensées wiederholt gelesen hat, wird den Briefband nach der Lektüre überrascht und berührt zurücklegen.

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Vor einigen Tagen erschien beim Deutschlandradio ein Betrag zur Buchausgabe (ab Minute 9.30): dlf_20160707_1610_9cd1a474.mp3.

Ist das Christentum die wahre Religion?

Wenn ich im Unterricht versuche, den Neuansatz Friedrich Schleiermachers zu erklären, provoziert das hin und wieder verwundertes Fragen. „Wie ist das genau gemeint?“ „Muss ich das verstehen?“

Kurz: Für den Theologen Schleiermacher steht das fromme Selbstbewusstsein des Menschen, jenes „Bewusstsein schlechthinniger Abhängigkeit“ (F. Schleiermacher, Der christliche Glaube (1830/31), Bd. 1, 1984, S. 3–6) im Zentrum der Theologie. Die Glaubenslehre beruht für ihn auf zweierlei, „einmal auf dem Bestreben die Erregung des christlich frommen Gemüthes in Lehre darzustellen, und dann auf dem Bestreben, was als Lehre ausgedrückt ist, in genauen Zusammenhang zu bringen“ (Der christliche Glaube (1821/22), Bd. 1, 1984, S. 16). An die Stelle der Heiligen Schrift tritt das Erleben des Gläubigen. „Der Mensch war das Subjekt seiner Theologie, Gott das Prädikat“ (H. Zahrnt, Die Sache mit Gott, 1996, S. 39). Jan Rohls schreibt dazu (J. Rohls, Protestantische Theologie der Neuzeit, Bd. 1, 1997, S. 396):

Gott ist uns also im Gefühl auf eine ursprüngliche Weise gegeben, so daß das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl nicht erst sekundär aus einem Wissen von Gott entsteht. Das Bewußtsein unserer selbst als in Beziehung zu Gott stehend ist daher ein unmittelbares Selbstbewußtsein, nämlich das Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit, das das sich selbst gleiche Wesen der Frömmigkeit ausmacht. Und Gott bedeutet zunächst nur dasjenige, was in diesem Gefühl als das mitbestimmende Woher unseres Soseins mitgesetzt ist.

Während also zuvor Frömmigkeit verstanden wurde als eine subjektive Reaktion auf objektive Lehrinhalte, dreht Schleiermacher die Ordnung um und setzt beim Gemüt an. Die Glaubensdogmen sind nicht Ursprung, sondern Frucht der Glaubenserfahrung. Sätze des Glaubens sind Ausdruck des frommen Gefühls. Schleiermachers Glaubenslehre möchte deshalb nicht mehr objektive Glaubensinhalte beschreiben, sondern den Glauben der Menschen begrifflich ordnen und darstellen.

Da sich das religiöse Bewusstsein in jedem Menschen findet, also auch bei Gläubigen anderer Religionen, kennt Schleiermacher den qualitativen Unterschied zwischen dem christlichen Glauben und anderen „Glaubensformen“ nicht mehr. Religionen werden von ihm auf ihr Entwicklungsstadium befragt, da sie die Entfaltung des religiösen Bewusstseins auf verschieden fortschrittliche Weise spiegeln. Weil alle drei monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) derselben höchsten Entwicklungsstufe der Frömmigkeit angehören, können sie sich nur durch ihre Art der Frömmigkeit quantitativ unterscheiden. Im Christentum kommt nach Schleiermacher freilich die Frömmigkeit zu ihrer „reifsten Erfüllung“.

Der Religionskritiker Ludwig Feuerbach hatte bei seiner Kritik des Christentums damit ein leichtes Spiel. Er drehte den Spieß einfach um und sagte: „Ist z.B. das Gefühl das wesentliche Organ der Religion, so drückt das Wesen Gottes nichts Anderes aus, als das Wesen des Gefühls … Das göttliche Wesen, welches das Gefühl vernimmt, ist in der Tat nichts anderes als das von sich selbst entzückte und bezauberte Wesen des Gefühls – das wonnetrunkene, in sich selige Gefühl“ (L. Feuerbach, Das Wesen des Christentums, in: Sämtliche Werke, Bd. 7, 1883, S. 8). Das Selbstbewusstsein projiziert die eigenen Wünsche, Ängste und Sehnsüchte auf den Himmel. Der Mensch ist nicht das Geschöpf Gottes, sondern Gott ist das Geschöpf des Menschen. So dürfen wir Feuerbachs Projektionsthese zusammenfassen.

Schleiermacher wollte eigentlich den Glauben vor der Kritik der reinen Vernunft (Kant) schützen, als er ihn in den Raum der Gemütserfahrung verlagerte. Gelungen ist ihm das nicht.

Nun ist das wirklich nicht so einfach zu verstehen. Vielleicht hilft ja das nachfolgende Video eines Pastors, den Ansatz nachzuvollziehen. Er erörtert in wenigen Minuten das Verhältnis von Glauben und Wahrheit  und bewegt sich dabei im Fahrwasser Schleiermachers. Feuerbach hätte mit großer Freude und geschliffenen Klingen auf die Projektionen der beiden von ihm angeführten Personen, ein Christ und eine Muslimin, reagiert.

VD: JS

Reformation und Islam

Ich habe kürzlich das Impulspapier „Reformation und Islam“ der Konferenz für Islamfragen der EKD gelesen. Ein echtes Leseerlebnis. Wer wissen will, wie es um weite Kreise innerhalb der Evangelischen Kirchen bestellt ist, sollte sich diese Erfahrung gönnen. Es ist kein Vergnügen.

Nun gäbe es sehr viel über das Impulspapier zu sagen. Auffällig beispielsweise gleich zum Einstieg die für die Kulturwissenschaften bezeichnende (therapeutische) Sprache. Sie wurde gewählt, um die Empfindungen derer zu beschreiben, die sich seinerzeit mit der Frage befassen mussten, ob wohl bald auch Wien an die Türken fallen werde. „Zur Zeit Luthers sah Europa sich militärisch und politisch vom expandierenden Osmanischen Reich bedrängt.“ Die Betonung liegt auf „die Leute sahen es so“. Sie sahen eine Bedrohung, die ja vielleicht gar keine war. Konstantinopel war jedoch 1453 gefallen und die Türken waren auf dem Vormarsch nach Europa. „Man nahm sie wahr als die Anderen und Fremden, als die bedrohliche Macht aus dem Südosten“ (S. 7). Eigentlich, so könnte man vermuten, suchten die Türken nur florierende Handelsbeziehungen in gänzlich friedlicher Absicht. Aber da die Europäer die Schönheit des Fremden noch nicht angemessen zu schätzen wussten, haben sie das übersehen.

Aber lassen wir das. Wenden wir uns einer Argumentationsfigur zu, die heutzutage oft zu finden ist. Es geht um das „sowohl als auch“. Auf S. 24 wird das Argument sehr anschaulich entfaltet.

Zunächst heißt es:

Die anhand der Rechtfertigungslehre vor 500 Jahren gewonnenen zentralen Einsichten reformatorischer Theologie können heute in fünf Kernpunkten zusammengefasst werden: solus Christus – allein Christus, sola gratia – allein aus Gnade, solo verbo – allein  im  Wort,  sola  scriptura, – allein  aufgrund  der  Schrift  und  sola fide – allein  durch den Glauben.

Das klingt doch ganz gut. Aber dann geht es weiter. Ungefähr so: So schön diese Einsichten auch waren und vielleicht noch sind. Es gibt ein großes Problem! Die Reformatoren haben es damals tatsächlich so gemeint, wie sie es geschrieben haben. Oder anders formuliert: Die Schwierigkeit ist, dass mit dem „allein Christus“ die Vorstellung verbunden wurde und auch heute noch verbunden werden kann, dass außerhalb von Christus niemand das Heil findet. Wir müssen so von Christus sprechen lernen, dass die Heilsversprechen anderer Religionen nicht deklassiert werden.

Bezugnehmend auf den EKD-Grundtext „Rechtfertigung und Freiheit“ heißt das (S. 25):

Die Herausforderung besteht darin, von Christus zu sprechen, aber so, dass dabei nicht der Glaube des anderen abgewertet oder für unwahr erklärt wird. So wie für den Christen das Gehören zu Christus der einzige Trost im Leben und im Sterben ist, so ja auch für den Anhänger der anderen Religion sein spezifischer Glaube. Dies darf auf beiden Seiten des Gespräches anerkannt werden.

Die Reformatoren waren also damals der ungeheuerlichen Vorstellung aufgesessen, es handele sich bei der muslimischen Religion um eine Irrlehre. Heute haben wir, bedingt durch geistesgeschichtliche Entwicklungen, den Glauben, der zwischen wahren und falschen Lehren unterscheidet, glücklicherweise überwunden. Wenn also beispielsweise Petrus vor knapp 2000 Jahren der Meinung war, dass Jesus Christus der Eckstein ist und in keinem anderen als in diesem Namen unsere Rettung zu finden ist (vgl. Apg 4,11–12), dann hatte er zwar recht. Er übersah allerdings (falls er es überhaupt so gesagt hat), dass dies nicht so zu verstehen ist, als ob allein Jesus retten kann.

Das sei ihm aber verziehen. Schließlich kannte er die dialogischen Ansätze, die uns heute zur Verfügung stehen, noch nicht.

Kyrie eleison.

Francis Schaeffer erklärt seine Apologetik

Jemand hat sich freundlicherweise die Mühe gemacht, ein altes Interview mit Francis Schaeffer zu digitalisieren. Francis Schaeffer beantwortet in L’Abri Fragen von Frank und erklärt ausführlich seine apologetische Arbeitsweise, aber auch, weshalb das Christentum eine solide Grundlage für freie Gesellschaften ist. Im Teil 6 geht es übrigens um die Rechfertigungslehre und das Thema Bekehrung.

Ich liste nachfolgend die Teile des Gesprächs:

Teil 1 (46 Minuten):

Teil 2 (46 Minuten):

Teil 3 (46 Minuten):

Teil 4 (39 Minuten):

Teil 5 (30 Minuten):

Teil 6 (30 Minuten):

Teil 7 (30 Minuten):

Gordon Lewis (1926–2016)

Gordon Lewis ist am 11. Juni 2016 heimberufen worden. Douglas Groothius hat für Christianity Today einen Nachruf über den christlichen Philosophen geschrieben:

Lewis published seven books and many articles. His major work on apologetics is Testing Christianity’s Truth Claims (Moody Press, 1976). Along with Bruce Demarest, also a faculty member of Denver Seminary, he wrote Integrative Theology (1987–1992), a three-volume theology text that uniquely combines historical theology, biblical theology, doctrinal formulation, apologetics, and application.

His method for both theology and apologetics is verificationism (not to be confused with logical positivism), which he derived from evangelical philosopher and theologian, Edward John Carnell (1919–1967). This method puts forth a hypothesis (such as the existence of God) and tests it against rival hypotheses (such as atheism and pantheism) in order to determine which hypothesis best explains the matter in question. The best explanation will be logically consistent, supported by the facts, and existentially compelling. Lewis used this method in all his teaching and writing, making the corpus of his work extraordinarily consistent and compelling.

When Lewis retired from full-time teaching in 1993, I was hired in his stead to teach philosophy. I could not fill his shoes, but I followed in his footsteps. He encouraged me in his role as a senior professor. I knew Lewis as a generous, kind, peaceable, and deeply loving man. His impressive mind and academic achievements never led to pride or arrogance. He used his gifts for the glory of God through his teaching, writing, and mentoring.

After his retirement, Gordon Lewis was no longer household name in evangelicalism, but he should be remembered for his deep contributions to theological education, Christian philosophy, theology, and apologetics.

Das Buch Wahrheit und Liebe: Was wir von Francis Schaeffer für die Gegenwart lernen können enthält einen Beitrag von Gordon Lewis über die apologetische Arbeitsweise von Francis Schaeffer. Der Aufsatz enthält eine Tabelle, in der drei Ansätze der Apologetik gegenübergestellt werden. Hier:

Tabelle

 

Nancy Pearcey: Die Wahrheit finden

420582Nancy Pearsey hat mit Finding Truth ein weiteres Buch geschrieben, das in der Tradition von Francis Schaeffer steht. Der Apologet Gregory Koukl schreibt in seiner Empfehlung:

Wonderful … Nancy Pearcey has the unique ability of getting to the heart of things in the cultural conversation. Pearcey’s penetrating critique of the worldview ‘idols’ of our age is chock-full of gems. Better, it equips us with an easy-to-follow game plan for assessing any worldview. This is one of those books that not only challenges the critics; it also gives a huge dose of confidence to the Christian who will catch himself walking away from its pages saying, ‘Gosh, this stuff really is true.’

Beim Durchblättern fand ich unter den Danksagungen übrigens einige Namen, die mir auf diesem Blog schon mehrfach begegnet sind. Freut mich, dass Kommentatoren des TheoBlogs zum Buch beigetragen haben! Weiter so!

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Das Buch kann ich übrigens Leuten empfehlen, die über so genannte „Entkehrungen“ schwärmen oder Zweifler im Freundeskreis haben. Das erste Kapitel heißt: „Wie ich meinen Glauben an einer evangelikalen Ausbildungsstätte verloren habe.“

Christopher Hitchens und der Himmelhund

51rELKRwN+L SX322 BO1 204 203 200Christopher Hitchens war ein Intellektueller, der insbesondere für seinen glühenden Hass auf Religionen und ganz besonders auf das Christentum bekannt war. Seine große Abrechnung mit dem christlichen Glauben ist als Der HERR ist kein Hirte auch in deutscher Sprache erschienen und wurde nicht nur vom SPIEGEL gefeiert. Als Hitchens 2011 im Alter von 62 Jahren starb, schrieb DIE ZEIT:

In seinem Buch Der Herr ist kein Hirte – Wie Religion die Welt vergiftet aus dem Jahr 2007 argumentierte er wütend gegen jede Form des Glaubens. Religion führe zu Kriegen, zu sexueller Unterdrückung und stehe der Kultur und Wissenschaft im Weg. Aus dieser Überzeugung resultierte auch seine Befürwortung des zweiten Irak-Kriegs, den er für notwendig hielt, um die westlichen Werte des Säkularismus und Feminismus zu verteidigen.

Der in England geborene Hitchens studierte in Oxford und arbeitete als Literaturkritiker für die Londoner Zeitschrift New Statesman , bevor er 1981 in die USA zog. In den folgenden Jahren arbeitete er unter anderem als Korrespondent für die linksgerichtete Wochenzeitschrift The Nation . Im Jahr 2007 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Christopher Hitchens verfasste 25 Bücher und unzählige Artikel und Kolumnen . Zu seinen Büchern zählen Werke über Thomas Jefferson, Thomas Paine, George Orwell und Henry Kissinger . Die Übersetzung seiner Autobiografie The Hitch – Geständnisse eines Unbeugsamen erschien in diesem Jahr bei Blessing.

Unbeugsam blieb er selbst in den letzten Tagen seiner Krankheit. Einige seiner Gegner hatten darauf gewartet, dass Christopher Hitchens sich angesichts des bevorstehenden Todes doch noch zum Glauben bekennen würde. In einem vor Kurzem veröffentlichten Artikel schrieb er: „Ich habe beschlossen alles anzunehmen, was meine Krankheit mir entgegenstellen wird. Ich werde kampflustig bleiben, selbst angesichts meines unvermeidlichen Niedergangs.“

Nur wenige wussten, dass Hitchens mit dem christlichen Apologeten Larry Alex Taunton befreundet war. Dieser hat nun, nachdem sein Verlag ihn gedrängt hatte, ein Buch über seine Freundschaft mit ihm geschrieben und dabei Überraschendes erzählt. Brian Matson hat das Buch gelesen und besprochen:

Das insgesamt Geniale an diesem Buch ist die Tatsache, dass es eine Geschichte erzählt. Eine unheimlich fesselnde Geschichte, die einen zwingt, weiterzulesen und das Buch bis zum Schluss nicht aus der Hand zu legen. Es mag zwar viel intellektuell anregenden Stoff enthalten, aber letztlich geht es um zwei Freunde, die sich gegenseitig sehr respektierten: Den verhärteten Atheisten und den leidenschaftlichen Evangelisten.

Nachdem Hitchens die Diagnose Speiseröhrenkrebs bekommen hatte, die sein Todesurteil bedeutete, unternahm er zwei private Reisen mit Taunton: eine durch das Shenandoah Valley und eine weitere durch Montana und den Yellowstone Nationalpark. Der Zweck dieser Reisen war das gemeinsame Studium des Johannesevangeliums. Tauntons Erzählungen von diesen Reisen sind zeitweise urkomisch (der waschechte Südstaatenevangelikale fährt, während der kampferprobte Atheist mit offener Bibel, einem Glas Whisky und einer Zigarette auf dem Beifahrersitz sitzt), zeitweise voller Spannung und oftmals tief bewegend.

Wenn man auf der Suche nach einer melodramatischen Bekehrungsgeschichte oder einem Handbuch zur Apologetik ist, wird man hier nicht fündig. Sollte man aber nach einer großartigen Demonstration von Nächstenliebe, Freundschaft und Evangelisation Ausschau halten, so liegt man mit diesem Buch goldrichtig.

Mit seiner einzigartigen Kombination aus erstklassiger Erzählkunst, Intellekt und Leidenschaft verdient „Der Glaube des Christopher Hitchens“ schon jetzt den Status eines Klassikers.

Bei Evangelium21 mehr dazu: www.evangelium21.net.

Worum es bei dem Kampf um sexuelle Orientierung wirklich geht

Mit freundlicher Genehmigung veröffentliche ich nachfolgend gekürzt einen Beitrag von Michael C. Sherrard zum Thema „Sexuelle Orientierung und Weltanschauung“. Kurt Vetterli hat großzügigerweise seine Übersetzung zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

Worum es bei dem Kampf um sexuelle Orientierung wirklich geht

Fällt es dir schwer zu verstehen, dass rational denkende Leute wirklich meinen, geschlechtsneutrale Toiletten seien eine gute Idee? Bist du verwirrt darüber, was in unserer Kultur passiert? Macht es irgendeinen Sinn für dich, dass Gesellschaften politischen oder wirtschaftlichen Druck anwenden, um unser Verständnis von sexueller Orientierung zu verändern? Es sieht folgendermaßen aus:

Beim Kampf um Sexualität oder geschlechtliche Orientierung geht es um eine Sache: ein bedeutungsvolles Leben. Das ist es, worum sich die ganze Streiterei dreht und warum der Kampf so hitzig geführt wird. Dieser Streit ist Teil eines größeren, übergeordneten Kampfes: Wie bekommt man ein bedeutungsvolles Leben? Und dazu musst du verstehen: die Antwort auf die vorhergehende Frage ist bestimmt durch deine Weltanschauung. Eine Weltanschauung ist eine Reihe von Glaubenssätzen oder Überzeugungen, die dich veranlassen, das Leben in einer bestimmten Weise zu sehen. Wir alle haben eine Weltanschauung, du kannst nicht ohne eine leben …

Ich habe eine christliche Weltanschauung. Ich habe Überzeugungen bezüglich der Realität. Unter anderem glaube ich, dass Gott existiert, dass die Welt rational ist (d.h. verstehbar) und dass das Leben eine objektive Bedeutung und einen ihm innewohnenden Wert hat. Meine Existenz ist die Quelle meiner Bedeutung und meines Wertes. Weil ich in Gottes Ebenbild gemacht bin, habe ich unschätzbare Würde.

Ich lebe jedoch in einer Gesellschaft, in der praktisch jedermann eine naturalistische Weltanschauung hat. Der Naturalismus enthält eine Reihe von Glaubenssätzen oder Überzeugungen über die Realität. Der Naturalismus hält unter anderem für wahr, dass Gott nicht existiert, dass die Welt nicht rational ist (obwohl sie nicht rechtfertigen können, dass dieser Glaube vernünftig ist), und dass das Leben keine innewohnende Bedeutung oder Wert hat. Und das ist eine schwerwiegende Sache. Hast du das mitbekommen? Das Leben hat keine eigentliche Bedeutung oder keinen Wert an sich. Was macht nun dein eigenes Leben für einen Sinn? Was hat es für einen Wert? Das ist das große Problem für den Naturalisten.

Seit langem haben Naturalisten die Konsequenzen und Probleme, die aus ihrer Weltanschauung resultieren, erkannt. George Orwell bemerkte dies in seinem Essay Notes on the Way. Darin schreibt er über die Notwendigkeit, die Seele ‚wegzuschneiden‘. Du musst sehen, dass gemäss dem Naturalismus das Selbst oder die Seele gar nicht existieren. Einfach ausgedrückt: Du existierst nicht. „Der Mensch ist nicht ein Individuum, er ist nur eine Zelle in einem immerwährenden Körper“, sagt Orwell. Das Problem jedoch ist, wenn du die Seele ‘wegschneidest’, dann findest du dich in einer sehr trostlosen Welt wieder: Existenz ohne jede Bedeutung oder Wert. Orwell hat das gesehen. „Für zweihundert Jahre hatten wir an dem Ast, auf dem wir sitzen gesägt und gesägt und gesägt. Und am Ende, viel schneller als jemand vorausgesehen hatte, wurden unsere Bemühungen belohnt und wir stürzten hinunter. Aber unglücklicherweise war da ein kleiner Fehler. Die Sache am Boden, auf die wir fielen, war nicht ein Bett aus Rosen, sondern eine Grube voller Stacheldraht.“

Nun, wie erlösen sich Naturalisten aus diesem Dilemma? Wie finden sie Bedeutung im Leben? Sie produzieren sie selbst. Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre war ein Pionier darin, dem Naturalisten aus seiner Zwangslage zu helfen. Er stellte die These auf, dass Existenz der Essenz (dem Wesen) vorausgeht. Das heißt soviel wie dass du ein unbeschriebenes Blatt bist, so kannst du dein Leben zu dem machen, was immer du willst. Weil deine Existenz keine innewohnende (ursprüngliche) Bedeutung oder Wert hat, kannst du damit tun, was immer du willst. Sei ein Drache. Werde eine Frau. Heirate deine Mutter oder deinen Computer. Definiere dein Leben wie du es für passend hältst. Dein autonomer Wille ist es, das deiner Existenz Wert oder Bedeutung gibt. Er ist deine Würde.

Das ist es, worum es in dem Kampf geht. Damit wir eine bedeutungsvolle Existenz haben, müssen wir vollkommene Freiheit haben, uns selbst einzig nach unserem Willen zu formen. So ist eine Bedrohung der Freiheit, das eigene Geschlecht oder die eigene sexuelle Orientierung zu wählen, die Bedrohung einer ganzen Gesellschaft, die den Naturalismus als Weltanschauung angenommen hat und Bedeutung und Wert durch unbegrenzte Freiheit der Wahl anfertigen muss.

Lasst uns darüber im Klaren sein, was hier passiert! Unsere Gesellschaft agiert kollektiv aufgrund der Annahme, dass Gott nicht existiert und der Naturalismus wahr ist. Sie kämpfen darum, eine Gesellschaft zu formen, die diesen Glauben reflektiert. Das ist wiederum der Grund, warum der Kampf so intensiv ist. Es ist eine radikale Verschiebung in unserer Gesellschaft. Aber ich frage mich, ob die Leute sich wirklich bewusst sind, was hier passiert. Ich frage mich, ob wir bereit sind, dies in solch einer Weise zu deklarieren, dass Gott tot ist. Sind wir wirklich bereit, offiziell die Christliche Weltanschauung mit der naturalistischen zu ersetzen?

Ich meine Folgendes, und das mag dich schockieren: wir sollten bereit sein. Wir sollten die Christliche Weltanschauung verwerfen, wenn der Naturalismus wahr ist. Aber er ist es nicht. Der Naturalismus ist eine schwache Weltanschauung, wenn es darum geht, die Realität zu erklären. Und er bietet in Wirklichkeit keine rationale Rechtfertigung für seine Glaubwürdigkeit. Aber das ist Stoff für einen weiteren Artikel. Trotzdem denke ich, wir können nur einen Aspekt der Position des Naturalisten untersuchen und sehen, warum sie etwas ist, das wir nicht annehmen können.

Gemäß dem Naturalismus existiert Gott nicht. Darum, forme dein Wesen selbst, um deiner Existenz Bedeutung und Wert zu geben. Aber, weil Gott nicht existiert, kann auch das Selbst nicht existieren, das muss der Naturalist zugeben. Aber wenn das Selbst nicht existiert, kann auch kein freier Wille existieren. Gemäss dem Naturalismus bin ich eine “Zelle in einem immerwährenden Körper.” Ich bin bloss Moleküle in Bewegung. Chemie und Physik diktieren, wie ich agiere, fühle und auf diese Welt antworte. Ich bin nicht mehr als eine Maschine. Schlimmer, ich bin der Sklave meiner Natur. Freies moralisches Handeln ist ein riesiges Problem für den Naturalisten. Es wäre genau die Sache, die ich bräuchte, um eine bedeutungsvolle Existenz zu haben, aber es ist eben die Sache, die es nicht gibt, wenn der Naturalismus wahr ist.

Wie jemand ein Naturalist sein und gleichzeitig an einen freien Willen glauben kann, geht über mein Verstehen. Es ist die Spitze intellektueller Unehrlichkeit. Und deshalb kann ich nicht verstehen, wie jemand tatsächlich ein Naturalist sein kann. Die wichtigste Sache in seiner Weltanschauung ist gemäß eben dieser Weltanschauung nicht möglich. Das ist doch die höchste Form der Ironie …

Um es deutlich zu sagen, der Naturalismus ist die Weltanschauung, die uns diesen Kampf gebracht hat. Aus ihm folgt der Kampf, in dem wir uns gegenwärtig befinden. Weil Gott nicht existiert, hat das Leben keine Bedeutung außer der, die du selber herstellst durch deinen autonomen Willen. Ein bedeutungsvolles Leben ist das, was hier auf dem Spiel steht. Deshalb tobt der Kampf.

Was bedeutet dies also für uns? Zuallererst bedeutet es, dass wir uns um die Wurzel des Problems kümmern müssen. Wir können nicht nur Symptome diskutieren. Zu leicht werden wir in Argumente über Regeln über Toilettenbenutzung und was nicht alles gezogen. Das ist in Ordnung, wir sollten uns auch in solchen Konversationen engagieren. Aber unsere Bemühungen werden nicht fruchtbar sein, wenn wir nicht das Herz der Sache ansprechen. Die Forderung geschlechtsneutralen Toiletten entspringt aus der naturalistischen Weltanschauung. Also, bedenke, wie du dem Naturalismus begegnest.

Englisches Original: www.michaelcsherrard.com.

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