„Weiblich“, „männlich“, „anderes“: Nach den Empfehlungen des Deutschen Ethikrates soll für Menschen mit uneindeutigem Geschlecht die Kategorie „anderes“ im Personenstandsrecht vorgesehen werden. Im Vorwort der aktuellen APuZ-Ausgabe (20–21/2012), die dem Thema Geschlechtsidentität gewidmet ist, heißt es:
Ob sich jemand als Frau, als Mann, als zwischen den Gechlechtern oder als ein drittes Geschlecht fühlt, geht nicht immer mit den biologischen Prädispositionen einher. Lange Zeit ging die Medizin von der heute höchst umstrittenen Annahme aus, eine stabile Geschlechtsidentität könne bei intersexuell Neugeborenen durch operative Geschlechtszuordnung (manchmal auch ohne Wissen der Eltern) und durch Erziehung im zu- gewiesenen Geschlecht erreicht werden. Viele Betroffene, die – wenn überhaupt – größtenteils erst im Erwachsenenalter davon erfuhren, sind tief traumatisiert.
Die meisten Beiträge setzen den sozialen Konstruktivismus „als von der Natur gegeben“ voraus. Demnach wird durch Menschen, die von gesellschaftlichen Konventionen geprägt sind, das Geschlecht sprachlich zugeschrieben. Interessant ist eine Beobachtung von Carolin Küppers. Da die von den Feministinnen in den 60er Jahren eingeführte Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht (sex und gender) eine Rest Biologismus konserviere, werde diese Unterscheidung inzwischen mehrheitlich fallengelassen. Küppers schreibt (S. 4):
In der aktuellen Geschlechtersoziologie wird die Unterscheidung in sex und gender jedoch kaum noch verwendet. Das, was zunächst einen argumentativen Vorteil darstellte, erwies sich recht schnell als zu undifferenziert und damit als Nachteil. Durch den Rückbezug auf sex konnten Geschlechterunterschiede nach wie vor auf den biologischen Unterschied reduziert werden. Dies ist unter anderem aus zwei Gründen problematisch. Zum einen zeigt sich schon die Biologie selbst als uneindeutiger und komplexer, als in der Lesart des Alltagsverständnisses. Zum anderen gerät damit aus dem Blick, dass es sich auch bei Naturwissenschaften um gesellschaftliche Unternehmungen handelt.
Es lebe die Mehrdimensionalität von Geschlecht! Die Auflösung der Pole scheint für einige Soziologen traumatisierend langsam voranzuschreiten. „Die zweigeschlechtliche Ordnung hat ein erstaunliches Beharrungspotenzial und bestimmt nicht nur die gesellschaftliche Struktur, sondern auch unseren Handlungsrahmen (doing gender) und die Möglichkeiten sprachlicher Bezeichnung“ (S. 8). Da wird wohl eine dritte Kategorie langfristig nicht ausreichen.
Hier die APuZ-Ausgabe als PDF: APuZ_2012-20-21_online_0.pdf.
In diesem Zusammenhang könnten folgende Hinweise interessant sein:
Der Artikel zum Thema im FOCUS: http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/sexualitaet/tid-8293/intersexualitaet_aid_229184.html
Und der, wie ich fand bewegende, Dokumentarfilm „Between the Lines“ http://www.arte.tv/de/3898460,CmC=3896198.html.
Wichtig scheint mir, als Laien, der liebevolle Umgang mit dem für mich Unbekannten, die Vorsicht vor verurteilendem Dogmatismus und die über alles hinaus gehende Botschaft von der Gnade Gottes, welche *allen* Menschen gilt, gleich welchen Geschlechts:
„Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass *alle* an allen Enden Buße tun.“ (Apg 17,30)
http://www.bibleserver.com/text/LUT/Apostelgeschichte17%2C30
Ich finde es nicht gut, dass im Band Soziobiologie einfach als Theorie undiskutiert vorgestellt wird. Sie ist seit langer Zeit sehr umstritten – die Diskussion wird aber nicht aufgenommen. Leider fehlen somit im Band wissenschaftlich fundierte biologische Betrachtungen zur Geschlechtsausbildung.