Die Quantenkosmologie des Kölners Claus Kiefer fasst das Universum als eine einzige, zeitlose und überaus komplexe Wellenfunktion auf. Dabei wird nun auch noch die Zeit beseitigt, entlang der sich die Wellenfunktionen in der »Viele-Welten-Interpretation« ins Unendliche verzweigen. Ulf von Rauchhaupt schreibt über das neue Buch Der Quantenkosmos: »Die universale Funktion wird zu etwas ewig Räumlichem und der Determinismus auf die Spitze getrieben – denn wo es auf fundamentaler Ebene keine Zeit gibt, da gibt es auch keine Zukunft, die auf irgendetwas hin offen sein könnte.» Rauchhaupt weiter:
Kiefer ist so ehrlich, offen zuzugeben, dass er hier von bestimmten metaphysischen Voraussetzungen ausgeht. »Das Vertrauen in die Grundgleichungen und die Einfachheit der Theorie hat sich in der Geschichte der Wissenschaft fast immer bewährt, und zwar mehr als das Festhalten an der Einfachheit der Tatsachen«, schreibt er. Aber abgesehen davon, dass diese Grundgleichungen noch gar nicht gefunden sind – die Quantengravitation steht ja noch aus –, ist es nicht ein sehr hartnäckiges Festhalten an »Tatsachen«, wenn man partout zu der alten und von der Quantenphysik eigentlich ruinierten Vorstellung eines deterministischen Kosmos zurück will, dessen fundamentale Realität wir in Gleichungen einfangen können? Dem kann man entgegnen, dass auch derjenige, der weitergehen will, auf irgendeinem Grund voranschreiten muss. Genau das ist aber der Punkt: Wer wissen will, muss immer auch glauben – sogar als Physiker.
Wie sagte doch Augustinus? »crede, ut intelligas.«
Hier gibt es die Rezension zum Buch:
- Claus Kiefer: Der Quantenkosmos: Von der zeitlosen Welt zum expandierenden Universum , Fischer Verlag, 2008, 342 S.
Hallo Ron!
Guter Beitrag! 🙂
Nur am Rande: „credo ut intelligam“ ist Anselm, nicht Augustin. Letzterer hätte gesagt: „credimus, ut cognoscamus“. Oder gibt es so ein Augustin-Zitat, das ich einfach noch nicht kenne?
Gruß,
Tobias 🙂
Lieber Tobias, vielen Dank für Deine Anmerkung! Es war schon spät und ich meine, Augustinus hat zu Mk 9,22–23 gesagt: »Intellige, ut credas, verbum meum; crede, ut intelligas, verbum Dei.« (»Erkenne, um zu glauben, das ist mein Wort; glaube, um erkennen zu können, das ist Gottes Wort«). Ich ändere das im Post entsprechend. Anselm sagte m.W. im Proslogion (I,2): »quia: ›nisi credidero, non intelligam‹« (»Wenn ich nicht glaube, werde ich nicht verstehen«). Ich glaube, dass sich bei Augustinus noch mehr finden lässt. Er hat einmal ein lateinisches Zitat von Jes 7,9 umformuliert: »Si non credideritis, non permanebitits« (»Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht erkennen.« Und in seinem Werk Über den Lehrer schreibt Augustinus: »Was ich demnach erkenne, das glaube ich auch; aber nicht alles, was ich glaube, erkenne ich auch. Alles aber, was ich erkenne, weiß ich; nicht jedoch weiß ich alles, was ich glaube« (De magistro, 11,37). Das jedenfalls ist mein Wissensstand. Die Altsprachler mögen sich da besser… Weiterlesen »
Ah! Die Augustin-Zitate waren mir gar nicht geläufig.
Wollte ursprünglich eigentlich nur darauf hinweisen, daß es das Zitat „credo ut intelligam“ ja durchaus so gibt, aber eben von Anselm (unmittelbar vor Deinem ersten Anselm-Zitat): „Neque enim quaero intelligere, ut credam; sed credo, ut intelligam. Nam et hoc credo quia nisi credidero, non intelligam.“
Jetzt habe ich dank Deinem geballten Wissen gleich eine ganze Sammlung von credere-intellegere/cognoscere-Bestimmungen bekommen. 😀
Danke! 🙂
Vor allem danke ich Dir für Dein Mitdenken, Tobias! Liebe Grüße, Ron