2017 jährt sich der Wittenberger Thesenanschlag Martin Luthers zum 500. Mal. Drei Jahre zuvor veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erstmals einen Grundlagentext zum Reformationsjubiläum.
Der EKD-Text mit dem Titel „Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017“ wurde von einer ad-hoc-Kommission des Rates der EKD unter Vorsitz von Prof. Dr. Christoph Markschies erarbeitet. Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider hob anlässlich der Vorstellung des Textes in Berlin hervor: „Wesentliche theologische Einsichten der Reformationszeit im aktuellen Kontext zu erläutern, ist Anliegen des Grundlagentextes. Denn als offene Lerngeschichte bleibt die Reformation Gestaltungsaufgabe für jede Generation.“
Ich verweise hier kommentarlos auf den Text: 2014_rechtfertigung_und_freiheit.pdf.
„kommentarlos“ ist auch vielsagend 🙂 „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Paul Watzlawick)
Nun, beim Lesen ging´s mir sehr gemischt. Einerseits enthält der Text wirklich gute Zitate und Erklärungen, andererseits typisch EKD: Politisch korrekt hebelt man den Exklusivitätsanspruch Jesu aus, umschifft die Sühneteologie geschickt, und die Heiligkeit Gottes ist überhaupt kein Thema. Ist eigentlich kein Wunder, wenn die Bibel nicht mehr als Wort Gottes und damit gültige Autorität in der EKD anerkannt wird. So lesen wir auf Seite 84: „Seit dem siebzehnten Jahrhundert werden die biblischen Texte historisch-kritisch erforscht. Deshalb können sie nicht mehr so wie zur Zeit der Reformatoren als »Wort Gottes« verstanden werden.“
Es gibt aber auch einen Satz in diesem Papier, der mir wirklich gefallen hat: „Die Kirche darf sich nicht mit diesem oder jenem beschäftigen, sondern muss die Geschichte von Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi erzählen. Dafür ist die Kirche da.“ (S. 54). Na, dann hoffen wir mal, dass die EKD diesen Rat beherzigt!
@Jürgen: Danke. Ich bin da weniger optimistisch als Du, obwohl auch ich gute Sätze gefunden habe. Wenn ich z.B. lese, dass auch der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit auf Luther zurückgeht (auch die Quote?), verlässt mich der guter Wille.
Liebe Grüße, Ron
@Ron: Klang mein Schlußsatz wirklich so optimistisch? Solange weiterhin das Fundament nicht stimmt (ich denke da an das Cover der englischen Ausgabe von „Die große Anpassung“ / „The great evangelical Disaster“ von Francis Schaeffer, auf dem ein Kirchengebäude abgebildet ist, dem das Fundament abgegraben wurde), ist nicht sehr viel von der EKD zu erwarten. Der zitierte Satz, in dem es darum geht, die Geschichte Jesu Christi zu erzählen, ist ja auch so eine Sache. Das klingt wirklich gut, aber aufgrund der Haltung ggü. der Bibel kann man sich dann fragen: Was für ein Jesus ist es, der da verkündigt wird? Nein, ich bin alles andere als optimistisch, außer – Gott schenkt noch einmal eine grundlegende Reformation!
Liebe Grüße
Jürgen
@Jürgen: Wir sind uns völlig einig.
Liebe Grüße, Ron
Heute Nacht habe ich etwas bei E. Busch gelesen, was die Situation der EKD recht treffend beschreibt (Reformiert, 2007, S. 16): Ist die reformierte Kirche «nach Gottes Wort» reformiert, dann zeichnet sie vor allen anderen Dingen dies aus: eine zuallererst von Gott zu erbittende und von Gott gnädig geschenkte Offenheit für sein Evangelium und für sein Gebot. Vorbildlich spricht das ein Gebet aus, das bei der mehrwöchigen Berner Disputation 1528 zu Beginn jeder Sitzung gemeinsam gebetet wurde: «[…] dass Gott der Almächtig den rächten, waren Verstand sines heyligen Worts verlyhen wolle»! Ob das unter Christen verstanden ist, das bekundet sich in ihrem Wissen, dass die Kirche nicht sich selbst gehört — und obendrein in dem Wissen, dass die Kirche in der Gegenwart nicht neu zu begründen ist. Sie lebt, wenn sie lebt, auf dem Grund, auf dem schon die Kirche ihrer Vorfahren leben durfte. Und so lebt sie in der Verbundenheit mit den Vätern und Müttern der vorangegangenen christlichen Kirche… Weiterlesen »
„Die Kirche … muss die Geschichte von Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi erzählen. “
Als ich ein junger Christ war, erklärte mir mein Mentor an einem ähnlichen Satz, wie Liberale und Christen dasselbe Vokabular gebrauchen können und doch etwas völlig Unterschiedliches meinen: „Wenn jemand,“ so erklärte er mir, „Dir sagt, im christlichen Glauben ginge es um Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi – dann frage nach den Adjektiven!“ Die entscheidenden Adjektive sind in diesem Fall: sündlos, stellvertretend, leiblich.
@Alexander: Vollste Zustimmen – auf die Adjektive kommt es an!
Kann „man“ diese Kirche reformieren? Selbst Luther ist das nicht gelungen, sie hat sich nur gespalten. Und wenn ich seine Vorrede zur deutschen Messe recht verstehe („… die mit Ernst Christ sein wollen …“), hat er auch schon seine Abspaltung sehr kritisch gesehen.
[…] Das hier kürzlich vorgestellte EKD-Grundlagendokument „Rechtfertigung und Freiheit“ ist von Professor Reinhard Slenczka scharf kritisiert worden. „Zu wiederholten Malen ist in Kirchen der Reformation der Versuch gescheitert, Erklärungen zu dem reformatorischen Zentralthema Rechtfertigung zu verfassen und in kirchlichen Gremien zu verabschieden“, schreibt der emeritierte Systematiker in seinem Gutachten „Das Unverständnis von Rechtfertigung in der Kirche der Reformation“. […]
Dieser „Grundlagentext“ der EKD kommt einem Offenbarungseid der real existierrenden evangelischen Kirche gleich. Gibt es tatsächlich nur die – hervorragende – Erwiderung von Slenzcka?
@Querkopf
Erlaube mir die – scherzhaft gemeinte! – Frage: Wenn du annnimmst, es gibt nur die Erwiderung von Slenzcka, inwiefern kannst Du sie als „hervorragend“ bezeichnen? Aus was ragt sie denn hervor? 😉 🙂