Jetzt ist die Zeit

Der Kirchentag stand in Anlehnung an Markus 1,15 unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“. Pastor Quinton Ceasar hat die Abschlusspredigt unter großem Beifall gehalten. Sie kann hier nachgehört werden.

Einige Auszüge: 

Ich werde euch heute nicht anlügen: Wir können nicht warten. Nicht bis morgen oder nächste Woche. Oder das nächste Mal, wenn wir eine andere Regierung oder willigere Koalitionspartner*innen haben, wenn das nächste Mal der Rat der EKD oder unsere Synoden oder das Präsidium des Kirchentages gewählt werden, und diverser und inklusiver besetzt werden. Wir können nicht mehr warten.

Jesus sagt nicht: “Alles hat seine Zeit“. Jesus sagt: „Jetzt ist die Zeit!“ Wenn Jesus sagt: “Jetzt ist die Zeit!”, dann ruft er zur Veränderung auf, zu mutigen Entscheidungen, die wirklich Veränderung bewirken. Und ja, es gibt sie, die entscheidenden Momente. Und ja, du kannst wählen zwischen richtig und falsch. Das lernen wir doch von Jesus selbst, der sagt: “Jetzt ist die Zeit!”

Ich werde Euch heute nicht anlügen. Nicht wenn es um Zeit und nicht, wenn es um die Liebe geht. Lasst uns über die Liebe reden. Wir zitieren gern mal „Glaube, Hoffnung, Liebe.“ Wir sagen: „Die Liebe leitet uns.“ Wir singen: “All you need is love.” Und wir versprechen: „Wir, die das Gute wollen, sind mehr.“ James Baldwin, der Schwarze und schwule Schriftsteller und Aktivist hat gesagt: „Die Liebe war noch nie eine Massenbewegung.“ Und er hat damit nicht gelogen. Die Welt wird von der Liebe und der Leidenschaft einiger weniger Menschen zusammengehalten. Und darum geht es doch! Wie James Baldwin, bin ich kein Pessimist. 

Ich weiß, wie es ist, diskriminiert zu werden. Ich und Menschen wie ich, wir kenne. Die Grenzen und die Schwächen des Satzes: „Liebe deine Nächsten“.  Deshalb tanze ich lieber zu Tina Turners „What’s love got to do with it“, „Was hat das denn mit Liebe ueberhaupt damit zu tun?“ “Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Liebe.” “There can be no love without justice.” „Alles hat seine Zeit“ und „All you need is love“, erinnert mich aber eher einen Happyland-Zustand.

Happyland, das ist ein Wort von Tupoka Ogette, die damit beschreibt, wie sich Menschen fühlen, die keine Diskriminierungen erfahren und sie auch nicht sehen, dass andere sie erfahren. Happyländer*innen sagen: „Gott liebt uns alle gleich“. „Ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht“ Happyländer*innen, also die aus Happyland, sagen: „Gott liebt uns doch alle gleich, du.” happyländer*innen sagen: “Ich sehe keine Hautfarben, keine Behinderungen, kein Geschlecht.” Happyländr*innen sagen: “Jesus Christus hat uns doch alle durch seine Liebe befreit.“ Sie sagen: „Die Kirche ist ein sicherer Ort für alle.“

Wir sind Kirche. Und meine Geschwister und ich sagen: Jetzt ist die Zeit! Wir vertrauen eurer Liebe nicht. Wir haben keine sicheren Orte, in euren Kirchen. Und ich werde euch heute nicht anlügen. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Wir sind alle die Letzte Generation. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Black lives always matter. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Gott ist queer. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: We leave no one to die. Und jetzt ist wieder die Zeit, zu sagen: Wir schicken ein Schiff, und noch viel mehr. Und wir empfangen Menschen in sicheren Häfen. Safer spaces for all.

Um leichter zu erkennen, dass hier ein klassischer Kanzelmissbrauch vorliegt, zitiere ich den eigentlichen Predigttext Mk 1,14–15:

Nachdem aber Johannes überantwortet wurde, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!

Das Schauspiel erinnert stark an 2. Timotheus 4,3:

Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihrem eigenen Begehren werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken,

Ähnliche Beiträge:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

9 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
10 Monate zuvor

[…] Ron Kubsch Jetzt ist die Zeit […]

Chris
10 Monate zuvor

Das, was mich bedrückt, ist, dass ich bei so etwas immer so wütend werde als betroffener Christ, weil es mich auch nach so vielen Jahren Christsein immer noch so runterzieht, verwirrt, entmutigt, dass ich mich am Ende des Tages selbst frage, ob ich mich nicht doch lächerlich mache, allein zu bleiben, ohne Mann und letztlich keusch zu leben – man wird als schwuler Christ oder lesbische Christin in der westlichen Christenheit von so gut wie allen Seiten tagtäglich regelrecht obszön bombardiert mit dem Ruf und der Aufforderung, so zu leben, wie man empfindet, wie man liebt, wie man begehrt. Ich muss ja nicht erwähnen, dass es zusätzlich ein schlechtes Gewissen macht, auf diese „Verführer“ so dermaßen wütend zu sein, denn wir sollen ja laut Schrift nicht unserem Zorn nachgehen. Diese Leute, Christen will ich sie nicht nennen, sind verdreht, sie lullen die Menschen ein, ziehen sie ab hinter sich her. Die Kinder Israel haben damals am Berg Sinai „nur“ ein… Weiterlesen »

Matze
10 Monate zuvor

@Chris Vielen Dank für Deinen guten Beitrag. Du beschreibst sehr gut die aktuelle Situation. Mir geht es ähnlich wie Dir, dass ich mich durch vieles, was in der EKD und anderen Orten im frommen Bereich geschieht hinter die Fichte geführt fühle. Das Schlimme aber ist, dass es von den Frommen so gut wie keinen Widerstand gibt gegen diese Entwicklungen wie sie in dieser Predigt sichtbar werden. Die Konsequenz müsste nach der Schrift eigentlich sein, dass die Bibeltreuen, wie es in den Korintherbriefen steht sich absondern. Da sich dies leider nicht abzeichnet und der Vermischung von Irrlehre und Gutem auch gerade in der EAD immer geht bleibt nur folgendes: wir sollten uns immer wieder gegenseitig ermutigen dran zu bleiben und es ist jedem zu wünschen, dass er verbindlich eine kleine Gruppe oder wenigstens einen Menschen hat, wo man in seinem Glauben Ernst genommen wird. Dass sich das alles nochmals grundsätzlich drehen wird und die ganze Kirche wieder auf biblischen Kurs kommt… Weiterlesen »

Schlotti
10 Monate zuvor

Es ist schon erstaunlich … Da hat der Pastor Griechisch, Hebräisch und Latein gelernt. Die Formgeschichte hat ihm gezeigt, wie die mündlichen Worte Jesu weitergegeben und verändert wurden, um den Sitz im Leben der Gemeinde zu bestimmen. Die Leben-Jesu-Forschung hat im Kriterien an die Hand gegeben, um authentische Jesuslogia von denen zu unterscheiden, die der Gemeindebildung entsprungen sind. Deshalb weiß er natürlich auch, wie entscheidend der Unterschied zwischen dem historische Jesus und dem Christus des Glaubens ist. Durch die Quellenkritik kann er genau aufzeigen, wie die Evangelien entstanden sind. Es ist also auch keine Frage mehr, dass keines von einem Augenzeugen geschrieben wurde. So wie viele Briefe des Neuen Testaments pseudepigraphisch sind. Er durfte erkennen, dass die Bibel nicht Gottes Wort ist. Sie ist Zeugnis dieses Wortes Gottes. Wo immer es mich anspricht, da wird es zum Wort Gottes für mich. Die Religionsgeschichte war ein Augenöffner, da er jetzt erkannt hat, woher bestimmte Vorstellungen in der Bibel kommen. Wie viele… Weiterlesen »

Last edited 10 Monate zuvor by Schlotti
Chris
10 Monate zuvor

@Matze: Guten Morgen an Dich. Leider ist ja selbst das Wort „bibeltreu“ heute in Deutschland schon von den „Irrenden“ gekonnt in der öffentlichen Wahrnehmung verunglimpft worden. Man hat gar keine gemeinsame Grundlage mehr. Bibeltreu zu sein, wird in einem Atemzug genannt mit „unmenschlich“, „hartherzig“, „selbstgefällig“, „fanatisch“, „engstirnig“, „lieblos“, „unbarmherzig“ und, das betrifft vor allem Pfarrer mit politisch-akademischer bzw. universitärer Laufbahn, bei denen das herablassend mitklingt, mit „dumm“ oder „dümmlich“. Was die EAD und das freikirchliche Spektrum angeht, so kann ich Dir da nur zustimmen. Während ich 2005/2006 nach meiner Bekehrung damals schon in den Gemeinden, die zur evangelischen Kirche Hessen-Nassau gehören, eigentlich nur hörte, was in der Bibel alles falsch ist, nicht stimmt, damalige Kultur war und wie gut und richtig es ist, schwul zu leben, fand ich bei den freikirchlichen Gemeinden jedenfalls zu der Zeit noch einen Schutzort und Zuflucht. Das hat sich aber tatsächlich auch stark gewandelt. Ich habe den Eindruck, dass ich mich in Begegnungen mit Geschwistern… Weiterlesen »

Udo
10 Monate zuvor

Auf dem ZDF Nachrichtenkanal konnte man lesen „Kirchentag feiert erste KI-Messe: Alexa, starte den Gottesdienst“. Dass der Redakteur den Unterschied zwischen einer katholischen Messe und einem evangelischen Gottesdienst anscheinend nicht kennt, muss hier nicht verwundern, aber ein gut auf den Bibeltext programmierter Avatar, hätte sicher eine bessere textbasierte Predigt hinbekommen als der politische Aktivist Quinton Ceasar. Bibeltexte als Pappkulisse, um die eigenen Lieblingsthemen und Ideologien zum Besten zu geben, ist allerdings EKD-typisch und vor allem typisch für den politischen Kirchentag der EKD. Wobei man auch in deutschen Freikirchen vor solchen „Pappkulissenpredigten“ nicht verschont wird. Hat man sich anscheinend vom Diabolos (Matth. 4, 1ff) abgeschaut.

Eustace Scrubb
10 Monate zuvor

Kubsch: Danke für den Beitrag (vor dem Hintergrund der folgenden Gedanken sei sicherheitshalber gesagt: nicht ironisch, sondern ernst gemeint!)

Sodann:
Ich bin auf dem Gebiet wahrlich nicht fehlerfrei, aber ich fühle mich bei einigen Kommentatoren hier dann doch zuweilen etwas an Lk 18, 9-12 (bis 14 wage ich nicht zu gehen) erinnert.
Jmd sagte mal in einer Predigt: „… Reden wir darüber oder beten wir darüber?“
Nur mal als Impuls…

Matze
10 Monate zuvor

@ Chris
Vielen Dank für Deinen weiteren Beitrag. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen
@ Eustace Srubb
Wir sind aufgefordert zu beten, ja, aber auch die Zeichen der Zeit zu beachten wie es in der Schrift steht. In diesem Zusammenhang steht davon nichts, dass man dafür fehlerfrei sein muss
Wenn die Harmonie auf dem Kirchentag gelobt wird, auf der anderen Seite aber Organisationen, Parteien, theologische Standpunkte und anderes, was den Verantwortlichen nicht gepasst hat vor der Türe blieb muss das Kritisiert werden. Es galt nur ein Spektrum an Meinungen als akzeptabel, das in der Abschlusspredigt zum Ausdruck kam. Und da soll man dann den Mund halten? Nein. Denn dies was da gerade in den Kirchen und Freikirchen geschieht ist ein endzeitliches Geschehen. Wenn sich echte Christen wirklich ehrlich machen würden hiesse es nämlich: „Jetzt ist die Zeit für 2.Kor. 6, 17“

Ernst
10 Monate zuvor

„Ich werde euch heute nicht anlügen.“

Das spricht für sich. Mehr braucht man nicht mehr zu sagen.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner