Kultur des Todes (21): Reform des Abtreibungsrechts

Trotz vieler politischer Probleme hält die Ampel noch daran fest, das Abtreibungsrecht zu lockern. Erinnern wir uns: Die Koalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, das „Selbstbestimmungsrecht von Frauen“ zu stärken. Eingesetzt wurde zu diesem Zweck eine Expertenkommission, die im April des Jahres 2024 ein mehr als 500-seitiges Gutachten vorlegte, das es wirklich in sich hat (vgl. hier).  

Mathias Brodkorb (SPD) ist der Meinung, dass die Ampel das Vorhaben ganz schnell verwerfen sollte. Denn die Argumentation der Expertenkommission ist fatal. Die Würde des heranwachsenden Menschen soll nämlich laut Gutachter in dem Maße anwachsen, in dem er körperlich unabhängiger von der Mutter wird.

Brodkorb schreibt: 

Die Gutachter ficht das nicht an. Es gebe gute Argumente dafür, dass „die Menschenwürdegarantie durch einen Schwangerschaftsabbruch im Regelfall nicht verletzt wäre“, sind sie überzeugt. Dem Lebensrecht eines Embryos komme nämlich ein „geringeres Gewicht zu als dem Lebensrecht des Menschen nach der Geburt“. Das Kernargument: „Wegen der existenziellen Abhängigkeit des Ungeborenen vom Körper der Schwangeren spricht viel dafür, dass das Lebensrecht pränatal mit geringerem Schutz zum Tragen kommt als für den geborenen Menschen.“ Bis zur 22. Schwangerschaftswoche sollte daher Abtreibung künftig nicht mehr als Straftat gelten. Jedenfalls „spricht viel dafür“. Eine Unernsthaftigkeit reiht sich in einer existenziellen Frage an die nächste.

Die Argumentation hat eine gravierende Konsequenz: Die Menschenwürde gilt dann nicht mehr als unantastbar und unteilbar, stattdessen gibt es angeblich Grade der Würdigkeit und damit des Werts menschlichen Lebens. Eigentlich sollte Artikel 1 des Grundgesetzes nach dem Nationalsozialismus einmal ein Schutzschild genau vor solchen Auffassungen sein.

Ethisch betrachtet ist die gesamte Argumentation ohnehin haarsträubend: Die Würde des heranwachsenden Menschen soll demnach in dem Maße anwachsen, in dem er körperlich unabhängiger von der Mutter wird. Eigentlich würde man meinen, dass es eher andersherum funktionieren müsste: dass also der Schutzanspruch eines Menschen um so größer ist, je abhängiger und unterstützungsbedürftiger er ist.

Es ist grotesk, aus der Schwäche eines Menschen einen geringeren Grad an Würde und Schutzbedürftigkeit zu schlussfolgern. Man möchte keinem Bewohner eines Pflegeheims wünschen, von Mitarbeitern betreut zu werden, die solche Überzeugungen hegen wie die Gutachter der Bundesregierung. Und schon gar nicht möchte man dann ein Mensch sein, der auf eine Organtransplantation angewiesen ist, um zu überleben. Auch ein solcher ist biologisch vom „Körper“ anderer Menschen „existenziell abhängig“ und wäre dann angeblich mit geringerer Würde und Lebensrecht ausgestattet als andere.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): ww.cicero.de.

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