Linker US-Philosoph sägt am Darwinismus

Ich habe hier schon über das aktuelle Buch von Thomas Nagel berichtet. Jetzt ist das Thema auch in Deutschland angekommen. Sein Buch soll im Oktober in deutscher Sprache unter dem Titel Geist und Kosmos – Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist beim Suhrkamp Verlag erscheinen. Der Verlag schreibt darüber:

Über eines sind sich die meisten Naturwissenschaftler heute einig: Das Bild, das die exakten Wissenschaften – insbesondere Physik und Evolutionsbiologie – von der Welt zeichnen, ist im Wesentlichen korrekt und alles, was existiert, kann im Prinzip mit deren Methoden erklärt werden. Und in der Tat: Die Fortschritte, die diese materialistische Standardtheorie vorzuweisen hat, sind beträchtlich. Aber es gibt auch noch Lücken: Der menschliche Geist zum Beispiel findet darin bislang keinen rechten Platz. Ein reiner Schönheitsfehler? Nur eine Frage der Zeit? Nein, sagt Thomas Nagel, und bläst in seinem neuen Buch zum Generalangriff auf die etablierte naturwissenschaftliche Weltsicht. Ihr Problem, so seine These, ist grundsätzlicher Natur: Das, was den menschlichen Geist auszeichnet – Bewusstsein, Denken und Werte –, lässt sich nicht reduzieren, schon gar nicht auf überzeitliche physikalische Gesetze. Daher bleibt eine Theorie, die all dies nicht erklären kann, zwangsläufig unvollständig, ja, sie ist mit ziemlicher Sicherheit falsch. Um dies zu begründen, durchmisst Nagel die schwierigen Fragen der Philosophie des Geistes, der Erkenntnistheorie und der Theorie der Werte. Stück für Stück zeigt er mit subtilen philosophischen Argumenten auf, wo und warum der reduktive Materialismus zu kurz greift, und entwickelt erste Ansätze für eine völlig neue Perspektive auf Geist und Kosmos. Das ist so gewagt wie beeindruckend. Philosophie pur.

Malte Lehmig schreibt für CICERO:

Nagel nennt die Auffassungen, gegen die er leidenschaftlich und gleichwohl kühl und trocken anschreibt, abwechselnd psychophysikalischen Reduktionismus, Materialismus und Naturalismus. „Ich finde diese Sicht unglaubhaft“, schreibt er, sie sei der „heroische Triumph einer Ideologie über den Wirklichkeitssinn“. Als Grund für diesen Triumph vermutet er die Fortschritte der Naturwissenschaftler auf den Gebieten der Neurophysiologie und Molekularbiologie. Dadurch sei die übermütige Hoffnung genährt worden, auch sämtliche Phänomene des Geistes unter eine einzige physikalische Konzeption der Welt subsumieren zu können. Nagel hält das für unmöglich. Kaum gnädiger urteilt er über die Evolutionstheorie. Sie sei zwar nicht falsch, aber ungenügend. Die „ganze Wahrheit“ werde von ihr nicht erfasst. Denn die im Prinzip ziellose Abfolge von Mutation und Selektion könne nicht ausreichend erklären, wie aus anorganischem organisches Leben entstand, aus einfachen Systemen komplizierte wurden und Instinkt in Verstand und Bewusstsein mündete. „Organismen wie die unseren haben nicht einfach nur zufällig Bewusstsein.“ Die Lehre Darwins müsse folglich ergänzt werden durch teleologische Hypothesen, oder anders gesagt: einer „kosmischen Prädisposition der Entstehung von Leben, Bewusstsein und den Werten, die sich davon nicht trennen lassen“. Teleologie meint in diesem Zusammenhang: Dinge geschehen auch, weil sie auf dem Weg zu einem Ziel liegen.

Hier: www.cicero.de.

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8 Kommentare
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10 Jahre zuvor

Danke für den aufmerksamen Beitrag.

Gast auf Erden
10 Jahre zuvor

„so gut wie sicher falsch“ ist nicht genügend, um die von Charles Darwin begründete und von den Naturwissenschaftlern, von Dobzhansky und Mayr bis Dawkins und Leinfelder weiter geführte Evolutionstheorie, durch etwas besser erklärendes zu ersetzen. Und nur dann, wenn es gelänge dieses Erklärungsmodell so zu falsifizieren, dass die neue Erklärung der Funde der Paläobotaniker und anderer, einfacher ist als bisher, könnte man eine Klassifizierung „so gut wie falsch“ mit gutem, naturwissenschaftlichen Gewissen aussprechen. So ein Paradigma ist aber noch nicht einmal am Horizont erschiene; im Gegenteil, alle Entdeckungen, von der Paläontologie Leinfelders bis zur Molekularbiologie des DKFZ in Heidelberg, bestätigen die Evolutionstheorie, wie sie von Darwin begründet wurde. Eines ihrer jüngsten Kinder ist das Verumafenib. Und das funktioniert genau nach dem von der Evolutionsbiologie erklärten Modell. Wenn Nagel eine Erklärung anbieten kann, die die nächste Stufe der Therapie des malignen Melanoms leichter, einfacher schneller, oder auch nur billiger erklimmen lässt als die bisherige Evolutuionstheorie, werden die Onkologen begeistert darauf zurückgreifen.… Weiterlesen »

Roderich
10 Jahre zuvor

@Gast auf Erden, erstens würde ich stark hinterfragen, dass alle Forschungsergebnisse genau (und primär) zur Evolutionstheorie passen. Zweitens muss man differenzieren zwischen Makro- und Mikroevolution. Letztere zweifelt keiner an, aber die Sprünge zu höheren Entwicklungsstufen (Makroevolution) hat erstens noch keiner beobachtet (zu lange Zeiträume) und es ist auch oft nicht plausibel, sie anzunehmen. Das Problem mit Alternativtheorien ist: wenn sie nicht rein naturalistische Mechanismen unterstellen, werden sie von manchen Ideologen des Materialismus als von vorneherein unwissenschaftlich ausgeschlossen. Es ist ja auch schwierig, denn: Gottes Schöpfungshandeln kann man gewiss schlecht „messen“ und schon gar nicht durch Experimente erfassen. (Denn dazu müsste man Gott im Experimentenmodus einschließen und sein Handeln jederzeit kontrollieren / aktivieren können etc. – undenkbar.) So bleibt ein Dilemma: – Man sucht einen wissenschaftlich messbaren Mechanismus; sollte Gott die Welt geschaffen haben, oder kontinuierlich an der weiter-Schaffung / Entwicklung beteiligt sein, kann man den mit der naturalistischen Brille auf aber nicht finden und wird so „den Elefanten im Raum“… Weiterlesen »

Jörg
10 Jahre zuvor

Natürlich kann man – gegebenenfalls – die Inkonsistenz oder Invalidität von Theorien/Theoremen nachweisen, ohne die richtige(re) Alternative vorzulegen. Oft ist ja gerade das der erste Schritt des wissenschaftlichen Fortschritts, da dadurch erstmal Forschungsbedarf offenbar wird, wo zuvor – möglicherweise – keiner gesehen wurde. Und wenn es dabei um die Grundlagen einer Theorie geht, ist es gerade heutzutage angesichts der ausufernden Spezialisierung typischerweise so, dass diese nicht mehr kritisch hinterfragt werden sondern als – prägender – Interpretationsrahmen der Daten einfach vorausgesetzt werden. Wenn sich Nagels Kritik also als substanziell erweisen sollte, wäre das für die entsprechenden Theorien nur positiv, da es zu neuer Forschung und Erkenntnisfortschritt führen wird, der – wahrscheinlich – darin besteht, den Aussagebereich der Theorien auf das zu beschränken, wo sie tatsächlcih begründet etwas zu sagen haben. Es würde also zu einer Stärkung der Theorie im wissenschaftlichen SInne führen, die nur der missbilligen dürfte, der die Theorie weltanschaulich überhöht hat.

Theo
10 Jahre zuvor

@Jörg: Stimme deinen Aussagen voll zu. Das Argument der „fehlenden Alternative“ wird von Seiten der ET-Anhänger immer wieder ins Spiel gebracht. Warum man sich so sehr an diese Theorie hängt und nicht willens ist, den Aussagebereich der Theorie auf das zu beschränken, wo sie tatsächlich begründet etwas zu sagen hat, hat folgenden Grund: Damit würde sich zeigen, dass der Naturalismus eben doch nicht in der Lage ist die Gesamtwirklichkeit zu beschreiben, also sich als falsch herausstellt bzw. unwahrscheinlich wird. Der naturalistische Neodarwinismus nimmt für viele aber den Platz einer Weltanschauung oder auch „Religion“ ein. Das ist der Kern des Problems. Gruß, Theo

Reinhard
10 Jahre zuvor

Mit Therapiemöglichkeiten des malignen Melanoms oder Therapien anderer Krankheiten hat die Evolutionstheorie nun wirklich gar nichts zu tun. Hier werden Dinge ungerechtfertigterweise der Evolutionstheorie zugeschrieben, um sie als unverzichtbar und alternativlos erscheinen zu lassen. Tatsächlich gibt es keine Beispiele, wo die Evolutionstheorie geholfen hätte, Krankheiten besser zu bekämpfen. Man darf hier nichts verwechseln oder vermischen: Dass man manche Krankheiten irgendwie evolutionstheoretisch interpretieren könnte, bedeutet nicht, dass die Evolutionstheorie hilft, Krankheiten besser zu verstehen und dadruch eher heilen zu können. Siehe z. B. hier: http://www.si-journal.de/jg7/heft1/sij71-10m.html und hier: http://www.si-journal.de/index2.php?artikel=jg12/heft2/sij122-s.html (ganz am Schluss: Medizinethikerin kritisiert „Evolutionsmedizin“).

Gast auf Erden
10 Jahre zuvor

Der Weg zu den neuen Onkologica führte die Wissenschafter über den Weg der von Charles Darwin begründeten Evolutionstheorie und das auf diese Theorie aufgebaute Erklärungsmodell. Oder, um einen der Biologen zu zitieren, die die synthetische Evolutionstheorie begründet haben (die auch die Fundamente zum Beispiel für Herceptin, aber auch Zelboraf legten): „nothing in biology makes sense except in the light of evolution“ (deutsch: „nichts in der Biologie ist sinnvoll, außer im Lichte der Evolution betrachtet“). Und die Ätiologie von Krebs ist etwas ausgesprochen biologisches.
Aber wenn schon die erste Evolutionstheorie nicht ins persönliche Welt- und Glaubensbild passt, wie sollen dann moderne Zelltherapien dort Platz finden?

Roderich
10 Jahre zuvor

„nothing in biology makes sense except in the light of evolution“

Das ist Quatsch und definitiv keine Wissenschaft, sondern Ideologie. (Naturalismus).
Vielmehr muss man korrigieren:
– Vieles macht auch OHNE Evolutionstheorie Sinn
– Manches macht auch TROTZ Evolutionstheorie KEINEN Sinn.
Biologie beschreibt doch zunächst mal, was da ist. Die Entstehung (und WIE etwas entstanden ist) ist für viele Fragen doch ganz und gar untergeordnet. Für Artzneimittelfragen (welches Mittel hilft) ist es wohl GANZ und gar egal, ob Gott eine Pflanze geschaffen hat, oder ob die Pflanze durch Evolution oder theistische Evolution oder Design oder durch Marsianer geschaffen wurde…

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