Luther als „Doktor der Sünde“

Ilars Plume schreibt die flache Anthropologie der Neuzeit („Verzerrungen des Evangeliums“, Theologische Handreichung und Information, 42. Jg., August 2024, Nr. 3, S. 48–72, hier S. 53–54):

Luthers Weg zur Wiederentdeckung des Evangeliums begann mit dem richtigen Verständnis der Sünde. Die von Rom angebotenen Heilmittel gegen die Sünde waren nicht wirksam, weil die Diagnose nicht richtig gestellt wurde. Dies tat Luther wie ein Arzt, als er die Sünde als „den Tod in uns“ definierte. Daniel Olivier1, Historiker an der Universität Paris, nennt Luther deshalb einen „Doktor der Sünde“ und beklagt, dass leider nicht Luther, sondern die Anthropologie des Erasmus von Rotterdam die westliche Welt erobert habe. War Luther nach gründlichem Studium der Heiligen Schrift zu der Überzeugung gelangt, dass die menschliche Natur hoffnungslos verdorben und böse ist, so war der Mann aus Rotterdam – wie Aristoteles vor ihm – der Meinung, dass der Mensch gut genug ist, um durch Erziehung oder Moralunterricht geheilt zu werden. Fast alles, was wir in diesem Zusammenhang in der modernen Welt sehen, steht unter dem Joch des „Tausendkünstlers“ und ist abgeleitet von seinen großen Schülern Aristoteles und Erasmus. Die römische Kirche lehnte Luther ab, während die Protestanten ihn einfach vergaßen, so dass der Positivismus129 zum größten Problem der westlichen Kultur werden konnte.

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