Dass es noch qualitativ hochwertigen Journalismus gibt, belegt die Radiosendung „Leben nach Plan – Optimierter Anfang, kontrolliertes Ende“ von Eva Schindele. Worum geht es?
Anfang und Ende des Lebens sind existenzielle Übergänge, bei denen immer häufiger die Medizin Regie führt. Die meisten Menschen begrüßen das und hoffen dadurch, das eigene Leben besser kontrollieren zu können. Aber der naturwissenschaftliche Blick prägt die Wahrnehmung von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt: Mit der Herstellung von Embryonen im Labor stellt sich die Frage: Wann beginnt das Leben? Die vorgeburtliche Diagnostik sucht gezielt nach Normabweichungen beim Ungeborenen; gleichzeitig werden immer kleinere Frühgeborene gerettet und Schädigungen dabei billigend in Kauf genommen. Auch der Tod wird zum Projekt von Planung und Kontrolle. Dabei haben Ärzte und Ärztinnen bis heute Probleme, am Lebensende ihre Rolle zwischen Aktionismus, Schmerzlinderung und Sterbehilfe zu finden.
Einige wichtige Sätze aus der Sendung:
Die Sprecherin:
Ethische Vorstellungen sind nicht in Stein gemeißelt. Sie werden im gesellschaftlichen Diskurs immer wieder neu ausgehandelt, spiegeln den Zeitgeist wider und legitimieren oft im Nachhinein das technisch Machbare. Dabei prägen oft diejenigen die Debatte, die ein Interesse an einer Liberalisierung haben: Das sind vor allem einerseits die Anbieter reproduktionsmedizinischer oder pränataldiagnostischer Frage: Es ist ja viel Potenz hier, sozusagen „Leben“ zu generieren?
Die Lübecker Medizinethikerin Christina Schües sagt:
Materialprüfung ist üblicherweise nicht das, was am Anfang liegt, wenn man eine Beziehung eingeht mit einem Menschen. Ich hab mich schon oft gefragt, was es heißt eigentlich für ein Kind unter Bedingungen geboren zu werden. Ich hab in meinem Buch die Geburt verstanden als Gabe, und zwar in dem Sinne, dass Kinder bedingungslos geboren werden. Also im Sinne einer Gabe. Wenn es aber so ist, dass die Embryonen, also Kinder kontrolliert werden, und nicht zu ihren eigenen Bedingungen geboren werden, sondern zu Bedingungen von anderen, bestimmter Kriterien, bestimmter Qualitätsmerkmalen, dann würde ich sagen, ist ein Embryo reduziert auf einen Warencharakter. Und dann fragt man sich ja auch, ob dann vielleicht Regressansprüche gemacht werden können und ob man es auch wie eine Ware zurückgeben kann.
Die Sprecherin:
Von freudiger Erwartung ist in heutigen Schwangerschaften oft nur noch wenig zu spüren. Schon von Anfang an wird die Frau auf ein ärztliches Schwangerschaftsregime eingeschworen, das vor allem die Pathologie und das Risiko in den Mittelpunkt stellt. Kaum ein Kind kommt heute noch „ungeprüft“ auf die Welt. Unter dem Versprechen der „Sicherheit“ konnte sich so in den letzten 25 Jahren ein riesiger Markt für vorgeburtliche Untersuchungen und Tests etablieren. Gute Geschäfte für Frauenärzte, aber auch für Hersteller von Ultraschallgeräten, Software oder Testkits wie dem sogenannten Praenatest, der ab der 9. Schwangerschaftswoche im mütterlichen Blut nach Hinweisen für Down-Syndrom beim Ungeborenen sucht.
Margaretha Kurmann vom „Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik“:
Es wird gesucht, um zu verhindern, dass ein Kind mit dieser Behinderung oder Beeinträchtigung, nach der gesucht wird, geboren wird. Die Therapie ist der Schwangerschaftsabbruch. Es gibt seltene Fälle, wo man die Geburt sozusagen danach ausrichten kann und man kann auch manchmal das in der Schwangerschaft machen und das ist ja auch nicht strittig, aber in der Regel sind es Untersuchungen, die wir im Netzwerk als selektiv bezeichnen, die also darauf ausgerichtet sind, Geburt von Kindern mit bestimmten Merkmalen zu verhindern. In dem Sinne gibt es nichts zu entscheiden über das So-Sein des Kindes, sondern es gibt nur darüber etwas zu entscheiden: Soll dieses Kind auf die Welt kommen oder nicht?
Hier das Manuskript und der Link auf die mp3-Datei der empfehlenswerten Sendung zum Download: swr2wissen-20150606-leben-nach-plan-ra06.12844s.mp3.
Hallo Ron,
ich habe mir jetzt die Sendung anhören können. Eine gute Sendung, die jedoch die Komplexität dieser Themen auch nur anschneiden konnte. Hier wurde tatsächlich nüchtern und sachlich zusammengefasst, wie sich unsere Gesellschaft bei dem Themen Geburt und Sterben entwickelt. was würde ich mich freuen, wenn endlich mal, auch und besonders unter uns Christen (nicht Kirchenvertreter, sondern Christen wie du und ich), eine offene Diskussion über die Themen Usus würde.
Auf meinem Blog werden die entsprechenden Themen zwar immer wieder mal angeklickt, doch eine Diskussion hat sich nie wirklich ergeben.
Gruß, Charly