In Zukunft möchte die EU bei medizinischen Tests an Menschen auf die ethische Prüfung verzichten. Der Schutz des einzelnen Probanden gehört für die Europäische Kommission anscheinend nicht zum Gemeinwohl. Stephan Zahm warnt:
Wissenschaft bedarf der externen Kontrolle, wie es der amerikanische Medizinrechtler George Annas im Gefolge der Nürnberger Ärzteprozesse formulierte. Damals wurden Regeln für die Forschung am Menschen entwickelt, die der Weltärztebund schließlich in seiner wegweisenden Erklärung von Helsinki aus dem Jahr 1964 als verbindlich erklärte. Etwas salopp könnte man die Zeit davor als forschungsethisches Mittelalter bezeichnen.
Just dahin will die Europäische Kommission wieder zurück. Sie möchte die bislang in Europa gültige Richtlinie 2001/20/EG für Experimente am Menschen, in der die Helsinki-Prinzipien umgesetzt sind, in wesentlichen Punkten aushebeln. Bisher war es den Wissenschaftlern auferlegt, vor Beginn einer klinischen Prüfung eine unabhängige Ethikkommission zu konsultieren, die den Schutz der Patienten und Probanden sicherstellen soll. Im Vorschlag der Kommission zu einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln vom 17. Juli kommt das Wort Ethikkommission nicht mehr vor.
Schwerer noch wiegt die stillschweigende Verschiebung der Kriterien, die bei der Bewertung der Zulässigkeit einer Studie beachtet werden sollen. Während das deutsche Arzneimittelgesetz den potentiellen Nutzen auch für die Patienten hervorhebt, wird im Entwurf aus Brüssel jetzt ausschließlich sozialethisch argumentiert. So sollen nun „insbesondere der erwartete therapeutische Vorteil und Nutzen für die öffentliche Gesundheit gegen das Risiko und die Unannehmlichkeiten der Probanden abgewogen werden“. Die Kommission will nur noch den Gemeinnutzen zu Buche schlagen lassen.
Morgen soll der Gesundheitsausschuss des Bundestags übrigens den Vorschlag der Kommission durchwinken.
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