Daniel von Wachter

Postmoderne: „Jeder hat recht“ ist unlogisch

Der Religionsphilosoph Professor Daniel von Wachter hat in einem Interview dem Medienmagazin pro über das Denken der Postmoderne den Wahrheitsrelativismus scharf kritisiert:

Daniel von Wachter: Postmodernismus ist nicht eine Analyse des Denkens der Mehrheit der heutigen Menschen, sondern besteht aus bestimmten Behauptungen bestimmter Autoren. Zum Beispiel: Es gibt keine objektive Wahrheit; es gibt keine Wirklichkeit, die von uns unabhängig ist; Vernunft und Wissenschaft sind nur Herrschaftsinstrumente; Texte haben keine zu entdeckende Bedeutung. Interessant ist, dass die vier Hauptautoren dieser Art von Rhetorik – Lyotard, Derrida, Rorty, Foucault – alle einen sozialistischen Hintergrund haben.

Wie denken Postmodernisten über den christlichen Glauben?

Die Postmodernisten greifen die bloße Tatsache an, dass das Christentum eine Lehre hat; eine Botschaft, die wahr sein soll. Sie greifen die christliche Lehre nicht so an, wie es redlich und sinnvoll wäre, indem sie ihr Argumente entgegenhalten und sagen: Das ist falsch aus den und den Gründen. Stattdessen behaupten sie, Wahrheit und Wirklichkeit gebe es gar nicht. Zweitens greifen die Postmodernisten die Lehre der Christen an, dass die Bibel Gottes Wort und verbindliche Quelle der Lehre sei. Wieder geben sie keine Argumente, sondern sie sagen: Ein Text hat gar keine zu entdeckende Bedeutung. Jeder schafft sich seine eigene Bedeutung.

Wenn es keine Wahrheit gäbe, wäre jede Meinung gleichermaßen richtig?

Es hat keinen Sinn, zu sagen: „Wenn jemand das anders sieht als ich, dann hat er ebenfalls recht.“ Das ist ein Widerspruch, es ist unvernünftig, so etwas zu sagen. Die Idee, dass man so einen Widerspruch „aushalten soll“, wird oft als menschlich und liebevoll dargestellt. Es ist aber unlogisch, wenn ich etwas glaube und das Gegenteil auch für richtig halte. Das bringt niemanden weiter. Wir wollen doch wissen, was richtig ist, und uns entsprechend entscheiden. Man darf die Wahrheit nicht gegen die Liebe ausspielen. Daher sollte man nicht sagen: Damit ich mehr Liebe übe, darf ich niemandem mehr widersprechen. Es ist sogar liebevoller, wenn ich versuche, ihn zu überzeugen, weil ich ja will, dass der andere auch die Wahrheit, also die richtige Auffassung erlangt. Manchmal ist es zum Beispiel in einer Gemeinde richtig zu sagen: „Wegen dieser Meinungsverschiedenheit trennen wir uns nicht“. Aber es ist töricht zu sagen: „Ich meine X, aber ich will nicht sagen, dass Nicht-X falsch wäre.

Mehr: www.pro-medienmagazin.de.

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Siehe dazu auch: Ron Kubsch: „Warum das Christentum für François Lyotard eine Emanzipationserzählung ist“, mbstexte085.pdf sowie „Vom Ende der großen Erzählungen Jean François Lyotard und das Das postmoderne Wissen“, mbstexte003.pdf.

Existiert Gott?

Am 26. April 2016 wird es an der Leibnitz Universität Hannover eine philosophische Podiumsdiskussion zur Frage: „Existiert Gott?“ geben. Professor Daniel von Wachter diskutiert mit Professor Ansgar Beckermann (mehr hier).

Beckermann hat erst im Dezember 2015 in München mit William Lane Craig disputiert. Die Debatte aus München kann beim cvmd nachgehört werden: cvmd.eu.

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Verletzten Wunder die Naturgesetze?

Verletzen Wunder die Naturgesetze? Daniel von Wachter meint: Nein! In seinem Vortrag:

  • „Miracles are not violations of the laws of nature because the laws do not entail regularities“

plädiert er für eine neue Sichtweise der Naturgesetze:

Some have tried to make miracles compatible with the laws of nature by re-defining them as something other than interventions. By contrast, this article argues that although miracles are divine interventions, they are not violations of the laws of nature. Miracles are also not exceptions to the laws, nor do the laws not apply to them. The laws never have exceptions, they never are violated or suspended. They probably are necessary and unchangeable. They apply to divine interventions too. We need to reconsider not miracles but laws. The main claim of this article is that laws of nature do not entail regularities, and that therefore miracles do not violate the laws. We need a new theory of the laws of nature, the tendency theory.

Hier der Aufsatz als PDF-Dokument: Wachter-2015-regularities-2015-05-21.pdf.

Professor Wachter hat zu diesem Thema kürzlich auch einen Vortrag an der ETH Zürich gehalten. Hier ein Mitschnitt:

„Radical Orthodoxy“-Tagung an der STH

Anfang Dezember 2014 wurde an der STH Basel eine Tagung zur Bewegung „Radical Orthodoxy„ abgehalten (vgl. hier). Die STH schreibt im Rückblick:

Referenten der Tagung

Die Radical Orthodoxy (RO) und ihr Vordenker Prof. Dr. John Milbank, Universität Nottingham, England, haben in der englischsprachigen Welt weiträumige Resonanz mit einer These gefunden, die quer zum Zeitgeist steht: Theologie soll Milbank zufolge wieder erste Wissenschaft werden. Christlicher Glaube muss seine kulturprägende Kraft wiedergewinnen.

Die Tagung an der STH Basel am 6. 12. 2014 setzte sich die Aufgabe, die RO im christlichen Denken in Europa bekannt zu machen. Vor ca. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hatten wir Gelegenheit, auf hohem Niveau mit John Milbank in ein intensives, freundschaftliches, aber nicht unkritisches Gespräch zu kommen. Milbank stellte in einem brillanten Vortrag Anliegen und bisherige Ausprägung der RO dar. Sein Schüler Dr. Adrian Pabst, Universität Kent, England, arbeitete anschliessend den Begriff der Partizipation als einer Partizipation an Christus systematisch und ideengeschichtlich besonders heraus. Prof. Dr. Daniel von Wachter, Internationale Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein, stellte die Frage, ob die RO hinreichend orthodox ist. Folgt sie wirklich klar genug christlicher Lehre und deren Aufforderung zu Handlung und Umkehr? Prof. Dr. Harald Seubert, STH Basel, brachte darauf hin die Frage nach dem Zusammenhang von Heilsgeschichte und Metaphysik, Bibelwissenschaft und christlichem Denken, das am Wort Gottes seinen Massstab finden muss, in die Diskussion ein.

Am Nachmittag folgten auf die Hauptvorträge kurze Statements von PD. Dr. Hans Otto Seitschek, Ludwig-Maximilians-Universität München, der den katholischen Denker Romano Guardini ins Gespräch brachte, sowie des einstigen STH-Professors Gianfranco Schultz, der, ausgehend vom niederländischen Philosophen Herman Dooyeweerd, das Profil reformierten christlichen Denkens einbezog.

Eine lebendige, auf das Publikum geöffnete Diskussion schloss sich an, zu der auch weitere Kollegen hoch interessante Beiträge einbrachten. Schwerpunkte waren die Reichweite der Theologie, die Dimension von Lobpreis, christlicher Kunst, aber auch der Ethik der Heiligung. Sodann konzentrierte sich der Disput unter Moderation von PD Dr. Johannes Corrodi, Universität Zürich, auf das Verhältnis von Politik, Demokratie und Eschatologie und die Position des christlichen Glaubens in einer weitgehend säkularisierten Welt: Ein dichter und erfüllter Tag, an dem die STH Basel im Zentrum christlichen Denkens der Gegenwart stand.

Die Tagung, die Prof. Dr. Sven Grosse und Prof. Dr. Harald Seubert, beide STH Basel, gemeinsam vorbereitet hatten und die von der Thyssen-Stiftung grosszügig gefördert worden war, wird in einen Band münden, in dem die Positionen im einzelnen nachgelesen werden können und der gewiss weitere Debatten auslösen wird.

Sämtliche Vorträge der Konferenz stehen inzwischen online und können somit nachgehört werden.

D. von Wachter: „Der Mythos der Aufklärung“

Der Philosoph Daniel von Wachter schreibt:

Der Begriff „Aufklärung“ wurde von Gegnern des Christentums erfunden, um den Eindruck zu erwecken, die Christen seien naiv und intolerant, und im 18. Jahrhundert sei dagegen schließlich langsam die Vernunft zur Geltung gebracht worden, was zur Entstehung der Naturwissenschaft, zu Fortschritten in der Philosophie und zur Religions- und Meinungsfreiheit geführt habe. Die sich selbst als „Aufklärer“ Bezeichnenden wollten sich als epochemachend stilisieren. Die angeblichen Errungenschaften der Aufklärung wurden größtenteils von anderen errungen. In dieser ersten Folge wird die Grundstrategie der Aufklärung und die Diskrepanz zwischen dem Inhalt und dem Umfang des Aufklärungsbegriffes dargestellt.

Der lehrreiche Aufsatz: „Der Mythos der Aufklärung Teil 1: Eigenlob stinkt“ ist beim Professorenforum erschienen und kann hier heruntergeladen werden: Artikel_I_2014/Wachter-Aufklaerung1-2014.pdf.

Sind Wunder mit der Wissenschaft vereinbar?

620px Vortrag von Wachter Flyer 1Daniel von Wachter wird am Mittwoch, den 27. November 2013 um 19.30 Uhr an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Große Aula, Raum E 120) einen Vortrag zum Thema:

  • „Sind Wunder mit der Wissenschaft vereinbar?“

halten.

Die LMU schreibt dazu:

Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter ist Professor für Philosophie und Direktor der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein. Er promovierte in Philosophie an der Universität Hamburg und in Theologie an der University of Oxford. Als Träger des Bayerischen Habilitationsförderpreises habilitierte von Wachter 2008 am Philosophie-Department der Ludwig-Maximilians- Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte sind Metaphysik, (analytische) Religionsphilosophie, Ontologie, Kausalität, Naturgesetze und Willensfreiheit. Der schon durch Thomas Hobbes 1655 aufgebrachte Gedanke, dass alles kausal determiniert sei, ist bis heute enorm einflussreich.

Wenn er wahr ist, kann man zu Recht traditionelle Religionen wie das Christentum ablehnen, ohne Argumente für deren Wahrheit im Einzelnen zu untersuchen. Sowohl viele Kritiker des Christentums als auch viele akademische Theologen waren fest vom Determinismus und damit von der Unmöglichkeit von Wundern überzeugt. Der Vortrag wird der Frage philosophisch auf den Grund gehen, ob Wunder dem „wissenschaftlichen Weltbild“ oder den Naturgesetzen widersprechen oder aus einem anderen Grund unmöglich sind. Der Vortrag wird veranstaltet von Prof. Dr. Armin Kreiner, Lehrstuhl für Fundamentaltheologie, Katholisch-Theologische Fakultät sowie Prof. Dr. Hans-Peter Kriegel, Lehrstuhl für Datenbanksysteme, Institut für Informatik. Der Eintritt ist frei.

Flyer: Vortrag-von-Wachter-Flyer.pdf.

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Ein Interview, das ich vor einiger Zeit mit Daniel von Wachter geführt habe, finden Sie hier: theoblog.de.

Kant und die Theologie (Teil 2)

Im Oktober 2012 kam es in der chilenischen Presse zu einem Schlagabtausch zwischen dem Kantianer Pfarrer Richard Wagner und dem Philosophieprofessor Daniel von Wachter. Ich geben den Disput in zwei Teilen mit freundlicher Genehmigung wieder. Hier die Replik von Daniel von Wachter auf den Beitrag von Richard Wagner:

Die Anti-Vernünftigkeit Kants und die Umdeutung des Gottesbegriffs

Daniel von Wachter

Herr Wagner trägt in diesem Artikel eine Lehre Immanuel Kants und die Auffassung vor, man könne durch das Universum keine Erkenntnis über Gott gewinnen. Das folgende ist eine Gegendarstellung.

Aufklärung

Herr Wagner stellt seine Position als die „aufgeklärte“ dar, welche bedauerlicher- und seltsamerweise „immer noch“ nicht alle angenommen hätten, was entweder ein Mangel an Kenntnis dieser Position oder ein Mangel an Vernunft sein müsse. Das ist die Rhetorik derjenigen Bewegung des 18. und 19. Jahrhunderts, die sich in aller Bescheidenheit „Die Aufklärung“ und ihre Gegner als die Abergläubischen, Unvernünftigen und Dogmatischen dargestellt haben. Es ist normal zu glauben, daß man selbst recht hat und die anderen irren – das liegt in der Natur einer Überzeugung. Aber die bloße Behauptung, die Vernunft gepachtet zu haben, sollte keinen vernünftigen Menschen überzeugen. Es kommt auf die Argumente, die Begründungen an, und bei jenen Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts sind die Begründungen ebenso dünn wie die Behauptungen der eigenen Aufgeklärtheit laut. Die Rhetorik des Man-kann-heute-nicht-mehr-X-glauben oder des Wir-haben-das-Mittelalter-überwunden will, ohne sich die Mühe des Begründens zu machen, den Eindruck erwecken und darauf hinwirken, daß der Glaube an den Schöpfergott, an Wunder, an die Existenz der Seele, an die Willensfreiheit und an objektive Moral aussterben werde. Doch das werden sie ebensowenig wie die materialistischen Gegenpositionen aussterben werden. Es bleibt die Aufgabe eines jeden Menschen, nach der Wahrheit zu suchen.

Immanuel Kant

Herr Wagner glaubt an die Lehren Immanuel Kants und meint zudem, diese müßten jeden Vernünftigen überzeugen. Dazu muß sich jeder selbst ein Urteil bilden. Doch es ist keineswegs so, wie Theologen manchmal meinen, daß man „seit Kant“ dieses oder jenes nicht mehr glauben könne. Es kommt in der Philosophie selten oder nie vor, daß eine Position unhaltbar wird und ausstirbt. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, daß in der Philosophie auch starke irrationale Beweggründe wirken.

Zur Auflockerung sei meine Einschätzung Kants genannt, mit der ich nicht allein stehe, und wenn ich es täte, wäre sie deshalb noch lange nicht falsch: Kant litt unter einem neurotischen Sicherheitsbedürfnis. Er wollte keine Metaphysik dulden, welche Gründe und Wahrscheinlichkeiten abwägt. „Ich verbitte mir das Spielwerk von Wahrscheinlichkeit und Mutmaßung“, schrieb er. In der Metaphysik dürfe es um nichts weniger denn „apodiktische Gewißheit“ gehen. Die Existenz von vom Menschen unabhängigen Gegenständen war ihm deshalb unerträglich. Daher machte er seine pubertäre „kopernikanische Wende“ und sagte, nicht unser Denken richte sich nach den Gegenständen, sondern die Gegenstände richten sich nach unserem Denken. Wir erschaffen die Gegenstände. Das ist ein Musterbeispiel von Irrationalität, denn der vernünftige Mensch hält seine Wahrnehmungserlebnisse, seine Eindrücke weder für unfehlbar, noch verwirft er sie völlig, geschweige denn, daß er glaubt, die Gegenstände hingen von ihm ab. Passend zu seiner Irrationalität hat Kant in die deutsche Philosophie den dunklen, unklaren Stil eingeführt, der manchen zwar beeindruckt, aber das wissenschaftliche Niveau senkt.

Können wir durch das Universum Erkenntnis über Gott gewinnen?

Herr Wagner nennt die Überlegungen über Gott als Ursache des Universums „rührend-naiv“. In wenigen Zeilen will er – an entsprechende Behauptungen im Werke Kants angelehnt – zeigen, daß gleichermaßen schlüssige Gedankengänge über die letzte Ursache zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Das soll zeigen, daß wir durch solches Denken keine Erkenntnis über Gott gewinnen können.

Doch wie schon unzählige Kritiker Kants dargelegt haben, sind die genannten Gedankengänge keineswegs schlüssig. Kaum ein Philosoph sagt, alles müsse eine Ursache haben. Die Frage ist, ob das Universum eine Ursache hat, nämlich Gott. Entweder das Universum (in seiner gesamten zeitlichen Ausdehnung) oder Gott hat keine Ursache. Die Diskussion über diese Themen ist heute ausführlicher und gründlicher denn je. Da gibt es viele Positionen, aber wenn man da in seiner Position einen Widerspruch hat, muß man halt etwas an der Position ändern. Unvermeidliche Widersprüche gibt es da keine.

Herr Wagner trägt die Kantische These vor, Kausalität sei nichts in der Welt, sondern eine Weise, wie wir unsere Erfahrungen ordnen. Das glaube wer will, doch fragen Sie sich bitte, was vernünftiger ist: zu glauben, daß es eine unabhängig von unserem Denken bestehende Tatsache ist, daß das Erdbeben das Herunterfallen der Autobahnbrücke des Vespucio Norte verursacht habe, oder daß diese Verursachung nur etwas in unserem Kopf sei. Um Kants Lehren zu beurteilen muß man so direkt und einfach fragen: Ist es vernünftig, das zu glauben? Hier kommt der im Titel von Wagners Artikel genannte Kaiser ins Spiel: die Frage ist, ob der Kaiser nackt und Kant und die Kantianer unvernünftig sind.

Der Schöpfer

Herr Wagner will – Autoren wie Schleiermacher und Bultmann folgend – die Aussage „Gott ist der Schöpfer des Universums“ uminterpretieren in eine Aussage über Wert, Sinn oder Gefühl. Er behauptet wohl, daß sie nichts über eine Ursache des Universums sage, daß sie sich durch keine Beobachtungen des Universums belegen lasse. Damit wendet er sich gegen alle Überlegungen dazu, daß die Lebewesen, unser Körper oder andere Aspekte des Universums Hinweise auf Gott gäben. Doch zu sagen, die Aussage „Gott ist der Schöpfer des Universums“ sei eine Aussage nur über Sinn und Gefühl, ist so absurd und verwirrend wie zu sagen, die Aussage „Die Ampel ist rot“ bedeute in Wirklichkeit: „Ich will nicht mehr weiterfahren.“ Es ist offensichtlich falsch, d.h. es widerspricht den normalen Regeln der Sprache. Nach den normalen Regeln der Sprache bedeutet „Gott ist der Schöpfer des Universums“ das, was der normale Nicht-Theologe darunter versteht: Daß Gott das Universum erschaffen hat und es erhält. Theologen machen seit zwei Jahrhunderten diese Sinnveränderungsverrenkungen, weil sie nicht direkt und klar sagen wollen, was sie meinen, z.B. daß es nicht wahr sei, daß Gott der Schöpfer des Universums sei.

Die Frage ist, ob es einen Gott gibt. Wenn es ihn gibt, ist er der Schöpfer und Erhalter des Universums. Christliche Philosophen haben seit eh und je gründlich und auf dem jeweiligen Stand der Naturwissenschaft dargelegt, daß vieles im Universum, etwa der Menschliche Körper oder der Urknall für die Existenz Gottes spricht. Es sind Indizien für die Existenz Gottes. Das heißt, daß die Annahme der Existenz Gottes diese Dinge erklärt und es weniger wahrscheinlich ist, daß sie von niemandem geschaffen wurden.

Wagners Aussage, wir hätten „keine allgemein überzeugende philosophische Metaphysik“ und Kant habe die vergangene Metaphysik „zertrümmert“ ist, läßt Kants neurotisches Sicherheitsbedürfnis durchscheinen: Natürlich haben wir keine metaphysische Auffassung, die von allen – z.B. sowohl von mir als auch Herrn Wagner – angenommen wird, aber wir haben heute gründliche philosophische Untersuchungen der Indizien für und gegen die Existenz Gottes. Wer das nachprüfen möchte, sehe sich einmal die Sparte „Metaphysics“ auf philpapers.org an. Kant und Herrn Wagner ist das zu wenig „allgemein überzeugend“ und nennt den Streit deshalb einen „aussichtslosen Streit um des Kaisers Bart“. Zeigte die Metaphysik „allgemein überzeugend“, ob es einen Gott gibt, gäbe es dazu weder im Mercurio noch in der Philosophie Diskussionen. Alle Irrationalität würde überwunden. Herr Wagner bräuchte keine Artikel mehr schreiben, und ich auch nicht. Die Menschen müßten nicht mehr mit der Gottesfrage und dem Sinn ihres Lebens ringen. Wenn es einen Gott gibt, wäre das nicht in seinem Sinne, denn wir hätten dann keine Freiheit, ihn und das Evangelium anzunehmen oder abzulehnen, ihn zu lieben oder nicht. Die Existenz Gottes und die Wahrheit des Evangeliums sind nicht zuletzt durch die von Herrn Wagner als aussichtslos bezeichneten Überlegungen (ich empfehle, sie durch das Lesen des Buches „Gibt es einen Gott?“ des Oxforder Philosophen und Theologen Richard Swinburne zu vertiefen) hinreichend gewiß, so daß wir gerufen sind, Vergebung durch Christi Tod zu erflehen und Gott unser Leben zu verschreiben. Aber sie sind nicht so offensichtlich, daß wir nicht die Freiheit hätten, das Evangelium abzulehnen.

Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter

Die Vernunft wehrt sich nicht gegen Wunder

Der Philosoph Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter hat an der Universität München eine Habilitationsschrift über Die kausale Struktur der Welt: eine philosophische Untersuchung über Verursachung, Naturgesetze, freie Handlungen, Möglichkeit und Gottes Wirken in der Welt geschrieben. Er ist ein der anglikanischen Kirche zugehöriger Christ und lehrt an der Internationalen Akademie für Philosophie in Santiago de Chile. Das Buch wurde mit dem Karl-Alber-Preis ausgezeichnet und ist beim Verlag Alber erschienen. Eine frühere Fassung ist frei herunterladbar. Es gibt zudem ein Forum zur Diskussion über das Buch.

TheoBlog.de hat mit dem Philosophen über seine Untersuchung gesprochen:

 

Die Vernunft wehrt sich nicht gegen Wunder

Interview mit dem Philosophen Daniel von Wachter  


Theoblog: Herr von Wachter, welche Philosophen oder welche Epoche untersuchen Sie in diesem Buch? 

W: Gar keine. Die Philosophie untersucht genauso wenig Philosophen oder Epochen wie die Physik Physiker oder die Biologie Biologen untersucht. Die Vorstellung, daß der Gegenstand der Philosophie Philosophen und deren Texte seien, hat zwei Quellen: Erstens haben die Positivisten, die behaupteten, daß nur die Naturwissenschaften Erkenntnis schaffen, gemeint, daß die einzige sinnvolle Aufgabe für Philosophen die Untersuchung alter Texte sei. Zweitens gibt es eine gewisse Angst davor, philosophische Fragen zu beantworten. Manchen fehlt einfach die Fähigkeit oder der Mut dazu, vielleicht weil sie ein großes Gewißheitsbedürfnis haben und diese Gewißheit in der Philosophie nicht finden. Es gibt noch eine dritte Quelle, eine hegelianische, aber die ist schwer zu beschreiben. In Deutschland haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten Philosophen darauf beschränkt, Philosophiegeschichtsschreibung zu betreiben, vielleicht weil sie sich möglichst wenig weit aus dem Fenster lehnen wollten. Aber mein Eindruck ist, daß es jetzt mit der Philosophie in Deutschland wieder aufwärts geht.

Theoblog: Was untersucht dann Ihr Buch? Ist das für den Laien von Bedeutung?

W: Die kausale Struktur der Welt ist eines der großen alten Themen der Philosophie. In der angelsächsischen Philosophie gibt es heute eine ausgiebige, sehr komplizierte und abgehobene Diskussion über Verursachung. Aber das Thema ist von großer Bedeutung für eines jeden Menschen Weltbild, und viele haben den Mechanizismus verinnerlicht, das ist die Vorstellung, daß die Welt wie eine Maschine ist: sie besteht von vorn bis hinten aus kausalen Vorgängen. Alles, was geschieht, ist das Ergebnis eines Vorganges. Dadurch entsteht dann das Gefühl, daß Wunder oder Willensfreiheit unmöglich seien oder der Vernunft widersprächen oder von der Naturwissenschaft ausgeschlossen würden. Ich empfehle einen Selbsttest: Stellen Sie sich die Frage: „Gibt es Wunder, wie z.B. die Wiederlebendigwerdung und Auferstehung des gekreuzigten Leibes Jesu?“ und die Frage: „Können wir durch unser freies Handeln Kausalvorgänge in Gang setzen?“. Wenn Sie in sich Warnlampen leuchten oder eine Abneigung spüren, dann haben Sie sich von der mechanistischen Propaganda beeinflussen lassen.

Theoblog: Aber man kann doch Wunder nicht mit der Vernunft begreifen. Die Vernunft wehrt sich gegen Wunder.

W: Warum? Da wir hier auf einem Theologen-Blog sind, will ich anmerken, daß besonders Theologen das seit ca. 1800 ständig wiederholt haben, und es wird den Studenten auch heute noch eingeredet. Da wird vom „kausalen Nexus“, vom „wissenschaftlichen Weltbild“, von „historischer Methode“  geredet oder es wird einfach emphatisch gesagt, die Vernunft schließe Eingriffe Gottes in das Naturgeschehen aus. Aber nur Gründe, die man versteht, sind vernünftig – und es gibt hier weit und breit keine Gründe. David Hume hat versucht, aus unserer Kenntnis der Naturgesetze abzuleiten, daß es keine Wunder gebe. Obwohl Humes Argument von Anfang an schlagend kritisiert wurde, wurde es immer wieder hochgejubelt. Vor einigen Jahren schrieb der Philosoph John Earman ein Buch dazu mit dem treffenden Titel Hume‘s Abject Failure, was soviel heißt wie Humes jämmerliches Scheitern. Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es natürlich keine Wunder. Aber wenn es Gott gibt, wofür es Beweise gibt, dann ist zu erwarten, daß er manchmal Wunder wirkt. Wieso soll denn das gegen die Vernunft sein? Vernünftigsein heißt richtig denken. Als die Jünger den auferstandenen Jesus gesehen haben, haben sie verstanden, daß Gott ihn auferweckt hat und daß er Gottes Sohn und der Messias ist. Was ist denn daran unvernünftig? Sie haben genau richtig gedacht, als sie das geschlossen haben.

Theoblog: Die Auferstehung übersteigt die Vernunft, denn die Vernunft sagt, daß Tote nicht auferstehen.

W: Nur, wenn Sie „Vernunft“ so definieren. Genau das hat die sog. „Aufklärung“ getan. Diese Autoren haben ständig wiederholt, daß Glaube an Gott, Wunder und die christliche Lehre Aberglaube sei und daß die Vernunft den Determinismus lehre, also die Lehre, daß jedes Ereignis durch einen kausalen Vorgang determiniert sei. Die Aufklärung hat diese Auffassung durch häufige nachdrückliche Wiederholung und nicht durch Argumente verbreitet. Das ist natürlich nicht vernünftig, sondern Propaganda. In Wirklichkeit ist es manchmal ganz vernünftig, etwas für ein Wunder zu halten, und es ist unvernünftig, die Möglichkeit von Wundern auszuschließen. Übrigens hat die Aufklärung die Verbreitung ihres Weltbildes auch dadurch gefördert, daß sie in der Philosophiegeschichtsschreibung andersdenkende Philosophen ignoriert und als aussterbende Spezies dargestellt hat und die ihr Weltbild teilenden Philosophen als die größten und einzig ernstzunehmenden Philosophen dargestellt hat. So entstand der heute übliche Kanon der angeblich größten Philosophen: Descartes, Hobbes, Spinoza, Hume, Kant, Hegel, usw.

Theoblog: Ist das eine der Kernthesen Ihres Buches?

W: Nur ein Nebenprodukt. Das Buch will vor allem untersuchen, was Verursachung, Naturgesetze und freie Handlungen sind. Um das gründlicher tun zu können, untersuche ich davor, was Möglichkeit ist, denn welche Theorie der Möglichkeit man annimmt, stellt die Weichen für die Beantwortung vieler anderer Fragen. Doch man muß das Buch nicht von vorne bis hinten lesen; auch wenn man nur einzelne Kapitel des Buches liest, sollte man das Wichtigste verstehen können. Mithilfe der Ergebnisse der genannten Untersuchungen analysiert das Buch dann, auf welche Weisen Gott in der Welt wirken könnte, z.B. indem er ein Universum erschafft, es erhält und manchmal in den Gang der Dinge eingreift. Ob es einen Gott gibt, untersucht dieses Buch nicht, das wäre ein anderes Thema.

Theoblog: Laut der elften Ihrer Zwanzig Thesen zur kausalen Struktur der Welt können Handelnde Vorgänge in Gang setzen. Hat die Hirnforschung nicht herausgefunden, daß unsere Handlungen das Ergebnis von Hirnvorgängen sind? 

W: Sie spielen auf das Experiment von Benjamin Libet von 1982 an. Es ist zum Staunen, wie manchmal schlecht begründete Thesen viele überzeugen. Libet selbst hat sein Experiment so dargestellt als ob er den Versuchspersonen gesagt hätte, sie sollen ihre Hand bewegen, wann immer sie wollten. In Wirklichkeit hat er ihnen gesagt, sie sollen warten, bis ein Drang zum Bewegen der Hand aufkommt. Daß ein Drang eine vorangehende Ursache hat, ist mit der Annahme von Willensfreiheit zu vereinbaren. Diese und viele Einwände mehr gegen Libet mache ich gegen Libet in dem Buch und auch in zwei neueren Aufsätzen.

Theoblog: Was ist denn nun am Mechanizismus falsch? 

W: Wegen der Quantenmechanik geben die meisten Autoren heute zu, daß es indeterministische, probabilistische Vorgänge geben kann. Aber weitgehend unangefochten ist die Annahme, daß jedes Ereignis das Ergebnis eines Vorgangs sei. Dem halte ich zweierlei entgegen: Erstens ist jeder Vorgang aufhaltbar. Seit Hobbes hat sich die Vorstellung verbreitet, das alle Ereignisse von vorangegangenen Ereignissen erzwungen werden. Aber das ist nicht nur nicht der Fall, sondern unmöglich. Jeder Vorgang kann gestoppt oder abgelenkt werden, wenn es nur etwas gibt, was stark genug ist, ihn zu stoppen, und dieses auch tut. Zweitens können Lebewesen Vorgänge in Gang setzen. Die Mechanisten wollen uns einreden, daß es offensichtlich sei, daß jedes Ereignis das Ergebnis eines Vorgang sei. Doch haben Sie den Eindruck, daß alles um Sie her, wie ein Uhrwerk oder wie das Rollen der Kugeln auf einem Billardtisch abläuft? Wenn ich den Kolibri vor meinem Fenster oder die auf den Baum springende Katze ansehe, habe einen anderen Eindruck. Mein Buch will im Detail untersuchen, daß dieser Eindruck richtig ist.

Theoblog: Danke für das Gespräch!

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Das Interview kann hier in Form einer PDF-Datei heruntergeladen werden: Wachter.pdf.

Ein säkulares Zeitalter?

Gestern hat der TV-Sender BR-Alpha Mittschnitte eines Streitgespräches zur Gottesfrage zwischen Prof. Dr. Gerhard Schurz und Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter gesendet. BR-Alpha schreibt:

Die Frage nach Gott ist auch heute noch aktuell. Gibt es zwingende Gründe für seine Existenz? Gegenwärtige Weltbilder bauen eher auf innerweltliche Grundlagen. Dennoch sind Religionen von Bedeutung für Demokratie und Staat.

Leider sind nur wenige Auszüge aus der Diskussion im Beitrag enthalten. Überwiegend wird die Arbeit der Akademie vorgestellt. Eingegangen wird auch auf die Gastvorträge von Professor Charles Taylor; sein öffentlicher Vortrag vom Dezember 2011 wird auszugsweise wiedergegeben.  Die TV-Sendung Lógos kann nachträglich in der Mediathek angeschaut werden: www.br.de.

Wer sind die wahren Fundis?

Die Katholische Akademie in Bayern (München) veranstaltet am 15. September 2011 eine »Nacht der Philosophie« zum Thema: Wer sind die wahren Fundis? Prof. Gerhard Schurz von der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf wird als humanistischer Aufklärer und Vertreter einer verallgemeinerten Evolutionstheorie die religionskritische Position vertreten. Prof. Daniel von Wachter, im Jahr 2010 Referent während der Apologetik-Studienwoche in Berlin, verteidigt ein vernünftiges Christentum. Von Wachter:

Es gibt starke Indizien für die Existenz Gottes. Deshalb ist der Theismus vernünftiger als der Atheismus. Nicht die sich als ›Aufklärung‹ bezeichnende Bewegung, sondern das Christentum hat die Vernunft gefördert. Die Behauptung vieler Säkularsten, das Christentum sei an den meisten Kriegen schuld und fördere die Unvernunft, ist falsch. Die größten Feinde der Religions- und Meinungsfreiheit in Europa sind heute Säkularsten. Der einzige Weg zur Religions- und Meinungsfreiheit ist die Achtung des Wertes und der Rechte der Andersdenkenden.

Hier die Einladung zur Veranstaltung: JA_Philosophie.pdf.

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