Warhol, ein Vampir

Andy_Warhol_1977.jpegDer TV-Sender arte hat vor einigen Tagen die überzeugende Dokumentation Andy Warhol – „Godfather of Pop“ über das Leben des genialen Andy Warhol ausgestrahlt. Warhol – das wird sehr deutlich – hat seine Mitarbeiter und Freunde wie ein Vampir ausgesaugt und den Tod zahlreicher Menschen eiskalt einkalkuliert. Gelegentlich nannte man den Vater der Pop-Art Marquis de Sade. Er selbst fühlte sich meist als Opfer.

arte schreibt zur Dokumentation:

Vor 25 Jahren, am 22. Februar 1987 starb Andy Warhol, der berühmteste und wohl am meisten missverstandene Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Kunst war zugleich zugänglich und rätselhaft, direkt und schwer erfassbar, naiv und voll bitterer Ironie. Er veränderte die Vorstellung von der Malerei und führte die Kunst im Zeitalter der mechanischen Reproduzierbarkeit zu ihrem logischen Extrem. Immer wieder durchbrach er die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz. Und wie kein anderer vor oder nach ihm begriff er, welche Rolle der Ruhm in der Massengesellschaft spielt. Mit allem, was er tat, zwang er den Betrachter zur Auseinandersetzung mit der Welt, in der er lebt. Im Laufe der Zeit wurde er zum Hofdichter des amerikanischen Jahrhunderts, zum Wortführer eines der radikalsten Experimente der amerikanischen Kultur und zum einflussreichsten Künstler seiner Zeit.

Besonders erschüttert hat mich der Bericht über den ersten tödlichen Unfall in der „Factory“ von New York im Jahre 1964. In dem Atelier hatte jemand Speed genommen und glaubte, wie ein Vogel fliegen zu können. Er tanzte zum Fenster und sprang, um durch die Lüfte zu schweben. Er schlug auf dem Boden auf und starb. Als Andy Warhol davon hörte, kommentierte er:

Ist es nicht ärgerlich, dass wir nicht dort waren um es zu filmen?

Wer den Bericht über seine Grenzüberschreitungen sehen möchte, hier ab der 50. Minute: videos.arte.tv.

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8 Kommentare
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Bettina Klix
12 Jahre zuvor

Wenn ich mich nicht verhört habe, (habe leider keine Zeit das Video noch mal zu sehen), hat Warhol nach der Todeserfahrung des knapp überlebten Attentates gesagt, er habe da begriffen, dass „nur Gott zu fürchten“ sei. Obwohl ich mich viel mit Warhol beschäftigt habe, hatte ich von dieser Äußerung noch nie etwas gehört. Das liegt auch daran, dass seine Selbstzeugnisse ein anderes Bild schufen. In seinem Buch „The Philosophy of Andy Warhol“ ist das Kapitel über den Tod das schmalste und besteht aus stilvoller Verleugnung: „I’m so sorry to hear about it. I just thought that things were magic and that it would never happen.“ Leerseite. Und dann die ganz kurze Abhandlung des Themas: „I don’t beleive in it, because you’re not around to know that it’s happened. I can’t say anything about it, because I’m not prepared for it.“ Wie kann das jemand sagen, der schon einmal fast gestorben wäre und dabei erfahren hat, dass nicht der TOD zu… Weiterlesen »

markus
12 Jahre zuvor

Ich habe erst kürzlich gelesen, dass sich Warhol als orthodoxer Christ verstanden hat. So besuchte er auch regelmäßig entsprechend die Gottesdienste der orthodoxen Gemeinschaft und hat laut eigenen Angaben entsprechend „normal“ gelebt. Hier klaffen sicher seine bewusst gewählte Außendarstellung und seine innere Einstellung auseinander – schade. Denn dies sollte sich nicht in solcher Weise unterscheiden. Erst recht man die Zitate der arte-Doku liest, wundert man sich dann über seine „verborgene“ Seite. Hier ein paar Hinweise:
http://www.kath.net/detail.php?id=35171
http://www.johnsanidopoulos.com/2009/09/connecting-andy-warhol-with-his.html

Bettina Klix
12 Jahre zuvor

@Markus: Danke für diese wichtigen Hinweise!
Dann haben also diejenigen doch nicht so völlig unrecht, die besonders sein Spätwerk religiös deuten.
Der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich widmet Warhol in seinem Buch „An die Kunst glauben“, das verkürzt gesagt, gegen Kunst als Religionsersatz gewendet ist, auch ein Kapitel, überschrieben „Transzendenzskepsis. Andy Warhol und der Calvinismus. Da werden die Zuschreibungen der Kritiker verworfen.

Bettina Klix
12 Jahre zuvor

:
Das Kapitel über Andy Warhol ist in Wolfgang Ullrichs Buch sicher nicht das schlagkräftigste. Er untersucht z.B. die Ähnlichkeiten der Produktionsbedingungen von Warhols Factory mit einem nachreformatorischen Maleratelier in Holland.
Auch geht es mehr allgemein um protestantische Ethik. Ein Kritiker Warhols wird aber auch zitiert, der meinte, „in his art and his life he symbolizes the overthrow of the protestant ethic.“
Also Überbietung, Zerstörung, Verhöhnung sozusagen.
Und es geht ums BILDERVERBOT.
Eher also wieder ein Beispiel für falsche calvinistische „Etikettierung“.
Das Kapitel endet: „Vielleicht muss man sich Andy Warhol am besten als Agnostiker vorstellen?“
Aber jemand der sagt – ich habe es noch mal überprüft – : „Ich habe Angst vor Gott allein.“ der WEISS etwas. Schade, dass er es nur einmal gesagt hat.

markus
12 Jahre zuvor

: Das mit der Vereinnahmung beobachte ich auch recht oft! Warhol ist da sicher ein Beispiel. Vermutlich bietet die orthodoxe Kirchlichkeit noch viel eher Raum kulturelle Zugehörigkeit zu feiern ohne persönlich zu glauben.

Ein gutes Beispiel wie Medien Aussagen von Künstlern umgehen ist die aktuell Berichterstattung der deutschen Medien über Bruce Springsteen. Seine Aussagen zu seinem katholischen Glauben werden bei 90% der Medien auf die Schlagzeilen „Gehirnwäsche“ und „gestörtes Sexleben“ reduziert. Hier ein Interview mit ihm: http://www.fr-online.de/politik/gespraech-mit-bruce-springsteen–der-boss-knoepft-sich-die-wall-street-vor,1472596,11668076,item,1.html
und hier die Schlagzeilen:
http://www.google.de/search?client=safari&rls=en&q=bruce+springsteen&ie=UTF-8&oe=UTF-8&redir_esc=&ei=6B9XT4-IKcLVsgbsiYX0Cw#hl=de&client=safari&rls=en&tbm=nws&sclient=psy-ab&q=bruce+springsteen+katholisch&oq=bruce+springsteen+katholisch&aq=f&aqi=&aql=&gs_sm=3&gs_upl=18234l22737l1l23325l23l17l6l0l0l0l131l1687l11.6l24l0&gs_l=serp.3…18234l22737l1l23325l23l17l6l0l0l0l131l1687l11j6l24l0&pbx=1&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.r_qf.,cf.osb&fp=1cff57a81d6f5af6&biw=1245&bih=622

Sicher, Bruce Spingsteen sagt nicht viel , aber er sagt eben auch nicht (nur) das, was in den Überschriften suggeriert wird.

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