Andreas Bikfalvi ist Professor für Biomedizin an der Universität Bordeaux und dem Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale in Frankreich. In einem Gastbeitrag für die FAZ beschreibt er, wie die Kritische Rassentheorie inzwischen die freien Naturwissenschaften bedroht (28.07.2021, Nr. 172, S. N4). Demnach finden identitäre Ideologien immer mehr „Einzug in unsere Gesellschaft und haben bedenkliche Auswirkungen auf alle Aktivitäten des menschlichen Geistes, besonders auf die Wissenschaft und ihre verschiedenen Anwendungsbereiche wie die Medizin und Technik“. Es gibt inzwischen Aktivisten, die die neuzeitlichen Wissenschaften als Errungenschaft der Weißen zerstören wollen.
Bikfalvi schreibt zu Richard Delgado, einem der Väter der Kritischen Rassentheorie:
Richard Delgado, einer der Begründer der Theorie, und seine Ehefrau und Mitautorin Jean Stefancic nennen als charakteristische Elemente der kritischen Rassentheorie den Antirationalismus, die Anti-Aufklärung, die Ablehnung von Egalität im klassischen Sinne, von Liberalismus und der Neutralität des Rechts, dazukommen Referenzen auf nach eigenen Vorstellungen zu Recht interpretierte Denker wie Gramsci und Derrida sowie die Intersektionalitätstheorie mit ihren schematischen Opferhierarchien. Rassismus wird als gesellschaftlicher Normalzustand behauptet.
Als Grundlage von Wissen gilt nicht die rationale Analyse, sondern die subjektive Erfahrung und der soziale, ethnische und sexuelle Hintergrund eines Sprechers, sein Sprechort. Dazu kommt eine Obsession, jedes wissenschaftliche Faktum als soziales Konstrukt zu bezeichnen, was dazu berechtigen soll, über methodisch erworbenes Wissen nach Belieben hinwegzugehen. Tatsächlich ist eine auf möglichst objektive und gesetzmäßige Erkenntnis von Naturerscheinungen ausgerichtete Naturwissenschaft auf dieser Grundlage nicht zu betreiben.
Man möchte den Autoren nicht den Besuch eines Krankenhauses empfehlen, in dem nach ihren Prämissen gearbeitet wird. Der innere Widerspruch dieser Theorie ist, dass sie zwar einerseits jedes essentialistische Konzept verwirft, am Ende aber selbst auf eine umso stärkere Betonung von Rasse und anderen Identitätsmerkmalen hinausläuft: Rasse ist die Trennlinie zwischen verschiedenen Gruppen.
Dem stimme ich zu; in Diskussionen und Vorträgen innerhalb der technisch-naturwissenschaftlichen Sektion der MPG wurde, ohne (hörbaren) Widerspruch auszulösen, thematisiert, dass Autoren unterschiedlicher (sog.) Identitäten zitiert werden sollen. Wie dumm das alles ist, sieht man auch daran, dass allen Ernstes Iran und China (und ich glaube auch NK, bin mir aber nicht ganz sicher, ob das da genannt wurde) als leuchtende Beispiele hingestellt wurden, da dort der Anteil der Frauen in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern höher ist, als „bei uns“. Das ist natürlich doppelt dumm. Erstens dürfen viele Menschen dort nicht wählen, was sie lernen/studieren möchten und zweitens sind die sogenannten oder tatsächlichen Minderheiten grade in diesen Ländern mitnichten in einer besseren Lage. Ethnisch: z.B. Kurden bzw. Miao und Uiguren. Und man kann ja mal versuchen, einen Schwulen in Iran zu fragen (Tipp: beeilen! Wenn er am Baukran baumelt, kann er nix mehr sagen). Es sind tatsächlich die Chinesen, die (trotz politischer Steuerung, die natürlich die Richtung vorgibt) praktisch eine faktenbasierte Wissenschaft… Weiterlesen »