„Wir müssen den Abgrund sehen“

Francis Schaeffer schreibt in Gott ist keine Illusion (Wuppertal, 1984, S. 14–15):

Wir müssen den Abgrund sehen, in den der Mensch durch sein Denken geführt worden ist, nicht nur aus intellektuellem Interesse, sondern wegen seiner geistigen Tragweite. Der Christ soll dem Geist der Welt widerstehen. Doch wenn wir dieses sagen, müssen wir uns darüber im klaren sein, daß der Weltgeist nicht immer das gleiche Gewand trägt. So muß der Christ dem Geist der Welt in der Gestalt widerstehen, in welcher er ihm in seiner Generation begegnet. Andernfalls widersteht er dem Geist der Welt überhaupt nicht. Das trifft ganz besonders auf unsere Generation zu, denn die Kräfte, die uns jetzt entgegenstehen, zielen auf das Ganze. Die nachfolgenden, Martin Luther zugeschriebenen Worte gelten vielleicht unserer Generation mehr als je einer Generation zuvor:

Wenn ich mit lauter Stimme und klarer Auslegung alle Teile der Wahrheit Gottes verkündige, außer gerade dem einen kleinen Punkt, den die Welt und der Teufel eben in diesem Augenblick angreifen, dann bezeuge ich Christus überhaupt nicht, wie mutig ich auch Christus bekennen mag. Wo die Schlacht tobt, da wird die Treue des Kämpfers auf die Probe gestellt; und auf allen anderen Schlachtfeldern treu zu sein, ist für den Christen in diesem Augenblick nichts anderes als Flucht und Schande, wenn er in diesem Punkt nachgibt.

Auch wenn das Zitat mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht von Luther stammt (vgl. dazu hier), bringt Francis Schaeffer mit dieser Aussage eine sehr bedeutsame Einsicht zielsicher auf den Punkt. Für unsere Generation gilt: Wenn wir die postmodernen Denkansätze, die unsere Kultur prägen, nicht durchschauen, werden wir uns dem Zeitgeist freiwillig ergeben. Da spielt es dann keine Rolle mehr, ob wir es merken oder nicht.

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14 Kommentare
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Matze
3 Jahre zuvor

Hallo Ron, ist wirklich die Postmoderne das, was unser Heute prägt? Mir kommt es eher wie eine Post- Postmoderne vor. Die Postmoderne wäre das konsequente gleich Bewerten aller Ansichten. Aktuell gibt es aber genügend Beispiele, wo Denkweisen als alternativlos dargestellt werden

toblog
3 Jahre zuvor

Ist der Humanismus nicht nach wie vor der Hauptgegner des christlichen Glaubens? Hier betet der Mensch sich selbst an.

Helge Beck
3 Jahre zuvor

Sich Argumenten zuwenden und miteinander reden, wenn man a priori dem Geist der Welt in der Gestalt widerstehen MUSS, in welcher er ihm in seiner Generation begegnet. Huh?

Matze
3 Jahre zuvor

:
Der Textauszug ist nicht logisch: Einerseits „Einladung an die Esoterik“ andererseits „feiner Instinkt für alle Tolitarismen“. Daher ist mir nicht klar was da eigentlich gemeint ist oder ist das einfach nur das Prinzip Hoffnung?
Die aktuellen Entwicklungen bestätigen aus meiner Sicht Deine Befürchtungen was Gewalt in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung angeht. Die Postmoderne hat, falls es sie jeweils in der reinen Lehre gegeben hat, einen sehr alten Ungeist als (Nach)-Folge(r): Der „vermeintlich“ Stärkere bemüht sich immer mehr durchzusetzen ohne eine freie Diskussion zuzulassen. Wenn es wirklich um alle gesellschaftliche Gruppen würde kämen alle zu Wort kommen egal wie gut sie in der Selbstdarstellung sind. Im Prinzip das wieder der alte darwinistische Ansatz, das „Recht“ des Stärkeren

Helge Beck
3 Jahre zuvor

Gut, ok. Konsistenz ist aber hilfreich, ob Christ oder nicht. „Den Menschen“ a priori „im Abgrund“ zu verorten kann halt zumindest als gar nicht so amüsante Stichelei verstanden werden. Aber wir halten das aus, lassen uns aber den Mund nicht mehr verbieten, und das ist gut so.

Clemens Altenberg
3 Jahre zuvor

Die Postmoderne hat auch längst die nicht linke Welt erobert, „alternative Fakten“ um sich schleudernd, während dahinter ein kaum verhehlter Wille zur Macht steckt.
Postmodern bedeutet für mich vor allem Widersprüchliches zu glauben und zu leben und die Inkongruenzen nicht einmal wahrzunehmen. Daher ist Kierkegaard ein probates Gegenmittel, Meister im Aufzeigen von Paradoxa. Oder natürlich auch Sokrates, von niemand anderem kann man besser lernen wie man sich beim miteinander Reden den Argumenten zuwendet. Er hat die Sophisten, die Prototypen der Postmoderne, mittels Philosophie entzaubert.

Jutta
3 Jahre zuvor

Eigentlich gibt es doch die Post-postmoderne Maxime schon: Ich fühle, also bin ich. Und da man Gefühle nicht verallgemeinern kann, also keine Lehrsätze für die Allgemeinheit schaffen – das schafft ja zB noch nicht einmal die Psychologie, die doch angeblich eine Wissenschaft ist – gibt es eben Diskussionen, die der gewinnt, der, wie schon erwähnt, am lautesten schreit. Ausserdem ist es ja auch leider wahr, dass viel Kirchliches großen Schaden angerichtet hat, weil man viele herrliche Gebote, zB die sogenannte „Haustafel“ die das familiäre Leben „regelt“ – missverstanden oder missbräuchlich angewendet hat und viel Lieblosigkeit und Tyrannei gelebt wurde. Die Demo-Kultur wird zur Gefahr, weil die biblische Vorhersage zur Wirklichkeit wird: die noch größere Lieblosigkeit des Menschen ohne Gott, der gezwungen ist, seine Sinnhaftigkeit im eigenen Erleben zu finden. Esoterik zB. ist ja nichts anderes als das. Das Dämonische sucht sich empfindsame fragende Menschen, die keinen Halt haben und hat freie Bahn. Es sind ja viele wirklich sozusagen Suchende …… Weiterlesen »

PeterG
3 Jahre zuvor

Off-Topic:
Das Zitat stammt aus dem Werk „Chronicles of the Schönberg-Cotta family“ von  Elizabeth Rundle Charles (1828-1896). Im Band 2 der Ausgabe von 1890 steht es auf Seite 43. Es ist also eigentlich ein Roman. Ich hoffe, das Bild kommt an.

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PeterG
3 Jahre zuvor

Nachtrag: Man findet das Buch auch auf Deutsch, allerdings unter der Verfasserin (Übersetzung und Überarbeitung) Lina Haarbeck.

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