Sind Evangelikale eine Bedrohung für die offene Gesellschaft?

51esVN3NrLL._SL160_.jpgDie ARD Journalisten Oda Lambrecht und Christian Baars haben ein viel beachtetes Buch über die Evangelikalen geschrieben (vgl. hier). In ihrem Werk Mission Gottesreich: Fundamentalistische Christen in Deutschland stellen sie die These auf, dass ein Netzwerk evangelikaler Glaubensgemeinschaften Minderheiten diskriminiert, gegen Andersgläubige hetzt und nach politischer Macht greift. Das Buch vermitteltet über viele Seiten hinweg den Eindruck, die nutzlosen Evangelikalen seien eine fundamentalistische Bedrohung für eine sonst weitestgehend offene Gesellschaft.

Thomas Schirrmacher hat das Buch kritisch gelesen und in einem Kommentar herausgearbeitet, dass sich die Agitation der Autoren stellenweise gegen alle Christen mit festen Glaubensüberzeugungen wendet, dabei allerdings die Evangelikalen in ein besonders schlechtes Licht gerückt werden:

Das Buch redet durchgängig so abfällig über die Evangelikalen, dass man sich fragt: Soll ihnen das Wahlrecht entzogen werden? Soll ihnen der Zugang zu den Medien verboten werden? Sollen sie auswandern? Für mich wirkt das ganze Buch über weite Strecken so, als wenn man eine unliebsame Gruppe, deren gesellschaftliches Engagement man ablehnt, undemokratisch vom Markt werfen will. Haben die 1,4 Millionen Evangelikale denn kein Recht, wie alle anderen auch friedlich in der Demokratie ihre Stimme zu erheben? Evangelikale sollen keinerlei staatliche Zuwendungen aus Steuergeldern mehr erhalten (MG 198) – was nebenbei sowieso selten der Fall ist. (Sollen die Evangelikalen denn dann auch keine Steuern mehr zahlen?) Die Behörden sollen endlich gegen Heimunterricht schärfer vorgehen (MG 198–199), also noch schärfer, als es die staatlichen Gerichte zulassen? Und dass, wo Deutschland dass schärfste Schulpflichtgesetz eines freien Landes weltweit hat? Dass in Deutschland mindestens die Hälfte der Homeschooler nichtreligiöse Motive haben, dass es eine linksgerichtete Unschoolingbewegung gibt, dass mehrere Erziehungswissenschaftler an deutschen Universitäten Homeschooling unter staatlicher Kontrolle prinzipiell für gleichwertig und in bestimmten Fällen – etwa für Hochbegabte – sogar für empfehlenswert halten, wird verschwiegen, ebenso, dass die Masse der Evangelikalen die Homeschooler ablehnen und es darüber eine heftige innerevangelikale Diskussion gibt. Die Autoren diskutieren ernsthaft, ob sich das Verbot religiöser Werbung in Rundfunk und Fernsehen nicht auch auf Sendungen bezieht, die man als Missionierung Andersgläubiger verstehen könnte (MG 181). Da sie gleich noch die steigende Zahl »bibeltreuer Internetseiten« erwähnen (als wenn nicht die Zahl der Internetseiten aller Gruppen, die sich im Web tummeln, stiege), dürften sie das wohl auch einschränken wollen. Da die Autoren gleich anschließend gegen die Ausstrahlung eines freikirchlichen Gottesdienstes im ZDF wettern (MG 182–185), dürfte ihr Anliegen klar sein. Jedenfalls fehlt jedes Bekenntnis, dass Evangelikale dasselbe Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit haben, wie alle anderen auch. Denn es sollte selbst dann eingeschritten werden, wenn die zuständige Medienaufsicht (MG 181) keine rechtliche Handhabe sieht!

Die Rezension kann hier herunter geladen werden: kommentar_schirrmacher.pdf.

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14 Kommentare
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14 Jahre zuvor

1) „… ein Netzwerk evangelikaler Glaubensgemeinschaften Minderheiten diskriminiert, gegen Andersgläubige hetzt und nach politischer Macht greift.“ Dass ist, für mich, ein größes Problem, mit zwei „Teile“: wie die Gesellschaft seht und kennt uns Christen, und auch wie ein paar „evangelikaler“ Glaubensgemeinschaften sind. Zum Beispiel, wir haben hier im Brasilien das „Universal Church of the Kingdom of God“ (http://www.apologeticsindex.org/i04.html) und in meine Meinung diese Gruppe greift ja nach der Macht politik. Sie haben schon einen Senator in unserem Landesregierung. 2) Denken wir mal: sind Gott und Sein Wort nicht eine „Bedrohung“ für die Gesellschaft? Gott und Sein Wort zeigen uns deutlich, wie unrecht wir sind. Wenn ich die Bibel lese, ich kann sicher Gottes Trost finden aber auch ich kann sehen, wie manchmal unrecht ich bin. Gott sagt uns dass wir sind wirklich schlecht und wir brauchen Ihn, und nur Ihn, um wieder gut zu sein. Niemand mag, als man zeigt, dass wahrlich er/sie unrecht ist. Wir wissen doch wie unsere… Weiterlesen »

Roderich
14 Jahre zuvor

Hallo Cristiano, klar, die „Welt“ mag das nicht gerne, wenn man als Christ biblische Massstaebe hochhaelt. Und manche christlichen Gruppen mischen sich tatsaechlich in die Politik ein. Gerade das, finde ich, ist aber sehr noetig und sehr gut. Man koennte die ganze SPD ja auch als „quasi-religioes“ bezeichnen (Weltanschauungen: Aufklaerungsdenken, Saekularer Humanismus, Soziale Demokratie (demokratischer Sozialismus / Soft-Marxismus), etc.). Warum duerfen sich also andere Weltanschauungen sehr wohl einmischen und versuchen, die Gesellschaft zu praegen, und Christen duerfen das als einzige nicht? Der Denkfehler bei Christen liegt darin, die anderen Parteien fuer weltanschaulich neutral zu halten. Das sind sie nicht. Und das ist auch das Ziel bei dem Lauten Ruf nach „Trennung von Kirche und Staat“. Man will im Prinzip nur den Einfluss der christlichen Weltanschauung aus den Gesetzen etc. zurueckdraengen, so dass sich saekularer Humanismus breitmachen kann. Ich will gerne mal sehen, wo sich denn die gleichen Buchautoren beschweren, dass Gewerkschaften Einfluss auf die Politik nehmen? Dass Linkspartei und Gruene… Weiterlesen »

14 Jahre zuvor

[…] April 22, 2009 in gefunden Polemik ist toll und Nachdenken wäre ja auch viel zu einfach: http://theoblog.de/?p=3493 […]

14 Jahre zuvor

Evangelikale sind nicht böse, aber wir haben böse Leute überall.

Stephen
14 Jahre zuvor

Ich würde gern wissen, was die Autoren schreiben über Christen, die darauf aufmerksam machen, dass es Menschen gibt, besonders Islamischer Glaubensüberzeugung, die „Minderheiten diskriminier[en], gegen Andersgläubige hetz[en] und nach politischer Macht greif[en]“? Und wenn es nur 1,4 Mio Evangelikalen gibt, könnte man das Autorenteam nicht vorwerfen, dass es „Minderheiten diskriminiert, gegen Andersgläubige hetzt und nach politischer Macht greift“? Nur eine Frage aus dem Ausland.

14 Jahre zuvor

Hallo Roderich, „Warum dürfen sich also andere Weltanschauungen sehr wohl einmischen und versuchen, die Gesellschaft zu prägen, und Christen dürfen das als einzige nicht? Der Denkfehler bei Christen liegt darin, die anderen Parteien für weltanschaulich neutral zu halten. Das sind sie nicht.“ „Gesetze sind immer normativ. Ihnen liegt (meistens bzw. in gewissem Grade immer) eine bestimmte Weltanschauung zugrunde. Wir Christen sind halt oft nur die einzigen, die ihre Grundannahmen offen zugeben. Bei anderen sind sie oft verdeckt, aber deswegen um nichts weniger real.“ Ganz richtig, sehr gut. Ich finde, dass wir Christen darüber [1] nachdenken sollen. Ich kenne nicht tatsächlich so viel über dieses Thema „Christen und Politik“, aber ich habe kurz und bündig zwei Sorgen: 1. Vielleicht wir haben andere politische Realitäten, aber ich sehe hier in meiner Landesregierung viele Korruptionsfälle, manchmal mit „christlichen“ Menschen. Also, mein „erste Reaktion“ ist, dass ich mag nicht, dass Christen sich in die Politik einmischen. 2. Ich vertraue nicht dieses „UCKG“-Kirche, wie ich… Weiterlesen »

johannes
14 Jahre zuvor

Hallo Cristiano, in welcher Form sich Christen in der Politik einmischen ist in jedem Land verschieden. In Brasilien muss man da wirklich sehr vorsichtig sein. Für mich ist die Igreja Universal eine Sekte. Das einzige was sie zu interessieren scheint ist Geld und Macht. Solche komischen Vögel, die Macht und Geld wollen gibt es in fast jeder Denomination (Igreja Batista, Assembleia…) aber bei der IURD ist es schon extrem. An alle: Für mich ist es ein riesen Unterschied ob jemand in der Politik mitwirken möchte (was in einer Demokratie auch Christen zusteht) oder ob er nach politischer Macht strebt (was bei der Igreja Universal der Fall ist). Christen dürfen und sollen selbstverständlich ihre ethischen Werte in der Gesellschaft und Politik vertreten. Aber man kann keine „christliche“ Politik machen. Wenn wir politisch aktiv sein wollen, müssen wir genau wie jeder andere Politiker unsere Meinung begründen. „Das steht halt in der Bibel“ ist keine Grundlage für Politik. Genau genommen kann die Bibel… Weiterlesen »

Roderich
14 Jahre zuvor

Hallo Johannes und Christiano, in jedem Land, auch und gerade in Brasilien, sollten sich Evangelikale sehr intensiv in die Politik einmischen, damit man Sekten bzw. unangenehmen Gruppen wie der von Euch offenbar als solcher identifizierten IURD nicht allen Raum laesst. Dunkelheit kann nur „wirken“, wenn das Licht fehlt, das gilt auch fuer die Politik. Als erstes waere aber unter Christen vonnoeten, eine Grundsatzdiskussion zu fuehren, fuer was man sich denn als Christ einsetzen sollte. Als Christ ist man zum Beispiel (wegen anthropologischen Pessimismus‘) besonders fuer eine ausgepraegte Gewaltenteilung. Je mehr sich Christen fuer eine ausgepraegte Gewaltenteilung einsetzen (Horizontal (Legislat., Judikat., Exekutive) und Vertikal (Foederalismus, also Bund / Laender / Gemeinden etc.) desto besser. Denn desto mehr wird die Macht einzelner Menschen beschraenkt. Christliche Diktatoren bzw. ein zentralistischer Staat mit Christen an der Regierung waeren keine Loesung. Deshalb geht es nicht darum, dass Christen per se „an die Macht“ kommen, sondern mehr, dass die christliche Weltsicht zur Geltung kommt, d.h. Gewaltenteilung,… Weiterlesen »

14 Jahre zuvor

[…] Theologie, Tübingen und Oda Lambrecht, Redakteurin bei der ARD und Mitautorin des Buches Mission Gottesreich. Fundamentalistische Christen in Deutschland. Moderiert wurde die Sendung von Holger […]

14 Jahre zuvor

[…] aufgesprungen und verbreitet unkritisch die von Oda Lambrecht und Christian Baars in ihrem Buch Mission Gottesreich entworfene Panikmache. Marianne Demmer, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und […]

12 Jahre zuvor

[…] zur Seite. Sie weiß ja, wie bedrohlich Menschen sind, die die Bibel unvoreingenommen lesen (vgl. hier). »Das ist das eigentlich Problematische«, sagt Lambrecht. »Man gibt sich modern, vertritt aber […]

Markus Jesgarz
3 Jahre zuvor

Meine Meinung ist:  1. Die Aussage ist kontrafaktisch: Die Behörden sollen endlich gegen Heimunterricht schärfer vorgehen. Im Beitrag: Harvard Rechtsprofessorin will Homeschooling verbieten: Warum sie falsch liegt https://www.christianpost.com/voices/harvard-law-prof-wants-to-ban-homeschooling-why-shes-wrong.html am 23.04.2020 von John Stonestreet und G. Shane Morris steht 1. ab dem 7. Absatz: Als Reaktion auf den Harvard-Artikel schrieben die Harvard-Absolventinnen Melba Pearson https://medium.com/@melbapearson/a-response-to-the-risks-of-homeschooling-from-a-homeschooled-harvard-grad-67648f9a0d0f und der christliche Autor Alex Harris https://m.facebook.com/harrisjalex/posts/3073031376086788 kürzlich Artikel, in denen sie Bartholets Behauptungen als Ideologie, verkleidet als Fürsprecherin, abtaten und darauf hinwiesen, wie das Aufwachsen im Heimunterricht sie nicht nur darauf vorbereitete, Harvard zu besuchen, sondern sich dort hervorzutun. Was ist mit Bartholets Argument, dass der Mangel an Aufsicht über die Familien mit Heimunterricht Kindesmissbrauch verschleiern kann? Nirgendwo erwähnt Bartholet, dass nach den am häufigsten zitierten Untersuchungen http://www.nbcnews.com/id/5332880/ns/us_news-crime_and_courts/t/study-one-students-encounters-sex-abuse/#.Xp4RhPhKhPY fast jeder zehnte Schüler an öffentlichen Schulen in den USA sexuellem Fehlverhalten von Schulangestellten ausgesetzt sein wird. 2. ab dem 10. Absatz: Die Gründe für Bartholets äußerst selektive Kritik werden offengelegt, wenn sie zugibt, dass sie das,… Weiterlesen »

Markus Jesgarz
3 Jahre zuvor

Dies ist eine Bestätigung zu der Aussage: https://theoblog.de/sind-evangelikale-eine-bedrohung-fur-die-offene-gesellschaft/3493/#comment-86864 Die Aussage ist kontrafaktisch: Die Behörden sollen endlich gegen Heimunterricht schärfer vorgehen. Im Beitrag: 8 Dinge, die christliche Eltern bedenken sollten, bevor sie ihre Kinder in diesem Herbst wieder in eine öffentliche oder private Schule schicken http://christianmomthoughts.com/8-things-christian-parents-should-consider-before-sending-kids-back-to-public-or-private-school-this-fall/#more-13072 am 24.04.2020 von Natasha Crain steht unter „4 Considerations for Public School Families“ („4 Erwägungen für Familien an öffentlichen Schulen“) am Anfang: 1. Das Leben in einem „großartigen Schulbezirk“ bedeutet wenig. Das ist vielleicht der häufigste Grund, den ich von christlichen Eltern dafür gesehen habe, dass sie ihre Kinder in der öffentlichen Schule behalten. Ich habe es von Freunden gehört, die unsere Privatschule verlassen haben (wir leben in einem dieser „großartigen“ Schulbezirke), und ich habe es in vielen Online-Gesprächen zwischen Eltern gesehen. Aber hier ist die Frage, die wir uns stellen müssen: Was genau macht einen öffentlichen Schulbezirk „großartig“? Und sind das die Faktoren, die unsere Bildungsentscheidungen bestimmen sollten? Für die meisten Eltern bedeutet der… Weiterlesen »

Markus Jesgarz
3 Jahre zuvor

Dies ist eine Bestätigung zu der Aussage: https://theoblog.de/sind-evangelikale-eine-bedrohung-fur-die-offene-gesellschaft/3493/#comment-86864 Die Aussage ist kontrafaktisch: Die Behörden sollen endlich gegen Heimunterricht schärfer vorgehen. Im Beitrag: Harvard-Professorin für Rechtswissenschaften – Verbot von Homeschooling für die „Infragestellung der Wissenschaft“ https://evolutionnews.org/2020/04/harvard-law-professor-ban-homeschooling-for-questioning-science/ am 20.04.2020 von David Klinghoffer steht am Ende: Wenn eine „erwachsene“ Art und Weise verrät, dass jemand zu Hause unterrichtet wurde, dann ist das Beharren auf dem Verbot von Wahlmöglichkeiten – weil die Wahlmöglichkeiten gegen homogenisiertes Denken arbeiten – ein verräterisches Zeichen von Autoritarismus. Professorin Bartholet ist gegen die „Infragestellung der Wissenschaft“. Ihrer Meinung nach „ist es auch wichtig, dass Kinder mit Gemeinschaftswerten, sozialen Werten, demokratischen Werten, Ideen über Nichtdiskriminierung und Toleranz gegenüber den Standpunkten anderer Menschen aufwachsen“. Das klingt alles großartig, aber wir wissen, dass dies in der Praxis ein aktuelles Stichwort sein kann, wenn es darum geht, junge Menschen so zu schulen, dass sie auf starre, programmierte und ideologisch akzeptierte Weise auf das Leben reagieren. Die Kontroverse lehren Ich bin sicher, Bartholet wäre… Weiterlesen »

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