Die komplexe Lehre von der Liebe Gottes

3982288584 01 S001 LXXXXXXXD.A. Carsons Buch Die komplexe Lehre von der Liebe Gottes ist nun endlich auch in deutscher Sprache erhältlich. Das Buch geht auf Vorträge zurück, die Carson im Februar 1998 am Dallas Theological Seminary gehalten hat. Erörtert werden Fragen wie: Kann Gott angesichts seiner Unveränderlichkeit Gefühle haben? Wie verhält sich die Liebe Gottes zu seiner Souveränität und zu seinem Zorn?

D.A. Carson verteidigt in dem Werk den sogenannten Kompatibilismus, nachdem die absolute Souveränität Gottes die Verantwortung des Menschen nicht aufhebt. Er schreibt auf (S. 50–51):

Das vielleicht auffälligste Beispiel für Kompatibilismus findet sich in Apostelgeschichte 4,23–29. Die Kirche hat ihren ersten Hauch von Verfolgung erlebt. Petrus und Johannes berichten, was geschehen ist. Die Gemeinde betet zu Gott in der Sprache von Psalm 2. Ihr Gebet geht folgendermaßen weiter (4,27–28): „Und so ist es tatsächlich gekommen: Hier in dieser Stadt haben sich Herodes und Pontius Pilatus zusammen mit den heidnischen Nationen und den Stämmen Israels gegen deinen heiligen Diener Jesus verbündet, den du gesalbt hast. Doch indem sie so vorgingen, ist genau das eingetreten, was du in deiner Macht vorherbestimmt hattest und was nach deinem Plan geschehen sollte.“ Beachte genau: Einerseits gab es eine schreckliche Verschwörung, die Herodes, Pilatus, die heidnischen Behörden und die jüdischen Führer mitriss. Es war eine Verschwörung und sie sollten zur Rechenschaft gezogen werden. Andererseits taten sie das, was Gott in seiner Macht vorherbestimmt hatte und was nach seinem Plan geschehen sollte.

Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, wird deutlich, dass jede andere Darstellung der Ereignisse das biblische Christentum zerstören würde. Wenn wir uns die Kreuzigung Jesu Christi ausschließlich als eine Verschwörung der damaligen politischen Behörden vorstellen und nicht als einen Plan Gottes (außer vielleicht, dass er im letzten Moment eingriff und beschloss, den Tod auf eine Weise zu nutzen, die er selbst nicht vorhergesehen hatte), dann bedeutet das, dass das Kreuz ein Unfall der Geschichte war. Vielleicht war es ein Unfall, der von Gott in seinem eigenen Interesse geschickt manipuliert wurde, aber es war nicht Teil des göttlichen Plans. In diesem Fall wird das gesamte Muster der im Vorfeld vorhergesagten Offenbarung zerstört: Yom Kippur, das Passahlamm, das Opfersystem und so weiter. Wenn dem so wäre, könntest du schon mal als Start den Hebräerbrief aus deiner Bibel herausreißen.

Wenn andererseits jemand die Souveränität Gottes beim Tod Jesu hervorhebt und begeistert davon spricht, dass aufgrund des Vorgehens aller Beteiligten „genau das eingetreten [ist], was du in deiner Macht vorherbestimmt hattest und was nach deinem Plan geschehen sollte“ (4,28) und dabei vergisst, dass es sich um eine böswillige Verschwörung handelte, wären Herodes, Pilatus, Judas Iskariot und die anderen vom Bösen entlastet. Wenn Gottes Souveränität bedeutet, dass alle, die ihm unterstehen, immun sind gegen den Vorwurf der Gesetzesverstöße, dann sind auch alle immun. In diesem Fall gibt es keine Sünde, für die gesühnt werden muss. Warum also das Kreuz? So oder so, das Kreuz wird zunichte gemacht.

Kurz gesagt, der Kompatibilismus ist ein notwendiger Bestandteil jeder reifen und orthodoxen Auffassung von Gott und der Welt. Er wirft unweigerlich wichtige und schwierige Fragen zur sekundären Kausalität auf, zur Frage, wie die menschliche Verantwortlichkeit begründet werden sollte und vieles mehr. Aus Platzgründen kann ich hier nicht auf diese Fragen eingehen.

Das Buch wurde von Solid Rock Verlag herausgegeben und kann hier bestellt werden.

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2 Kommentare
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1 Jahr zuvor

Hallo Ron,

von ein paar Jahren habe ich das englische Buch mit einigen Zitaten vorgestellt:
https://blog.jonaserne.net/die-schwierige-lehre-von-gottes-liebe-donald-a-carson/168/

6 Monate zuvor

[…] Drittens hält er mit Nachdruck gleichwohl daran fest, dass Gott niemals Autor der Sünde ist und der Mensch vollumfänglich für sein Handeln verantwortlich bleibt. Calvin liefert keine hinreichende Erklärung für diese zwei Sichtweisen, die scheinbar nicht gut zueinander passen. Es bleibt für ihn „eine geheimnisvolle Handlungsweise“, die „unsern Gesichtskreis weit übersteigt“. Jedenfalls gibt er sich hier als Vertreter des „Kompatibilismus“ zu erkennen, nachdem die absolute Souveränität Gottes die Verantwortung des Menschen nicht aufhebt (vgl. auch hier). […]

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