Erst kürzlich hatten wir auf dem Blog eine kleine Diskussion über das „compelle intrare“ bei Augustinus. Der Kirchenvater deutete nach vielem hin und her Lukas 14,23 („Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.“) als Rechtfertigungsgrund für die Anwendung von Zwang in geistlichen Dingen. Eine verhängnisvolle Entscheidung. Die Gewalt hat bei der Verbreitung des christlichen Glaubens nichts zu suchen. Die Kreuzzüge, die sich zu Unrecht auch auf Augustinus beriefen, haben später großen Schaden angerichtet.
Robert Godfrey erklärt das in einem Artikel genauer:
Die Bibel kann ein gefährliches Buch sein, wenn sie falsch angewendet und missbraucht wird. In der Geschichte der Kirche hat ein falsches Verständnis der Bibel zu vielen ernsthaften Problemen geführt, angefangen von falscher Lehre über gesetzliche Bräuche bis hin zu einem fehlgeleiteten Leben. Eines der offensichtlicheren Beispiele dafür sind die Kreuzzüge: eine Reihe von Kriegen, die im Mittelalter von den Europäern im Namen Christi gegen die islamischen Staaten im Nahen Osten geführt wurden.
Die Vorstellung, dass Christen das Schwert gebrauchen können, um ihre Sache voranzubringen, kann durch Bibelstellen wie die folgenden gerechtfertigt erscheinen: „Alle Könige werden sich vor ihm niederwerfen, alle Heidenvölker werden ihm dienen“ (Ps 72,11); „Erbitte von mir, so will ich dir die Heidenvölker zum Erbe geben und die Enden der Erde zu deinem Eigentum. Du sollst sie mit eisernem Zepter zerschmettern, wie Töpfergeschirr sie zerschmeißen“ (Ps 2,8–9) und „Der Herr zu deiner Rechten zerschmettert Könige am Tag seines Zorns. Er wird Gericht halten unter den Heiden, es wird viele Leichen geben; er zerschmettert das Haupt über ein großes Land“ (Ps 110,5–6).
Mehr: www.evangelium21.net.
Ich empfehle zu dem Thema ein Buch von Lutz von Padberg:
Mir ist nicht klar, wie das gehen sollte. Klar kann man Menschen durch Gewalt dazu bringen, irgendwelche Bekenntnisse abzugeben. Die Geschichte ist voll von mehr oder weniger grausamen Beispielen dafür.
In wen der Heilige Geist Einzug hält liegt jedoch außerhalb mennschlicher Verfügung. Es ist mir unverständlich, wie Augustinus zu einem anderen Schluß kommen konnte.
@FrankS: Ja, das ist schwer verständlich. Aber man muss auch die Umstände im Blick behalten. Augustinus brauchte Antworten und Lösungen in der Auseinandersetzung mit den Donatisten, die ja nicht zimperlich waren.
Zur Vertiefung hier zwei Hinweisen: a) ein Beitrag von feinschwarz.net und ein Aufsatz von Hans Maier, einem ausgewiesenen Experten für Augustinus.
Liebe Grüße, Ron
Das Buch von Padberg ist unaufgeregt sachlich, hervorragend geschrieben und eine gute Antwort auf die immer noch öfters angeführten Thesen eines Karlheinz Deschner. Auch von mir wärmstens empfohlen!
Was soll diese Einseitigkeit?
Die Kreuzzüge waren durchaus gerechtfertigt,um das Heilige Land zu befreien. Daß sie furchtbar aus dem Ruder gelaufen sind, hat nichts mit der Frage zu tun. Warum bleibt der Islam unerwähnt, bei dem die „Mission mit dem Schwert“ Standard ist?
Und überhaupt, was soll das Gerede über einen Satz von Augustinus, wo wir heute doch wahrhaft größere Schweinereien begehen. Wenn Fiala behauptet, in Deutschland würden jährlich etwa 350 000 Kinder abgetrieben, 1000 pro Tag, oder 2000 pro Woche lt. Statitik, dann dürfte klar sein, was ich meine.
Das andere sind theologische Mäusemelkereien.
@Ron, danke für die Hinweise. Dem gehe ich gerne nach.
@Konrad Kugler, ich sehe da keine Einseitigkeit und keine einzige biblische Rechtfertigung für Gewalt im Neuen Bund. Was so rhetorisch neutral als „aus dem Ruder laufen“ bezeichnet wird, kann dem durch die Kreuzzüge verursachten grausamen Leid in keiner Weise gerecht werden. In diese rhetorischen Glättung passt der Begriff „Einseitigkeit“ schon viel besser hinein.
Abtreibung steht aus meiner Sicht, in ihrer Mißachtung von Leben, den Kreuzzügen in keiner Weise nach. Allerdings wurden Kreuzzüge zumindest der Fassade nach im Namen Gottes geführt. Eine Schande.
@FrankS: Augustinus hätte Kreuzzüge natürlich abgelehnt. Er rang mit dem Thema Zwang im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit den Donatisten, da dort Zwang eine gewisse „Besserung“ gebracht hat.
Liebe Grüße, Ron
In kann mir leider schon gut vorstellen, wie die Kirche durch Sätze von Augustinus zu den Kreuzzügen inspiriert wurde, man denke an Contra Faustum Manichaeum: „Was, in der Tat, ist denn überhaupt so falsch am Krieg? Dass Menschen sterben, die ohnehin irgendwann sterben werden, damit jene, die überleben, Frieden finden können? Ein Feigling mag darüber jammern, aber gläubige Menschen nicht […]. Niemand darf jemals die Berechtigung eines Krieges bezweifeln, der in Gottes Namen befohlen wird, denn selbst das, was aus menschlicher Gier entsteht, kann weder den unkorrumpierbaren Gott noch seinen Heiligen etwas anhaben. Gott befiehlt Krieg, um den Stolz der Sterblichen auszutreiben, zu zerschmettern und zu unterwerfen. Krieg zu erdulden ist eine Probe für die Geduld der Gläubigen, um sie zu erniedrigen und seine väterlichen Zurechtweisungen anzunehmen. Denn niemand besitzt Macht über andere, wenn er sie nicht vom Himmel erhalten hat. Alle Gewalt wird nur auf Gottes Befehl oder mit seiner Erlaubnis ausgeübt. […] Selbst wenn das Geben eines Befehls… Weiterlesen »
@ FrankS
Sie gehen der eigentlichen Frage aus dem Weg. Die Kreuzzüge waren keineswegs Bekehrungszüge, sondern wegen der Befreiung des Hl. Landes aus der Hand der Muslime initiiert.
Das Gegenteil sind die islamischen Eroberungs- oder soll ich sagen Missionierungszüge, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, die vielen zwangsverheirateten Zweit-, Dritt- und Viert-Frauen und Versklavten nicht zu vergessen..
Das ist einseitig.
@Clemens: Das Zitat ist wahrscheinlich aus dem 22. Buch von von Contra Faustum (übrigens immer noch nicht in die dt. Sprache übersetzt). Oder? Augustinus rechtfertigt dort den Krieg von Mose und Josua gegen die Kanaaniter. Für die Manichäer waren die Kriegshandlungen von Israel im Alten Testament nämlich ein Beweis dafür, dass der Gott des Alten Testaments ein böser Gott gewesen ist. Das kann Augustinus natürlich nicht akzeptieren. Das Zitat taugt freilich nicht dafür, Augustinus als Kriegstreiber hinzustellen. Er war eben kein Verfechter Heiliger Kriege oder Kreuzzüge. Er war sogar der Meinung, dass Heilige Kriege nicht mit der Offenbarung des leidende Christus vereinbar sind (vgl. Contra Faustum XXII, 79). Nach Augustin sind friedliche Lösungen kriegerischen Mitteln unbedingt vorzuziehen. Krieg darf deshalb nur als ultima ratio betrachtet werden. Krieg ist dann als letztes Mittel erlaubt, wenn er dem Frieden dient bzw. ihn wieder herstellt und der Anlass dem Feind nachweisbares Unrecht ist. Augustinus: „Es ist jedoch ein größerer Ruhm, selbst die Kriege… Weiterlesen »
Auch Luthers Alterseinstellung wurde missbraucht im 3.Reich.
Dennoch darf man nicht ausser Acht lassen, dass der Islam, wie auch heute, eine sehr große Bedrohung darstellt.
2 Buchtipps
1. Rodney Stark Gottes Krieger – Die Kreuzzüge in neuem Licht
2. A. Schweiger Geschichte und Gott, bes.
die Kapitel über die Missionierung „Deutschlands“, wie „Deutschland“ überhaupt entstanden ist, die Kreuzzüge und den Islam und seine Bedrohung über die Jahrhunderte.
Und die Abtreibungsindustrie könnte man den Kreuzzug Satans nennen. Frauen sind in dieser Industrie tonangebend.
@ Konrad Kugler, natürlich sind die Taten der Musslime bei deren „Kreuzzügen“ keinen Deut besser. Da dieser Blog-Beitrag von den Kreuzzügen handelt und eben ein Kommentarbereich ist, sehe ich eine gewisse Kürze als geboten an. Es gibt noch viele weitere Greueltaten von diversen Religionen, die ich auch alle hier nicht erwähne. Denn hier geht es um Kreuzzüge.
@Allgemein
Alle Kreuzzüge fanden in der Zeit des Neuen Bundes statt. Daher muss eine biblische Grundlage für solche Feldzüge ebenfalls im Neuen Bund gefunden werden. Gibt es eine solche Grundlage nicht, führten die Menschen damals den Namen Gottes zu unrecht und richteten im Namen Jesu Christi Leid in einem Ausmaß an, für den es keine Rechtfertigung gibt.
https://www.firstthings.com/article/2009/06/inventing-the-crusades
Der Artikel als Ergänzung oder Korrektiv. Tatsächlich scheint mir der E21-Artikel wie auch einige Kommentare hier die Kategorie des „gerechten Krieges“ völlig außer Acht zu lassen. Man darf dann auch zugeben, dass vieles im Vollzug ungerecht abgelaufen ist.
@ Ron
Danke für den Kontext, gut zu lesen dass Augustinus sonst nicht so ein Verteidiger des Krieges war wie er sich in diesen von mir geposteten Sätzen gibt. Das Gefährliche an diesen ist, dass man sie so verstehen kann, dass alle Kriege, auch wenn nicht von christlichen Herrschern auf Gottes direkten Befehl hin initiiert, letztendlich gottgewollt seien. Solch ein Fatalismus wäre auf jeden Fall zersetzend für jede Moral.
Dies ist ein Kommentar zu der Aussage im 1. Absatz im vorletzten Satz: Die Gewalt hat bei der Verbreitung des christlichen Glaubens nichts zu suchen. Meine Meinung ist: 1. Augustinus von Hippo delegitimierte reine Eroberungskriege. Im Beitrag von Wikipedia zu „Gerechter Krieg“ steht 1. unter „Augustinus von Hippo“ am Ende: https://de.wikipedia.org/wiki/Gerechter_Krieg#Augustinus_von_Hippo Augustins Kriterien für einen gerechten Krieg des vom Christentum geprägten Römischen Reiches waren: Er muss dem Frieden dienen und diesen wiederherstellen (iustus finis). Er darf sich nur gegen begangenes, dem Feind vorwerfbares Unrecht – eine gravierende Verletzung oder Bedrohung der Rechtsordnung – richten, das wegen des feindlichen Verhaltens fortbesteht (causa iusta). Eine legitime Autorität – Gott oder ein Fürst (princeps) – muss den Krieg anordnen (legitima auctoritas). Dabei muss der Fürst die innerstaatliche Ordnung wahren, d. h. die gegebenen Strukturen des Befehlens und Gehorchens. Sein Kriegsbefehl darf nicht gegen Gottes Gebot verstoßen: Der Soldat muss ihn als Dienst am Frieden einsehen und ausführen können. Damit stellte Augustin schärfer als Cicero… Weiterlesen »
Dies ist eine Bestätigung zu der Aussage: https://theoblog.de/die-kreuzzuege/34789/#comment-86683 Tatsächlich halte ich die Philosophie des Aquin für ein hilfreiches Prolegomenon für die evangelikale Theologie. 1. Im Beitrag: Führt der Thomismus zum Katholizismus? http://normangeisler.com/does-thomism-lead-to-roman-catholicism/ von Norman L. Geisler steht am Ende: Ich für meinen Teil begrüße die thomistische Erneuerung im Evangelikalismus. In einer Welt der Erfahrungssucht ist ein Schuss thomistischer „Rationalismus“ mehr als willkommen. Ebenso ist der Thomismus ein gutes Gegenmittel für die New-Age-Mystik, die einen Teil des Evangelikalismus durchdrungen hat. Darüber hinaus ist die Betonung der objektiven Wahrheit und der propositionalen Offenbarung durch den Doctor Angelicus ein sicheres Heilmittel für den barthischen Existenzialismus, der die evangelikale Sicht der Schrift unterwandert hat. Wie der reformierte Thomist John Gerstner es ausdrückte: „Gott will das Herz erreichen, aber er will den Kopf nicht auf dem Weg zum Herzen umgehen. Der Thomismus kann an dieser Stelle definitiv helfen. Nicht zuletzt ist die thomistische Metaphysik die einzige solide Antwort auf das Abdriften in den Offenen Theismus… Weiterlesen »
Dies ist eine Bestätigung zu der Aussage: https://theoblog.de/die-kreuzzuege/34789/#comment-86683 Tatsächlich halte ich die Philosophie des Aquin für ein hilfreiches Prolegomenon für die evangelikale Theologie. Im Beitrag: Die Probleme, die Thomisten nicht haben https://ses.edu/the-problems-thomists-dont-have/ am 22.01.2020 von Dr. Brian Huffling steht unter „Response to Hume’s Skepticism“ („Antwort auf Humes Skeptizismus“): Das Problem der Induktion macht die Annahme des Nominalismus. Nominalismus‘ ist die Ansicht, dass die Dinge keine Natur haben. Der Realismus hingegen sagt, dass die Dinge eine Natur haben. Realisten sagen zum Beispiel, dass Menschen eine menschliche Natur oder Essenz teilen. Wir haben etwas miteinander gemein, das uns menschlich macht. Wir alle teilen die „Menschlichkeit“. Nominalisten hingegen sagen, dass wir bestimmte Eigenschaften miteinander teilen, aber wir haben nicht irgendeine Natur gemeinsam. Wir ähneln einander, haben Gemeinsamkeiten oder gehören einfach zur gleichen Klasse. Allerdings haben wir Menschen keine Essenz, die uns zu Menschen macht. Wenn wir leugnen, dass die Dinge eine Natur haben, dann haben sie vielleicht nicht alle bestimmte Eigenschaften, Verhaltensweisen usw.… Weiterlesen »