Darf man fremde Kinder tadeln, wenn sie sich danebenbenehmen? Nein, lautet häufig die Antwort. Denn Erziehung gilt zunehmend als intime Angelegenheit – mit abstrusen Folgen. Wir haben inzwischen unseren sozialen Kompass verloren, meint Frank Patalong. Kinder brauchen Grenzen. Und die sollten nicht nur die eigenen Eltern setzen.
So bizarr ticken wir inzwischen als Gesellschaft: Wir halten die Klappe, wenn Kinder öffentlich zu Monstern mutieren, und beschweren uns, wenn sie sich normal verhalten.
Stattdessen haben wir das einzelne Kind zu einem schützenswerten Sanktum erklärt, als stünde es auf der Roten Liste. Es kann nichts falsch machen, es darf alles, es muss sich ausleben, Kritik ist nicht angesagt, die Interessen Erwachsener zählen nicht.
Zum einen die kinderfeindliche Enge des öffentlichen Raums, in dem sich Kinder immer weniger frei bewegen dürfen, zum anderen das erzieherische Vakuum in Situationen, in denen ihnen eigentlich Grenzen gesetzt werden müssten, sind zwei Seiten derselben Medaille: Sie sind Zeichen dafür, wie fremd uns der Umgang mit kleinen Menschen geworden ist, wie artifiziell wir mit Erziehung umgehen.
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