»Lebe das Evangelium« oder »Predige das Evangelium«?
Sowohl die Autoren der »vita contemplativa« (die Vertreter der »geistlichen Übungen«) wie auch die Autoren der »vita activa« (die »Emergenten«) neigen dazu, die Gebote und Verheißungen, die Indikative und die Imperative zu verwischen und zu vermischen. Es besteht eine starke Tendenz, das Evangelium eher in unserer Aktivität verwirklicht zu sehen als in dem, was Gott in Jesus Christus für uns – und für die Welt – getan hat. Wir sind bestrebt, eher christliche »Aktivisten« zu sein als Nutznießer und Zeugen des Versöhnungswerks Gottes; wir wollen sein Reich mehr durch unsere eigenen Bemühungen bauen als ein Reich zu empfangen, das sich durch Predigt und Sakrament ausbreitet.
Willard schlägt seine eigene Übersetzung (oder besser: eine ziemlich lockere Umschreibung) des Missionsbefehls vor: »Ich habe jetzt das Sagen über alle Dinge im Himmel und auf Erden. Wenn ihr nun loszieht, dann macht aus allerlei Völkern Jünger. Taucht sie in die Gegenwart der Dreieinigkeit und lehrt sie alles so zu machen, wie ich es euch befohlen habe. Denkt daran: Ich bin jederzeit bei euch, bis ihr eure Aufgabe erfüllt habt« (meine Hervorhebung).« Willard sieht das eigentliche Problem in der Überbetonung von Gnade und Rechtfertigung: »Wenn wir nun eines erkennen müssen, dann dies: Ein Evangelium der Rechtfertigung allein macht noch keinen wiedergeborenen Jünger.«
Willard ist der Ansicht, die zentrale Botschaft des Evangeliums richte sich auf die innere Erneuerung und Verwandlung unseres Charakters durch »sorgfältig ausgearbeitete und gnadengetragene Übungen«. Der Geist verändert uns nicht so sehr durch das Evangelium, sondern vielmehr durch unsere eigene Entschlossenheit und Bemühung: »Was uns wirklich verändert, ist unser Entschluss, Jesus Christus zu gehorchen, und zwar durch ein tägliches Leben in Einheit mit der Wirklichkeit seiner Auferstehung; wir lernen den Gehorsam durch innere Umgestaltung.« »Jesus sucht nach Leuten, auf die er sich ganz verlassen kann.«
Ähnlich beklagt auch Foster, die Betonung auf der Gnade Gottes lähme das Streben nach innerer Umgestaltung. Wo die Bibel lehrt, das wichtigste, wirklichste und anhaltendste Werk sei Christi geschichtliches Werk zu unserem Heil, da schreibt Foster:
Das wichtigste, wirklichste und anhaltendste Werk wird in den Tiefen unseres Herzens vollbracht. Dieses Werk geschieht in der Abgeschiedenheit unseres Inneren … Es ist das Werk der Herzensreinheit, der Bekehrung, der innerlichen Umgestaltung oder Lebensgestaltung … Es ist viel Gestaltungsarbeit vonnöten, bevor wir dem himmlischen Feuer standhalten können. Bevor wir getrost und unbeschwert mit Gott herrschen können, braucht es noch jede Menge Selbstdisziplinierung.
Legt die Emerging Church-Bewegung auch großen Wert auf gemeinschaftliche Veränderung der Gesellschaft, misst sie der mittelalterlichen Betonung auf Taten statt Glaubensbekenntnissen noch mehr Gewicht bei – ganz wie die Wiedertäufer und der Pietismus. Brian McLaren erklärt: »Die Wiedertäufer verstanden den christlichen Glauben hauptsächlich als Lebensart.« Dabei konzentrieren sie sich stärker auf die Bergpredigt als auf die paulinischen Lehren von der persönlichen Errettung. Die Vervollständigung des Erlösungswerks Christi durch gesellschaftliche Veränderung ist jetzt wichtiger als die Verkündigung des vollendeten Werks Christi, d. h. die Versöhnung von Sündern mit dem Vater. Tony Jones, ein anderer Leiter der Bewegung, berichtet: »In einer ›emergenten Gemeinde‹ hören Sie Aussagen wie diese: ›Unsere Berufung als Gemeinde ist eine Berufung zur Partnerschaft mit Gott. Bei seinem Werk in der Welt sind wir seine Partner; beim Aufbau des Reiches Gottes arbeiten wir mit ihm zusammen.‹« Um eventuellen Einwänden aus dem Lager der Reformierten gleich zuvorzukommen, fügt er hinzu: »Dieser Aussage liegen viele theologische Überlegungen zugrunde«, obgleich »der Gedanke, dass Menschen mit Gott ,zusammenarbeiten‘ können, insbesondere konservative Calvinisten ärgern wird, die die menschliche Fähigkeit zur Teilnahme an Gottes Werk im allgemeinen leugnen.«
McLaren zufolge bedeutet »missional«, Buddhisten, Moslems und Juden zu ermutigen, bessere Buddhisten, Moslems und Juden zu sein und so dem Beispiel Jesu zu folgen. Nicht unsere Verkündigung, unser Leben verändere die Welt. McLaren schreibt: »Jesus ist der Erlöser – das bedeutet, dass sich Gott in Jesus als Retter auf all diesen Wegen einsetzt. Er richtet (nennt das Böse beim Namen), vergibt (durchbricht den Teufelskreis von Ursache und Wirkung und ermöglicht damit die Versöhnung) und lehrt (demonstriert, wie man die Kettenreaktion des Guten in Gang bringt).« Dass der Zorn Gottes Christus traf statt uns, davon ist keine Rede, und auch von den Auswirkungen des Kreuzes auf unsere vertikale Beziehung mit Gott wird nichts gesagt. »Da wir so häufig unwissentlich falsch und daneben liegen, begegnet uns Jesus mit seiner rettenden, tiefgründigen aber doch so erstaunlich knappen Aussage: Liebe Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft, sagt er, und liebe deinen Nächsten wie dich selbst – das ist genug!« Genau das sei unter der Aussage »Jesus rettet die Welt« zu verstehen. Was Jesus den Inbegriff des Gesetzes genannt hat (Mt 22,37–40; vgl. 5Mo 6,5), nennt McLaren den Inbegriff des Evangeliums.
Erstens ist der Ausdruck »das Evangelium leben« ein Kategorienfehler. Das Evangelium ist per definitionem »Frohe Botschaft« (von griech. eu-angelium). Eine Botschaft kann man nicht »leben« oder »tun«; tun kann man nur das Gesetz; das Evangelium muss vernommen bzw. gehört werden.
Zweitens besteht der spezifische Inhalt dieser frohen Botschaft in der Vergebung der Sünden durch den Glauben an das rettende Leben, den Tod und die Auferstehung Christi. Wir sind Nutznießer, nicht aktive Teilnehmer. Die Heilige Schrift fordert uns freilich zu einem Leben im Hinblick auf die Barmherzigkeit Gottes auf; wir sollen uns des Evangeliums würdig erweisen, das wir verkünden usf. Es repräsentiert jedoch unser Leben und unsere guten Werke als Früchte des Glaubens durch das Evangelium und ist damit nicht Teil des Evangeliums selbst.
Drittens lehrt die Schrift wiederholt, dass der Glaube durch die Verkündigung des Evangeliums kommt und nicht durch gute Werke. Christus wurde nicht festgenommen und angeklagt, weil er familiäre Werte wiederherzustellen suchte oder die Armen speiste. Selbst seine Aufsehen erregenden Wunder erregten an sich kein Ärgernis, es sei denn, sie bekräftigten sein Selbstzeugnis. Der Zorn der religiösen Führer steigerte sich dort, wo Jesus sich Gott gleich machte (Joh 5,18) und unter Umgehung des Tempels und des Opfersystems geradewegs Sünden vergab (Mk 2,7). Der jüdische Rat klagte ihn an, er habe die Zerstörung des Tempels vorausgesagt. Als der Hohepriester ihn fragte: »Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?«, da antwortete Jesus: »Ich bin’s. Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels!« Da »zerriss der Hohepriester seine Kleider und sagte: Was brauchen wir weitere Zeugen? Ihr habt die Lästerung gehört. Was meint ihr? Und sie fällten alle das Urteil, dass er des Todes schuldig sei« (Mk 14,53–64).
Jesus wurde nicht angeklagt, weil er versuchte, der Welt den Frieden zu bringen. Es war genau umgekehrt (Mt 10,34–37). Die Gegner Jesu fügten der Anklageschrift gegen ihn nicht den Vorwurf revolutionärer Weltverbesserungsambitionen hinzu. Wer in Jesus den Anführer einer politischen Revolution erblickte, für den war Jesu Mission der totale Misserfolg. Er wird in Herrlichkeit wiederkommen, zu richten, zu erlösen und alle Dinge neu zu machen. Er wird kommen, um ein weltumspannendes Reich der Gerechtigkeit und des Segens aufrichten. Die Zeit zwischen den beiden Adventen jedoch gilt der Umkehr und dem Glauben.
Auch die Nachfolger Jesu wurden vor den jüdischen und römischen Tribunalen nicht wegen der Gründung sinnvoller Gemeinschaften angeklagt oder weil sie »das Evangelium lebten«. Sie wurden verfolgt, weil sie das Evangelium verkündeten. In einem Brief an den Kaiser Trajan (ca. 112 n. Chr.) kommt Plinius, der Statthalter Bithyniens (nördliche Türkei) auf die einzelnen Aspekte ihrer staatsfeindlichen Religion zu sprechen:
1) Die Christen singen während ihrer Gottesverehrung Lieder über Jesus; 2) sie beten »durch« Jesus und »in Jesu Namen« zu Gott und richten ihre Gebete sogar direkt an Jesus; sie rufen ihn in ihren Versammlungen gemeinsam an; 3) die »Anrufung des Namens Jesu« geschieht besonders bei Taufen, Heilungen und Teufelsaustreibungen; 4) das gemeinsame Mahl gilt ihnen als heilige Mahlzeit, bei der der auferstandene Jesus als »Herr« unter ihnen weilt; 5) rituelles »Bekenntnis« zu Jesus während der Versammlungen und 6) christliche Prophezeiungen als Orakelsprüche des auferstandenen Jesus; der Heilige Geist der Prophezeiungen wird auch als Geist Jesu verstanden.
Plinius machte sich Sorgen über die schnelle Verbreitung des christlichen Glaubens. Die heidnischen Tempel waren »beinahe menschenleer«. Darunter hatte der enorme wirtschaftliche Handel der verschiedenen Kulte und Opferwesen zu leiden. Was Plinius jedoch am meisten ärgerte, war die Widerspenstigkeit dieser »Kriminellen«: Um frei auszugehen, hätten sie nur Jesus fluchen und dem Kaiser Weihrauch darbringen müssen. Das aber lehnten sie ab, selbst wenn sie dafür hingerichtet wurden.
Im Neuen Testament heißt es, die Gläubigen litten insbesondere »um meinetwillen und um meines Namens Willen« (Mt 10,18.22; vgl Apg 3,17.18; 5,40; 6,8–8,1; 9,14.21; 26,9.11; 2Kor 11,22–29). Der Vorwurf der Gotteslästerung verrät nicht nur den zentralen Anklagepunkt ihrer Gegner, sondern auch die fundamentale Überzeugung der frühesten Christen: Jesus Christus ist Gott und damit der einzige Erlöser. Die Römer bezichtigten die frühen Christen des Atheismus und der Zersetzung der Staatsreligion, da sie die Teilnahme am Kaiserkult verweigerten. Der römische Senator und Historiker Tacitus berichtet, eine »ungeheure Menge« an offenkundigen Christen seien wegen ihres »Hasses auf die Menschheit« eingekerkert worden. Diese Märtyrer jedoch nutzten ihren Prozess als Gelegenheit, das Evangelium zu verkündigen, darzulegen und zu verteidigen (vgl. zusätzlich zu den vielen Beispielen in der Apostelgeschichte 1Petr. 3,15–16).
Das Gesetz sagt uns, was Gott von uns verlangt; das Evangelium sagt uns, was Gott für uns getan hat. Genau deshalb, weil sich das Evangelium nicht um uns dreht, sondern für uns ist, stiftet es auch eine Art von Gemeinschaft, deren Verbundenheit viel enger ist als die natürlicher Verwandtschaften; ihr Wirkungskreis erstreckt sich weit über den Wirkungskreis vereinzelter »Hilfsprojekte« hinaus. Das Evangelium besteht in der Verkündigung, dass da jemand bereits ein vollkommenes Leben für uns gelegt hat, es für uns hingegeben hat, um es als Erstlingsfrucht der neuen Schöpfung wieder an sich zu nehmen. Wenn wir diese gute Nachricht glauben, dann bringen wir uns selbst nicht als Sühneopfer dar, sondern geben uns hin als »lebendige Opfer«, als »Dankopfer«. So verbreiten wir den »Duft Christi« (2Kor 2,15). Wir leben im Gehorsam »im Hinblick auf Gottes Barmherzigkeit« (Röm 12,1–2).
Der Generalauftrag des Missionsbefehles besteht in der »Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen«. »Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort« (Röm 10,17). Der Glaube kommt in der Liebe und in guten Werken zum Ausdruck, entstammt ihnen jedoch nicht. Petrus sagt, wir seien »wiedergeboren … durch das lebendige und in Ewigkeit bleibende Wort Gottes … Das ist aber das Wort, welches euch als Evangelium verkündigt worden ist« (1Petr 1,23.25). Mit unserem Leben können wir Menschen für das Evangelium gewinnen oder sie abstoßen. Dan Kimball hat schlicht unrecht, wenn er (genau wie Jones) den Rat Franz von Assisis zur wortlosen Verkündigung des Evangeliums beschwört: »Unser Leben ist eine bessere Predigt als alles, was wir sagen können.«
Wenn wir uns weniger um sozialen und moralischen Einfluss auf die Gesellschaft bemühen (was wir auch ohne Christus können), sondern Christus selbst suchen, dann geschieht etwas sehr Eigenartiges: Es entsteht eine Gemeinschaft mit dem »Lamm«, die sich aus Menschen aus »allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen« zusammensetzt, um »ein Volk von Königen und Priestern für unseren Gott« zu sein (Offb 5,9–10). Aus einer in Christus gerechtfertigten und durch Christus geheiligten Gemeinschaft entsteht der Vorgeschmack echten Friedens, echter Liebe und Gerechtigkeit. An diesen Dingen können wir unser Leben ausrichten; davon können wir auch unsere weltlichen Berufungen anregen lassen. Der Missionsbefehl ist ein ganz bestimmter Auftrag mit mannigfaltigen Auswirkungen.
Das Hauptaugenmerk der Gemeinde in der Verkündigung der Tatsache zu sehen, dass Gott die Sünden der Welt vergibt, hat nichts mit einer platonischen Trennung von Seele und Leib zu tun: Viele von uns sind in Gemeinden aufgewachsen, die sich ganz der »Seelenrettung« verschrieben haben, statt zur »Rettung der Welt« beizutragen. Die »Emergenten« haben recht, wenn sie uns auf den größeren Horizont der heilsgeschichtlichen Absichten Gottes hinweisen. Die Reformierte Theologie hat sich jedoch immer schon um eine ganz andere Frömmigkeit bemüht als die allseits bekannten Endzeit-Szenarien. Christus hat die Welt schon erlöst – und damit den Segen sichergestellt, »so weit der Fluch reicht«. Sein Reich wird aber erst bei seiner Wiederkunft vollendet; einstweilen ist es aufgerichtet und wächst durch die Verkündigung der Vergebung, der Rechtfertigung und der erneuernden Gnade bis an die Enden der Erde.
Die beiden Theologien der Emerging Church-Bewegung teilen hier unangenehme Ähnlichkeiten in Bezug auf das »Wohlstandsevangelium«. Beide erwarten zurecht Christi universelle und segensreiche Herrschaft in Frieden, Gerechtigkeit und Liebe jenseits von Sünde, Tod und Kummer. Gott sorgt für den Leib genauso wie für die Seele. Beide Richtungen handeln jedoch überstürzt, wenn sie meinen, sie könnten die Vollendung des Reiches durch eigene Anstrengung herbeiführen.
Selbstverständlich können wir uns auch in diesem vergänglichen, bösen Zeitalter verbessern; es bleibt allerdings »dieses böse Zeitalter«, und man darf es nicht mit der Vollkommenheit des zukünftigen Zeitalters verwechseln. Die Ärzte können den Tod nicht besiegen, können ihn als Werkzeuge der allgemeinen Gnade Gottes jedoch hinauszögern. Die Diakone sind der Gemeinde gegeben, damit sie sich um die zeitlichen Bedürfnisse der Heiligen kümmern. Der Dienst am Wort, die Sakramente und die Kirchenzucht lassen allen geistlichen Segen in Christus zuteil werden. Wir können unserem Mitmenschen helfen, sein Dach auszubessern, auch wenn Atheist ist; vor der Gefahr drohender Armut dagegen können wir ihn nicht bewahren. Das ist die Bedeutung des »Salzseins«: Das Salz konserviert die Dinge, damit sie nicht so schnell verderben, wie das ohne Salz der Fall wäre. Die Erlösung, die Christus uns errungen hat, geht nicht bei unserem Tode mit uns »in den Himmel«. Sie hat nicht nur die Rettung der Seele im Blick. Am Ende des Zeitalters werden wir leiblich auferweckt werden, und mit uns die gesamte Schöpfung im Gefolge Christi (Röm 8,19–21). Das aber ist der Wiederkunft Christi vorbehalten: »Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit standhaftem Ausharren« (V. 25).
Sehr gute Uebersetzung. Hmm, ich weiss nicht genau, was das Problem des Begriffs „Mitarbeiter Gottes“ (in dieser Welt) sein soll. Der Begriff ist doch nicht nur den Emergenten vorbehalten. Prof. Rohrmoser redet oefters von Christen als „cooperator Dei“ in dieser Welt. (Und Prof. Rohrmoser war sicher kein „Emerging churchler“, sondern konservativer Lutheraner). Rohrmoser meinte, unsere Froemmigkeit sollte ueber die Seelenrettung hinausgehen. Auch Luther hat ja den Begriff schon verwendet. Paulus selbst spricht von uns ja als „Mitarbeiter Gottes“ (1. Kor 3,9). In dem Buch „Einfuehrung in die theologische Ethik“ von Martin Honecker heisst es: (habe ich mal wahllos aus Google Books zitiert): Nach reformatorischer Ueberzeugung kann der Mensch nicht Mitwirker am Heil, wohl aber Mitarbeiter Gottes in der Welt sein (1. Kor 3,9 ff.) Nach Luther ist der Christ nicht con-creator, sonder cooperator dei. „Gott wirkt nicht ohne uns, weil er uns naemlich dazu erneuert hat und (als Erneuerte) erhaelt, damit er in uns wirke und wir mit ihm zusammenwirken“… Weiterlesen »
@Roderich: Horton lehrt nicht, dass Christen sich aus der Gesellschaft zurückziehen sollen und er sieht die Probleme des privatisierten Glaubens sehr klar. Er sieht allerdings auch die Probleme, die entstehen, wenn Christen versuchen, vor allem mit politischen Mitteln die Gesellschaft zu verändern. Wir haben ja z.B. in den USA gesehen, was dabei herausgekommen ist. Ihm geht es, so könnte man sagen, darum, das Letzte nicht mit dem Vorletzten zu verwechseln.
Liebe Grüße, Ron
Lieber Ron, siehst Du irgendwo, dass Horton konservative (z.B. „zu pietistische“ bzw. konservative aber dualistische) Gemeinden ermahnt, dass sie ihren Dualismus ablegen sollten, und ihren Glauben auch in Politik, Wirtschaft, Recht, Erziehung, Medien umsetzen sollten? Wo fordert er z.B., dass Christen sich fuer ein mehr christliches Rechtssystem einsetzen sollten? (Dann natuerlich nach biblischen und nicht nach weltlichen / progressiven / postmodernen Prinzipien). Das wuerde mich beruhigen. (Nun gut, man kann nicht von jedem Autor alles verlangen. Horton schreibt so schoen und klar, und ist sicher auch dann nuetzlich zu lesen, wenn er dieses Gebiet vernachlaessigt). Mich wuerde auch interessieren, wie Horton zu dem Ansatz von Van Til steht. Also die Erloesung Gottes, mit Relevanz fuer alle Bereiche des Lebens). (Wo genau der Unterschied von Horton zu Van Til oder Francis Schaeffer ist, kann ich theologisch nicht genau ausmachen, habe sowohl Horton als auch van Til zu wenig gelesen, aber es wuerde mich sehr interessieren, da ich da Unterschiede ahne, da… Weiterlesen »
@Roderich Auf die Unterschiede wäre ich gespannt… Ich weiß nicht, ob Horton Prä- oder Amillennialist ist, aber mir leuchtet nicht ein, weshalb jemand, der aufgrund seiner Eschatologie gar nicht davon ausgehen *kann*, dass sich die Zustände je ändern, sich um die Verbesserung der „Außenbezirke“ des Christentums große Sorgen machen sollte? Ich höre zuweilen das Argument: auch jemand, dessen Eschatologie durchweg „pessimillennialistisch“ ausgerichtet ist, könne (und tue das vielfach auch) positiv auf Kultur und Gesellschaft einwirken. Dass das so *ist*, bezweifle ich gar nicht (und habe es nie bezweifelt), wie aber so jemand das in seiner Theologie nachgerade fordern/fördern könne, leuchtet mir nicht ein. Wenn ich damit rechnen muss, dass „morgen“ — sub specie aeternitatis — Schluss ist mit dem Unternehmen Erde, dann sehe ich mindestens mit einem Auge auf das gegenwärtige Weltgeschehen und „weiß“: Das Ende naht! Und dann wäre es nichts als blindwütiger oder verzweifelter Aktivismus, „jetzt noch“ etwas ändern zu wollen. Alle Agitationsversuche aus dem pessimillennialistischen Lager können… Weiterlesen »
@Roderich & Schandor: Der Unterschied liegt im: Die Kirche als Gottes offizielle Botschaft der Gnade jedoch ruft die Menschen von überallher zum Fest. Um eine andere Metapher zu gebrauchen: Die versammelte Gemeinde dient den Einzelnen als »Versalzungsort«; so können wiedergeborene Sünder, die die Vergebung erlangt haben, jede Woche neu als Salz in die Welt »gestreut« werden. Ohne Wort und Sakrament verliert das Salz seine Kraft und ist zu nichts mehr nütze, als dass man es ausschüttet, damit es zertrampelt werde. Für Horton oder den von mir geschätzten VanDrunen geht es nicht zuerst darum, dass Christen die Politiker etc. daran erinnern, dass Jesus Herr ist (z.B. NT Wright), sondern darum, dass das Evangelium die Herzen der Menschen verändert. Diese mit Gott versöhnten Menschen wirken dann – hoffentlich – in die Gesellschaft hinein. Dieser Ansatz unterscheidet sich z.B. von dem der Rekonstruktivisten, die glaubten, dass (nur) die Christen (vor allem) durch eine Umgestaltung der Gesetzte und der Politik die Gesellschaft zum Guten… Weiterlesen »
@Schandor: Selbst wenn man pessimistischer Praemilennialist ist, wird man doch nicht leugnen koennen, dass es in der Geschichte immer wieder Erweckungen bzw. Reformationen oder Rueckkehrten zur Bibel gegeben hat, sei es bestimmte Moenchsbewegungen im Mittelalter, oder die Reformation 1517 (Siehe das Buch von Francis Schaeffer). Zweitens wird ja jeder Praemillennialist auch zustimmen, dass wir „Zeit und Stunde“ nicht kennen, wann Jesus wiederkommt. D.h. wenn es in der Geschichte schon passiert ist, und wir nicht wissen, wann Jesus wiederkommt: was sollte den Allmaechtigen Gott davon abhalten, noch drei Zyklen von „grosser Umkehr zu Gott und Erweckung“ und „Grosser Abfall“ auf weltweitem Level zuzulassen? Das Abfallen von Gott geht „von alleine“, das macht der Mensch ohne weitere Hilfe. Die Rueckkehr zu Gott ist „schwieriger“, sie verlangt ein Wunder bzw. Eingreifen Gottes. Es mag ja sein, dass es im Verlaufe der Zeit schwieriger wird, zu Gott umzukehren. Aber das hindert den Allmaechtigen Gott nicht daran, sich NOCH einmal auf unglaubliche Weise zu verherrlichen… Weiterlesen »
@Roderich Zuerst: Herzlichen Dank für Deinen tollen Kommentar! Ich werde hier ganz ehrlich sein und mir kein Blatt vor den Mund nehmen. Ich decke quasi alle meine Karten auf. „was sollte den Allmaechtigen Gott davon abhalten, noch drei Zyklen von “grosser Umkehr zu Gott und Erweckung” und “Grosser Abfall” auf weltweitem Level zuzulassen?“ Nichts. Gar nichts, hoffe ich. „Die Rueckkehr zu Gott ist “schwieriger”, sie verlangt ein Wunder bzw. Eingreifen Gottes.“ Stimme voll und ganz zu. Das ist es auch, wovon Iain Murray in seinem „The Puritans Hope“ spricht: von einem Wunder Gottes. Nur durch ein solches könne das Tausendjährige Friedensreich anbrechen. „Aber das hindert den Allmaechtigen Gott nicht daran, sich NOCH einmal auf unglaubliche Weise zu verherrlichen und eine grosse Umkehr zu schenken.“ Möge er es schenken, ich sehne mich danach. Und ja, korrekt gedacht ist das im Rahmen eines Prämillennialismus denkbar, wenn für mich auch nicht gut, da die Weltgeschichte derzeit durchaus irreversible Entwicklungen durchmacht, die Gott schon… Weiterlesen »