Kritik am Moscheenverband Ditib wächst

Seit der Putschversuch in der Türkei scheiterte, distanzieren sich immer mehr Politiker vom Islamverband Ditib (Ditib steht für  „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“). Zuletzt hat sich sogar Hannelore Kraft dafür ausgesprochen, den Verband genau zu beobachten. Reinhard Bingener kommentiert diese Entwicklung für die FAZ u.a. mit den Worten:

Wer wollte, der konnte schon lange wissen, dass die Ditib der verlängerte Arm der türkischen Religionsbehörde Diyanet ist, dass ihre Imame in der Türkei ausgebildet und diese von Ankara dafür bezahlt werden, in Deutschland jenen sunnitischen Islam zu predigen, der der amtierenden Regierung gerade passt. Einst war dies ein passiver, zum kemalistischen Laizismus eines Militärstaats passender Islam; heute ist es das islamistisch grundierte Weltbild des Autokraten Erdogan. Im Kern handelt es sich beide Male um eine Theologie, die politischen Zwecken dient. Zugespitzt formuliert: Ankara nutzt die Ditib für eine Ethnopolitik, deren Ziel darin besteht, die Assimilation der in Deutschland lebenden Türken zu verhindern.

Nun konnte das in der Tat jeder wissen, der sich für die Materie interessiert hat. Aber durfte es auch jeder sagen, ohne dafür öffentlichen Widerspruch zu ernten? Ich erinnere mich noch gut an die politischen und medialen Reaktionen auf die Ditib-Kritik von Ralph Giordano. Wenn der jüdischer Schriftsteller darauf verwies, dass Ditib die Integration behindert, stand er ziemlich einsam da. So schrieb beispielsweise damals DIE ZEIT:

Denn Ditib ist nicht irgendein kleiner Moscheeverein, sondern der bundesweite Dachverband von 870 Moscheen. Ditib vertritt einen moderaten Islam und ist eng mit der türkischen Religionsbehörde verbunden. In der Schäubleschen Islamkonferenz gilt Ditib als Pfeiler der Vernunft.

Bekir Alboga, Giordanos Sparringspartner bei dem Streitgespräch, ist Gesicht und Stimme der Organisation. Schon in der Mannheimer Moschee hat Alboga sich einen guten Namen gemacht, indem er als Imam das Gotteshaus für den interreligiösen Dialog öffnete. Der 44-jährige Gastarbeitersohn, der 1980 nach Deutschland kam, engagiert sich seit Jahren gegen häusliche Gewalt, Zwangsheirat und Ehrenmorde. Er lehnt die Burka als unislamisch ab. Alboga vertritt einen auf fromme Innerlichkeit setzenden Sufismus und ist eine treibende Kraft bei der Öffnung der Ditib für die deutsche Öffentlichkeit. Seit Jahren spricht er sich klar und hart gegen Terror im Namen Allahs aus. Bekir Alboga, ein Deutschtürke, der in Heidelberg Islamwissenschaft studierte, hat es nicht verdient, von Ralph Giordano heruntergemacht zu werden, er komme wohl aus »einem Kulturkreis, dem die kritische Methode völlig unbekannt ist«. Es gibt nicht so viele Verbündete bei der Reformierung und Beheimatung des Islams in Deutschland, dass man einen Modernisierer wie Bekir Alboga derart vor den Kopf stoßen sollte.

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Johannes Strehle
7 Jahre zuvor

„Murat Kayman ist der Koordinator des türkischen Moscheenverbandes Ditib. In seinem Blog erklärt er (den Freiburger Islamtheologen Abdel-Hakim Ourghi) einen Kritiker des fundamentalistischen Islam für abtrünnig – mit potentiell tödlichen Konsequenzen.“ „Ist das Land, von dessen Bürgern die Kanzlerin sich im September 2015 mit monarchischer Geste lossagen wollte, wenn diese sich nicht vor jeder kritischen Äußerung die Zunge verknoten, auch das Land von Abdel-Hakim Ourghi? Ist es das von Achim Greser und Heribert Lenz …? Ist es das von Dieter Nuhr … Wessen Land soll es sein, in dem Bürger die Todesgefahr ihrer Mitbürger still zur Kenntnis nehmen sollen, beruhigt mit der statistischen Wahrscheinlichkeit, wohl selbst nicht zu den Opfern des nächsten Anschlags zu gehören? Soll es Abdel-Hakim Ourghi mit der Kanzlerin als „Herausforderung“ begreifen, weiter am Leben zu bleiben, als „Fortschritt“, auch diesen Tag heil überstanden zu haben? Wann findet die Kanzlerin zurück zu einer Sprache, die auch jene Bürger nicht mit Missachtung straft, die für ihren Mut und… Weiterlesen »

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