Der Theologe Matthew Barrett, der acht Jahre lang am Midwestern Baptist Theological Seminary unterrichtet hat, ist in die Anglikanische Kirche eingetreten und hat in diesem Zuge auch seine Taufposition revidiert. Er schreibt:
Was ist also passiert? Wir wurden von einem Sturm heimgesucht, eigentlich sogar von einem Tornado. Wir hatten keine Ahnung, dass der Tornado kommen würde, und lange Zeit haben wir uns eingeredet, dass das unmöglich sein könne. Aber unter großen Schmerzen haben wir erkannt, dass der Herr selbst diesen Tornado gesandt hat. Tatsächlich haben wir seitdem erfahren, dass der Herr selbst in diesem Tornado war und eine Säule nach der anderen unseres SBC-Hauses zum Einsturz gebracht hat.
Die erste Säule begann vor einem Jahr zu bröckeln, als eine Gruppe von Southern Baptists vor der SBC stand und die Aufnahme des Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses in die „Baptist Faith and Message” forderte. Ich unterstüze diese Männer mit Beifall. Aber die Antworten sprachen Bände. Von „Keine Glaubensbekenntnisse außer der Bibel“ über „Der Zeitpunkt ist ungünstig“ bis hin zu allen anderen Ausreden, die man sich vorstellen kann. Als der Beschluss Monate später dem Exekutivkomitee vorgelegt wurde, lehnte das Komitee die Aufnahme des Glaubensbekenntnisses offiziell ab. Unabhängig vom Grund kann ich nicht in einer Konfession bleiben, in der das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis offiziell abgelehnt wurde und nach wie vor eklatant fehlt.
Ich werde natürlich dafür beten, dass die SBC ihre Meinung ändert. Aber ich habe erkannt, dass selbst wenn es aufgenommen würde, die Struktur der Konfession nicht so ist, dass sie das Glaubensbekenntnis mit der Autorität anderer Traditionen umsetzen könnte, die an Konzile und Synoden glauben und über die Strukturen verfügen, um diese glaubwürdig zu unterstützen. Aber noch wichtiger ist, dass die Kultur der SBC letztlich nicht diejenigen tragen kann, denen die Wiederbelebung und die Große Tradition am Herzen liegen. Wir schreiben das Jahr 2025, und an den Seminaren der Southern Baptist Convention wird immer noch die EFS (ewige funktionale Unterordnung des Sohnes unter den Vater) gelehrt. Irgendwann müssen wir für etwas einstehen. Sonst machen wir uns mitschuldig an unserer Selbstgefälligkeit.
Um ehrlich zu sein: Ich war von dieser Nachricht wenig überrascht. Seit Jahren verfolge ich die Entwicklung von Matthew Barrett und staune über seine Anläufe, Thomas von Aquin innerhalb reformatorischer Kreise zu rehabiliteren (manche Gründe für diese Rehablitierung halte ich für überzeugend, andere nicht). Ich bin in gewisser Weise froh, dass er nicht Francis J. Beckwith gefolgt ist, der 2007 zum Katholizismus konvertierte.
Für die Bewertung seines Schrittes und der dafür angeführten Gründe empfehle ich, eine Stellungnahme von Denny Burk zu studieren. Ich denke, einige dort erläuterten Punkte sollte man gehört oder gelesen haben, um seine eigene Sicht entwickeln zu können. Da ist zum Beispiel die Sache mit dem „Nicäno-Konstantinopolitanum“. Burk schreibt:
Barrett behauptet, dass die Southern Baptist Convention das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis „offiziell abgelehnt” habe. Dies ist eine falsche Darstellung dessen, was bei einem kürzlich gescheiterten Versuch, das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis in die „Baptist Faith and Message” aufzunehmen, geschehen ist. Damals habe ich mich öffentlich gegen den Vorschlag ausgesprochen, aber nicht, weil ich das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis ablehne. Vielmehr war der Verfahrensweg falsch, und ich bin der Meinung, dass wir, wenn wir diesen Schritt gehen, alle drei ökumenischen Glaubensbekenntnisse bekräftigen sollten. Ich habe mich also gegen die Maßnahme ausgesprochen, aber nicht gegen das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis an sich. Tatsächlich bekennt sich meine eigene Southern Baptist Church jede Woche freudig zum Apostolischen Glaubensbekenntnis, zum Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis und zum Athanasianischen Glaubensbekenntnis. Die Gegner dieses speziellen Vorschlags als „offizielle Ablehnung“ des Glaubensbekenntnisses zu bezeichnen, ist eine Verleumdung treuer Brüder und Schwestern in Christus. Außerdem wird dabei übersehen, dass die SBC erst letzten Monat eine Resolution verabschiedet hat, in der sie ihr langjähriges Bekenntnis zur nicänischen Orthodoxie bekräftigt hat.
Die Diskussion wird weitergehen. Ich habe solche „Konversionen“ oder „Wechsel“ schön häufiger „begleitet“ und mehrfach beobachtet: In der Onboarding-Phase setzen „Wechsler“ eine rosarote Brille auf. Sie spüren eine große seelische Entlastung und verbinden mit der neuen Heimat den „Himmel auf Erden“. Ich hoffe, dass er in der Anglikanische Kirche, die ja selbst in keiner einfache Lage steckt, zur Ruhe kommt und in Zukunft etwas weniger lärmend auftritt.
Gut, dass er wenigstens seine Taufposition revidiert hat. Besser spät als nie. Die sogenannte Glaubenstaufe hat neben einigen nachvollziehbaren Aspekten letztlich viel Spaltung und anmaßendes Verhalten ihrer Vertreter mit sich gebracht.
Bedauerliche, aber konsequente Entwicklung. Wenn man sich seinen Post durchliest, merkt man, dass sich (wie z.B. auch in Webbers Evangelicals on the Canterbury Trail) eigentlich vor allem eine Sache durchzieht: Ein stimmiges theologisches System und evangeliumsorientierte Liturgie vorgefunden – Glaube für die Sinne (irgendwie klingt seine Argumentation postmodern). Dass Familie und Kinder bei der Gemeindesuche im kirchlich übersaturierten Mittleren Westen auch eine Rolle spielen, schimmert zwischen den Zeilen durch. Barrett ist eben doch US-Evangelikaler… Theologie und Biografie kommen doch oft zusammen und haben (an sich erfreulicherweise) ganz essentiell mit einem selbst zu tun. Dann opfert man auch mal bereitwillig schriftgemäßere Einsichten zur Taufe und Kirchenverfassung. Es sind auch immer die selben Argumente, die dann biblischen Texten übergestülpt werden. Der exeget. Befund zu Apg 15 und auch zur Tauffrage ist doch ziemlich klar – bekunden ja auch Exegeten aus kindertaufenden Traditionen. Der Anglikanismus ist zugegebnermaßen eine theologisch ansprechende Lebenswelt; m.E. aber gerade bei vielen systematischen Theologen auch eine große Versuchung zum… Weiterlesen »
Auch mich überrascht der Schritt nicht. Allerdings hatte ich fast erwartet, dass er tatsächlich zum Katholizismus konvertiert. Seine Verehrung (anders kann man es nicht nennen) von Thomas von Aquin fand ich schon immer ziemlich krass. Irgendwann hatte ich mal eine Aussage von ihm zitiert, in der er sinngemäß sagte, er frage sich, wie viele falsche Lehren verhindert worden wären, wäre man Aquin gefolgt. Ich sage jetzt nicht, dass die ganze „theological retrieval“ Bewegung dahin führen muss. Mir ist und bleibt sie suspekt und mittlerweile finde ich sie etwas nervig. Es gibt „reformed catholicism“, „theological retrieval for evangelicals“ usw. Da ich aus der Brüderbewegung stamme, könnte ich die Bewegung „bretheren retrieval“ gründen. Allerdings würde ich es gar nicht so gut finden, wenn JND und viele seiner Auslegung wieder erneuert werden. Bei der ganzen Sache „retrieval“ ist es doch so: man wählt das aus der Theologigeschichte, was der eigenen Tradition und den eigenen Bekenntnissen entspricht und blendet andere Anschauungen aus. Allerdings hat… Weiterlesen »
Nachdem ich jetzt den ganzen Text von Barrett gelesen habe, bin ich ziemlich perplex. Es ist schon krass, wenn jemand so lange Teil einer Denomination war, aber nichts, wirklich gar nichts positives zu sagen hat. Es gibt keine Dankbarkeit. Und wenn man seine Ausführungen ließt, dann wird man den Eindruck nicht los, dass all dies – sein Weggang, seine Attacken auf die SBC – zum großen Teil auf seinem Verständnis des „theological retrieval“ beruht. Für mich ein weiteres, warnendes Beispiel, wie hart und „ausgrenzend“ die „truly reformed“ Leute sind. Als ich vor ca. 20 Jahenn mit der reformierten Theologie vertraut und von ihr überzeugt wurde, waren es zum Glück Leute wie Tim Keller, John Piper, R. C. Sproul, J. I. Packer und vor allem John Frame, die ich las und die mich überzeugten. Also die „winsomely reformed“ Leute. Hätte ich damals nur Swain, Clark, Fesko usw. gekannt, wer weiß … Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es gerade diese Leute… Weiterlesen »