Das christliche Medienportal Pro hat heute mitgeteilt, dass vom 22.–24. Oktober in Halle ein Kongress zum Thema »Clownerie und Kirche, Glaube und Humor« stattfinden wird. In der Meldung heißt es:
Clown Leo alias Steffen Schulz ist seit über zehn Jahren hauptberuflicher Kirchenschelm. Bei seiner Tagung soll es um eine Standortbestimmung der Kunstform Kirchenclownerie gehen. Geplant sind Gesprächsrunden, die sich mit möglichen Spannungen zwischen Humor und Kirche auseinandersetzten sowie praxisnahe Kurse. Darüber hinaus spricht die Theologin und Clownin Gisela Matthiae über das Thema ›Wie fröhlich ist die Christenheit‹. Einen humorvollen Rahmen bilden Auftritte verschiedener Kirchenclowns und ein ökumenische Gottesdienst, bei dem die Teilnehmer der Tagung mitwirken können.
Ich habe weder etwas gegen gute Unterhaltung oder gegen deftigen Humor, ganz im Gegenteil: Wir Christen sollten mehr lachen. Dennoch nehme ich die Karnevalisierung der Kirche mit Zurückhaltung wahr. Ist es nicht gerade das Problem, dass die Kirche oft nur noch als eine Institution angesehen wird, die die Menschen bei guter Laune hält und beim Abbau von Schuldgefühlen assistiert? Wird eine unterhaltende Kirche gehört, wenn es um den Ernst des Lebens und den Trost im Sterben geht?
Ich weiß, ein guter Clown kommuniziert tiefsinnige Botschaften. Vielleicht gelingt ja die Vermittlung der Botschaft gerade dann, wenn mit den Erwartungshaltungen der Kirchgänger radikal gebrochen wird. Trotzdem bleibe ich skeptisch. Ich muss, wie kann es anders sein, an das großartige Gleichnis denken, das Sören Kierkegaard einmal erzählte. Ich zitiere es hier in der Weise, wie Joseph Ratzinger es einst überliefert hat (Einführung in das Christentum, DTV, 1977, S. 13–14):
Wer heute über die Sache des christlichen Glaubens vor Menschen zu reden versucht, die nicht durch Beruf oder Konvention im Innern des kirchlichen Redens und Denkens angesiedelt sind, wird sehr bald das Fremde und Befremdliche eines solchen Unterfangens verspüren. Er wird wahrscheinlich bald das Gefühl haben, seine Situation sei nur allzu treffend beschrieben in der bekannten Gleichniserzählung Kierkegaards über den Clown und das brennende Dorf, die Harvey Cox kürzlich in seinem Buch ›Stadt ohne Gott?‹ wieder aufgegriffen hat. Diese Geschichte sagt, daß ein Reisezirkus in Dänemark in Brand geraten war. Der Direktor schickte daraufhin den Clown, der schon zur Vorstellung gerüstet war, in das benachbarte Dorf, um Hilfe zu holen, zumal die Gefahr bestand, daß über die abgeernteten, ausgetrockneten Felder das Feuer auch auf das Dorf übergreifen würde. Der Clown eilte in das Dorf und bat die Bewohner, sie möchten eiligst zu dem brennenden Zirkus kommen und löschen helfen. Aber die Dörfler hielten das Geschrei des Clowns lediglich für einen ausgezeichneten Werbetrick, um sie möglichst zahlreich in die Vorstellung zu locken; sie applaudierten und lachten bis zu Tränen. Dem Clown war mehr zum Weinen als zum Lachen zumute; er versuchte vergebens, die Menschen zu beschwören, ihnen klarzumachen, dies sei keine Verstellung, kein Trick, es sei bitterer Ernst, es brenne wirklich. Sein Flehen steigerte nur das Gelächter, man fand, er spiele seine Rolle ausgezeichnet – bis schließlich in der Tat das Feuer auf das Dorf übergegriffen hatte und jede Hilfe zu spät kam, so daß Dorf und Zirkus gleichermaßen verbrannten.
Cox erzählt diese Geschichte als Beispiel für die Situation des Theologen heute und sieht in dem Clown, der seine Botschaft gar nicht bis zum wirklichen Gehör der Menschen bringen kann, das Bild des Theologen. Er wird in seinen Clownsgewändern aus dem Mittelalter oder aus welcher Vergangenheit auch immer gar nicht ernst genommen. Er kann sagen, was er will, er ist gleichsam etikettiert und eingeordnet durch seine Rolle. Wie er sich auch gebärdet und den Ernstfall darzustellen versucht, man weiß immer im voraus schon, daß er eben – ein Clown ist. Man weiß schon, worüber er redet, und weiß, daß er nur eine Vorstellung gibt, die mit der Wirklichkeit wenig oder nichts zu tun hat. So kann man ihm getrost zuhören, ohne sich über das, was er sagt, ernstlich beunruhigen zu müssen. In diesem Bild ist ohne Zweifel etwas von der bedrängenden Wirklichkeit eingefangen, in der sich Theologie und theologisches Reden heute befinden; etwas von der lastenden Unmöglichkeit, die Schablonen der Denk- und Sprechgewohnheiten zu durchbrechen und die Sache der Theologie als Ernstfall menschlichen Lebens erkennbar zu machen.