Soziale Netzwerke

Interview mit Tim Challies

Im Zusammenhang mit meinen Überlegungen bzgl. TheoBlog.de hat mich ein Leser auf ein Interview verwiesen, welches Tim Challies kürzlich gegeben haben. Ich habe mir Teile des Interviews angehört und sehr davon profitiert. Von Minute 29 bis 57 geht es um das Bloggen, Soziale Medien, Podcasting und den neuen Substack-Trend. Die Einsichten können für Leute, die bloggen oder in den Sozialen Medien aktiv sind, sehr hilfreich sein. Auch sonst werden Themen angesprochen, die Leser interessieren dürften (z.B. der Umgang mit digitalen Büchern ab 1:37). 

Hier das vollständige Gespräch: 

VD: DV

Der Verwandlung des Mainstreams

Wie konnte sich das Konzept der „Identitätssynthese“ (unter dem Einfluss der Postmoderne, des Postkolonialismus und der Critical Race Theory), das zunächst nur von einer kleinen nordamerikanischen Elite geglaubt und vertreten wurde, gesellschaftlich so schnell internationalisieren und etablieren? Schon im Jahr 2020 beriefen sich die NEW YORK TIMES und die WASHINGTO POST regelmäßig auf Schlüsselkonzepte, die mit der Identitätssynthese in Zusammenhang standen, etwa „weißes Privileg“ oder „struktureller Rassismus“.

Yascha Mounk nimmt die Medienwelt und große Techkonzerne in die Verantwortung. Der Aufstieg der sozialen Medien modifizierte grundlegend die Rolle, die Gruppenidentität im Leben junger Menschen spielt. Er schreibt (Im Zeitalter der Identität, 2024, S. 117–118 u. 137): 

Innerhalb weniger Jahrzehnte bewirkte die Identitätssynthese eine Transformation der intellektuellen Landschaft an amerikanischen Universitäten. Doch nicht einmal ihre leidenschaftlichsten Verfechter hätten sich vorstellen können, dass diese Ideen bald auch große Teile der amerikanischen Gesellschaft verändern würden. Als Kimberlé Crenshaw in einem Artikel den zwanzigsten Geburtstag der Critical Race Theory würdigte, klang sie ziemlich pessimistisch, was ihren zukünftigen Einfluss außerhalb der Universität betraf. Sie erlaubte sich einen Moment der Freude über die vor Kurzem erfolgte Wahl Barack Obamas als erstem schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Anschließend warnte sie jedoch sogleich, dass sich die Öffentlichkeit aufgrund seines Aufstiegs wahrscheinlich weniger aufgeschlossen gegenüber den Kerngedanken der Critical Race Theory zeigen würde. „Breite Teile der Bevölkerung schienen zu glauben, dass nun, da Barack Obama im Weißen Haus war, das Kapitel ‚Rasse‘ endlich abgeschlossen war.“ Das lag Crenshaw zufolge auch daran, dass Obama selbst nahe daran war, die Rolle von „Rasse“ innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zu leugnen. So räumte er in einer berühmten Wahlkampfrede zwar „rassische Ungerechtigkeiten“ ein, plädierte aber letztlich dafür, „dass wir uns darüber erheben und ‚universelle‘ Probleme angehen“. Damit, behauptete Crenshaw, stehe Obama „im Widerspruch zu den Kernelementen der CRT“. Als Folge davon, klagte Crenshaw, „verliert die Kritik des Rassismus an Bedeutung“.

Wie sich zeigte, waren Crenshaws Sorgen unbegründet. Ab 2010 trat eine schwindelerregende Wende beim Thema Identität ein. Innerhalb eines Jahrzehnts mutierten Ideen, die viele zunächst für reine Orchideenwissenschaft gehalten hatten, zu einer populären Ideologie mit erheblichem Einfluss auf den Mainstream. Zu Beginn der 2010er Jahre waren Begriffe wie „weißes Privileg“ und „struktureller Rassismus“ außerhalb exklusiver intellektueller Zirkel nahezu unbekannt. NGOs wie etwa die American Civil Liberties Union (ACLU) verteidigten stolz universelle Prinzipien wie die Redefreiheit. Die Kandidaten der Demokratischen Partei mieden im Wahlkampf die Forderung nach neuen Fürsorgeprogrammen, die ausdrücklich bestimmten ethnischen oder sexuellen Communitys vorbehalten wären. Innerhalb des nächsten Jahrzehntes durchliefen die Vereinigten Staaten eine erstaunliche Wandlung. Im Jahr 2020 beriefen sich die New York Times und die Washington Post regelmäßig auf Schlüsselkonzepte, die mit der Identitätssynthese in Zusammenhang standen, darunter sowohl „weißes Privileg“ wie auch „struktureller Rassismus“. Die ACLU hatte Kernteile ihres historischen Auftrags aufgegeben und weigerte sich inzwischen, Angeklagte zu unterstützen, deren Meinungsäußerungen sie als anstößig befand. Personen, die der Identitätssynthese zu Popularität verholfen hatten, wie etwa Robin DiAngelo und Ibram X. Kendi, waren als Bestsellerautoren häufig zu den besten Sendezeiten im Fernsehen zu Gast. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 machten sich die Kandidaten der Demokratischen Partei die Sprache der Identitätssynthese zu eigen und versprachen eine ganze Reihe von Maßnahmen, die den Erhalt staatlicher Unterstützung von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe abhängig machten. Viele dieser Veränderungen haben ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten. Doch sie übten schon bald weitreichenden Einfluss auf andere Länder aus. So mögen Konzepte wie „Mikroaggressionen“, „kulturelle Aneignung“ und „weißes Privileg“ an amerikanischen Universitäten ausgebrütet worden sein. Doch gegen Ende der 2010er Jahre machte sich ihr Einfluss in aller Welt – und auch in Deutschland – bemerkbar.

Die sozialen Medien entwickelten sich sowohl für neue Medienangebote als auch für traditionelle Publikationen zu wichtigen Verbreitungskanälen; Inhalte, die bestimmte Identitätsgruppen ansprechen, gewannen damit an Bedeutung. Folglich verbreiteten sich die wesentlichen Themen und Konzepte der Identitätssynthese schnell auf renommierten Nachrichtenportalen wie Vox und der New York Times.

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Empörungskultur

Die Redakteurin Anno Dobler weiß, was es heißt, Ziel eines Shitstorms zu werden. Der Druck auf Redaktionen und Journalisten wächst, da Aktivisten, linke wie rechte, zur Treibjagd auf Autoren aufrufen. Mit einem gewissen Abstand zu den eigenen Erfahrungen hat sie über die Dynamiken eines Shitstorms reflektiert:

Sie bauen sich schnell auf und ergießen sich in einer Empörungslava mit gewaltiger Wucht. Fast kein Tag vergeht mehr, ohne dass in digitalen Plattformen, vorzugsweise auf Twitter, irgendwer Ziel eines Shitstorms wird. Oft verebben die Empörungsstürme nach kurzer Zeit ohne größeren Widerhall in der analogen Welt, weil das Ziel zu irrelevant, zu wenig greifbar oder generell zu unantastbar ist.

Komplexe Organisationen wie Fernsehsender oder Zeitungen sind in Summe schwerer zu treffen, weswegen sich die digitale Empörung vor allem gegen einzelne Mitarbeiter richtet, die als nicht sattelfest identifiziert worden sind: freie Mitarbeiter, Kolumnisten, externe Autoren etwa. Aber auch Vertreter politischer Parteien sind betroffen, wenn sie nicht an vorderster Front stehen.

Beispiele gibt es in jüngster Zeit ausreichend, so dass man längst nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann. Jeder erfolgreiche Schachzug motiviert freilich jene, die ihn initiiert haben, zu immer neuen, immer heftigeren Reaktionen. Die Dynamik darf nicht verlorengehen.

Aus demokratiepolitischer Sicht ist das eine hochproblematische Entwicklung. Denn es muss in jedem Fall klar unterschieden werden: Handelt es sich hier um eine berechtigte Empörung, weil nicht nur die guten Sitten, sondern vor allem die Grenzen der Meinungsfreiheit grob verletzt worden sind, oder geht es hier lediglich um subjektiv verletzte Gefühle?

Ein guter Gradmesser sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Denn die Justiz kann zweifellos anhand objektiver Kriterien feststellen, ob eine Aussage noch innerhalb der gesetzlichen Grenzen liegt.

Mehr: www.corrigenda.online.

Lara kann’s nicht lassen

VM Howard Lara Webseite Mockup01 1024x1024 2xFür viele Eltern ist es eine große Herausforderung, ihren Kindern beim Umgang mit digitalen Geräten und Medien gute „Erziehungsrichtlinien“ zu geben. Einerseits weiß man, dass diese Geräte ein enormes Suchtpotential haben, andererseits kommen die Kids spätestens dann, wenn sie zur Schule gehen, zwangsläufig mit diesen Spielzeugen in Berührung und sind oft kommunikativ abgeschnitten, wenn sie keinen Zugang haben.

Betsy Childs Howard, Redakteurin bei The Gospel Coalition, hat ein sehr hilfreiches Kinderbuch zu diesem Thema veröffentlicht, das nun auch in deutscher Sprache erschienen ist. Auf einfühlsame Weise zeigt sie, dass die digitalen Welten uns vom Leben im Hier und Jetzt entfremden können, auch wenn sie nicht verwerflich sind. Das Buch ermöglicht Eltern einen guten Einstieg ins Gespräch (ohne Moralkeulen).

Der Verlag schreibt:

Lara kann den Sommer kaum abwarten, denn dann darf sie wie jedes Jahr Oma und Opa auf dem Bauernhof besuchen. Sie freut sich auf ihre Großeltern, die Tiere, das Mitarbeiten in der Scheune und das Spielen mit Cousin Robin und Cousine Pia. Doch dann bekommt Lara ein neues Tablet geschenkt. Obwohl sie sich so lange auf die Zeit auf dem Bauernhof gefreut hat, verbringt sie plötzlich den größten Teil des Tages allein am Bildschirm. Vielen Kindern geht es beim Gebrauch digitaler Medien wie Lara. Diese Geschichte, in kindgerechter Sprache und mit liebevoll gezeichneten Bildern erzählt, erleichtert Eltern und Erziehungsberechtigten den Gesprächseinstieg ins Thema und bietet konkrete Tipps für den Alltag.

Mehr hier: verbum-medien.de.

Stimmungskiller „Social Media“

Gavin Ortlund erteilt Tipps zum Umgang mit den Sozialen Medien. Ein Auszug: 

Ein regelmäßiger Verzicht ist hilfreich für einen gesunden Umgang mit den sozialen Medien. Zusätzlich zu Pausen am Sonntag, in denen du dich ganz von den sozialen Medien fernhältst, könntest du auch über Folgendes nachdenken:

  • Lösche die App auf deinem Handy und nutze sie nur auf deinem Computer. Entweder immer oder nur für bestimmte Zeiten wie Wochenenden oder Familientage.
  • Lege bestimmte Orte in deiner Wohnung fest, an die du nie deine Geräte mitnimmst (z.B. dein Arbeitszimmer).
  • Verwende die Funktion „Do not disturb/Bitte nicht stören” als Standardeinstellung, damit du nicht ständig von den Geräten belästigt wirst – ständige Ablenkung ist nicht gesund für uns.

Eine weitere hilfreiche Maßnahme ist es, Menschen, die dich ständig runterziehen, stummzuschalten oder ihnen nicht zu folgen. Trau dich. Du bist nicht verpflichtet, jemandem zu folgen oder auf Kommentare einzugehen, wenn dies für deine Seele schädlich ist. Wenn ich beim Scrollen mit Neid oder Einsamkeit zu kämpfen habe, weiß ich, dass es wahrscheinlich an der Zeit ist, sich für eine Weile aus den sozialen Medien zurückzuziehen.

Wenn du dich außerdem mehr mit Menschen online auseinandersetzt als im echten Leben, dann ist es an der Zeit, die beiden auszubalancieren. Soziale Medien sollten die Interaktion von Angesicht zu Angesicht ergänzen, nicht kompensieren. Eine offensichtliche Herausforderung in einer globalen Pandemie!

Mehr: www.evangelium21.net.

Ratschläge zur Diskussionskultur in den Sozialen Medien

Auf Facebook, Twitter und in Foren werden auch christliche Kommentatoren oft ausfällig. Heiligt der Zweck die Mittel? Und was hilft uns, um hier integer zu bleiben? In diesem kurzen Video gebe ich sieben Ratschläge.

P.S. In dem Video spreche ich davon, dass die sogenannte „Goldene Regel“ in allen Evangelien vorkommt. Matthias G. hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, dass die Goldene Regel nur bei Matthäus und Lukas vorkommt (Lk 6,31 u Mt 7,12), was natürlich stimmt.

#NETZDG erweist sich als Desaster

Der 30. Juni 2017 war ein denkwürdiger Tag. Zuerst hat der Deutsche Bundestag mit 393 Ja-Stimmen geradezu berauscht die „Ehe für alle“ eingeführt. Und anschließend wurde in Gegenwart von nur 40 bis 60 Politikern das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NETZDG) bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Grüne und nur einer Gegenstimme aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion verabschiedet.

Maas sagte in der kurz geführten Debatte (alles nachzulesen im Protokoll der Sitzung):

Mit diesem Gesetz beenden wir das verbale Faustrecht im Netz und schützen die Meinungsfreiheit aller, die im Netz unterwegs sind und sich dort auch äußern wollen. Wir stellen sicher, dass jeder seine Meinung äußern kann, ohne deswegen beleidigt und bedroht zu werden. Das ist keine Einschränkung, sondern es ist eine Voraussetzung für die Ausübung der Meinungsfreiheit.

Das Gesetz gegen Hass im Netz erweist sich bereits nach wenigen Tagen als Desaster. Die sozialen Netzwerke werden nicht befriedet, sondern wirken zunehmend toxisch. DIE WELT hat eine kurze Zwischenbilanz veröffentlicht:

Und selten gab es wohl ein Gesetz, bei dem sich bereits nach einer knappen Woche konstatieren lässt, dass es nicht das tut, was es tun soll. Beziehungsweise: Es tut viel zu viel. Oder noch präziser: Es verleitet die Netzwerke dazu, viel zu viele Beiträge aus ihren Netzwerken zu löschen, die zwar möglicherweise schwer zu ertragen, aber vom Grundsatz der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Selbst in Fällen, die juristisch zweifelhaft sind, wird – wie im Vorfeld prognostiziert – lieber ein Kommentar gelöscht, um sich als profitorientiertes Unternehmen nicht angreifbar zu machen. Denn eine Geldstrafe für das Löschen von zu vielen Postings gibt es natürlich nicht. Zumal die Betreiber der Netzwerke auf ihren Plattformen im rechtlichen Rahmen letztlich schalten und walten können, wie sie wollen.

Hier: www.welt.de.

Prozess der Entwirklichung

Die FAZ hat einen guten Beitrag über den Einfluss des Smartphones publiziert. Das Smartphone bringt unser Leben zum Leuchten, jeder wird zum Regisseur und spinnt sich sein Netz der Anerkennung. Ein Artikel über die Psychologie einer großen Illusion.                                         

Die Bilder, die von ihren Freundinnen bei Whatsapp täglich auf sie einprasseln, seien eine „Beschränkung der Freiheit“, schrieb die Schweizer Autorin Claudia Mäder kürzlich in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Das klang nach einer großen These, war aber ganz einfach gemeint: Sie wolle sich lieber einen schönen Garten vorstellen, als Bilder von kümmerlichen Pflänzchen zu sehen, und auch auf die Impressionen von kaffeetrinkenden Freundinnen oder bergsteigenden Kollegen auf weißen Gipfeln könne sie verzichten. All diese Bilder empfindet sie als „Eindringlinge in die Sphäre der mentalen Imagination“.

Daniel Salber erkennt in dem Prozess der Entwirklichung, den die sozialen Netzwerke mit sich bringen, eine Strukturanalogie zur Spekulationsblase der Finanzkrise von 2008. Der Wunsch, ohne Aufwand reich und glücklich zu werden, werde durch die Struktur der sozialen Medien befördert: Keine Anstrengung, kein Scheitern, permanente Selbstmaximierung und Perfektion nach außen – erwünscht ist das makellose Dasein in einer glatten Welt, die nichts mehr dem Zufall überlässt.

Ich bin, was ich erlebe. Ich zeige, was ich erlebe. Ich erlebe, was ich kaufe.

Hier: www.faz.net.

„Facebook war Gift für mich“

Selbstmitleid, Neid, Gelähmtsein: Kati Krause erzählt wohltuend offen, wie ihr die Sozialen Netzwerke in einer Lebensphase, die von Depressionen geprägt war, überhaupt nicht gut getan haben.

Ein Symptom von Depression ist Energielosigkeit. Außerdem hat man eine sehr geringe Aufmerksamkeitsspanne. Ein Buch zu lesen, einen Film zu schauen, das ging alles nicht. Es gab nur den einen Gedanken: Ich brauche jetzt irgendwas. Und weil nichts anderes ging, war ich eben in sozialen Netzwerken unterwegs. Ich habe die App geöffnet und hatte die Hoffnung, im Netzwerk irgendetwas Positives zu erleben. Da kam dann aber nichts, sobald ich online war.

Facebook checken war für mich in der Depression ein Teufelskreis, aus dem ich nicht rauskam. Als gesunder Mensch sagt man sich irgendwann: Ich mache das jetzt zu. In der Depression ist das viel schwerer. Man kann keine Entscheidungen treffen, wie ein gesunder Mensch das tun würde. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf meine Nutzung sozialer Medien, sondern alle Lebensbereiche. Die Apps sind auch so gebaut, Nutzer immer wieder anzulocken: Blinkt eine neue Nachricht auf? Habe ich einen neuen Follower? Die Vorfreude, der Dopaminausstoß, währte aber immer nur kurz.

Hier mehr: www.spiegel.de.

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