Welche Richtung schlägt die christliche Apologetik ein?

Mit freundlilcher Genehmigung gebe ich hier einen kurzen Beitrag von Douglas Groothius zum Status der christlichen Apologetik wieder. Ich teile übrigens seine Einschätzung (auch wenn ich Psalm 119 nicht auswendig kann ;-).  

Also: 

Die explosionsartige Verbreitung von Apologetik auf YouTube und in Podcasts macht mir Sorgen. Früher gab es kaum Apologetik. Die Menschen lasen keine Bücher, hielten keine Seminare ab, besuchten keine Seminare, predigten keine apologetischen Predigten und setzten Apologetik gegenüber Ungläubigen so gut wie nicht ein! Das ist immer noch ein Problem. Doch jetzt, als alter, unverbesserlicher Philosoph und Apologet, der Bücher liest und schreibt, mache ich mir Sorgen wegen einer billigen Apologetik.

Ideen werden für erhöhte Aufmerksamkeit präsentiert (um Likes, Follower und Abonnenten zu bekommen), ohne dass sie in Studien, Fakten, Logik, Beweisen, Debatten und Dialogen verwurzelt sind – und ohne dass man sich im Gebet um verlorene Seelen und Nationen kümmert.

Jeder öffentliche Apologet sollte mindestens in den folgenden Bereichen kompetent sein:

  1. Haben Sie eine biblische Weltanschauung und können Sie das Evangelium gegenüber falschen Evangelien klar artikulieren? Siehe Galater 1,6–11; 1. Johannes 4,1–6.
  2. Kennen Sie Ihre Bibel? Können Sie wichtige Stellen in der Heiligen Schrift finden, um Argumente zu untermauern und Irrtümer zu widerlegen? Wie viel haben Sie auswendig gelernt? Siehe Psalm 119.
  3. Kennen Sie die Grundzüge der Geschichte der Philosophie?
  4. Kennst du die grundlegenden Lehren der Weltreligionen?
  5. Weißt du, welche Argumente du für bestimmte Themen verwenden kannst, sowohl für das Christentum als auch gegen nichtchristliche Ansichten?
  6. Kennst du die grundlegenden Formen der Argumentation, Induktion, Deduktion, Abduktion, Syllogismen?
  7. Kennst du die grundlegenden logischen Fehlschlüsse, wie man sie erkennt und wie man sie vermeidet?
  8. Können Sie die Grundprinzipien der Rhetorik in Ihrer Verteidigung des Christentums anwenden?
  9. Haben Sie sich mit apologetischen Methoden befasst, sodass Sie diese effektiv anwenden können? 1. Petrus 3,15; Judas 3; Apostelgeschichte 17,16–34.
  10. Kennen Sie die grundlegenden Irrtümer von Sekten und wissen Sie, wie man ihnen begegnet? Kolosser 2,8; 2. Korinther 11,13–15.

Sie müssen nicht all dies wissen, um eine Grundlage für Ihre Hoffnung zu haben, aber wenn Sie sich als öffentlicher Apologet präsentieren, werden Sie an höheren Maßstäben gemessen, nämlich denen eines Lehrers (vgl. Jakobus 3,1–3; Titus 2,7–8; Maleachi 2,7–8).

Solide und kluge apologetische Fähigkeiten erwirbt man nicht im Handumdrehen und ohne Aufwand. Man erlernt sie in der Akademie, in den Schützengräben der Beweisführungen und in langen Stunden des Lesens, Wiederlesens, Schreibens, Umschreibens, Betens, Scheiterns, Gelingens und ohne jemals alles zu wissen. Dann gibt man sein Bestes.

Man kann keine göttliche Apologetik betreiben mit einem Grinsen im Gesicht oder mit Exhibitionismus in der Seele. Vielmehr braucht man das Feuer des Heiligen Geistes in den Knochen (Jeremia 20,9; Apostelgeschichte 20,24), Liebe im Herzen (Matthäus 22,37-39; 1. Korinther 13), Wissen im Verstand (Römer 12,1–2; Kolosser 2,1–3) und ein starkes Rückgrat (1. Johannes 4,4).

Großbritannien: Abtreibung bis zur Geburt?

Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für den von der britischen Regierung vorgelegten „Crime and Policing Bill“ berät das Unterhaus am Dienstag und Mittwoch auch über zwei Änderungsanträge, die vorgeburtliche Kindstötungen bis zur Geburt legalisieren würden. Die Labour-Abgeordnete Tonia Antoniazzi möchte in einer Gesetzesvorlage Schwangerschaftsabbrüche legalisieren. Die Labour-Abgeordneten Stella Creasy möchte mit einem Änderungsantrag („New Clause 20“) Abtreibungen sogar bis zur Geburt legalisieren.

DIE TAGESPOST meldet: 

Laut Alithea Williams von der britischen „Society for the Protection of unborn children“ (SPUC) würde „die Abschaffung der Straftatbestände für Frauen jegliche rechtlichen Einschränkungen für Frauen in Bezug auf Abtreibung beseitigen. Eine Frau könnte aus jedem beliebigen Grund abtreiben, auch aufgrund des Geschlechts des Babys.“ „Selbst eine Frau, die ihr Baby während der Geburt tötet“, würde mittels dieser Änderung „keine Straftat begehen.“

Der andere Änderungsantrag, vor dem Bischöfe und Lebensrechtler warnen, geht auf das Konto der Labour-Abgeordneten Stella Creasy. Die 48-Jährige will mit einem ganze 13 Punkte umfassenden Änderungsantrag („New Clause 20“) Abtreibungen ebenfalls bis zur Geburt legalisieren. „New Clause 20 würde Abtreibungen bis zur Geburt und während der Geburt vollständig entkriminalisieren. Frauen wären kaum vor erzwungenen Abtreibungen durch Familien und Dritte geschützt. Abtreibungen wären auf Verlangen und bis zur Geburt möglich“, kritisieren die Bischöfe und halten dafür: „In der Bevölkerung findet dieses extreme Gesetz, das den bestehenden Rahmen völlig auf den Kopf stellt und die Menschlichkeit des ungeborenen Kindes völlig missachtet, wenig Unterstützung. Die Beibehaltung der Abtreibung im Strafrecht bietet Frauen und ungeborenen Kindern ein gewisses Maß an Schutz.“

Mehr: www.die-tagespost.de.

Wie lang darf eine Predigt sein?

Wenn sich Prediger an der Wirtschaft oder an Comedians orientieren, kommt heraus, was der Vertriebsprofi Steffen J. Ehl für IDEA erklärt hat:

Und zur Vortragsweise: Ich schätze es, wenn die Predigt kurz und interaktiv ist. Eine Maximaldauer von 10 bis 15 Minuten hat der verstorbene Papst Franziskus angeordnet. Auch als Freikirchler spricht er mir da aus der Seele. Kommunikation in nur eine Richtung stirbt aus – und das ist gut so.

Auch Jesus hat seine Zuhörer nicht einseitig beschallt, sondern mit Fragen geführt. Warum tun wir es ihm nicht nach und erlauben den Zuhörern eine Antwort? Die guten Predigten wiegen die qualvollen bei weitem auf. Daher werde ich weiter hoffnungsvoll den Gottesdienst besuchen – und nur bei Feuer den Notausgang verwenden.

Na dann! Die Bergpredigt umfasst in der deutschen Sprache 2.700–2.800 Wörter. Das ist unter einer halben Stunde nicht zu schaffen. Jetzt stellen wir uns mal vor, dass in einer Gemeinde der Alten Kirche der gesamte Römerbrief vorgelesen wurde (vgl. 1Thess 5,27; Kol 4,16; 1Tim 4,13). Bei rund 10.000 Wörtern braucht der Vorleser dafür schon mal siebzig Minuten. 

Nicht falsch verstehen: Gespräche und Diskussionen sind in einer Kirchengemeinde wichtig und willkommen! Aber wenn sie die Auslegungspredigt verdrängen oder ersetzen, fehlt der Glaube an die Kraft des Wortes Gottes. 

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.idea.de.

Der Monat der erzwungenen Zustimmung

Für den CATHOLIC HEROLD hat Ken Cracraft ein kurzes Essay über den „Pride Month“ geschrieben, in dem er auf ein viel zu wenig beachtetes Problem hinweist. Wenn sich Firmen und Behörden oder Sportvereine zum Regenbogen bekennen, dann haben fast in allen Fällen die einzelnen Mitarbeiter oder Spieler keine andere Wahl, als sich zu beteiligen, unabhängig von ihren persönlichen moralischen und politischen Überzeugungen:

Die kollektive, erzwungene Teilnahme am Pride Month wirft (mindestens) zwei wichtige Fragen auf, an deren Beantwortung niemand interessiert zu sein scheint.

Das erste Problem ist die Frage, ob es angemessen ist, jemanden zu zwingen, ein beliebiges Symbol zu zeigen, und ihn damit zu zwingen, eine Botschaft – egal welche – zu vermitteln. Die Erzwingung politischer oder moralischer Äußerungen als Bedingung für die Beschäftigung oder die Teilnahme am öffentlichen Leben oder sogar unter Androhung von Ächtung oder öffentlicher Demütigung steht im grundlegenden Widerspruch zu dem gepriesenen Bekenntnis liberaler Gesellschaften zu den Grundsätzen der Redefreiheit. Ist es vorstellbar, dass all die gleichen Programme, Feiern und Kampagnen ins Leben gerufen werden, um den „Pro-Life-Monat“ zu feiern? Wie wäre es mit dem „Monat der Hetero-Ehe“? Oder dem „Monat der Keuschheit“? Nein, natürlich nicht. Es sollte auch keine derartigen Kampagnen geben, da es sich um Themen handelt, die in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden und über die man in gutem Glauben unterschiedlicher Meinung ist. Erzwungene Meinungsäußerung (selbst wenn der Zwang in der Androhung öffentlicher Demütigung besteht) verstößt gegen die Grundsätze einer „freien Gesellschaft“, unabhängig von der Botschaft, die vermittelt wird.

Dies wirft jedoch das zweite Problem der besonderen Bilder des Pride Month auf. Es ist überhaupt nicht klar, welche Botschaft mit der Pride-Symbolik vermittelt werden soll. Ist die Botschaft lediglich ein Ausdruck des gleichen Wertes und der gleichen Würde aller Menschen? Wenn ja, dann wären die Symbole zwar unbedenklich, aber überflüssig. Gesetze, Richtlinien, Vorschriften und öffentliche Sitten vermitteln diese Botschaft in allen Bereichen unseres Lebens und setzen sie auch durch. Selbst wenn die Botschaft die engere ist, den inhärenten Wert und die Würde von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Anziehung zum Ausdruck zu bringen, ist das Symbol selbst nicht zu beanstanden (obwohl das Problem des Zwangs bestehen bleibt). Katholiken sind aufgerufen, sich die Mahnung des Katechismus zu eigen zu machen, dass Menschen, die sich zu Gleichgeschlechtlichen hingezogen fühlen, „mit Respekt, Mitgefühl und Sensibilität angenommen werden müssen. Jedes Anzeichen von ungerechter Diskriminierung“ muss vermieden werden. (Hervorhebung hinzugefügt). Katholiken sündigen, wenn sie diesen moralischen Auftrag nicht annehmen und praktizieren.

Aber niemand glaubt, dass „mit Respekt, Mitgefühl und Sensibilität“ zu akzeptieren die Botschaft ist, die durch die Symbolik des Pride Month vermittelt wird. Und das liegt daran, dass sie es nicht ist. Die Botschaft ist nicht die der Toleranz und des Respekts vor den Menschen, sondern die Unterstützung und Propagierung einer bestimmten und aggressiven moralischen und politischen Agenda. Der Zweck des Pride Month besteht nicht darin, Toleranz zu feiern, sondern vielmehr darin, die Zustimmung zu einem breiten, spezifischen Spektrum moralischer Schlussfolgerungen und politischer Positionen zu erzwingen. Es geht um die Umsetzung einer Agenda, nicht um eine Feier der Vielfalt. Und es ist eine Agenda, gegen die viele Menschen in gutem Glauben, mit guten Absichten und ohne Bigotterie Widerstand leisten. (In der Tat hat bis vor etwa 15 Minuten praktisch jeder diese Ablehnung geteilt). Beim Pride Month geht es darum, Definitionen von Sexualität, Ehe, Geschlecht und sogar der Natur der menschlichen Persönlichkeit durchzusetzen und diejenigen zu beschämen, die sich nicht an diese Definitionen halten.

Mehr: thecatholicherald.com.

Hurra, Monogamie!

Offene Beziehungen sind so gesellschaftsfähig wie nie zuvor. Wer sich auf einen einzigen Partner einlässt, gilt schnell als ewiggestrig. 

So scheint es.

Theresa Bäuerlein sah das auch mal so:

Ich dachte, Monogamie sei etwas, das man sich ständig erarbeitet, für das man seinen Drang nach der Magie des Verknalltseins und der Verlockung anderer Körper im Griff haben muss. Ich dachte, sie sei auf einer gewissen Ebene ein immerwährender Kampf gegen mächtige biologische Kräfte. Niemand hat mir gesagt, dass dieser Kampf ein Ende haben kann.

Wenn ich den letzten Absatz mit Anfang zwanzig gelesen hätte, wäre ich entsetzt gewesen. Ich hätte nicht an Frieden gedacht, sondern an Langeweile und Aufgeben, an den Tod der Neugier. Tja. Wenn ich mit meinem jüngeren Ich reden könnte, würde ich sagen: „Liebes, du hast noch eine Menge Stress mit Männern vor dir. Du wirst es ‚Spaß‘ nennen, und du wirst denken, das sei deine eigene Idee. In Wirklichkeit bist du ziemlich gehirngewaschen davon, was die Gesellschaft, in der du lebst, unter sexueller Freiheit versteht. Und du hast ganz schön Angst davor, jemandem wirklich nah zu sein.“

Damals hatte ich einen großen Plan: Man bräuchte, dachte ich, eine freie Liebe 2.0, also wie der Hippiekram aus den 60ern, nur weniger chaotisch und mit weniger Parolen: Einfach ein praktikables Beziehungsmodell für Menschen, die Liebe realistisch und jenseits von Traumhochzeitsversprechen sehen und das der Tatsache Rechnung tragen konnte, dass jeder zweite Partner sowieso fremdgeht.

In dem Artikel „Hurra, Monogamie!“ für KRAUTREPORTER, der ursprünglich schon 2019 erschienen ist, bekennt sich inzwischen zum „Beziehungsminimalismus“: 

Die berühmte israelische Soziologin Eva Illouz, die wie keine andere im letzten Jahrzehnt das Dilemma moderner Partnerschaften auseinandergepflückt hat, sagt: „Die moderne Beziehung ist überfrachtet mit Erwartungen, die kaum zu erfüllen sind. Gleichzeitig bildet das Paar, das auf Kontinuität angelegt ist, einen Gegenentwurf zum kapitalistischen Imperativ der Flexibilität. Ist es gerade deshalb wegweisend?“

Ich finde: Gute Frage. Hinter Aussagen wie „Liebe lässt frei“ steckt ja manchmal eine verkappte Konsumhaltung: Man hat einfach keinen Bock, auf irgendetwas zu verzichten, das Spaß macht und das zu haben ist. Und es ist eine Krankheit unserer Zeit, dass ungezügelter Genuss ein Ersatz für Lebenssinn sein soll.

Ich glaube, dass Monogamie ein totales Comeback erleben könnte, wenn sie einen neuen Namen bekäme, der weniger konservativ und unfroh klingt. Ich schlage „Beziehungsminimalismus“ vor. Ich gebe zu, es klingt nicht sexy, aber Minimalismus liegt total im Trend, und die Ansage, dass man sich in Sachen Beziehung einfach mal auf ein Qualitätsprodukt beschränken kann, ist zeitlos. Ich wette, ich könnte darüber einen Blog schreiben, minimalistlover.com oder so, der wäre sofort ein Hit.

VD: WH

Dürfen wir noch sagen, was wir wollen?

Professor Ferdinand Kirchhof, früher Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, erörtert in dem Artikel „Dürfen wir noch sagen, was wir wollen?“ (FAZ vom 12.06.2025, Nr. 134, S. 6). Grundsätzlich sieht er die Meinungsfreiheit als gesichert an. Allerdings entstünden aus der Gesellschaft heraus neue Risiken: „Der britische Liberale John Stuart Mill beklagte bereits im 19. Jahrhundert die ‚wachsende Neigung der Gesellschaft, in die Freiheit des Individuums einzudringen‘. Diese Gefahr ist in den letzten zwei Dekaden erheblich angewachsen.“ 

Sie komme heute aus drei Richtungen auf die deutsche Gesellschaft zu:

1. Private, jedermann zugängliche Internetforen bildeten „Meinungsblasen“, die als Echokammern nicht zur offenen Diskussion von Ansichten dienen, sondern nur Gleichgesinnte meinungsverstärkend um sich versammelten.

2. Private Firmen mit großer Informations- und Finanzmacht – vor allem die amerikanischen „Big Five“ des Internets – monopolisierten Meinungsangebote, sodass dem User im Internet nur noch ein Ausschnitt aus dem öffentlichen Diskurs zur Verfügung stünden.

3. Die größte Gefahr drohe aber der Meinungsfreiheit in Deutschland von einer Veränderung der zwischenmenschlichen Gesprächskultur: „Öffentliche Diskussionen beruhen auf der Selbstverständlichkeit, dass jeder Teilnehmer dem anderen respektvoll zuhört, dessen Argumente ernst nimmt, abwägt und auch bereit ist, sich vom besseren Argument des anderen überzeugen zu lassen. Am öffentlichen Diskurs beteiligt sich mittlerweile die Figur des ‚moralisierenden Missionars‘. Er will gar nicht sachliche Erwägungen austauschen und seinem Gegenüber zuhören. Er vertritt nur seine vorgefasste Meinung in der sicheren Überzeugung, dass sie die einzig richtige ist und gegensätzliche Auffassungen falsch sind.“ 

Kirchhof nennt dann Probleme, die sich durch durch den Aufruf zur „political Correctness“, das Verbot von „cultural occupation“ und die Kultur der „wokeness“ ergeben.

Fazit: „Demokratie, Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft brauchen die Offenheit aller Stimmen und Argumente. In Deutschland müssen nach den Vorgaben des Grundgesetzes alle Bürger gehört werden. Wir sollten moralisierenden Missionaren Einhalt gebieten.“

Kritik an Fußball mit Vision: Einseitig und verletzend

Christliche Fußballer werden immer wieder mal dafür kritisiert, dass sie ihren Glauben öffentlich bekennen. Auch jüngst hatte die ARD Profifußballern vorgeworfen, ihren Sport für missionarische Zwecke zu missbrauchen (vgl. Evangelisierung im Fußballstadion). Die FAZ berichtet nun darüber, dass der CDU-Politiker Johannes Volkmann Beschwerde eingereicht hat (FAZ vom 12.06.2025, Nr. 134, S. 13):

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann verweist in seiner Beschwerde auf den Medienstaatsvertrag, der festlegt, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten haben. Die „Tagesschau“, betont Volkmann, sei als „öffentlich-rechtliches Medienangebot“ zur weltanschaulichen und religiösen Neutralität verpflichtet.

„Wenn eine öffentlich-rechtliche Redaktion gezielt christliche Bekenntnisse mit einem negativen Werturteil versieht und dabei Grundsätze journalistischer Sachlichkeit oder Ausgewogenheit außen vorlässt, wird die Grenze zu einer einseitigen Weltanschauungskommunikation überschritten“, schreibt Volkmann. Deshalb fordert er den NDR-Rundfunkrat auf, eine Korrektur oder Rücknahme des Beitrags zu prüfen.

Dies stehe, so Volkmann weiter, in einem „umso bemerkenswerteren Kontrast“ zu Einordnungen, die durch die „Tagesschau“-Redaktion bei anderen Religionen vorgenommen würden. Dabei bezieht er sich auf die Berichterstattung über Islamismus-Vorwürfe gegen den Nationalspieler Antonio Rüdiger. Zu Beginn des Fastenmonats Ramadan hatte Rüdiger ein Bild auf Instagram gepostet, das ihn auf einem Gebetsteppich kniend zeigt, während er den Zeigefinger der rechten Hand nach oben ausgestreckt hält. Dieser sogenannte „Tauhid“-Finger ist Teil des Gebets im Islam. Laut Bundesinnenministerium sei dieser als Glaubensbekenntnis zu verstehen. Allerdings werde die Geste auch von „salafistisch-dschihadistischen Kreisen“ häufig zur Abgrenzung gegenüber anderen „islamischen Gruppierungen“ benutzt. Volkmann meint: Die Geste sei von einem Wissenschaftler bei der „Tagesschau“ seinerzeit „relativierend eingeordnet“ worden.

Anleitung zur Feindseligkeit

Die Kritik an Diversitätsprogrammen ist kein Privileg der amerikanischen Regierung mehr. Auch Wissenschaftler zweifeln an der Effizienz dieser Programme oder halten sie sogar für schädlich. Thomas Thiel schreibt (FAZ vom 11.06.2025, Nr. 133, S. N4):

Obwohl aus diesen Schilderungen keinerlei Anhaltspunkte für Rassismus hervorgingen, zeigte sich, dass diejenigen Studenten, die den vorgeblich antirassistischen Aufsatz gelesen hatten, den Zulassungsbeamten als deutlich vorurteilsbeladener wahrnahmen als diejenigen aus der Gruppe mit dem neutralen Aufsatz. Dafür nahmen sie mehr Diskriminierung durch den Zulassungsbeamten wahr und hielten das Verhalten des Zulassungsbeamten für weniger fair. Trotz des neutralen Szenarios waren sie verstärkt der Ansicht, dem Bewerber sei illegitimer Schaden zugefügt worden und er sei „Mikroaggressionen“ ausgesetzt gewesen. Studenten aus dieser Gruppe waren zudem viel eher dafür, den Zulassungsbeamten zu bestrafen, indem er für ein Semester suspendiert werden, eine öffentliche Entschuldigung gegenüber dem Bewerber aussprechen und eine zusätzliche Schulung zur Antidiskriminierung belegen solle. Überrascht von der Deutlichkeit der Effekte, überprüften die Autoren die Studie an einer breiteren Stichprobe von 1086 Studenten aus ganz Amerika – und fanden die gleichen Ergebnisse.

Die antirassistischen Texte führten also keineswegs zu weniger voreingenommenen Haltungen, sondern zu systematischer Feindseligkeit. Die Autoren sprechen von einem „hostile attribution bias“, der das Verhalten anderer auch dann als rassistisch brandmarkt, wenn es dafür keinerlei objektive Hinweise gibt.

Ähnliche Ergebnisse erbrachten analog aufgebaute Experimente mit der Präsentation von Inhalten, die auf den gängigen Konzepten der „Antidiskriminierung“ gegen „antiislamischen Rassismus“ oder der Diskriminierung nach Zugehörigkeit zu Kasten beruhten. Im ersten Fall zeigte sich, dass Probanden, die zuvor mit einschlägigen Antidiskriminierungstexten mit Bezug auf „Islamfeindlichkeit“ konfrontiert wurden, im Anschluss Personen, die sie dem Islam zurechneten, in ungerechtfertigter Weise bevorzugten und diesen gegenüber in fiktiven Szenarien ebenfalls Diskriminierungen unterstellten, wo es keinerlei Hinweise dafür gab. Im zweiten Fall, der Untersuchung von Diskriminierung nach Zugehörigkeit zu Kasten, zeigte sich gar ein signifikanter Anstieg in der Zustimmung zu dämonisierenden Aussagen, die an Zitate von Adolf Hitler angelehnt waren. Dabei wurde in den Antwortformaten der Begriff „Jude“ aus der Hitler-Referenz durch „Brahmane“ ersetzt – durch die Bezeichnung einer Gruppe also, die oft als Unterdrücker dargestellt wird. Teilnehmer, die sich zuvor mit den Materialien zur Antidiskriminierung beschäftigt hatten, identifizierten deutlich häufiger als die Leser eines Artikels zum Kornanbau Brahmanen als „Parasiten“, „Viren“ und sogar als „den personifizierten Teufel“.

Will Jesus Frauen in der Küche sehen?

Die Plattform evanglisch.de zieht mal wieder über evangelikale Christen her, die der Meinung sind, dass Gott für Männer ein anderes Design geschaffen hat als für Frauen. Eine Mutter, die sich dafür entscheidet, ihre Kinder selbst zu erziehen, wird schon fast in eine Extremistenecke geschoben. Mindestens soll sie sich schlecht fühlen. 

Noch schlimmer aber ist, dass eine feministische Pastorin zitiert wird, die der Meinung ist: „Die Bibel enthält über 3.000 Stellen zum Thema soziale Gerechtigkeit: Das würde ich als Fingerzeig sehen, der auf Geschlechtergerechtigkeit hinweist.“ 

Ich vermute mal, die Zahl 3000 wurde aus der sogenannten Gerechtigkeitsbibel übernommen, die seinerzeit von der Micha Initiative herausgegeben worden ist. Da ist der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ aus dem 19. u. 20. Jahrhundert mal eben zurück in die Bibel projiziert worden. Hat das Konzept eigentlich schon mal jemand exegetisch untersucht? Fände das sehr interessant. 

Hier aber nun ein Absatz auf dem grandiosen (ironisch gemeint) Artikel: „Will Jesus Frauen in der Küche sehen?“:

Die Theologin Mira Ungewitter ist Pastorin einer freien baptistischen Gemeinde. Sie predigt und vertritt feministische Positionen. In ihrem Buch „Gott ist Feministin“ befasst sie sich vor allem mit Frauenfiguren und weiblichen Gottesbildern in der Bibel. „Die ersten Zeuginnen der Auferstehung waren Frauen, Frauen hatten führende Rollen in den ersten Gemeinden und sie waren Apostelinnen“, sagt Ungewitter. Für sie gehören Christentum und Feminismus untrennbar zusammen. „Die Bibel enthält über 3.000 Stellen zum Thema soziale Gerechtigkeit: Das würde ich als Fingerzeig sehen, der auf Geschlechtergerechtigkeit hinweist.“ 

Fritz [von der EZW in Berlin] betont, dass jeder Mensch die Bibel selektiv auslege. „Die Bibel ist ein großes Buch, ihre unterschiedlichen Aussagen sind in der Auslegung ideologisch dehnbar. Man hat mit der Bibel auch schon Polygamie und Sklaverei gerechtfertigt.“ Im Grunde sei die Rolle der Frau kein genuines Thema der Bibel, es würden einfach verschiedene Rollenvorstellungen vorausgesetzt. Die moderne Kleinfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, die in konservativ-christlichen Kreisen häufig als Ideal hochgehalten werde, finde sich nicht in der Bibel.

Der Glaube der unitarischen Universalisten

Deutschland feiert den 150. Geburtstag von Thomas Mann. Sogar der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat anlässlich dieses Jubiläums in Lübeck eine Rede gehalten. Steinmeier sagte über Manns Einsatz für den Demokratie in den USA: „Unermüdlich reist der nun bald Siebzigjährige in große und kleine Städte der Vereinigten Staaten, er wirbt für den Kampf gegen den Faschismus, für die Demokratie. Getragen von der Überzeugung, dass nur in der Demokratie die Individualität eines jeden Menschen, seine Würde und die Entfaltung wahrer Humanität, von der seine eigene Literatur zeugt, gesichert sein können.“

Anschließend erklärte Steinmeier (FAZ vom 07.06.2025, Nr. 131, S. 18): 

Das praktische Christentum spielt dabei für Thomas Mann eine immer größere Rolle. Dazu trug Präsident Roosevelt bei, der, wie Mann sagt, „Religion als sozialen Fortschritt im Zeichen der Gottesfurcht“ verstand, als „Achtung vor dem Individuum und was man hier ‚mercy‘ nennt, Erbarmen, Güte“. Auch Manns Engagement in der First Unitarian Church of Los Angeles gehört dazu, in der er seine Enkel taufen lässt und gelegentlich predigt. Christentum, schreibt Thomas Mann 1949, ist „die Demokratie als Religion – wie man sagen kann, dass die Demokratie der politische Ausdruck des Christentums ist“. Das vielleicht auch – beiseite gesprochen – gegen alle, die, zu allen Zeiten und allerorten, Religion für autoritäre Ziele in Anspruch nehmen. Das bedeutendste Engagement gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft sind die Radioansprachen, die Thomas Mann im Krieg über den deutschsprachigen Dienst der BBC an seine „Deutschen Hörer“ richtet. Mit allen Mitteln wirkungsvoller Rhetorik, ohne Schnörkel, wie es sonst kaum seine Art war, ohne Angst vor plakativen Formulierungen, vielmehr mit Sarkasmus, mit Polemik, mit unverhohlener Verachtung für Diktatur und ihre willigen Vollstrecker. Ein ums andere Mal auch mit grimmigen Voraussagen des gerechten Schicksals, das den deutschen Verbrechern und allen, die ihnen willig folgen, blühen werde.

Aber ist das Christentum der First Unitarian Church of Los Angeles wirklich christlich? Ich will die Gelegenheit nutzen und mal erläutern, was in dieser Kirche geglaubt wird. Die Kirchengemeinde ist war und ist – wie der Name schon verrät – unitarisch. Der Name „Unitarian” leitet sich vom lateinischen Wort „unitas” für „Einheit” ab und wendet sich gegen die christlich-trinitarische Vorstellung der Dreieinigkeit Gottes und betont stattdessen die unteilbare Einheit Gottes. Und dann ist die First Unitarian Church auch noch universalistisch, also davon überzeugt, dass alle Menschen letztlich durch die Allmacht Gottes gerettet werden.

Die Gemeinde gibt es übrigens immer noch. Und wer sich mal die Mühe macht, dass aktuelle Glaubensbekenntnis zu lesen, wird schnell erkennen, dass es sich um eine humanistische Glaubensgemeinschaft in einem vermeintlich christlichen Gewand handelt. Ich zitiere

Als Gemeinde der Unitarischen Universalisten bekräftigen und fördern wir sieben UU-Prinzipien, die wir als starke Werte und moralische Leitlinien betrachten. Wir leben diese Grundsätze im Rahmen einer „lebendigen Tradition“ von Weisheit und Spiritualität, die aus so unterschiedlichen Quellen wie Wissenschaft, Poesie, Schrift und persönlicher Erfahrung schöpfen. Wie Pfarrerin Barbara Wells ten Hove erklärt: „Die Prinzipien sind kein Dogma oder eine Doktrin, sondern vielmehr ein Leitfaden für diejenigen von uns, die sich dafür entscheiden, einer unitarischen Universalisten-Religionsgemeinschaft beizutreten und an ihr teilzunehmen.“

1. Grundsatz: Der jedem Menschen innewohnende Wert und seine Würde;

2. Grundsatz: Gerechtigkeit, Gleichheit und Barmherzigkeit in menschlichen Beziehungen;

3. Grundsatz: Gegenseitige Akzeptanz und Ermutigung zum geistigen Wachstum in unseren Kirchengemeinden;

4. Grundsatz: Eine freie und verantwortungsvolle Suche nach Wahrheit und Sinn;

5. Grundsatz: Das Recht auf Gewissensfreiheit und die Nutzung des demokratischen Prozesses in unseren Gemeinden und in der Gesellschaft insgesamt;

6. Grundsatz: Das Ziel einer Weltgemeinschaft mit Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit für alle;

7. Grundsatz: Respekt vor dem interdependenten Netz der gesamten Existenz, von dem wir ein Teil sind.

Die sieben Prinzipien und sechs Quellen der Unitarian Universalist Association sind an der Basis unserer Gemeinschaften entstanden, wurden demokratisch bestätigt und sind Teil dessen, was wir sind.

Obwohl der Unitarismus und der Universalismus beide liberale christliche Traditionen waren, hat uns diese verantwortungsvolle Suche dazu gebracht, verschiedene Lehren aus östlichen und westlichen Religionen und Philosophien zu übernehmen. Einige unserer Mitglieder bezeichnen sich als Christen, andere als Atheisten, Agnostiker, Humanisten, Juden, Muslime und Heiden. Wir heißen Menschen aller Glaubensrichtungen willkommen.

Wir leben unsere Grundsätze innerhalb einer „lebendigen Tradition“ von Weisheit und Spiritualität, die aus so unterschiedlichen Quellen wie Wissenschaft, Poesie, Schrift und persönlicher Erfahrung schöpfen. Dies sind die sechs Quellen, die unsere Kongregationen bestätigen und fördern:

  • Unmittelbare Erfahrung jenes transzendenten Geheimnisses und Wunders, das in allen Kulturen bezeugt ist und uns zu einer Erneuerung des Geistes und einer Offenheit für die Kräfte bewegt, die das Leben schaffen und erhalten;
  • Worte und Taten prophetischer Menschen, die uns herausfordern, den Mächten und Strukturen des Bösen mit Gerechtigkeit, Mitgefühl und der verwandelnden Kraft der Liebe zu begegnen;
  • Weisheiten aus den Weltreligionen, die uns in unserem ethischen und spirituellen Leben inspirieren;
  • jüdische und christliche Lehren, die uns auffordern, auf Gottes Liebe zu antworten, indem wir unsere Nächsten lieben wie uns selbst;
  • Humanistische Lehren, die uns raten, die Führung der Vernunft und die Ergebnisse der Wissenschaft zu beherzigen, und uns vor Götzendiensten des Verstandes und des Geistes warnen;
  • spirituelle Lehren erdzentrierter Traditionen, die den heiligen Kreislauf des Lebens feiern und uns anleiten, in Harmonie mit den Rhythmen der Natur zu leben.
  • Rev. Kathleen Rolenz sagte: „Im Laufe der Geschichte haben wir uns im Rhythmus von Mysterien und Wundern, Prophezeiungen, Weisheit, Lehren aus alten und modernen Quellen und der Natur selbst bewegt.“

Die scheinbare Überlegenheit des modernen Menschen

Die Physikerin und Philosophin Sibylle Anderl nimmt die Leser der ZEIT mit hinein in ihre Suche nach dem richtigen Glauben. Ihre Fragen sind klug und hilfreich. Leider setzt sie aber wie Rudolf Bultmann selbstverständlich voraus, dass wir heute klüger sind als die Menschen in der Antike und unser Wissensstand und „Weltbild“ darüber entscheidet, was wir uns aus der Bibel herauspicken. Ich wäre ja zurückhaltender: In mancherlei Hinsicht sind wir heute reicher und klüger, und in mancherlei Hinsicht ärmer und dümmer. Vielleicht ist ja das Weltbild, das Wunder oder ein Letztes Gericht kategorisch ausschließt, das eigentlich mythologische. Spätestens am Tag des Herrn wird das offenbar werden: „Vor Jesus müssen einmal alle auf die Knie fallen: alle im Himmel, auf der Erde und im Totenreich“ (Phil 2,10).

Hier das Zitat (DIE ZEIT, 05.06.2025, Nr. 24, S. 30):

Unser menschliches Wissen verändert sich mit der Zeit. Einst Rätselhaftes wird verstanden. Manches Verstandene wird wieder vergessen. Fest steht, dass sich unser heutiges Wissen grundlegend von dem der Menschen unterscheidet, die zur Entstehungszeit der Bibel lebten.

Der evangelische Theologe Rudolf Bultmann sah darin vor achtzig Jahren den Grund, warum sogar viele Christen sich damit schwertun, das Neue Testament wörtlich zu nehmen: Die objektive Welt, wie wir sie erleben, existierte für die Menschen damals nicht. Sie besaßen keinen wissenschaftlichen Zugang zur Realität, es gab für sie keine Atome, keine chemischen Reaktionen und keine fernen Galaxien. Sie lebten in einer mythischen Wirklichkeit, in der ganz selbstverständlich übernatürliche Mächte wirkten, Gott, die Engel, Satan und dessen Dämonen. Tote konnten auferstehen, und das Jüngste Gericht wurde jederzeit erwartet. Dieses Weltbild sei das einer vergangenen Zeit, schreibt Bultmann, zu unserem wissenschaftlichen Denken passe es nicht mehr.

Laut Bultmann ist es eine Zumutung, als Christ das vergangene mythische Weltbild als wahr anerkennen zu müssen, obwohl es im krassen Widerspruch zu unserem modernen Wissen steht.

Ich stimme Bultmann zu: Es ist eine Zumutung. Und ich finde die Lösung sinnvoll, die er vorschlägt. Die biblischen Texte so zu interpretieren, dass sie auch in unserer Zeit funktionieren. Sich zu fragen, welche Inhalte wir wörtlich nehmen müssen und was auf die mythische Denkweise von damals zurückzuführen sein mag. Wahrscheinlich bin ich dabei teils sogar toleranter als Bultmann, weil ich weiß, dass die Grenzen unseres naturwissenschaftlichen Wissens weniger starr sind, als wir gemeinhin glauben.

Bethel McGrew: Die Hybris der protestantischen Eliten

Die Mathematikerin Bethel McGrew hat in dem Beitrag „N.T. Wright and The Inner Ring“ das Interview mit Wright zur Abtreibungsfrage kommentiert (vgl. hier). Dabei hat sie darauf hingewiesen, dass die dort prästenierte Position eigentlich nicht überraschen sollte: 

Diese Äußerungen haben unter den ernsthaften jüngeren Protestanten, die akademisch und spirituell zu Wright aufgeschaut haben, Wellen des Schocks und tiefer Desillusionierung ausgelöst. Ich kann keine älteren Kommentare von ihm finden, die explizit so schrecklich sind. Allerdings gab es schon Anzeichen dafür.

Eine besonders große rote Flagge wurde im letzten Herbst in einem Wahlkampf-Interview über Politik und das Evangelium gehisst. Wrights Interviewer bat ihn, die Zuhörer darüber aufzuklären, warum bestimmte Christen so sehr in „kulturelle Kriege“ verwickelt seien. Ernsthaft, warum sind sie das? Nun, Wright erklärte, das sei ein riesiges Thema, eigentlich „ein ganzes Seminar für sich“, aber kurz gesagt liege es daran, dass ihnen niemand beigebracht habe, wie man politische Theologie betreibt, so Wright. Diese armen, stümperhaften evangelikalen Seelen vermischten auf plumpe Weise eine verworrene politische Theologie mit einer verworrenen Theologie des Eschatons. Sie seien so himmlisch gesinnt, dächten ständig an die Entrückung und so weiter, dass sie nicht wüssten, wie sie auf der Erde etwas bewirken können, es sei denn, etwas löse eine ihrer reflexartigen Unsicherheiten aus – zum Beispiel in Bezug auf Sex. So sei übrigens auch die Pro-Life-Bewegung entstanden. In Wirklichkeit sei es ein „Machtspiel“ von Männern gewesen, die sich darüber aufregten, dass Frauen viel Sex haben, aber sie versuchten abzulenken, indem sie behaupteten, es ginge darum, dass sie nicht wollten, dass Babys getötet werden. So seien sie zu „glühenden“ Abtreibungsgegnern geworden, was heuchlerisch sei, weil sie auch „glühende“ Waffenbefürworter waren. Und so sei jetzt alles schrecklich „vereinfacht“ und „polarisiert“, und niemand verstehe, wie man „vernünftig darüber reden kann“.

Wenn sie doch nur Wrights neuestes Buch kaufen würden.

Tatsächlich hat ein Online-Freund von mir dieses Buch gekauft, das er zusammen mit dem bereits erwähnten Michael Bird geschrieben hat, der sich ebenfalls regelmäßig über die rechten amerikanischen Christen lustig macht. Als dieser neue virale Clip von Wright die Runde machte, schickte mir mein Freund eine Leseprobe und dachte darüber nach, wie inhaltsleer das Buch eigentlich war – alles nur Floskeln und vages Geschwafel über „Nuancen“, keine wirkliche Anleitung zu echten Fragen.

Wenn Wright jedoch seine donnernde politische Stimme doch mal gefunden hat, hat er sich zuverlässig nicht für die Themen eingesetzt, bei denen die christliche Position am offensichtlichsten ist. Gehen Sie weiter zurück zu diesem Interview mit einer katholischen Zeitung aus dem Jahr 2004, und Sie werden feststellen, dass er tatsächlich wütend wird, als der Reporter vorschlägt, dass Abtreibung die entscheidende moralische Frage unserer Zeit ist. Wright lehnt diesen Vorschlag ab und behauptet, dass unser wichtigstes moralisches Problem die globale Verschuldung sei, die wir mit ein paar geschickten Tricks lösen könnten, wenn nur alle gierigen Reichen mitmachen würden. Warum diskutieren wir überhaupt über Abtreibung, fragt er, wenn es Kinder gibt, „deren wirtschaftliche Umstände so sind, dass es fast besser wäre, wenn sie nicht geboren worden wären“?

Mehr: www.furtherup.net.

Wie die Generation Z Gottesdienste feiert

Luke Simon ist der Meinung, dass innerhalb der Gen Z (Leute, die ungefähr 1997 und 2012 geboren wurden) Männer und Frauen mit unterschiedlichen Erwartungen Gottedienste feiern. Während Männern traditionelle Elemente wie Predigten nach wie vor sehr wichtig seien und Elemente aus der östlichen Orthodoxie anziehend fänden, legten junge Frauen viel Wert auf persönliche Authentizität und Intimität mit Gott. Viele unterschiedlichen Online-Plattformen förderten diesen Trend in Richtung Fragmentarisierung. 

Was Luke Simon dann über mögliche Lösungen schreibt, geht meines Erachtens teilweise in die richtige Richtung. Im Grunde fordert er, Gottesdienste wieder stärker liturgisch auszurichten:

Für viele evangelikale Kirchengemeinden könnte eine neue Betonung des Abendmahls der erste Schritt sein. Wöchentliche Abendmahlsfeiern vielleicht, statt monatlicher, vierteljährlicher oder jährlicher. Dies ist ein Akt des Handelns und der Gemeinschaft. Es fordert die Gläubigen auf, sich selbst zu prüfen, gemeinsam daran teilzunehmen und der Gegenwart Christi auf persönliche Weise zu begegnen.

Wir könnten auch andere historische Praktiken wiederbeleben – wie Antwortgebete oder das Rezitieren des Glaubensbekenntnisses –, die den christlichen Gottesdienst jahrhundertelang geprägt haben, aber in vielen modernen evangelikalen Einrichtungen in Vergessenheit geraten sind. Diese gottesdienstlichen Elemente können die Strenge vermitteln, die junge Männer suchen, ohne Frauen zu entfremden. Sie sind traditionell und gemeinschaftlich zugleich. Ein schriftliches Gebet kann ebenso wie ein zeitgemäßes christliches Anbetungslied ein Mittel für persönliche Betroffenheit (engl. vulnerability) und die Beziehung zu Gott sein.

Pastoren können auch auf die Notwendigkeit eines Gleichgewichts zwischen Tätigwerden und Gemeinschaft achten. Es gibt „eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit zum Trauern und eine Zeit zum Tanzen“ (Prediger 3,4) – eine Zeit für tröstliche Predigten der Gnade und des Trostes und eine Zeit für harte Wahrheiten und klare Anweisungen von der Kanzel. In der Tat ist es nicht die Liturgie allein, die junge Männer zur östlichen Orthodoxie zieht; es ist der Aufruf zu einem Leben mit Selbstdisziplin und Zielstrebigkeit. Evangelikale Kirchen, die einen ähnlichen Aufruf ergehen lassen, werden etwas anders klingen, aber wir können zeitgemäße Gottesdienste mit der Ermahnung zu Gebet, Fasten und Beichte verbinden.

Mehr: www.christianitytoday.com.

Anstieg antisemitischer Taten um 77 Prozent

Im vergangenen Jahr ist es in Deutschland zu mehr als 8600 antisemitischen Vorfällen gekommen. Dies entspricht einem Anstieg um 77 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023. Theresa Weiß kommentiert diese Entwicklung für die FAZ (05.06.2025, Nr. 129, S. 2):

Eine Frau liest an einem Bahnhof in Sachsen etwas in hebräischen Schriftzeichen auf ihrem Handy und bekommt von einer Gruppe, die das im Vorbeigehen erkennt, zu hören: „Ich dachte, wir hätten die alle vergast!“ Ein Paar wird auf einer Kundgebung gegen eine antisemitische Demonstration in Hessen bespuckt und als „Scheißjudenpack“ beschimpft. Der jüdische Student Lahav Shapira wird in Berlin von einem Kommilitonen brutal zusammengeschlagen und noch getreten, als er am Boden liegt. All diese Fälle hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) in ihrem Jahresbericht zusammengetragen. Sie bilden ab, wie sich Antisemitismus in Deutschland 2024 geäußert hat. Und sind doch nur einige wenige von Tausenden Beispielen.

Die Zahl der antisemitischen Vorfälle ist RIAS zufolge von 2023 auf 2024 um 77 Prozent gestiegen. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht hervor, den Vertreter der Organisation gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, in Berlin vorstellten. Klein nannte die Zahlen aus dem Bericht „schockierend“. Benjamin Steinitz, Geschäftsführer von RIAS, sagte: „Nie zuvor wurden uns in einem Kalenderjahr mehr gegen Jüdinnen und Juden gerichtete Angriffe bekannt als im vergangenen Jahr.“ Mit dem „anhaltenden Krieg in Gaza und dem unerträglichen Leid der Zivilbevölkerung“ sei die Unterstützung für Israel erodiert, auch deutsche Juden würden „in Haftung genommen“.

Begründung des Glaubens

Ben Graber hat eine feine Rezension zum Buch:

  • Herman Ridderbos, Begründung des Glaubens: Heilsgeschichte und Heilige Schrift, Verbum Medien, 2025

verfasst. Darin schreibt er:

Mitten in meiner Uni-Zeit erschien Dan Browns Thriller The Da Vinci Code (2004 in deutscher Übersetzung als Sakrileg herausgebracht) und wurde gleich ein Bestseller. Sein Erfolg löste in den Medien eine Welle von Begeisterung für kirchengeschichtliche Verschwörungstheorien aus. Nach diesen Thesen sei die frühe Kirche theologisch sehr vielfältig und inklusiv verschiedenster Glaubensrichtungen gewesen. Leider habe Kaiser Konstantin eigenmächtig durch die Einberufung des Konzils zu Nicäa im 4. Jahrhundert die Theologie und den Kanon der Kirche standardisiert und alternative Formen des Christentums unterdrückt.

Historisch gesehen sind solche Thesen reinster Quatsch, aber die Fragen, die sie aufwerfen, sind für moderne Menschen nachvollziehbar. Wie, durch wen und in wessen Interesse hat sich die Kirche eigentlich auf diese statt auf jene Bibelbücher geeinigt?

Die Verschwörungstheorien damals zielten in der Regel besonders auf die römisch-katholische Kirche, die als Institution tatsächlich die Autorität beansprucht, zu bestimmen, was als echte christliche Lehre gilt und welche Schriften in die Bibel gehören. Für Katholiken ist das Vertrauen in die Kirche die logische Voraussetzung für das Vertrauen in die Bibel.

Bei Protestanten verhält es sich anders: Es ist die Bibel, die den Maßstab bietet, nach dem die Lehre der Kirche zu bewerten ist, keinesfalls andersherum. Das bringt jedoch andere Schwierigkeiten mit sich. Man kann die Glaubwürdigkeit und Motivation des römischen Lehramts zwar hinterfragen, doch wenigstens ist die Fragestellung klar, ob die Kirche recht hatte, als sie alternative Lehren und deren Schriften in vergangenen Jahrhunderten verwarf. Aber auf welcher Basis können sich Protestanten überhaupt zu einem festen biblischen Kanon bekennen?

Diese Problemstellung ist nicht neu. Als der niederländische Theologe Herman Ridderbos sein Buch Begründung des Glaubens: Heilsgeschichte und Heilige Schrift 1955 veröffentlichte, sprach man schon seit Jahren von einer „Krise des Kanons der Kirche“ (S. 29–30). Die historische Bibelkritik hatte damals bereits seit fast 200 Jahren den normativen Charakter des Kanons bestritten und seine Anerkennung als das Ergebnis von „Kampf … menschliche[r] Strategie und … kirchliche[r] Politik“ abgeschrieben (S. 30). Sollte man die Autorität der Bibel in der Moderne dann einfach verwerfen? Oder sollte die Kirche besser versuchen, eine Botschaft zu verkündigen, die durch die Komplexität von historischer und wissenschaftlicher Forschung unantastbar bleibt?

Mehr: www.evangelium21.net.

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