Calvin als Bibelausleger

Bei Johannes Calvin bestimmte die Auslegung der Heiligen Schrift die Dogmatik, nicht umgekehrt die Dogmatik die Exegese, wie Peter Opitz in seiner Untersuchung über Calvins theologische Hermeneutik zeigt. Opitz hebt schon in seiner Einführung Calvins fundierten Umgang mit den biblischen Texten hervor (Neukirchener Verlag, 1994, S. 1):

Calvin hat während der ganzen Zeit seiner kirchlichen Tätigkeit, in Predigten und Vorlesungen, in der Congregation und in Form von schriftlichen Kommentaren, die Schrift ausgelegt. Sein exegetisches Werk nimmt, verglichen mit seinen dogmatischen und polemischen Schriften, den weitaus größten Raum ein. Dabei ist er bestrebt, die Aussagen der Texte mit Hilfe des besten verfügbaren Instrumentariums seiner Zeit zur Geltung zu bringen. Gerade im Dienst dieser Konzentration auf den Schrifttext steht Calvins äußere Trennung von Dogmatik und Exegese, von Institutio und Kommentaren. Immer geht es Calvin aber in der Schriftauslegung darum, in den biblischen Schriften Gottes gegenwärtiges Wort zu vernehmen.

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10 Kommentare
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markus
15 Jahre zuvor

anders sieht das r. ward holder in bezug auf calvins römerbriefexegese des 7. kapitels (besonders v. 14-24), in der calvin, als einzige ausnahme betreffs seiner kommentare, nicht seinem lieblingsexeget chrysostomos folgt, sondern der dogmatik von augustin (also dessen schon revidierte meinung zu kap. 7). die aussage seiner studie in einem satz: „In this study, I will demonstrate that this is a particular case of Calvins hermeneutical principles over-riding his exegetical rules.“

Quelle: Calvin’s Hermeneutic and Tradition: An Augustinian Reception of Romans 7, Society of Biblical Literature 24, November 2005.

konnte den text auf die schnelle nicht im internet finden, habe ihn aber als pdf.

markus
15 Jahre zuvor

lieber ron, natürlich spricht das für calvin als eigenständiger exeget (obwohl man sich laut holder fragen muss, warum der römerbrief hier die ausnahme bildet). ich meine das auch gar nicht negativ. auch holder findet calvins entscheidung sympathisch. anders als du sehe ich überhaupt gar keinen anderen weg, als mit einer hermeneutik, von mir aus auch einer dogmatik, einen text zu lesen. ein rein exegetischer zugang zum bibeltext wird ein traum bleiben. ich gebe deshalb gerne zu, dass mich eine hermeneutik treibt (allerdings ist die nicht auf der suche nach einer systematik). ich denke, dass calvin sich hier falsch entschieden hat. natürlich muss man als guter calvnist gleich mit der pest-und-cholera-flage pelagius wedeln. aber er ist ja nicht der einzige, der dies vertritt. arminius – ups, da kommt die flagge gleich wieder 😉 – folgt chrysostomos. und pelagius und arminius trennen theologische welten. auf die frage „Vergewaltigt Calvin den Paulustext auf der Grundlage dogmatischer Kategorien?“ würde ich ein „ja“ zur antwort… Weiterlesen »

markus
15 Jahre zuvor

ja, kann ich machen. ob es dich aber zufrieden stellt, weiss ich nicht. ich machs kurz, ja? wir starten nämlich heute abend die „godfather“ trilogie. hier ist ein gedanke, der mich in diese richtung drängt. ich bleib der einfachheit halber im römerbrief. der hilflose ton der perikope (verkauft unter die Sünde, 7:14, 17) passt nicht zum sieg über und zur befreiung von der sünde (8:2-4). jemand, der unter die sünde verkauft ist, bleibt sklave der sünde. der alte, mitgekreuzigte leib dient nicht mehr der sünde (6:6). dabei sehe ich auch das leben eines christen nicht geistlich verklärt. es gibt kämpfe. aber meine identität ist „kind gottes“ (8:14) und nicht „knecht“ der sünde (8:15). die gnade gottes ändert nicht nur unseren status, sondern ändert uns (neues herz). die sünde herrscht demnach nicht über mich. die zerrissenheit in 7:14-25 deutet demnach auf einen mensch, der unter dem gesetz der sünde steht und nicht unter gottes gnade. vers 24 scheint für mich der… Weiterlesen »

Lutz
15 Jahre zuvor

Ron: „Ich glaube, Calvin irrt, wenn er im Kommentar zu 7, 15 schreibt, dass Adam seine Ebenbildlichkeit verlor“

Ich denke, dass diese Aussage nicht wortwörtlich im ausschließlichen Sinne zu verstehen ist.
Calvin setzt öfters das Mehrheitliche als das Kennzeichnende.

In seiner Auslegung zu 1. Mose 1, 26 schreibt er beispielsweise:
„Der eigentliche Herrschersitz des göttlichen Ebenbildes ist also im Verstand und im Gemüt. Doch gibt es kein Stück des menschlichen Wesens, in welchem davon nicht wenigstens einige Funken leuchteten. … Nur einige undeutliche Linien jenes Bildes sind uns geblieben, so verdunkelt und verzerrt, dass man von Vernichtung sprechen kann; denn kein einziges Gebiet blieb von der Sündenbefleckung frei.“

Ich denke Calvin ist kein Anhänger der These, dass das Ebenbild gänzlich ausgelöscht wäre.

Gruß Lutz

markus
15 Jahre zuvor

lieber ron. der pate war gut und lang. auch ich denke, dass er im ganzen brief zu christen spricht. aber diese christen sollen verstehen, was der unterschied im leben unter dem gesetz (der autobiographische paulus der vergangenheit) und mit dem geist (der autobiographische paulus der gegenwart) ist. 1) die gegenwartsform ist das beste gegenargument. ich weiss, dass wallace z.b. sie für den abschnitt als historisches präsens ablehnt. wahrscheinlich hat er dafür bessere argumente als ich sie vorbringen kann. dennoch muss paulus hier nicht notwendigerweise ankündigen, dass er jetzt vom „unregenerate“ spricht, wenn seine original-leser diese augenscheinliche diskrepanz beim lesen sofort als rückblick in die vergangenheit registrierten. diese nähe zum text und zur person fehlt uns leider. 2) aus dem gleichen grund aus dem wir in unseren gemeinden predigen. wir müssen uns immer wieder 8:2 und 8:4 verinnerlichen und beglaubigen. auch wir, als christen, stehen in der gefahr unter dem gesetz leben zu wollen (das gute tun, uns gottes lob verdienen).… Weiterlesen »

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