Zitate

Barths Schriftverständnis

D.A. Carson erzählt in dem TGC-Beitrag „What Should Evangelicals Make of Karl Barth?“ folgende Anekdote über die dialektische Arbeitsweise des Schweizer Theologen:

Es gibt da eine sehr berühmte Geschichte – ich weiß nicht, ob sie authentisch ist oder nicht – in der jemand an Barth schrieb und sagte: Professor Barth, ich habe folgende Widersprüche in Ihren Schriften entdeckt. Was sagen Sie zu diesen Widersprüchen? Barth schrieb angeblich zurück: „Nun, hier sind noch einige andere.“ Und er listete noch ein paar Widersprüche mehr auf. „Hochachtungsvoll.“

Auf  das Schriftverständnis von Karl Barth kommt Carson auch zu sprechen. Dazu ergänzend ein Abschnitt aus „Kritik der Bibelkritik“ (in: Facius, Daniel (Hg.), Der Bibel verpflichtet: Mit Herz und Verstand für Gottes Wort, Dillenburg: CV, 2015, S. 245–286, hier S. 258–259):

Barth kann durchaus davon sprechen, dass die Heilige Schrift Gottes Wort ist. Aber sie ist Wort Gottes nur in dem Sinn, wie es die kirchliche Verkündigung ist. „Die Bibel ist Wort Gottes, sofern Gott sie sein Wort sein lässt.“ Die Bibel wird genau dann Wort Gottes, wenn Gott sich durch sie offenbart. Das Ereignis der sich offenbarenden Rede Gottes ist uns Menschen nicht verfügbar, sondern allein Gottes Sache. Dass die Bibel als Zeuge der geschehenen Offenbarung uns zur Offenbarung wird, dass können wir nur im Glauben gegen unseren Unglauben „für uns wahr sein lassen und als wahr bekennen“. Die Inspirationslehre, wie sie im Anschluss an die Reformation entwickelt wurde, ist deshalb für Barth eine Irrlehre, die angegriffen und abgelehnt werden muss. Er sieht die Gefahr, dass die Offenbarung durch dieses Inspirationsverständnis zu etwas Natürlichem wird. Sie müsste dann nämlich eine göttliche und unfehlbare Geschichte bieten und in allen Teilen „feststellbare und griffbereite göttliche Wahrheit aussprechen“. Wie für Brunner ist für Barth die Schrift keine direkte Mitteilung Gottes, sondern wirklich nur Zeugnis. „Die Menschen, die wir als Zeugen reden hören, reden als fehlbare, als irrende Menschen wie wir selber.“ Die Propheten und Apostel sind auch „im Akt der Niederschrift ihres Zeugnisses wirkliche, geschichtliche und also in ihrem Tun sündige und in ihrem gesprochenen und geschriebenen Wort irrtumsfähige und tatsächlich irrende Menschen, wie wir alle.“

Jede Umdeutung des Wortes Gottes „in ein unfehlbares biblisches Menschenwort oder jede Umdeutung des biblischen Menschenwortes in ein unfehlbares Gotteswort“ ist eine Auflehnung gegen „die Wahrheit des Wunders“ und damit eine Auflehnung „gegen die Souveränität der Gnade“.

Die Wort-Gottes-Theologie hat der historisch-kritischen Bibelkritik Grenzen aufgezeigt, überwunden hat sie sie leider nicht.

Empfohlen sei ebenfalls „Barth in Chicago“ von John Warwick Montgomery.

Gefühle evangelisieren

Bei Hanniel habe ich diesen schönen Satz gefunden:

Wir haben unser Bestes getan, sie stets wissen zu lassen, dass der Glaube aus Gefühlen besteht und ihnen nie gesagt, dass auch unsere Gefühle „evangelisiert“ werden müssen.

Ich hoffe, Evangelisten und Seelsorger prägen sich den Gedanken ein. Ja, auch unsere Gefühle sind erlösungsbedürftig!

Die Heilige Schrift im Gottesdienst

51RpUg8sIcL SX308 BO1 204 203 200Michael Lawrence schreibt in  Biblische Theologie für die Gemeinde über die Wortzentriertheit christlicher Gottesdienste:

Nicht jeder ist damit einverstanden, den Schwerpunkt [im Gottesdienst; Anm. R.K.] derart auf das Wort Gottes zu legen. Kürzlich hatte ich die Möglichkeit, einen Beitrag zu einem Buch über den Gottesdienst zu schreiben, in dem verschiedene Autoren eine von fünf Ansichten über den Gemeindegottesdienst beisteuerten. Außerdem hatte jeder von uns die Möglichkeit, den anderen Autoren zu entgegnen, worin man mit ihnen übereinstimmt oder nicht. In dem Kapitel, das ich zusammen mit Mark Dever schrieb, betonten wir, dass das Wort Gottes in den wöchentlichen Versammlungen der Gemeinde im Mittelpunkt stehen muss. Alles, was wir in unseren Gemeindeversammlungen sagen, singen, beten und tun, muss, so argumentierten Mark und ich, aus der Bibel abgeleitet sein.

Einer der anderen Verfasser meinte in seiner Entgegnung auf unser Kapitel, wir würden die Rolle des Wortes Gottes überbetonen. Er schreibt wortwörtlich, er glaube nicht, dass „das klassische ‚predige das Wort‘ die einzige (geschweige denn vorrangige) Weise sei, wie Menschen zum Glauben kommen und darin erbaut werden.“ Wachstum, so schreibt er, geschehe nicht vorrangig durch das Hören, sondern durch das Sehen: „zu beobachten, wie andere ihren Glauben durch ihr tägliches Handeln ausleben, ist das Hauptmittel zur Transformation.“ Die Ansicht, dass Menschen dadurch verändert werden, dass sie das gesprochene oder gepredigte Wort hören, mache aus der Predigt des Wortes, so sagt er, „etwas Magisches“.

Nun hoffe ich sehr, dass dieser Bruder Gottes Wort wertschätzt und in seinem Dienst anwendet, und ich kann nur zustimmen, wie wichtig es ist, dass die Gemeinde ihre Worte auch durch ihre Taten unterstreicht. Dennoch fürchte ich, dass er übersieht, was die Bibel über sich selbst bezeugt. Gott sagt uns, sein Wort werde „bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe“ (Jes 55,11). Es ist nicht allein so, dass sein Wort ins Dasein „ruft, was nicht ist, als wäre es da“ (Röm 4,17), sondern anschließend erhält es auch alles (Hebr 1,3). Michael Horton fasst dies sehr treffend zusammen: Gottes Wort enthält nicht nur Informationen, sondern schafft vielmehr Leben. Es ist nicht nur beschreibend, sondern auch wirksam. Wenn Gott redet, dann heißt dies: Gott handelt.

Evangelikale haben den Lehrcharakter des Wortes Gottes gegenüber Modernisten und liberalen Theologen verteidigt, die die Glaubwürdigkeit der Bibel untergraben. Was aber ist mit dem Pragmatismus in unserem eigenen evangelikalen Lager, der die Allgenugsamkeit der Schrift untergräbt? Wir müssen nicht nur betonen, dass das Wort Gottes belehrend ist, sondern auch mächtig und wirksam, weil der Geist Gottes das Wort benutzt, um genau das auszuführen, was er damit beabsichtigt. Die ganze Schöpfung ist „durch Gottes Wort bereitet worden“ (Hebr 11,3; vgl. Ps 33,6), und durch eben dieses Wort sind wir eine neue Schöpfung (Röm 10,17; 2Kor 4,6). Wir wurden „wiedergeboren … durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“ (1Pet 1,23). Aus diesem Grund sprechen die Apostel, wenn sie zu den Gemeinden reden, von dem Wort, „das in euch eingepflanzt worden ist und das die Macht hat, euch zu retten“ (Jak 1,21), von dem Wort, „das in euch bleibt“ (1J0h 2,14) und das „reichlich unter euch wohnen“ soll (Kol 3,16).

Die Kirche hört seine Stimme

Mir gefällt die erste der zehn Berner Thesen von 1528 besonders gut. Sehr aktuell!

Die heilige christliche Kirche, deren einziges Haupt Christus ist, ist aus dem Worte Gottes geboren, bleibt in demselben und hört nicht die Stimme eines Fremden [Joh 10,5].

 

Irgendjemand muss ja Werte schaffen

Gestern bei Jean-Paul Sartre gelesen:

Es ist mir sehr unangenehm, daß es so ist; aber da ich Gottvater beseitigt habe, braucht es ja wohl jemanden, die Werte zu erfinden. Man muß die Dinge nehmen, wie sie sind.

Und im übrigen, wenn wir sagen, daß wir die Werte erfinden, so bedeutet das nichts anderes als: das Leben hat a priori keinen Sinn. Bevor Sie leben, ist das Leben nichts, es ist an Ihnen, ihm einen Sinn zu geben, und der Wert ist nichts anderes als dieser Sinn, den Sie wählen.

Gott schenk uns Sinn

Francis Schaeffer (Gott ist keine Illusion, 1974, S. 78):

Wenn Gott existiert und wir in seinem Bilde geschaffen sind, dann kann unser Leben einen wirklichen Sinngehalt haben, und wir können durch das, was er uns mitgeteilt hat, wahre Erkenntnis erlangen. Wer das leugnet, dem bleibt nur noch der Mensch und sein begrenzter Selbstausdruck, der Ausdruck des einzelnen Menschen.

Bewährung unseres Gehorsams

Der Reformator Johannes Calvin schrieb im Vorwort zu seiner Psalmenauslegung im Jahre 1557:

Dies ist die rechte Bewährung unseres Gehorsams, wenn wir unseren eigenen Neigungen den Abschied geben, uns Gott unterwerfen und unser Leben so von seinem Willen lenken lassen, dass auch die schwersten Lasten uns angenehm werden, weil sie von ihm selber kommen.

Calvin: Kennzeichen echter Frömmigkeit

Der Reformator Johannes Calvin beschreibt in seiner Auslegung von Psalm 1 ein bedeutsames Kennzeichen echter Frömmigkeit:

Im zweiten Vers [von Psalm 1] preist [der Psalmist] nicht einfach, wie sonst, die Gottesfürchtigen glücklich, sondern macht die intensive Beschäftigung mit dem Gesetz zum Kennzeichen der Frömmigkeit. Daraus sollen wir lernen, dass Gott nur dann so verehrt wird, wie es ihm zusteht, wenn man seinem Wort gehorcht. Deshalb darf sich auch nicht jedermann die Religion nach seinem eigenen Belieben zurechtlegen, sondern der Maßstab der Frömmigkeit muss aus Gottes Wort erhoben werden.

Wachset!

Der große Wilhelm Lütgert predigte vor ca. 110 Jahren zu: „Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesu Christi“ (2. Petrus 3,18).

Die Gefahr, daß das Wachsen aufhört, ist groß. Es gab vielleicht in unserem Leben einmal eine Zeit des Wachsens, und dann trat ein Stillstand ein. Ein gewisser Besitz an Gnade und Erkenntnis unseres Herrn Jesu Christi ist gewonnen und wird nun nicht mehr vermehrt. Mancher sieht darin gar keinen Fehler. Es sind ja immer dieselben einfachen und großen Pflichten, die wir zu erfüllen haben. Wir suchen die Gnade unseres Herrn Jesu Christi nicht erst, wir haben sie ja. Was fehlt uns noch? Das Fragen, Suchen und Bitten ist zur Ruhe gekommen. Wir haben Frieden, und das unruhige und hastige Verlangen nach Gott ist still geworden.

Hier liegt allerdings eine große Gefahr. Jedermann kennt sie. Der Besitz kann träge machen. Wer am Ziel ist, hört auf zu laufen. Der Kreis des Lebens und der Gedankenkreis hat sich geschlossen. Was bleibt nun? Eine beständige Wiederholung. In der Predigt kehrt immer wieder der gleiche Gedankenkreis wieder und schließlich auch immer wieder mit denselben Worten. Man macht auch nicht neue Erfahrungen. Man erlebt nichts mehr. Man lebt von der Vergangenheit, von vergangener Arbeit und vergangenen Erfahrungen. Es war einmal! Wie leicht kann es so werden.

Es wohnt einer vielleicht von jeder geistigen Anregung abgeschnitten in äußerlicher und innerlicher Vereinsamung auf einem Dorf. Niemand gibt ihm etwas. Jahraus jahrein ist er der einzige Gebende. Ja, es macht vielleicht nicht einmal jemand Ansprüche an ihn. Aber auch und gerade im größten Lärm eines großstädtischen Pfarramtes ist die Gefahr der innerlichen Verarmung groß. Das Leben geht vollkommen nach außen. Die Ansprüche übersteigen die Leistungsfähigkeit weit. Man muß so oft reden, daß man sich notwendigerweise schließlich wiederholt. Auch hier hört das Wachsen auf. Ohne innerliches Wachsen wird das Reden zum Schwatzen und das Handeln zum Machen.

Dem steht das Wort des Apostels gegenüber: Wachset in der Gnade und in der Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesu Christi.

 

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner