Nochmal Dietrich Bonhoeffer (Konsequenzen, 1970, S. 124–125):
Seit Jesus Christus von sich sagte: »Ich bin das Leben« (Joh 14,6; 11,25), kommt kein christliches, aber auch kein philosophisches Denken mehr an diesem Anspruch und der in ihm enthaltenen Wirklichkeit vorbei. Diese Selbstaussage Jesu erklärt jeden Versuch, das Wesen des Lebens an sich auszusprechen, für vergeblich und schon gescheitert. Wie sollten wir, solange wir leben und die Grenze unseres Lebens, den Tod, nicht kennen, sagen können, was das Leben an sich sei? Wir können das Leben nur leben, aber nicht definieren. Das Wort Jesu bindet jeden Gedanken über das Leben an seine Person. Ich bin das Leben. Hinter das »Ich bin« kommt keine Frage nach dem Leben zurück. Aus der Frage, was das Leben sei, wird hier die Antwort, wer das Leben sei. Das Leben ist nicht ein Ding, ein Wesen, ein Begriff, sondern eine Person, und zwar eine bestimmte und einzige Person. In scharfen Gegensatz zu allen Gedanken, Begriffen, Wegen, die das Wesen des Lebens auszumachen beanspruchen, setzt Jesus dieses Ich. Er sagt auch nicht: ich habe, sondern bin das Leben. So läßt sich das Leben niemals mehr von dem Ich, von der Person Jesu trennen. Indem Jesus dies verkündigt, sagt er, daß er nicht nur das Leben – d. h. irgendein möglicherweise auch mich betreffender metaphysischer Geist – ist, sondern gerade mein Leben, unser Leben, ein Sachverhalt, den Paulus mit den Worten: »Christus ist mein Leben« (Phil 1,21) und »Christus, unser Leben« (Kol 3,4) höchst sachlich und paradox zugleich ausspricht. Mein Leben ist außerhalb meiner selbst, außerhalb meiner Verfügung, mein Leben ist ein Anderer, ein Fremder, Jesus Christus, und das nicht in dem übertragenen Sinn, daß mein Leben nicht lebenswert wäre ohne jenen Anderen, also daß Christus meinem Leben eine besondere Qualität, einen besonderen Wert verliehe, wobei doch das Leben selbst seinen eigenen Bestand hätte, sondern das Leben selbst ist Jesus Christus. Was so von meinem Leben gilt, das gilt von allem Geschaffenen. »Was da geworden ist – in dem war Er das Leben« (Joh 1,4).
„Ich bin das Leben, der Weg und die Wahrheit“ Sogenannte Kreisschlüsse oder wie Kant sagte: „elende Tautologien“ gelten in gewissen Kreisen als unzulässige Formen des Schließens. Es sind zwar keine Fehlschlüsse oder Falschaussagen, aber Aussagen, die einfach nicht viel hergeben, weil der nominale Rekurs (im Aufrufen einiger Nomen) von viel zu geringem Durchmesser / Umfang ist. Berühmtestes Beispiel dafür (von R. Descartes): „Ich denke, also bin ich“ Im französischsprachigen Original (Je pense, donc je suis) fällt zumindest dem deutschsprachigen Etymologen eine überkreuz-laufende Wortwendungs-entwicklung auf, denn (frz.) „pense“ geht mit (nhd.) „bin“ (ibn / bin / ben) auf eine gemeinsame Lautwurzel zurück, während „suis“ vielmehr mit „(be-) sitzen“ im Sinne von „haben“ korrespondiert. „Donc“, welches offiziell mit „folglich“ oder „also“ ins Deutsche übersetzt wird, entspricht etymologisch aber vielmehr dem deutschen Verb „denken“, wodurch schon ersichtlich wird, dass sich im berühmten Zitat, bloß noch Vokabeln desselben Inhaltes gegenüberstehen, nämlich „Folgern“, „Denken“ (Dichten) und „Schließen“ (schließlich = folglich = also / daher) Dem… Weiterlesen »
Vielen Dank für das nachdenkendwerte Zitat. Ich würde es gern im Zusammenhang nachlesen. Könnten Sie die Angaben zur Literaturquelle ergänzen? Auf der Suche bin ich mit den kurzen Informationen bisher nicht fündig geworden. Für einen Tipp wäre ich dankbar.
Mit freundlichem Gruß
@Christian: D. Bonhoeffer, Ethik (I. Tödt, H. E. Tödt, E. Feil, & C. Green, Hrsg.), Bd. 6, S. 248–249, Gütersloher Verlagshaus.
Liebe Grüße, Ron
Perfekt! Danke!