Franziska Zimmerer nimmt den Gegenentwurf zum alten, weißen Mann aufs Korn:
Selbstreflexion ist eine Superkraft für den modernen Mann. Der reflektierende Mann muss keine Verantwortung übernehmen, denn er reflektiert ja. Wie der Internet-Schreck Sebastian Hotz, bekannt als El Hotzo, zum Beispiel. Der Witzeschreiber von Jan Böhmermann wünschte Donald Trump den Tod, macht Witze gegen Andersdenkende.
Zuletzt veröffentlichte Hotz auf X ein Geständnis, das zeitgenössischer nicht sein könnte: „Ich habe gelovebombt, gegaslighted, manipuliert und von Exklusivität gesprochen, Frauen hingehalten und Beziehungen verheimlicht, um nicht aufzufliegen. Ich habe damit meine Position und mein Image als reflektierter Medienmann ausgenutzt, und viele damit verletzt.“
Auffallen mit BescheidenheitÜbersetzt heißt das: Er hat Frauen beschissen behandelt, obwohl er permanent über toxische Maskulinität philosophiert und darüber ein Buch geschrieben hat.
Ebendieser moderne, reflektierte Medienmann nannte vor drei Monaten in einem Artikel auf „Zeit Online“ das Wort „Entschuldigung“ das „Gaffer-Tape“ des deutschen Wortschatzes: „Man sollte nie unterschätzen, wie phänomenal nützlich dieses Wort ist. Und es ist ja wirklich so, dass mir jede winzige Unannehmlichkeit, die ich bereite, entsetzlich leidtut. Garantiert für den kurzen Zeitraum, den es braucht, um ein ‚Entschuldigung‘ auszusprechen. Eventuell sogar lang genug, um eines Tages mein Verhalten zu ändern. Wer weiß!“ Sorry, not sorry.
Was den modernen Mann vom viel gescholtenen alten, weißen Mann unterscheidet? Er ist unehrlich. Er gibt vor, etwas zu sein, was er nicht ist. Er reflektiert öffentlich, um andere schlecht behandeln zu können. Er möchte auffallen, mit Bescheidenheit. Er fördert Frauen. Solange er die Kontrolle über sie hat. Der moderne Mann hat es leicht, aber macht es sich schwer. Außen weich und innen ganz leer.
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