Luther schreibt in seinen Anmerkungen zum Galaterbrief (WA, Bd. 40, 40,19–41, 26):
Es gibt viele Arten von Gerechtigkeit. Die eine ist politisch, die der Kaiser, die Fürsten der Welt, die Philosophen und Juristen behandeln. Eine andere ist eine zeremonielle, die menschliche Traditionen, wie die Traditionen des Papstes und ähnliche, lehren. Diese verfolgen ohne Gefahr die Familienväter und Pädagogen, weil sie ihr nicht die Kraft zur Genugtuung für die Sünden, Gott zu gefallen und die Gnade zu erlangen, zuschreiben, sondern sie überliefern notwendige Zeremonien nur als Disziplin für die Sitten und gewisse Gebräuche. Außerdem gibt es eine andere, gesetzliche Gerechtigkeit, die des Dekalogs, den Mose lehrt. Diese lehren wir auch nach der Lehre des Glaubens.
Jenseits und über diesen allen ist die christliche Gerechtigkeit des Glaubens, die sorgfältig von den anderen unterschieden werden muss. Denn jene sind dieser ganz entgegengesetzt, weil sie aus den kaiserlichen Gesetzen, den Traditionen des Papstes und den Geboten Gottes fließen, oder weil sie sich auf unser Handeln richten und von uns vollzogen werden können, sei es aus rein natürlichen Kräften (wie die Sophisten behaupten), sei es aus der Gabe Gottes (denn es sind auch diese Arten von Gerechtigkeit der Werke Gaben Gottes, wie alles unsere). Jene außerordentliche Gerechtigkeit, die des Glaubens nämlich, die Gott durch Christus uns ohne Werke zurechnet, ist weder eine politische noch zeremonielle noch Gerechtigkeit des göttlichen Gesetzes noch richtet sie sich auf unsere Werke, sondern ist genau das Gegenteil, nämlich eine rein passive Gerechtigkeit (wie diese anderen aktive sind). Hier tun wir gar nichts und geben Gott nichts, sondern empfangen nur und erfahren einen anderen Handelnden in uns, nämlich Gott. Keine andere ist ein so fester und gewisser Trost der Gewissen als diese passive Gerechtigkeit.
Zitiert habe ich aus dem sehr hilfreichen Buch Martin Luthers theologische Grundbegriffe von Reinhold Rieger.