Alexander Zinn war von 1996 bis 2010 Pressesprecher und Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands. Ich bin ihm dankbar, dass er in der heutigen FAZ-Ausgabe darlegt, dass die einschlägigen Verbände inzwischen ins Fahrwasser der Identitätspolitik geraten sind und zunehmend totalitärer auftreten.
Er schreibt (FAZ, 16.03.2021, Nr. 63, S. 11):
Die seit einigen Jahren zu beobachtende Orientierungslosigkeit der Interessenverbände hat sie zu einem leichten Opfer radikaler Ideologen werden lassen. Pragmatische Politikansätze wurden zurückgedrängt, stattdessen übernahmen Akteure das Ruder, die in den akademischen Blasen der Universitäten in Fragen von Queer-Theory, Postkolonialismus und intersektionaler Diskriminierung geschult worden sind. Mangels anderer Berufsaussichten drängen sie bevorzugt in Nichtregierungsorganisationen und Medien, wo sie in den letzten Jahren an vielen Stellen tonangebend wurden. Im „ideologischen“ Gepäck haben sie all jene Vorstellungen, die viele wie Caroline Fourest in ihrem Buch „Generation Beleidigt“ als linksidentitär bezeichnen: Die Reduzierung der komplexen modernen Gesellschaften auf ein tribalistisches Konzept identitär bestimmter Gruppen, die für sich eine „angemessene“ Repräsentanz fordern, was letztlich nur in einer neuen Form des Ständestaates enden kann … Wie regressiv die linksidentitären Konzepte sind und wie wenig sie noch mit der Vision einer Gesellschaft freier Individuen zu tun haben, in der jeder nach seiner Façon glücklich werden kann, haben in der LGBTI-Bewegung bislang nur die wenigsten verstanden. Dabei lässt sich kaum übersehen, dass mit der neuen „Identitätspolitik“ hoher Konformitätsdruck einhergeht.
Auch diesen Satz finde ich klasse: „Dass die Welt nicht nur aus Freund und Feind besteht und es auch wohlwollende Kritik aus der Mitte der Gesellschaft geben könnte, scheint für einige Akteure unvorstellbar zu sein.“