Im Herzen der Spiritualität

51q6Zv9cuxL SX303 BO1 204 203 200Anselm Grün hat zusammen mit Ahmad Milad Karimi ein Buch geschrieben, um den Dialog zwischen Muslimen und Christen voranzubringen. Wolfgang Schäuble oder Nikolaus Schneider sind begeistert. Im Herzen der Spiritualität wird wieder ein Bestseller. Margot Käßmann wird Anselm-Botschafterin werden.

Zu den Leuten, die von diesem Buch beeindruckt sind, werden auch viele Evangelikale gehören. In ihren Bücherstuben, Versandhäusern und Regalen wimmelt es von Werken, die der freundliche Mönch verfasst hat. Klarer formuliert: Viele, die sich als Evangelikale verstehen, deuten den christlichen Glauben ähnlich wie Anselm. Mystisch.

Hier einige Zitate von Anselm Grün aus dem neuen Buch. Kommentare kann ich mir bei diesem Geschwurbel sparen.

Die Bibel als Wort Gottes (S. 73)

„Auch wenn wir die Heilige Schrift als Wort Gottes verstehen, das für uns bindend ist, weil es vom Heiligen Geist inspiriert ist, wissen wir doch um die verschiedenen Formen, in denen die Bibel uns das Wort Gottes verkündet. Da gibt es mythologische Erzählungen wie etwa die Erzählung von der Entstehung der Welt und des Menschen. Wir interpretieren diese biblischen Schöpfungsberichte nicht naturwissenschaftlich. Sie beschreiben vielmehr in Bildern den inneren Kern, die Schönheit und das Geheimnis der Schöpfung. Die Bibel kennt geschichtliche Erzählungen, sie kennt Gleichnisse, Berufungsgeschichten, gesetzliche Texte, prophetische Texte, Trostworte und Mahnworte. Es gibt hymnische Texte, Loblieder und Gebete wie etwa die Psalmen. Jede Form hat ihre eigene Wahrheit. Manche Fundamentalisten wollen die Bibel wörtlich auslegen. Aber sie werden damit der eigentlichen Aussageabsicht der Bibel nicht gerecht. Jede Form hat ihre eigene Wahrheit.“

Von Lesen der Bibel (S. 75–76)

„Die Bibel lesen heißt: mit den Worten solange ringen, bis wir sie verstehen. Und wir verstehen sie richtig, wenn wir freundlich mit uns umgehen, wenn wir unser eigener Freund werden. Dann erleben wir auch das Wort Gottes als unseren Freund, der uns zeigt, wie unser Leben gelingt. Wir werden nie damit fertig, die Bibel zu meditieren. Und jede Zeit legt sie immer wieder neu aus. Denn die Worte, die damals geschrieben worden sind, legen unser Leben heute aus und wollen uns Wege aufzeigen, wie unser Leben von Gott her und von Jesus Christus her gelingen kann. Entscheidend ist, dass die Worte der Bibel immer Worte des Lebens sind, Worte, die zu einem authentischen Leben nach dem Geist Jesu führen. Immer wenn uns die Worte Angst machen oder wenn wir die Worte so auslegen, dass wir anderen damit Angst machen, verstehen wir sie nicht im Sinne Jesu, sondern benutzen sie, um unsere eigenen Vorurteile zu verstärken.“

Das Dogma der Uneindeutigkeit (S. 36–37)

„Dogmen sind wahr im Sinn des griechischen Begriff von Wahrheit, aletheia, und das meint, wie Martin Heidegger dieses Wort übersetzt: Unverborgenheit. Dieser Wahrheitsbegriff meint nicht wahre Sätze. Wahrheit bedeutet vielmehr: Der Schleier, der über aller Wirklichkeit liegt, wird gelüftet, und wir erkennen etwas von der tiefsten Wirklichkeit. Wir schauen auf den Grund des Seins. Es wird uns etwas klar, ohne dass wir das in sozusagen mathematisch klare Sätze kleiden könnten. Die Wahrheit ist auch nicht etwas, was ich habe oder besitzen kann. Die Wahrheit kann einem aufgehen. Dogmen sind also keine Festschreibungen, nicht Ausdruck von Rechthaberei, sondern der Versuch, einen Rahmen zu geben, innerhalb dessen die Wahrheit aufleuchtet. Dogmen sind Auslegungen und bedürfen zudem selbst der Auslegung. Für mich ist Dogmatik die Kunst, das Geheimnis offenzuhalten.“

Jesu Gottheit (S. 97):

„Für mich als Theologen ist klar: Dogma heißt nicht, dass ich alles ganz genau erklären kann. Dogma ist für mich vielmehr die Kunst, das Geheimnis offenzuhalten. Auch Dogmen sind letztlich bildhafte Annäherungen an das Geheimnis Gottes und das Geheimnis Jesu. Was die dogmatische Aussage, dass Gott und Mensch in Jesus eins sind, bedeutet, das kann also niemand letztlich ganz verstehen und erschöpfend beschreiben. Unsere Aussagen bleiben offen für das Geheimnis. Ich wehre mich auch gegen Aussagen, die reduzieren. Wenn ich sage: Jesus war nichts als ein religiös besonders begabter Mensch, dann kann ich mich von ihm distanzieren und mich über ihn stellen. Wenn ich aber sage: Jesus ist Gottes Sohn, dann weiß ich zwar auch noch lange nicht, was es wirklich bedeutet. Aber diese Formulierung sagt: Jesus steht mir gegenüber mit einem Anspruch, der dem Anspruch Gottes gleichkommt. Ich erinnere an Paul Tillichs Aussage: „Gott ist das, was uns unbedingt angeht.“ Wenn ich sage, Jesus sei Gottes Sohn, so geht mich dieser Jesus an. Ich nehme seine Worte ernst. Ich ringe mit ihnen. Ich stelle mich nicht über seine Worte. Ich kritisiere Jesus nicht als eine geschichtlich bedingte und beschränkte Persönlichkeit, sondern ich stelle mich seinem göttlichen Anspruch.“

Der Weg der Mystik (S. 222)

„Die Mystiker, die Gott erfahren haben, nageln Gott nicht fest auf starre Dogmen. Sie beschreiben die Erfahrung Gottes in Bildern, die für alle offen sind, die sich auf den Weg zu Gott gemacht haben. Die mystischen Wege aller Religionen verstehen einander, weil sie von ähnlichen Erfahrungen sprechen. Sie deuten diese Erfahrungen nur jeweils auf dem Hintergrund ihrer eigenen theologischen Tradition.“

Sexualethik (S. 207)

„Die Kirche kann die Sexualmoral nicht festschreiben. Sie kann nur im Dialog mit der heutigen Psychologie und Genderforschung theologische Grundsätze aufstellen. Aber gerade in moraltheologischen Fragen gibt es keine festen Dogmen, sondern eine Entwicklung im Dialog mit der jeweiligen Zeit.“

Allerlösung (S. 259)

„Im Tod werden wir Menschen, Christen wie Muslime, Juden, Buddhisten oder Hindus, in die Liebe Gottes hineinsterben. Es ist der eine Gott, der uns alle erwartet. Wenn wir Gott schauen, dann hören unsere Bilder und Vorstellungen, dann hören unsere theologischen Lehren auf. Und wir schauen gemeinsam auf den Gott jenseits aller Bilder, auf den Gott des absoluten Geheimnisses. Aber in diesem Gott werden wir alle eins werden, wenn wir uns von Gott richten, ausrichten lassen auf ihn hin und auf die absolute Liebe hin, in der wir eins werden miteinander und mit Gott. So ist der Blick auf das, was uns erwartet, auch ein Weg, uns schon jetzt miteinander auf Gott hin auszurichten, nicht gegeneinander zu kämpfen, sondern uns darauf vorzubereiten, dass es im Tod keine Differenzen mehr gibt, sondern wir alle in Gott eins werden.“

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14 Kommentare
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5 Jahre zuvor

Ich danke dem HERRN, Er hat mich zu Beginn meines Glaubensweges aktiv beschützt vor solchen und ähnlichen Irrlehrern. Und davon gab es genug, ich war ja auch ein verirrtes Schaf. Wie die Wölfe kamen sie im Rudel: Adventisten (eigentlich recht harmlos, aber dennoch Irrlehre), Zeugen Jehovas, Mormonen (oder wie auch immer sie sich in der Schweiz nennen), Unitarier und natürlich das ganze liberale Gewurstel. Alle habe ich gelesen; als Resultat praktisch an jeder Stelle der Bibel gezweifelt, gar den Wachtturm für „eigentlich stimmig“ gehalten (Holzpfahl statt Kreuz!) Aber der HERR hat mich aus lauter Gnade da hindurch getragen; die richtigen Lehrer, Geschwister und Bücher geschenkt. Eine lange Geschichte… Heute bin ich wohl das, was Herr Grün und seine geistlichen Kumpane abschätzig als „Fundamentalisten“ bezeichnen würden. Solche Leute machen gerne den Glauben an Verbalinspiration sowie die historisch-grammatische Methode lächerlich, indem sie bibeltreuen Christen tatsächlich unterstellen, sie würden beispielsweise glauben, der Herr Jesus sei aus Holz, wenn er sagt „Ich bin die… Weiterlesen »

Helge Beck
5 Jahre zuvor

Die Realität ist: Es gibt universalistische Alternativen zum exklusivistischen Fundamentalismus. Und das ist gut so. (ja ja ich weiß, die Satanskeule sitzt hier echt locker …)

Sergio
5 Jahre zuvor

@ Helge Beck
Ich weise einfach mal ganz freundlich auf den Titel dieses Blogs hin: es heisst dort „aus der Sicht reformatorischer Theologie“.

Matze
5 Jahre zuvor

Vielen Dank für die Kurzfassung:
Es ist aber nicht nur so, dass Anselm Grüns Bücher bei vielen Evangelikalen zu finden sind was per se ja nicht so schlimm ist, wenn man sich mit den Standpunkten anderer kritisch auseinandersetzt. Nein, das Problem ist, dass es bis tief in den evangelikalen Bereich hinein die Auffassung gibt dass Moslems, Juden und Christen zum gleichen Gott beten. Im evangelikalen Bereich sind sowieso gerade umfangreiche Veränderungen im Gange (z.B. Entscheidung zur Homosexualität bei der EmK und der Kirche in Württemberg u.a. mehr). Darum lasst uns aufsehen…….

Mick
5 Jahre zuvor

@Matze: „das Problem ist, dass es bis tief in den evangelikalen Bereich hinein die Auffassung gibt dass Moslems, Juden und Christen zum gleichen Gott beten.“ – zu wem, außer diesem einen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, sollten sie denn sonst beten? Es gibt doch gar keinen anderen!
Eine ganz andere Frage aber ist, ob alle Anhänger jeglicher (zumindest abrahamitischen) Religion ’selig werden‘ – das kann man mE auf Basis des Neuen Testaments verneinen. In keinem Anderen ist das Heil als nur in Jesus. (Apg 4:12) Alle, die an ihn glauben, werden nicht verloren gehen.

Stephan
5 Jahre zuvor

Mick, ich sehe es etwas anders. Als Christ habe ich einen Gott, der mir Heilsgewißheit verschafft. Diese gibt es im Islam nicht, da meine Heilsgewißheit an der Allmacht Gottes „kratzen“ würde.
Wenn es unterschiedliche „Gottesbilder“ gibt, dann beten wir zu unterschiedlichen Göttern – jetzt mal unabhängig davon, ob diese existent oder ein Trugbild sind und ob die jeweiligen Traditionen bzw. Schriften sich auf den Gott Abrahams berufen.
Eine ähnliche Problematik haben wir im Verständnis von Jesus. Hat er nun all für allemal die Erlösung vollbracht oder muss er jeden Sonntag neu auf dem Altar geschlachtet werden? Stimmt die Aussage Jesu „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ oder das gelegentlich propagierte „Kein Heil außerhalb der katholischen Kirche“?
Wir sprechen interreligiös von Gott, wir sprechen in der Ökomene von Jesus, und doch sind die Begriffe / Personen unterschiedlich definiert.

Mick
5 Jahre zuvor

@Stephan: Dein Argument „Wenn es unterschiedliche „Gottesbilder“ gibt, dann beten wir zu unterschiedlichen Göttern“ würde ja genauso inerhalb des Christentums und innerhalb aller Richtungen und Gemeinden gelten. Sogar für dich: Wenn sich deine Erkenntnis Gottes ändert, betest du selbst heute einen anderen Gott an als gestern? Das ist schief. Zumal es mir kalt über den Rücken läuft, wenn ich deine Formulierungen „ich habe…“ „der mir verschafft“ lese. Erkenntnis Gottes ist Stückwerk – aber die Schrift sagt eindeutig, dass Gott sich in Christus offenbart hat. Er ist der Maßstab (und insoweit unser Bild dem nicht gerecht wird, muss es sich ändern). Wenn Ron oben zitiert: „Es ist der eine Gott, der uns alle erwartet. Wenn wir Gott schauen, dann hören unsere Bilder und Vorstellungen, dann hören unsere theologischen Lehren auf“ dann ist das meiner Meinung nach sogar richtig, anders kann es gar nicht sein. Allerdings ziehen die Autoren daraus den falschen Schluss. Der Gott der uns erwartet ist nämlich nicht egal.… Weiterlesen »

Matze
5 Jahre zuvor

@Mick @Stephan
Mit meiner Aussage wollte ich keine Grundsatzdiskussion auslösen, sondern mir ging es mehr um folgendes an einigen Beispielen aufgezeigt: Wenn in meinem freikirchlichen Umfeld Allversöhnungsverständnis bei vielen normal ist, sich bei einer Allianzveranstaltung offen sich für praktizierte Homosexualität ausgesprochen wurde und eine Freikirche in der Nachbarschaft an Friedensgebeten mit Muslimen teilnimmt man aber wenig Mitsteiter findet, die diese Entwicklungen von der Schrift her kritisch sehen zeigt dies welches „geistliche Klima“ mittlerweile herrscht. Die Frage, die daraus eher resultieren sollte ist: Was tun?

Stephan
5 Jahre zuvor

@Mick @Matze Zunächst: ich bin leider kein Formulierungskünstler, daher bitte erst versuchen zu interpretieren, was ich sagen will, und nicht die Worte sofort auf die Goldwaage legen. Ich formuliere mal anders: Ich habe Heilsgewißheit, ein Anhänger des Islam nicht. (Nun könnten wir darüber rätseln, ob Gott die Heilsgewißheit in mir wirkt und somit „verschafft“, aber darum geht es jetzt nicht. Das meinte ich allerdings mit Wort auf die Goldwaage legen). Die Zeugen Jehovas glauben auch an einen Jesus. Glaube ich als ev. Fundamentalist damit an den gleichen Jesus? Sind sie damit Geschwister im Herrn? Oder ist deren Jesusbild so grundverschieden von meinem, dass wir doch zu wenig Gemeinsamkeiten haben? Sind sie errettet? (Anm.: ich will da jetzt nicht ZJ in die Pfanne hauen, auch wenn ich da zu wenig Gemeinsamkeiten mit habe, um sie Geschwister im Herrn zu nennen. Aber im Gegensatz zu allen anderen sehe ich jeden Tag an zwei Bahnhöfen immer einen Missionsstand von denen, das ist mehr… Weiterlesen »

Helge Beck
5 Jahre zuvor

Von exklusivistischen Fundamentalismen jeglicher Tradition gibt es leider viel zu viele. Was mache Anhänger absoluter Wahrheiten in geradezu universalistischer Einheit zu verbinden scheint, ist die Praxis des Verteufelns des „Anderen“. Wenn sie nicht an den gleichen Gott glauben, so scheinbar an den gleichen Teufel?

Konrad Kugler
5 Jahre zuvor

Niemand kann mir weis machen, daß ich biblische Texte glauben muß, die keine Wahrheiten sein sollen. Ich habe jetzt keine Zeit, hoffentlich vergesse ich das hier nicht.

Stephan
5 Jahre zuvor

@ Helge: Ein Spiegel für Dich:
Im Verteufeln der „exklusivistischen Fundis“ bist Du aber auch recht gut unterwegs. Wer nicht Univsersalist ist, ist also einer von denen, von denen „leider viel zu viele“ unterwegs sind. Wie immer bei Dir: Argumente fehlen.

Helge Beck
5 Jahre zuvor

Verteufeln liegt mir völlig fern. Die Fähigkeit zum Verteufeln scheint mir eine Gabe eines wahren Gläubigen, nicht unähnlich dem Zungensprechen?
Argumente wozu? Ron stimmt mir zu, dass es viele Alternativen gibt. Seiner Meinung nach leider.

Jetzt könnte man natürlich prächtig anfangen zu „argumentieren“, wobei sich am Ende der Kreis voraussichtlich wieder schließen wird und man mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Verteufeln enden wird, prophezeie ich mal.

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