Generation Vaterlos

Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst bei nur einem Elternteil auf. Knapp 1.500.000 Kindern fehlt der Vater. Das hat Konsequenzen für ihre seelische Entwicklung. So ist beispielsweise die Anzahl hyperaktiver Jungs bei Alleinerziehenden doppelt so hoch als bei Jungs, die in einer Familie aufwachsen.

Hier ein sehr interessanter DLF-Beitrag zum Thema:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/01/21/dlf_20110121_0953_56792253.mp3[/podcast]

Gott als die einfachste Erklärung des Universums

Richard Swinburne ist der wahrscheinlich renommierteste Vertreter eines probabilistischen Gottesbeweises. Jetzt hat Swinburne einen neuen Aufsatz mit dem Titel »Gott als die einfachste Erklärung des Universums« veröffentlicht. Er fasst dort seine Argumentation wie folgt zusammen:

Unbelebte Erklärung ist durch Bezug auf Substanzen mit Fähigkeiten und Dispositionen, ihre Fähigkeiten unter bestimmen Umständen auszuüben, zu analysieren; personale Erklärung ist durch Bezug auf Personen, ihre Überzeugungen, Fähigkeiten und Absichten zu analysieren. Ein entscheidendes Kriterium dafür, daß eine Erklärung wahrscheinlich wahr ist, ist, daß sie die einfachste ist (unter den Erklärungen, welche die Daten erwarten lassen). Einfachheit besteht in der Annahme weniger Substanzen, weniger Arten von Substanzen, weniger Eigenschaften (einschließlich Fähigkeiten und Dispositionen), weniger Arten von Eigenschaften und mathematisch einfacher Beziehungen zwischen Eigenschaften. Die Erklärung der Existenz des Universums durch das Handeln Gottes bietet die einfachste Art von personaler Erklärung, die es geben kann, und einfacher als jede unbelebte Erklärung. Im Lichte neuer Herausforderungen verteidige ich diese Sicht gründlicher als bisher.

Professor Daniel von Wachter, der unter anderem bei Swinburne promovierte, hat freundlicherweise eine deutsche Fassung des Aufsatzes besorgt. Die deutsche Ausgabe, erschienen in der Fachzeitschrift Logos, kann hier heruntergeladen werden: fzwp.de.

Wie nehmen Atheisten den »Linken Evangelikalismus« wahr?

Andreas Müller ist ein feuriger und scharfer, aber auch witziger und fairer Atheist, der ganz auf Empirie und Logik setzt (siehe hier). Kürzlich hat er sich in seinem Blog Aufklärung 2.0 damit beschäftigt, wie die »Linken Evangelikalen« von Marcia Pally wahrgenommen werden (vgl. hier). Andreas weist bei seinen Ausführungen – sehr anschaulich – auf ein Problem der Semantik hin:

Man darf ja wohl kaum überzeugende philosophische Argumente von solchen Wirrköpfen erwarten. Das Christentum ist eine Kultur, alles und nichts und jedes lässt sich dort hinein- und herausdeuten. Jetzt gibt es schon linke Evangelikale. Wie kann sich überhaupt noch jemand als »Christ« bezeichnen, wenn der Begriff vollständig bedeutungsentleert ist? Und wie kommen ausgerechnet diese Leute auf die Idee, gegen den »Relativismus« zu wettern, wenn der Inhalt ihres eigenen Glaubens beliebig verändert werden kann? Es gibt tausende christliche Konfessionen. Das Christentum ist hyper-relativistisch. Bei »Atheist« weiß man zumindest, dass es jemand ist, der nicht an Gott glaubt. Atheisten haben somit mehr gemeinsam als Christen (nämlich eine Sache).

Hier mehr: feuerbringer.com.

Digitalisierung gemeinfreier Werke

Blogger, Redaktionen und Mitarbeiter von Bibliotheken oder Schulen müssen sich täglich mit einer Vielzahl hochkomplexer urheberrechtlicher Fragestellungen auseinandersetzen, wenn es um die Digitalisierung von Werken geht. Im privaten Alltag wird beim Umgang mit diesen Fragen oft ein Auge zugedrückt. Bibliotheken und andere Einrichtungen müssen rechtskonforme Lösung suchen.

Till Kreutzer hat freundlicherweise einen Leitfaden »Digitalisierung gemeinfreier Werke durch Bibliotheken« erstellt, der hier heruntergeladen werden kann: Digitalisierungsleitfaden_20110112b(1).pdf.

Die Glaubensdiebe

In der FAZ ist heute ein lesenswerter Artikel des iranischen Schriftstellers Amir Hassan Cheheltan erschienen (20. Januar 2011, Nr. 16, S. 27). Viele Iraner fühlen sich, so Cheheltan, vom Christentum angezogen. Hauskirchen haben Konjunktur. Der Staatsapparat sieht das gar nicht gern.

Seit Weihnachten hat es in der Isla­mischen Republik eine Welle der Verhaftungen von Christen gegeben. Berichten zufolge sind das Hauptziel dieser Verhaftungen evangelikale Christen, die nach Angaben der Behörden ihre Aktivi­täten neuerdings verstärkt haben. Die Verantwortlichen haben betont, dass die Umtriebe dieser Evangelikalen auch in anderen Ländern des Nahen Ostens Probleme heraufbeschworen haben. In amtlichen Verlautbarungen bezeichnen sie diese als »zionistische Christen« und als korrupte Bewegung, die von den Vereinigten Staaten und Großbritannien unterstützt werde, weswegen sie als leuchtendes Beispiel für die »kulturelle Invasion des Feindes« gilt. Die Festgenommenen sind meist konvertierte Muslime oder Christen, die versucht haben, Muslime zur Konversion zu ermutigen.

Der Artikel ist nur in der gedruckten Ausgabe erschienen.

Big Brother 2.0 in Europa

In der 3sat Mediathek ist ein Bericht über das EU-Überwachungsprojekt »Indect« zu finden. Hinter »Indect« steckt ein Projekt der Europäischen Union. Die EU forscht mit einem Etat von ca. 15 Millionen Euro an Programmen, die »abnormales Verhalten« von Menschen erkennen. Indect soll auf aggressive Stimmen oder gewalttätige Mimik in Videos und Bildern reagieren. Auch wer im Netz auffällt, soll durch die Verknüpfung mit Überwachungskameras, Handy-Ortung und unbemannten, vernetzten Flugzeugen auch im öffentlichen Raum ausspioniert werden können. Ein, wie ich meine, besorgniserregender Ausblick.


Schnelle: Christen, zum Abschuss freigegeben

Der renommierte Neutestamentler Udo Schnelle (Halle) hat in einem Leserbrief, der heute in der FAZ erschienen ist, zur Bedrohung der Christen durch den Islamismus Stellung genommen. Hier Auszüge (FAZ, 19. Januar 2011, Nr. 15, S. 32):

Der Anschlag auf koptische Christen in Alexandria zeigt deutlich die Strategie von Islamisten und konservativen islamischen Kreisen: Die islamische Welt soll christenfrei werden. Wo bis zum 7. Jahrhundert nach Christus überwiegend Christen lebten, die dann in der Regel gewaltsam zum Islam bekehrt wurden, soll es keine Andersgläubigen mehr geben. Zwar distanzieren sich viele arabische Regierungen verbal von.diesem Terror, zugleich bekämpfen sie ihn aber aus innenpolitischen Gründen nicht wirksam; Man muss kein Prophet sein, um die weitere Entwicklung vorauszuahnen: Jetzt sind auch die in Europa lebenden orientalischen Christen bedroht, und danach werden nach und nach die Christen insgesamt ins Visier genommen werden.

Dieser Terror trifft schon jetzt auf eine westliche Welt, die ihre eigenen (christlichen) Traditionen über Bord wirft, sich ständig selbst relativiert und offenbar nur noch in einer heiligen Individualität und im Geldverdienen den Sinn des Lebens sieht. Bei den Kirchen sieht es nicht viel besser aus; insbesondere die evangelische Kirche leidet schon seit Jahren an einer bemerkenswerten Selbsteinschüchterung. Wofür sie noch steht – außer verbaler sozialer Gerechtigkeit natürlich –, ist nicht ersichtlich; wirklich religiöse Inhalte traut sie sich offenbar nicht mehr zu verkünden.Mit einer solchen Haltung wird man den massiven Schrumpfungsprozess nicht stoppen können und ist man schon gar nicht auf die theologisch-ideologischen Herausforderungen der Zukunft eingerichtet: Christologie, Trinitätslehre, rituelle Gestalt des Glaubens, Religion und Recht, Staat und Kirche – welcher ethische Kodex soll gelten …

VD: AW

J.I. Packer über Francis Schaeffer

Einige Beiträge des Buches Reflections on Francis Schaeffer, herausgegeben von Ronald Ruegsegger, habe ich in Wahrheit und Liebe: Was wir von Francis Schaeffer lernen können, freundlich und klar kritisiert. Viel Lob verdient das Vorwort des Buches, geschrieben von J.I. Packer. Der Beitrag mit dem Titel »No Little Person« wurde inzwischen online veröffentlicht. Hier ein Auszug, den ich im Blog von Justin Taylor gefunden habe.

First, with his flair for didactic communication he coined some new and pointed ways of expressing old thoughts (the “true truth” or revelation, the “mannishness” of human beings, the “upper story” and “lower story” of the divided Western mind, etc.).

Second, with his gift of empathy he listened to and dialogued with the modern secular world as it expressed itself in literature and art, which most evangelicals were too cocooned in their own subculture to do.

Third, he threw light on the things that today’s secularists take for granted by tracing them, however sketchily, to their source in the history of thought, a task for which few evangelicals outside the seminaries had the skill.

Fourth, he cherished a vivid sense of the ongoing historical process of which we are all part, and offered shrewd analysis of the Megatrends-Future Shock type concerning the likely effect of current Christian and secular developments.

Fifth, he felt, focused, and dwelt on the dignity and tragedy of sinful human beings rather than their grossness and nastiness.

Sixth, he linked the passion for orthodoxy with a life of love to others as the necessary expression of gospel truth, and censured the all-too-common unlovingness of front-line fighters for that truth, including the Presbyterian separatists with whom in the thirties he had thrown in his lot.

Seventh, he celebrated the wholeness of created reality under God, and stressed that the Christian life must be a corresponding whole—that is, a life in which truth, goodness, and beauty are valued together and sought with equal zeal. Having these emphases institutionally incarnated at L’Abri, his ministry understandably attracted attention. For it was intrinsically masterful, and it was also badly needed.

So hat Packer den Menschen Schaeffer, »einen der wirklich großartigen Christen seiner Zeit«, beschrieben:

He was physically small, with a bulging forehead, furrowed brow, and goatee beard. Alpine knee-breeches housed his American legs, his head sank into his shoulders, and his face bore a look of bright abstraction. Nothing special there, you would think; a serious, resolute man, no doubt, maybe a bit eccentric, but hardly unique on that account. When he spoke, his English though clear was not elegant, and his voice had no special charm; British ears found it harsh, and if stirred he would screech from the podium in a way that was hard to enjoy. Nevertheless, what he said was arresting, however he might look or sound while saying it. It had firmness, arguing vision; gentleness, arguing strength; simple clarity, arguing mental mastery; and compassion, arguing an honest and good heart. There was no guile in it, no party narrowness, no manipulation, only the passionate persuasiveness of the prophet who hurries in to share with others what he himself sees.

Fürbitte für bedrängte und verfolgte Christen in Indien

Auf Wunsch der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland haben der Rat der EKD und die Kirchenkonferenz beschlossen, an einem festen Ort im Kirchenjahr der Lage von bedrängten und verfolgten Christen mit einer Fürbitte zu gedenken. Dafür wurde der 2. Sonntag der Passionszeit, Reminiszere, ausgewählt. Das Kirchenamt gibt jedes Jahr dazu eine Materialhilfe heraus, die jeweils ein Land zum Schwerpunkt macht. Im Jahr 2011 wird besonders an die bedrängten und verfolgten Christen in Indien gedacht.

Hier das Material zur Fürbitte und eine Ausarbeitung über Hintergründe der Gewalt gegen Christen in Indien (2008):

Jugend und Medien

201101171355.jpgWer heutzutage aufwächst, gehört zu den sogenannten »digital natives«. Das heißt, für Kinder, Jugendliche und viele junge Erwachsene ist eine Welt ohne umspannendes Datennetz und »social networking« gar nicht mehr vorstellbar. Zweifellos profitieren viele Jugendliche von den neuen medialen Möglichkeiten, aber es wird auch vor Nebenwirkungen gewarnt: Übermäßiger Medienkonsum halte von anderen Freizeitaktivitäten und körperlicher Bewegung ab und könne die Gesundheit bedrohen. Auch gibt es einen Zusammenhang zwischen Gewaltmedien und Aggression. Bedenklich stimmt zudem die Freizügigkeit vieler jungen Leute beim Umgang mit persönlichen Daten im Internet.

Die jüngste Ausgabe der Beilage zur Wochenzeitschrift Das Parlament ist dem Thema »Jugend und Medien« gewidmet. Das Themenheft ist gelungen. Ich bin mit einigen Schlussfolgerungen nicht einverstanden, kann aber Eltern, Lehrern, Pastoren und vor allem Leuten aus der Jugendarbeit die Lektüre empfehlen. Die vermittelten Einblicke in die Datenbasis und Problemfelder können dabei helfen, eigene Antworten zu finden.

Zwei besondere Empfehlungen:

Ingrid Möller untersucht den Zusammenhang von »Gewaltmedien und Aggression« und kommt zu folgendem Fazit:

Über die potenziell aggressionsfördernde Wirkung des regelmäßigen Konsums gewalthaltiger Medieninhalte wird in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert, wobei das Spektrum der vertretenen Positionen von der monokausalen Verursachung extremer Gewalttaten, etwa von Amokläufen an Schulen, bis hin zur Leugnung jedweder Beziehung zwischen Gewaltkonsum und Aggressionsbereitschaft reicht. Dieser Beitrag hat einerseits gezeigt, dass es mittlerweile eine Vielzahl von Belegen für einen Zusammenhang zwischen Gewaltkonsum und Aggression gibt und die vermittelnden Prozesse, insbesondere der Erwerb aggressiver Verhaltensdrehbücher und die emotionale Abstumpfung, zunehmend klarer hervortreten. Andererseits ist aber auch deutlich geworden, dass der Konsum gewalthaltiger Medien nur einer von vielen Faktoren ist, die mit aggressivem Verhalten in Beziehung stehen oder es gar kausal bestimmen.

Die nachgewiesenen Effektstärken sind von moderater Größenordnung, und die Frage, welche anderen Variablen in der Personoder dem sozialen Umfeld die Effekte des Gewaltkonsums verstärken oder mindern können, ist noch nicht hinreichend geklärt. Offen ist auch die Frage der möglicherweise unterschiedlichen Wirkkraft von Gewalt in Filmen und Gewalt in Spielen. Die wenigen Einzelstudien, die hierzu bislang vorliegen, zeichnen noch kein klares Bild. Weiteren Forschungsbedarf gibt es im Hinblick darauf, welches Wirkpotenzial verschiedene Darstellungsformen oder neue Techniken haben (z. B. Gewaltspiele auf Konsolen wie etwa der »Wii«, die durch körperliche Bewegung gesteuert werden).

Angesichts der weltweiten Verbreitung gewalthaltiger Medien und der hohen Nutzungsintensität gerade im Jugendalter ist die Größenordnung der Effekte allerdings als bedeutsam anzusehen und wirft die Frage nach wirksamen Interventionsansätzen auf.

Margreth Lünenborg, Professorin für Kommunikationswissenschaft, schreibt über »Gezielte Grenzverletzungen – Castingshows und Werteempfinden«.

In Castingshows, allen voran »Deutschland sucht den Superstar«, werden Provokationen von Jugendlichen bis zu einem gewissen Grad nicht nur toleriert, sondern mit Vergnügen verfolgt. Sie bieten ihnen einen diskursiven Raum, im dem die jugendliche Sehnsucht nach Grenzüberschreitungen gegenüber Konventionen der Erwachsenenwelt gefahrlos ausgelebt werden kann.

Die Programmproduzenten reagieren offenkundig auf eben dieses Nutzungsinteresse. Insbesondere bei »DSDS« finden sich Grenzüberschreitungen und Tabubrüche, die vor allem männliche Jugendliche dazu einladen, Regeln der Erwachsenenwelt gefahrlos zu brechen. Jugendliche artikulieren voyeuristische Sehlust, insbesondere an verbalen Entgleisungen im Rahmen von Castingshows. Sie folgen bei ihrer moralischen Bewertung der dramaturgischen Erzählstruktur der Formate, die Provokationen als konstitutiven Bestandteil rechtfertigen.

APuZ 3/2011 (17. Januar 2011) kann hier heruntergeladen werden: LOT0MN.pdf.

Der Wolf in Schafskleidern als eigentliche Aufgabe

Dietrich Bonhoeffer schreibt in Schöpfung und Fall (München, 1955, S. 83) über das Böse:

Dort, wo das Böse sich in seiner Gottlosigkeit zeigt, dort ist es ganz machtlos, dort ist es ein Kinderschrecken, dort brauchen wir es nicht zu fürchten, ja dort konzentriert es dann auch gar nicht seine Gewalt, sondern dort lenkt es meist nur ab von dem anderen Ort, an dem es durchbrechen will. Der Wolf in Schafskleidern, der Satan in der Lichtgestalt des Engels – das ist das angemessene Bild des Bösen.

Die Erstauflage erschien 1937.

Der Tod in Anatolien

Noch immer läuft in der Türkei das Verfahren gegen die Männer, die im April 2007 drei Christen in Malatya brutal ermordeten. Anfänglich hieß es, die Täter seien »irrgeleitete Fanatiker«. Doch der Prozess offenbart, dass sie wohl gut vernetzt waren mit einer unheilvollen Parallelwelt: Dem »tiefen Staat«. Michael Martens schreibt für die FAZ:

Das Massaker von Malatya erregte nicht nur in der Türkei Aufsehen. Ausländische Medien berichteten, türkische Politiker verurteilten die Tat. Die Festgenommenen waren junge Männer im Alter zwischen 19 und 20 Jahren. Irregeleitete Fanatiker, hieß es. Zunächst war das Medieninteresse groß, auch noch im November 2007, als der Prozess um die Christenmorde begann. Doch die Welt dreht sich weiter, Interessantes geschieht jeden Tag, und der Fall geriet aus dem Blick. Wer hat schon die Zeit, akribisch einen Prozess in einer türkischen Provinzstadt zu verfolgen, Akten zu lesen, Zeugenaussagen zu vergleichen, mit Anwälten zu sprechen? Die »European Stability Initiative« (ESI), eine in Berlin beheimatete Denkfabrik, hat sich die Zeit genommen. In ihrem an diesem Mittwoch erschienenen Bericht »Mord in Anatolien – Christliche Missionare und türkischer Ultranationalismus« hat sie den bisherigen Verlauf des Prozesses auf mehr als 45 Seiten skrupulös analysiert. Das Ergebnis ist eine Beschreibung türkischer Zustände, die lesen sollte, wer sich für die Türkei interessiert, zumal der Bericht nicht nur Ansichten, sondern vor allem empirische Belege oder zumindest überzeugende Indizien für diese Ansichten enthält. Im Kern steht die Frage, wer hinter den Messerwetzern von Malatya steht, da sich der Verdacht, die fanatische Jungmännerbande habe nicht allein gehandelt, im Prozess schnell bestätigte. Der Anführer des Quintetts repräsentiert den Typ des früh Gescheiterten, der sich mit einer »großen Tat« aus seiner raskolnikowschen Grüblerexistenz befreien will. Zweimal war er durch die Aufnahmeprüfung für die Universität gefallen, ein dritter Versuch scheiterte auf halbem Wege. Wo in Petersburg eine alte Pfandleiherin als Opfer herhalten musste, richtete sich der Hass des Untüchtigen in Malatya gegen ausländische Missionare und türkische Konvertiten – allerdings nach sorgfältiger Anleitung.

Hier mehr: www.faz.net.

Vom Arbeiten und Ruhen

Es gibt stolze Menschen und solche, die sich als Gottes Geschöpfe minderwertig fühlen. Andere ignorieren das Sabbatgebot und arbeiten unentwegt oder aber sind faul. Dabei kommt es auf die Ausgewogenheit an. Kevin DeYoung hat kürzlich Pastoren empfohlen, ab und zu eine deftige Auszeit zu nehmen, damit sie nicht ausbrennen. In einem neuen Beitrag zitiert er aus einer superben Calvin-Biografie von Bruce Gordon. Aus dem von ihm gewählten Zitat geht hervor, dass die Reformatoren dann, wenn sie gearbeitet haben, dies mit Hingabe, Disziplin und Gründlichkeit taten. Kurz: Ohne diese Arbeitseinstellung hätte die Reformation nicht erfolgreich sein können.

I’ve been slowly working my way through Bruce Gordon’s masterful biography of the Genevan Reformer (Yale 2009). Recently I underlined this passage:

And here was a formula that would serve Calvin well throughout his time in the city: extremely hard work on his part combined with the disorganization and failings of his opponents. (133)

No doubt, Luther and Calvin and Owen and Edwards and name-your-hero were brilliant. But they also were indefatigable. They did so much, in part, because God gave them the discipline, the drive, and the single-minded determination to keep their hands to the plow more than almost anyone else.

The combination of teaching, preaching, writing and pastoral care was doubtless exhausting, but was the routine familiar to all sixteenth-century reformers. Melanchthon in Wittenberg, Bullinger in Zurich and Bucer himself in Strasbourg knew nothing other than long days of labour and service that began with early-morning worship and ended with writing and reading texts and letters by candlelight. It was how they had been educated from boyhood, and many had monastic backgrounds. The extraordinary discipline and single-mindedness of the reformers becomes apparent only when we stop to consider how much they achieved. (86)

Der entscheidende Abschnitt in deutscher Sprache:

Die Kombination aus Lehre, Predigen, Schreiben und der pastoralen Fürsorge war zweifellos kraftraubend, aber für alle Reformer des 16. Jahrhunderts vertraute Routine. Melanchthon in Wittenberg, Bullinger in Zürich und Bucer in Strassburg kannten nichts anderes als lange Tage der Arbeit und des Dienstes, die mit der Andacht am frühen Morgen begannen und mit dem Schreiben und Lesen von Texten und Briefen bei Kerzenlicht endeten. So sind sie schon als Kinder erzogen worden, und viele von ihnen entammen einem klösterlichen Hintergrund … (86)

Hier mehr: thegospelcoalition.org.

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