Messianische Juden in Israel

Sie sind Juden und glauben trotzdem an Jesus als Messias. Religiös stehen die messianischen Juden den evangelikalen Christen nahe. Auch in Israel gibt es Gemeinden: Hier kommt es immer wieder zu Konflikten, weil sie auch unter orthodoxen Juden missionieren.

Nachfolgend ein erstaunlich ausgewogener DLF-Bericht über messianische Juden in Israel. Ausgerechnet ein evangelischer Theologe ist – kaum überraschend – der Meinung: Juden brauchen keinen Jesus.

Die neue Seichtheit des Glaubens

Nachfolgend ein Gastbeitrag von Hans-Christian Beese über neue „light“-Varianten des Glaubens:

Glaube „light“ und „strong“

Ich lese seit einiger Zeit emergente Blogs und kann sagen: Man muss ganz schön umdenken! Aber es lohnt sich, erhält man doch von (fast) allen Eckpunkten des christlichen Glaubens eine attraktive, bekömmliche „light“-Variante:

  1. (Schöpfung) – light: nicht punktuell und vollkommen, sondern unvollkommen und evolutionär.
  2. (Sündenfall) – light: keine ethische Rebellion sondern natürliche Schwäche aufgrund unserer Endlichkeit und (unvollkommenen) Geschöpflichkeit. Dem entsprechend:
  3. (Erlösung) – light: Unsere Erlösung und Vergebung hat Gott bei weitem nicht so viel gekostet, wie wir es gewohnt waren zu denken: Es gab kein stellvertretendes Sühneopfer, weil keines nötig war. Und schließlich:
  4. (Gott selbst) – light: nicht der all-mächtige, souveräne, alles bestimmende, Sünde hassende, auch zornige Gott, der Blutopfer benötigt, um versöhnt zu werden (falsche Konzepte vergangener Generationen), sondern einer, der eigentlich hauptsächlich dafür da ist, uns Gutes zu tun, uns bedingungslos zu vergeben und alle zu erlösen.
  5. (Wort Gottes) – light: Nicht der festgeschriebene, für alle Zeiten verbindliche „Buchstabe“, sondern das Wort Gottes zwischen den Zeilen, das sich im Hörer ereignet, denn der Buchstabe tötet und der Geist macht lebendig, zumal das geschriebene Wort durch vier (!) Fehlerquellen relativiert wird: Es wurde von den Autoren fehlerhaft empfangen, fehlerhaft notiert, wird von den Hörern/Lesern fehlerhaft verstanden und ist zudem in einen willkürlichen bzw. rein zufälligen Kanon zusammengewürfelt.

Und alle, die ihr Christenleben bisher als schmalen Weg mit enger Pforte verstanden hatten, dürfen ebenfalls aufatmen.

Ich schrieb in Klammern das Wort „fast“, weil es eine Ausnahme gibt: Vom Menschen gibt es ab sofort die „strong“-Variante: Er ist bei weitem nicht so ohnmächtig, tot und verloren, wie uns die Calvinisten weismachen wollten. Er kann, wenn er will, (auch ohne an Christus zu glauben) gerecht sein: Er muss nur einfach mal anfangen, gerecht zu handeln!

Wie gesagt, attraktiv – man muss „light“ nur mögen. Schmeckt ja schon irgendwie anders.

Nach dem Sozialismus ist vor dem Sozialismus

Markwirtschaft ist kaum noch en vogue. Unausgegorene Planwirtschaft (z.B. Klimaziele, Energiewende), politisch korrekte Zentralverwaltung (z.B. Mindestlohn, Frauenquote) nehmen überhand. Eine Abrechnung von Erwin Grandinger, der ich herzlich zustimme.

Diese Form der Ökonomie, die verdächtig nach „DDR light“ klingt, gibt inzwischen offensichtlich vielen Politkern den Freifahrschein, die meisten Schaltstellen der Macht mit der eigenen Klientel oder Mitgliedern zu besetzen. Kein Wunder ist inzwischen die Europäische Zentralbank (EZB) neben dem Bundesverfassungsgericht (mit einem ehemaligen Ministerpräsidenten als Verfassungsrichter) die Politischste aller Organisationen.

Die Zentralbanken versorgen derzeit, der politischen Wunschvorstellung entsprechend, und damit völlig irrational, die Finanzmärkte mit nahezu unendlicher Liquidität. Ja, es klingt richtig gut: der Dax klettert von einem Rekordhoch zum nächsten. Ein Wellnessgefühl stellt sich ein, und so will es die Politik sehen. Ob man an den „neuen Bullenmarkt“ glauben darf, ist dennoch unklar.

Hier: www.welt.de.

Queer dir deine Welt

Die Grüne Jugend hat einen Queer-Reader zusammengestellt, der es in sich hat. Beispiele:

Schule und Jugendarbeit sollen uneingeschränkte Unterstützung leisten. Die gleichberechtigte Darstellung von verschiedenen Lebensentwürfen in Rahmenlehrplänen und Lehrmaterialien ist genauso sicherzustellen wie die Behandlung aller Formen von Sexualität durch die Sexualaufklärung im Unterricht. Dabei ist es wichtig, dass keine Geschlechterrollen vermittelt werden, sondern jede Person in ihrer individuellen Entwicklung bestärkt wird. Um dies zu gewährleisten, muss sichergestellt werden, dass die Lehrer_innen während ihrer Ausbildung und auch während ihrer Berufsausübung immer wieder Fortbildungen zum Umgang mit queer- und gendersensiblen Themen absolvieren müssen.

Die Kategorien ”Mann” und ”Frau” sind soziale Konstrukte, doch das Bild der Zweigeschlechtlichkeit wird der Realität nicht gerecht. Wir verstehen einen Menschen nicht als eine Person, die ihr Leben lang einer Geschlechtsidentität als Mann oder Frau ausgesetzt ist. Unser Ziel ist es eine Gesellschaft so zu prägen, dass sich jede_r frei entscheiden kann, welche Geschlechtsidentität sie_er einnehmen möchte. Als GRÜNE JUGEND streiten wir dafür, dass die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten endlich anerkannt wird. Ein erster Schritt zur stärkeren Sichtbarmachung ist eine dritte Option bei der Angabe des Geschlechtes gegenüber staatlichen Stellen und amtlichen Dokumenten. Ebenso soll es die Möglichkeit geben, eine Angabe zu verweigern. Perspektivisch streiten wir dafür, dass die Geschlechtsangabe als Kategorie komplett wegfällt.

Das Medienmagazin pro meldet dazu:

Die Jugendorganisation der Grünen hat derweil ihren „Queeren Monat“ mit der Veröffentlichung einer Resolution beendet. Darin heißt es unter anderem: „Der Schutz der Ehe (…) darf nicht länger im Grundgesetz verankert sein. Wir wollen die Ehe als staatliche Institution abschaffen.“ Statt der bisher üblichen Ehe fordert das Papier, „dass auch rechtlich mehr als zwei Personen als Eltern eines Kindes gelten sollen“, und weiter: „Es muss endlich auch rechtlich anerkannt werden, wenn nicht-heterosexuelle Paare, polyamor lebende Menschen oder Freund_innen gemeinsam die Sorge für Kinder übernehmen.“

Mehr: www.pro-medienmagazin.de.

Gottlob Frege-Konferenz in Wismar

Gottlob Frege war eine Gründerfigur der modernen Logik und philosophischen Sprachanalyse. Vor vielen Jahren habe ich mich durch seinen Klassiker Funktion, Begriff, Bedeutung gequält. In Wismar, seiner Geburtsstadt, fand jetzt eine internationale Tagung zu seinem Werk statt. Der heute besonders in den Sozial- und Literaturwissenschaften (und in der Theologie) verbreitete Konstruktivmus wäre Frege ein Gräuel gewesen.

Wolfgang hat für die FAZ die Referate des Kongresses zusammengefasst:

Für Frege bestand die Logik aus den ewig gültigen Regeln des richtigen Denkens und Schließens. Entschieden wandte er sich gegen die „Psychologisten“, für die Gesetze der Logik nur in der Natur des menschlichen Denkens wurzeln. Danach wäre Logik nicht mehr als ein nützlicher kognitiver Mechanismus, der wahr und falsch zu unterscheiden hilft, aber Gültigkeit nur im Rahmen der menschlichen Psyche und ihrer Wahrnehmung der Welt besitzt. Für die Psychologisten sind Wesen denkbar, die einer ganz anderen Logik folgen.

David Zapero (Paris) machte deutlich, dass für Frege diese Vorstellung nicht einmal falsch, sondern buchstäblich sinnlos war, weil sich eine „Logik“ ohne die Gesetze der Identität und Widerspruchsfreiheit gar nicht ernsthaft denken ließe. In einer Zeit, in der ein Glaube an eine positivistische Einheitswissenschaft blühte, wandte Frege sich dagegen, die Logik in die Naturwissenschaften einzugemeinden. Für ihn existierten logische Wahrheiten in einem eigenen rationalistischen „Reich“, angesiedelt zwischen bloß subjektiven Vorstellungen einerseits und der physischen Welt andererseits. Den Bogen in die Aktualität schlug Zapero nicht, aber man darf annehmen, dass Frege der heutige Konstruktivismus mit seinem neurobiologisch begründeten Wahrheits-Relativismus zutiefst suspekt gewesen wäre.

Mehr: www.faz.net.

Der universelle Heilsoptimismus von Papst Franziskus

Papst Franziskus hat am Mittwoch eine Ansprache über das Gute gehalten (reinhören kann man beim Radio Vatikan hier). Er sagte dort (Quelle:):

Gott hat uns nach seinem Abbild geschaffen, und wir haben deswegen im Herzen dieses Gebot: Tue das Gute und tue nicht das Böse. Alle. ‚Aber Pater, der da ist doch nicht Katholisch, der kann doch gar nicht Gutes tun! Doch, das kann er. Das muss er! Aber Pater, der da ist doch kein Christ, der kann doch gar nichts Gutes tun! Doch, das kann er. Das muss er! Nicht können, sondern müssen! Weil er das Gebot Gottes in sich trägt. Dieses sich Abschließen gegen den Gedanken, das auch andere Gutes tun können, ist eine Mauer, die uns zu Krieg führt und dazu, wie einige in der Geschichte gedacht haben: Töten im Namen Gottes. Das ist Gotteslästerung. Zu sagen, dass man im Namen Gottes töten dürfe, ist Gotteslästerung.

Bis hier hin kann ich ihm völlig zustimmen. Heiden können in einem bestimmten Sinne sogar die besseren Menschen sein. Obwohl in den „himmlischen Dingen“ blind, sind sie in den „irdischen Angelegenheiten“ oft ehrbar. Nicht selten sind sie pflichteifrige Bürger. In einem Bereich, den die Reformatoren justitia civilis genannt haben, können sie sich tugendhafter als Christen benehmen. Der Sünder ist fähig, Einzelsünden, wie z. B. das Stehlen oder Betrügen, zu meiden. Allerdings ist er unfähig, kein Sünder zu sein, also Gott versöhnt mit ganzem Herzen zu lieben.

Deshalb muss ich Papst Franziskus deutlich widersprechen, wenn er weiter sagt (Quelle):

Der Herr hat uns alle erlöst, uns alle, mit dem Blut Christi: alle von uns, nicht nur die Katholiken. Jeden! „Vater, und die Atheisten?“ Auch die Atheisten, jeden, und das Blut macht uns zu Kindern Gottes der ersten Klasse! Wir sind Kinder in dem Bilde Gottes geschaffen und das Blut Christi hat uns alle erlöst! Und wir alle haben die Pflicht, Gutes zu tun.

Hier vermischt nun Papst Franziskus die allgemeine mit der besonderen Gnade. Die letztere schenkt Gott denen, die Jesus Christus vertrauen (siehe dazu hier). Wer aus Gott geboren ist und an den Sohn Gottes glaubt, ist ein Kind Gottes. So heißt es im Johannesevangelium (Joh 1,9–13):

Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.  Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.  Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.  Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

In den letzten Monate wurde viel darüber gerätselt, wo denn der neue Papst theologisch verortet sei. Ist er ein Befreiungstheologe, ein Charismatiker oder ein evangelikaler Katholik? Am Mittwoch ist er dem Denken Karl Rahners gefolgt. Dieser hat sich in seinem Aufsatz „Die bleibende Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils“ (StdZ 12/1979, S. 795–806) ausdrücklich gegen Augustinus gewandt und dem „Zweiten Vatikanischen Konzil“ einen universellen Heilsoptimismus zugeschrieben (S. 804):

Das Konzil aber sagt, daß selbst der, der meint Atheist sein zu sollen, mit dem österlichen Geheimnis Christi verbunden ist, wenn er nur seinem Gewissen folgt, daß jeder Mensch in einer Weise, die nur Gott kennt, mit dessen Offenbarung in Berührung steht und wirklich, im theologischen Sinn einer heilshaften Tat, glauben kann. Da wird gesagt, daß auch die, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen, dem wahren Gott nicht fern sind, der will, daß alle Menschen gerettet werden, wenn sie nur ein rechtes Leben zu führen sich bemühen. Da wird betont, daß die Kirche nicht so sehr die Gemeinschaft der allein Geretteten ist, sondern das sakramentale Ur-Zeichen und die Keimzelle des Heils für die ganze Welt.

VD: BS

Ein Gespräch mit David Berlinski

David Berlinski promovierte in Philosophie an der Princeton University. Er lehrte Philosophie, Mathematik und Englisch u.a. an der Stanford University, der Rutgers University, der City University of New York und der Sorbonne (für mehr Details siehe hier). Er arbeitet vor allem über Systemanalyse, Differentialtopologie, Theoretische Biologie, analytische Philosophie und Philosophie der Mathematik. Gemeinsam mit seinem Freund Marcel Schützenberger entwickelt Berlinski gegenwärtig eine mathematischen Kritik des Darwinismus. Sehr bekannt ist sein Buch The Devil’s Delusion: Atheism and Its Scientific Pretensions.

David Berlinski ist im Blick auf die Gottesfrage Agnostiker. Er besticht mit seiner Ehrlichkeit und mit dem Mut, über Dinge anders zu sprechen, als es gewöhnlich geschieht. Hier ein spannendes Gespräch über Wissenschaft, Evolution und den Neues Atheismus:

VD: JT

Gefühlsanbetung

Mark Galli schreibt in seinem CT-Artikel „Rob Bell’s ‚Ginormous‘ Mirror“, Rob Bell sei so etwas wie ein Gefühlsanbeter. Ist Rob Bell schlichtweg ein Romantiker? Mit dieser Diagnose dürfte Mark Galli ziemlich richtig liegen.

Bell glaubt, unsere Erkenntnis Gottes kommt nicht aus der Lehre, aus der Bibel, dem gepredigten Wort, den Sakramenten, unseren Institutionen oder aus dem, was Jesus offenbarte (alles Wege, auf die Theologen unser Wissen von Gott zurückführen), sondern aus unseren Erfahrungen und Intuitionen – vor allem aus dem Sinn dafür, dass es eine tiefere Realität in, mit und nach diesem Leben gib. Das ist ein Appell an die allgemeine Offenbarung, also daran, wie Gott sich auf natürliche Weise in der Welt bekanntmacht. Klassischerweise enthalten diese Intuitionen auch ein Bewusstsein dafür, dass wir wegen unserer Sünde unter göttlicher Strafe stehen. Nicht für Bell. Er deutet nicht einmal an, dass wir Zweifel an unseren Intuitionen haben sollten, er nimmt einfach an, dass wir ihnen vertrauen können.

Calvin: Vom Nutzen fester Lehre

Ein schönes analytisches und nuthetisches Zitat für Pastoren und sonstige Christen mit Lehrverantwortung.

Es kann auch nicht anders sein, als dass in eine Seele, die fester Lehre entbehrt, von allen Seiten nichtige Anflüge von Irrtümern eindringen.

Gottesfriede als Geistesfrucht

Wir feiern Pfingsten, also die Sendung des Heiligen Geistes fünfzig Tage nach Ostern. Dass wir den Frieden, den uns der Heilige Geist bringt, oft mit dem Frieden des Gewissens verwechseln, führt Otto Weber in seiner Dogmatik aus (Grundlagen der Dogmatik, Bd. 2, 1962, S. 281):

Jesu Christi versöhnendes Werk ist die Aufrichtung des Friedens. Das heißt: in Jesus Christus und kraft dessen, was er getan und erlitten hat, ist zwischen dem Menschen und Gott alles „in Ordnung“. Das ist bedingungslos geschehen und bedarf keiner ergänzenden Handlung. Wir „haben“ Frieden mit Gott, so lesen wir Röm. 5,1. Gott hat kein halbes Werk getan. Darum steht der „Friede“ in Parallele zum „Leben“ (Röm. 8,6) und in absolutem Gegensatz zur „Feindschaft“ (Röm. 5,10, aber auch Eph. 2,14-17). Gottes Königsherrschaft ist, ohne Bedingung, „Gerechtigkeit, Friede, Freude im Heiligen Geist“ (Röm. 14,17). Ähnlich klingt es uns 1. Kor. 7,15; 2.Tim. 2,22 und Jak. 3,18 entgegen. Gott ist der „Gott des Friedens“, so hören wir es aus Röm. 15,33; 16,20; 2. Kor.13,11; 1. Thess. 5,23; Phil. 4,9; Hebr. 13,20 heraus. Das Evangelium ist die Botschaft des Friedens (Apg. 10,36; Eph. 2,17; 6,15; vgl. Jes. 52,7). Der „Friede“ ist Wirklichkeit, weil er der Gottesfriede ist, der über allen νοῦς hinausgeht (Phil. 4,7). Er ist die uns betreffende Wirklichkeit, insofern er zur „Frucht“ des Geistes gehört (Gal. 5,22). Der Geist macht den Frieden Gottes bei uns und unter uns zur Realität.

Der heutige Leser des Neuen Testaments geht, wie man annehmen muss, über derartige Bekundungen einigermaßen befriedigt hinweg. Er bezieht sie gern auf den „Frieden des Gewissens“, auf eine Innerlichkeit, die das Äußerliche und damit auch das Mitmenschliche wenig berührt. Wie wenig eine solche Auffassung dem Neuen Testament entspricht, zeigt schon ein Blick auf 1. Kor. 14,33. Gott ist nicht ein Gott der „Unordnung“, sondern des „Friedens“. Da geht es offenbar, wie der Zusammenhang zeigt, um die Mitmenschlichkeit. Die Innerlichkeit – das Neue Testament spricht vom Frieden des Gewissens überhaupt nicht – tritt gegenüber dem zurück, was in der Gemeinde geschieht. Ist sie die versöhnte Gemeinde, so hat in ihr die Feindschaft ein Ende. Das gilt für die „Feindschaft“, die der „Zaun“ bewirkte: für die aus dem Gesetz sich herleitende Feindschaft zwischen Juden und Heiden (vgl. Eph.2,14ff.).

In ihr prallte der neue Aion handgreiflich auf den anderen. Nun aber, da „er (Christus) unser Friede“ ist (Eph. 2,14), haben beide in „einem Geiste“ den „Zugang“ „zum Vater“ (Eph. 2,18)! Von daher ist Gal. 3,28 zu verstehen, im Rückblick. Die „heilsgeschichtlich“ bedingte Trennung ist aufgehoben – es ist Versöhnung geschehen, Friede geschafft. Aber Gleiches gilt nun auch innerhalb der heilszeitlichen Gemeinde. Die Apostel leiten die Paränese zum zwischenmenschlichen Frieden (Röm. 12,18; Hebr. 12,14) offenbar nicht aus allgemein-humanitären Motiven, sondern aus den „Erbarmungen Gottes“ (Röm. 12,1), aus der gewährten „Gnade“ (Hebr. 12,15) her, und die Grenzenlosigkeit der Liebe, die auch den Feind nicht übergeht (Matth. 5,43 ff. und Röm. 12,14.20), wurzelt in der Grenzenlosigkeit der dem Menschen in Christus geschenkten Liebe, die den Menschen als Feind erreicht (Röm. 5,10).

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