Paul Helm schreibt über das neue Buch The Rise and Triumph of the Modern Self – Cultural Amnesia, Expressive Individualism and the Road to Sexual Revolution von Carl Trueman:
Ich habe Carl Trueman’s The Rise and Triumph of the Modern Self – Cultural Amnesia, Expressive Individualism and the Road to Sexual Revolution gelesen (Crossway). Ich konnte es kaum aus der Hand legen. Es ist eine gewichtige, klare und gründliche Abhandlung seines Themas, des modernen Verständnisses des eigenen Ichs. Während des gesamten Buches scheint der Autor sein Material unter Kontrolle zu haben und hat einen klaren, souveränen Stil. Er ist von Beruf Historiker und ein konservativer Protestant. Eine Behandlung dieser Art von Analyse der zeitgenössischen Kultur macht das Buch ziemlich einzigartig.
Man kann dieses Buch als eine Studie über eine Ideengeschichte oder über die menschliche Kultur und den Einfluss ihrer Elemente auf unsere heutige Welt betrachten, die Welt der menschlichen Werte und Prioritäten ihrer Kultur. In theologischer Hinsicht ist das Buch also eine Übung in der Anthropologie, der Lehre vom Menschen, die eine Einschätzung einiger ihrer aktuellen Ausprägungen beinhaltet. Einige der verwendeten Daten stammen aus der Psychologie, andere aus der Poesie. In den Argumenten stammen sie aus der politischen Philosophie. Wenn Sie sich an den Text halten, werden Sie, so meine Vermutung, eine Menge lernen. Truemans Stil ist klar, und sein Inhalt ist sehr gut organisiert. Er kennt sich bestens aus mit den Sitten unserer nichtchristlichen Nachbarn, mit heranwachsenden Kindern und der Agenda der Medien.
Ich habe mir das Buch vor einigen Wochen gekauft und gehöre ebenfalls zu den begeisterten Lesern.
Zuerst habe ich die Veröffentlichung des Buches nur wahrgenommen, war aber nicht interessiert es zu lesen. Vielleicht auch, weil ich jetzt nicht der ganz große Fan von Trueman bin. Als die Reaktionen in den USA auf die Veröffentlichung allerdings überschwänglich ausfielen, bin ich dann doch neugierig geworden und habe mir das Buch bestellt. Nach ungefähr 1/4 des Buches kann ich sagen, dass es einfach Freude macht, die Kulturanalyse und geistesgeschichtliche Entwicklung zu lesen. Ich lerne, merke, wie ich immer wieder zustimmend mit dem Kopf nicke. Die Entwicklung zum modernen Selbst/Ich derart gut vor Augen geführt zu bekommen, finde ich sehr hilfreich. Vor einigen Wochen gab es auf einer Internetseite eine interessante Diskussion zum Thema Sexualität. Dabei wurde von Gläubigen der berühmte Satz „Gott liebt den Sünder, aber er hasst die Sünde“ zitiert. Es war erstaunlich zu sehen, dass dieser Satz bei Nichtchristen überhaupt nicht ankommt, unverständlich ist und nichts für sie erklärt. Mir hat Truemans Buch geholfen zu verstehen, warum… Weiterlesen »
Truemans Buch ist tatsächlich, so meine ersten Eindrücke nach der Lektüre von zwei Teilen, ein ganz herausragendes Werk. Er macht vor allem auch das Denken von Taylor, Rieff, MacIntyre und anderen gut zugänglich. Ich war schon von seinem The Creedal Imperative begeistert und konnte mit Carl 2013 in Riga ein längeres Interview führen. Gut, dass die evangelikale Welt ihn hat. Ich denke, The Rise and Triumph… wird zu seinem Opus Magnum werden. Inhalte des Buches gibt es übrigens in einer Vortragsserie, die hier beginnt https://www.youtube.com/watch?v=23Q9yOo6ZGs Einen sehr guten Überblick gibt auch das Gespräch von Al Mohler mit Trueman https://www.youtube.com/watch?v=cSIlfRMLHVY
Hab nur kurz in seine lecture reingeschaut, wirkt auf mich ziemlich simplifizierend. Der Typ ist ja noch mehr auf Sex fixiert als Freud 😉
@Clemens Altenberg Wenn sie das Buch lesen, werden sie sehen, dass Trueman nicht simplifiziert. Im Gegenteil qualifiziert er z. B. Rieff in dessen Darstellung, indem er sagt, die historischen Zusammenhänge seien komplexer als dieser sie darstellt. Einen „Vorwurf“, der immer wieder an die Evangelikalen/Konservativen gemacht wird, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Nämlich der, sie seien auf Sexualität fixiert. So als suchten sie es sich aus über dieses Thema zu sprechen, weil es ihr Herzensanliegen ist. Das kann ich so nicht sehen. In den meisten Inverviews mit Evangelikalen ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis eine Frage dazu gestellt wird. Ich sehe es deshalb eher so, dass die Frage nach Sexualität in unserer Gesellschaft tatsächlich zu einer Art Test für „Rechtgläubigkeit“ (Ha, welche Ironie!) gemacht wird. Trueman zeichnet nun sehr gut nach, wie es dazu gekommen ist, bzw. warum eine bestimmte Sicht der eigenen Identität unhinterfragbar geworden ist. Meiner Meinung nach gelingt es ihm gut und sehr überzeugend. Ich… Weiterlesen »
Seine Einführung ist nicht bloß simplifizierend, sondern zum Teil schlicht historisch falsch. Religion wurde schon lange vor Marx und Nietzsche als Aberglaube kritisiert, Selbstdarstellung gäbe es auch ohne Oscar Wilde, Identifikation nach sexueller Orientierung ist keine Erfindung Freuds…
@Clemens Altenberg
„Religion wurde schon lange vor Marx und Nietzsche als Aberglaube kritisiert, Selbstdarstellung gäbe es auch ohne Oscar Wilde, Identifikation nach sexueller Orientierung ist keine Erfindung Freuds…“
Tut mir leid, aber mit diesem Kommentar machen sie sich eindeutig der Simplifizierung schuldig, wenn nicht gar der Falschdarstellung. Würde Trueman bestreiten, dass es Religionskritik vor Marx und Nitsche gab? Nein. Schreibt er, die Identifikation nach sexueller Orientierung sei eine Erfindung Freuds? Nö. Er beschreibt geistesgeschichtliche Entwicklungen. In Bezug auf Rousseau etwa macht er deutlich, dass dieser wohl kaum voraussehen, ja nicht einmal gutheißen würde, was heutige Identitätspolitik ausmacht. Dennoch trugen seine Vorstellungen zur (nochmals) Entwicklung dessen bei, was wir heute sehen.
Sie schreiben, als mache Trueman glauben es hätte einen Big Bang gegeben und plötzlich wäre die individuelle Identität derat zentral, wie sie es heute ist. Dem ist natürlich nicht so.
Liebe Grüße
Schlotti
Einerseits werden die angeblich christlichen Wurzeln von Aufklärung, Demokratie, Menschenrechten abgefeiert, andererseits wird deren Anwendung in Grund und Boden verteufelt verstehe wer will.
Anscheinend ist mein letzter Kommentar im Spamordner gelandet. Ich nehme das mal nicht als prophetisch an. 😉
@Helge Beck
Und was hat das jetzt mit dem Buch von Trueman zu tun? Oder mit den Kommentaren? Verstehe wer will.
Liebe Grüße
Schlotti
wenn das modern self ein Kind des Christentums sein sollte dann seid Ihr Rabeneltern
@ Schlotti
Danke für die Aufklärung, mir ist nur die youtube-lecture so reißerisch vorgekommen, wenn das Buch so gewinnbringend ist werfe ich vielleicht einmal einen Blick hinein. Bin aber noch eine Weile mit Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ beschäftigt. Man muss diesem Buch historisch wirklich dankbar sein für seine brillante und einflussreiche Kritik am Marxismus.
Oscar Wild hat übrigens auch Geschichten geschrieben, die jedem Christen das Herz erwärmen. Ich sag nur: The happy prince
Truemans Buch befindet sich gleich hinter/ neben Dane Ortlunds Buch „Gentle and Lowly: The Heart of Christ for Sinners and Sufferers“ auf meinem „Wunschzettel“. Hier ein interessantes Zitat aus dem Buch (von https://tollelege.wordpress.com/2020/12/28/the-best-books-i-read-this-year-2020/ ) „“This book is not a lament for a lost golden age or even for the parlous state of culture as we now face it… As for the notion of some lost golden age, it is truly very hard for any competent historian to be nostalgic. What past times were better than the present? An era before antibiotics when childbirth or even minor cuts might lead to septicemia and death? The great days of the nineteenth century when the church was culturally powerful and marriage was between one man and one woman for life but little children worked in factories and swept chimneys? Perhaps the Great Depression? The Second World War? The era of Vietnam? Every age has had its darkness and its dangers. The task of… Weiterlesen »