Refomierte Theologie

Ashley Null: Die Rechtfertigungslehre der Reformatoren

Dr. Ashley Null

Die „Rechtfertigung“ oder „Glaubensgerechtigkeit“ ist ein zentraler Begriff der christlichen Gnadenlehre. Sie fragt danach, was geschehen muss, damit das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, das durch die Sünde des Menschen gestört ist, wieder geheilt werden kann. Welche Rolle spielen dabei Glaube und Werke?

In einer Vorlesung Ende Mai am Martin Bucer Seminar in München wird Dr. Ashley Null die Entwicklung der protestantischen Rechtfertigungslehre auf dem Hintergrund der scholastischen Theologie beleuchten. Ashley Null lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin (Lehrstuhl für Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Mittlere und Neuere Kirchengeschichte sowie Reformationsgeschichte) und ist einer der führenden Experten für Thomas Cranmer (1489–1556).

Weitere Informationen hier: AshleyNull.pdf. Wer Interesse hat, kann sich gern formlos als Gasthörer anmelden. Weitere Informationen dazu hier: www.bucer.de/muenchen.html.

Reformation heute

rhEs gibt eine neue Zeitschrift zur Förderung reformierter Theologie: Reformation Heute. Die Zeitschrift steht explizit in der Tradition der reformierten Bundestheologie und nennt die „Three Forms of Unity“ als Lehrgrundlage. Die Beiträge sind allgemeinverständlich verfasst. Zum Anliegen schreiben die Herausgeber:

RH ist eine Zeitschrift, die das Anliegen der Reformation für die Erneuerung der Kirche heute fruchtbar machen will. Verbindliche Lehrgrundlage sind die reformatorischen Bekenntnisschriften, namentlich Luthers Kleiner Katechismus, der Heidelberger Katechismus, sowie das Niederländische Bekenntnis.

Die Erstausgabe vom Juli 2013 enthält folgende Beiträge:

  • Warum ›Reformation Heute‹: Die Zeitschrift zum Thema (Sebastian Heck)
  • »Semper Reformanda«: Die Prinzipien der Reformation im historischen Kontext (Victor E. d’Assonville)
  • Die wertvolle Perle: Zur heutigen Bedeutung der Reformation (Carl R. Trueman)
  • Die unversehrte Kirche: Ein Reformator verteidigt die Errungenschaften der Reformation (Johannes Calvin)
  • Was uns immer noch trennt: Reformatorische Lehre und römisch-katholisches Dogma im Vergleich (Raphael Schuster)
  • Reformatorisch Heute: Impulse für die Erneuerung der Kirche im 21. Jahrhundert (Bernhard Kaiser)

Ab 2014 soll die Zeitschrift einmal im Quartal erscheinen und 12,00 € im Abonnement kosten. Die Erstausgabe kann als Gratisexemplar hier angefordert werden: www.reformationheute.de.

Ecclesia Reformanda

Ecclesia Reformanda war ein Journal für Pastoren, Theologiestudenten und Lehrende. Anliegen ist die weitergehende Reformation der Kirche nach dem Maßstab des Wortes Gottes. Die erschienen Ausgaben des 2011 eingestellten Journals enthalten viele gute Aufsätze aus dem Raum der reformierten Theologie.

Rob Bradshaw hat die Ecclesia Reformanda-Ausgaben freundlicherweise mit Genehmigung des herausgebenden Verlags online gestellt: www.biblicalstudies.org.uk.

2010 erschien dort John Frames Besprechung von Michael Hortons Buch Christless Christianity. Diese Rezension zählt nicht zur den Glanzleistungen von Frame. Obwohl Professor Frame gute Beobachtungen macht, scheinen die Spannungen zwischen Frame und „Westminster“ beim Verfassen noch mitgeschwungen zu haben. Deshalb empfehle ich, die Erwiderung von Horton zu lesen: www.whitehorseinn.org.

Besonders empfehlen möchte ich den Aufsatz „Thinking like a Christian“ von Matthew Roberts. Roberts macht seine Leser mit den theologischen Voraussetzungen der Dogmatik von Hermann Bavinck vertraut.

Bavinck’s theological vision is therefore of immense significance in the history of theology. It represents the first clear move in the post- Kantian history of theology to assert that theology stands on its own foundations, that it is built with materials from its own storehouses. He argues that the metaphysical and epistemological assumptions of the enlightenment, so universally accepted within the European and North American worlds, including amongst churchmen and theologians unaware of their implications, implicitly deny the reality of the one Triune God and maker of all creation. In so doing they falsify themselves because such denial is always self-defeating in the universe made by that God.

Hier: ecclesia-reformanda/1.1_070.pdf.

„Licht und Recht“: Ein Gespräch mit Andreas Gramlich

SAM 3473Andreas Gramlich betreibt die Internetseite „Licht und Recht“, die eine beträchtliche Anzahl reformatorisch ausgerichteter Texte in digitalisierter Form anbietet. TheoBlog hat sich mit dem Betreiber der Plattform unterhalten:

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„Licht und Recht“

Ein Gespräch mit Andreas Gramlich

 

TheoBlog: Andreas, etliche Leute schätzen Deine Internetseite „Licht und Recht“, kennen Dich aber nicht. Kannst Du uns was über Dich erzählen? 

Ich bin verheiratet mit meiner Frau Maria und bin Mitte 30. Kürzlich sind wir nach Karlsruhe gezogen, wo ich als Softwareentwickler arbeite. Ursprünglich stamme ich aus einem katholischen Elternhaus und bin vor etwa 15 Jahren zum Glauben gekommen. Seit unserem Umzug sind wir immer noch auf der Suche nach einer Gemeinde.

TheoBlog: Was hat Dein Interesse an reformierter Theologie geweckt?

Verkürzt gesagt bin ich durch das Lesen der Bibel und Predigten von Spurgeon, durch die ich die Heilige Schrift mehr und mehr verstand, zum Glauben gekommen. Da Spurgeon sich an verschiedenen Stellen positiv über die Reformation und die Reformatoren ausgesprochen hat, wollte ich mehr darüber wissen. Wenn ich mich recht erinnere, war Calvins Institutio die erste reformierte Schrift, die ich las. Von seiner Art und Weise, wie er die Schrift auslegte und Gott verherrlichte, war ich schon sehr angetan.

TheoBlog: Wie entstand die Internetseite „Licht und Recht“?

Im Internet bin ich auf das Buch Von Gottes Gnade und des Menschen Elend – Ein Querschnitt durch das Werk eines faszinierenden Verfechters einer vergessenen Theologie aufmerksam geworden. Ein Buch, in dem sich verschiedene Schriften von Adolph Zahn in Auszügen zusammengestellt finden und in dem der Herausgeber, Wolf Christian Jaeschke, einen weiteren Einblick in das Leben und die Theologie Zahns bietet. Adolph Zahn war mir zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt, aber der Titel hat mich sehr angesprochen. Von Gottes Gnade zu lesen, konnte nur gut sein und „des Menschen Elend“ betraf mich ja auch. Dann hieß die Reihe noch „Theologische Nachfahren Luthers und Calvins“. Somit war mein Interesse geweckt und das Buch stellte sich tatsächlich als eine wahre Fundgrube heraus.

Als ich mich dann weiter vertiefen wollte, musste ich feststellen, dass kaum etwas von der „Schule Kohlbrügges“ erhältlich war, weder im Buchhandel noch im Internet. Daher habe ich angefangen, deren Schriften antiquarisch zu erwerben und zu sammeln. Dabei entdeckte ich zwölf Bände mit Predigten von Kohlbrügge. Mehr und mehr kam in mir der Gedanke auf, diese Schriften einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Nachdem ich mich nach Möglichkeiten schlau gemacht hatte, wie man die Texte digitalisieren kann und wie man eine Internetseite erstellt, ich auch die „Kosten“ abgeschätzt hatte, nahm ich das Projekt in Angriff.

TheoBlog: Du bietest vor allem Texte von Kohlbrügge, Zahn, Wichelhaus, Böhl und von der Heydt an. Sind das Deine Lieblingsautoren?

Ja, das kann man so sagen. Was ich an ihnen schätze, ist ihre klare und treue Verkündigung des Wortes Gottes. Die Heilige Schrift ist Gottes Wort, und daran zu glauben, wird Kohlbrügge nicht müde zu predigen. Adolph Zahn hat auch mehrere Bücher publiziert, in denen er sich mit der Bibelkritik auseinandersetzt, die auch damals an den Universitäten hoch im Kurs stand. Kohlbrügges Predigten sprechen in das Leben hinein, ich sehe da Parallelen zum Heidelberger Katechismus, den er auch sehr geschätzt hat. Nämlich nicht abstrakte Theologie zu treiben, sondern den Menschen anzusprechen, was die Glaubensartikel für ihn bedeuten. Dabei verstand er es gut, den Text auszulegen und auf das Leben anzuwenden; wobei er immer den Sünder vor Augen hatte, der Vergebung und Trost nötig hat. Gottes Heiligkeit und Gesetz spielen für ihn da eine herausragende Rolle, und dass der Mensch ein Sünder ist und das vor Gott anerkennen soll. Dabei kommt er immer wieder darauf zu sprechen, dass das Heil in Christus vollbracht ist und weist solche Dinge wie einen Heiligungsoptimismus zurück – der Gläubige bleibt stets Sünder, ist aber gerecht durch Gottes gnädige Zurechnung der Heilstat und Gerechtigkeit Christi.

Was Kohlbrügge predigte, findet sich bei Böhl in seiner Dogmatik systematisch wieder. Die reformatorischen „sola“ kommen bei ihnen voll zur Geltung.

Diese Autoren stehen auch alle miteinander in persönlicher Verbindung. Wichelhaus war mit Kohlbrügge befreundet. Zahn und Böhl haben bei Wichelhaus studiert. Zahn war später auch einige Jahre Pastor an der niederländisch-reformierten Gemeinde in Elberfeld, also dort, wo zuvor Kohlbrügge Pastor war. Böhl war auch der Schwiegersohn Kohlbrügges.

Im Übrigen lese ich jedoch auch gerne anderes, wie z. B. Biographien – da warten noch einige Bände aus der Reihe „Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformierten Kirche“ darauf, von mir gelesen zu werden. Auch möchte ich wieder einmal mehr Luther lesen. Wenn ich jedoch einen Autor aus unserer Zeit empfehlen darf, dann ist das Bernhard Kaiser, dessen Buch Christus allein nicht unbedeutend für mein Glaubensleben war.

TheoBlog: Wie viele Texte hast Du inzwischen im Archiv?

Momentan sind es an die 500 Dateien, wobei die meisten wohl Predigten mit einer Seitenzahl von sechs Seiten sind. Es befinden sich aber auch einige Dokumente darunter mit über hundert Seiten, wie beispielsweise die Dogmatik von Böhl mit über 300 Seiten. So Gott will werden noch viele erscheinen, denn es sollen auch noch die 23 Bände von Kohlbrügges Schriftauslegungen folgen. Diese wurden posthum aus seinen, zum Teil unveröffentlichten, Predigten und Kinderlehren zusammengestellt, jedoch leider nur bis zu Psalm 95. Zunächst sind aber erst einmal die Passionspredigten und die Predigten über den Ersten Petrusbrief an der Reihe.

TheoBlog: Viele Texte mussten digitalisiert werden. Hast Du das selbst gemacht?

Bei den meisten Texten habe ich die Bücher auf den Scanner gelegt und eingelesen. Einige wenige habe ich bei Bibliotheken bestellt. Bücher, die ich als Fernleihe erhalten habe, habe ich am Buchscanner der Heidelberger Unibibliothek digitalisiert.

TheoBlog: Wie läuft das ab? Allein so ein wunderbarer Text wie „Die beiden letzten Lebensjahre von Johannes Calvin“ von Adolph Zahn umfasst 140 Seiten. Wie lange sitzt Du an so einem Text?

Nach dem Scannen erfolgt das Umwandeln der Bilder in Text mit einem OCR-Programm. Dann erfolgt die Korrektur der Buchstaben und Wörter innerhalb des Programms, die falsch oder als unsicher erkannt wurden. Ist das abgeschlossen, wird das Ganze in ein Textverarbeitungsprogramm übertragen und ich nehme die Formatierung vor. Dann lese ich den Text und finde hoffentlich die Fehler, die noch übriggeblieben sind. Mit einer selbstgeschriebenen Software generiere ich die Internetseiten und lade diese dann mit dem erzeugten PDF hoch.

Wie lange ich dafür benötigte kann ich gar nicht sagen. Generell hängt der Aufwand stark vom Schrifttyp ab. Frakturschriften, das sind die meisten, dauern länger als moderne Schriften, weil die Erkennung nicht so zuverlässig ist und daher mehr Nacharbeit vonnöten ist. Das von Dir erwähnte Buch war nicht in Fraktur, somit auch nicht so aufwendig. Sehr zeitintensiv hingegen war der „Versuch eines ausführlichen Kommentars zu der Geschichte des Leidens Jesu Christi nach den vier Evangelien“ von Wichelhaus, weil ich die ganzen hebräischen und griechischen Sätze eingeben musste. Das Arabische und Syrische konnte ich nur als Bild einfügen, weil ich es nicht lesen und somit auch nicht abtippen konnte.

TheoBlog: Kannst Du uns abschließend Deine drei Lieblingstexte nennen?

Es fällt mir schwer, nur drei herauszugreifen. Da wir uns der Karwoche nähern, möchte ich die Passionspredigten von Kohlbrügge empfehlen, die bis dahin nach und nach auf meiner Seite erscheinen sollen. Diese sind übrigens auch noch in gedruckter Form erhältlich. Das sind wirklich wunderbare Betrachtungen über das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesu Christi.

Da mir keine andere ausführliche bibeltreue reformierte Dogmatik in deutscher Sprache bekannt ist, möchte ich eine solche von Eduard Böhl ans Herz legen. Auch diese kann man als Buch erwerben. Wichelhaus konnte aufgrund seines frühen Heimgangs, er wurde keine 40 Jahre alt, seine dogmatischen Vorlesungen leider nicht vollenden. Zahn hat diese dann, wie auch weitere Vorlesungen von ihm, herausgegeben.

Von Adolph Zahn möchte ich „Über den biblischen und kirchlichen Begriff der Anrechnung“ erwähnen, eine Lehre, die immer wieder angegriffen wird, obwohl oder gerade, weil sie zum Zentrum des christlichen Glaubens gehört. Von Gottes Gnade und des Menschen Elend, was meine „Einstiegsdroge“ war, sei hier auch noch mal erwähnt. Gerade auch durch die Anmerkungen und den Anhang des Herausgebers gewinnt es weiter an Wert.

Theoblog: Vielen Dank für Deinen Dienst und das Gespräch! 

Calvin-Studienausgabe in 10 Teilbänden

Es gibt gute Nachrichten für Freunde und Feinde des Calvinismus: Die Calvin-Studienausgabe erscheint in wenigen Wochen als Gesamtausgabe in 10 Teilbänden.

Wer bis Ende Dezember 2012 bestellt, erhält die Werke für 129,00 Euro, ab 2013 kostet die Gesamtausgabe dann 149,00 Euro.

Hier die Teilbände:

Bd. 1.1: Reformatorische Anfänge 1533-1541
Bd. 1.2: Reformatorische Anfänge 1533-1541
Bd. 2: Gestalt und Ordnung der Kirche
Bd. 3: Reformatorische Kontroversen
Bd. 4: Reformatorische Klärungen
Bd. 5.1: Der Brief an die Römer
Bd. 5.2: Der Brief an die Römer
Bd. 6: Der Psalmen-Kommentar
Bd. 7: Predigten über Dtn und den 1Tim (1555-1556)
Bd. 8: Ökumenische Korrespondenz

Obwohl sich wahrscheinlich einige der Leute ärgern, die die Bände bisher einzeln erworben haben, halte ich die Entscheidung des Verlags, nun eine Gesamtausgabe auf den Markt zu bringen, für lobenswert. Die Edition, an der Eberhard Busch, Matthias Freudenberg, Alasdair Heron, Christian Link, Peter Opitz, Ernst Saxer und Hans Scholl mitgewirkt haben, kann ich sehr empfehlen.

 

 

Calvin (Teil 4 u. 5): Calvin als Sittenwächter in Genf

Die abschließenden Teile 4 und 5 der insgesamt informativen Calvin-Serie widerspiegeln vor allem die kritische Calvin-Rezeption, die sich im deutschsprachigen Raum verfestigen konnte. Neuere Forschungen werden m.E. nicht ausreichend berücksichtigt und einseitige Lesarten durch kleine Ungenauigkeiten gestärkt. Die Redakteure haben sich auf das Thema „Calvin als Sittenwächter“ eingeschossen.

Ich möchte kurz zwei Beispiele nennen:

Im Abschnitt zu den Streitigkeiten zwischen Calvin und Castellio um das Jahr 1543 (Teil 4) wird darauf verwiesen, dass Calvin Castellio, der dringend mehr Geld brauchte, eine Predigtstelle verweigerte. Begründet wird dies damit, dass Castellio Calvins Interpretation der Höllenfahrt Christi und des Hohenliedes nicht teilte. Castellio hielt an einer buchstäblichen Auslegung der Höllenfahrt fest und lehnte die damals verbreitete allegorische Auslegung des Hohenliedes ab, nach der das Buch als Beschreibung der Liebe zwischen Christus und der Kirche als Braut zu verstehen sei. So entsteht der Eindruck, Calvin habe Fragen zweit- oder drittrangiger Ordnung dafür instrumentalisiert, seine Interessen rigoros durchzusetzen. Verschwiegen wird hingegen, dass Castellio die Kanonizität des Hohenliedes ablehnte und Calvin diese Frage mit dem großen Thema der Schriftautorität verknüpfte. Calvin wollte vermeiden, dass jemand als Prediger eingesetzt wird, der in der Kanonfrage vom Konsens der Reformatoren abweicht. Bedenkt man, dass Calvin Castellios Tätigkeit als Lehrer nicht infrage stellte, erscheint dieser Zwischenfall in einem anderen Licht. Calvin schrieb in einem Zeugnis, das er im Auftrag seiner Amtsbrüder ausstellte: „Wenn er nicht zugelassen wurde, dann stand dem nicht irgendein dunkler Punkt in seinem Leben oder irgendeine unfromme Lehre in einer wichtigen Glaubensfrage im Wege, sondern einzig der genannte Grund“ (Opp., II, 676, zitiert nach François Wendel, Calvin: Ursprung und Entwicklung seiner Theologie, Neukirchner Verlag, 1968, S. 64–65).

Verständlicherweise wird der „Fall Servet“ im Teil 5 ausgiebig besprochen („Ein Scheiterhaufen für einen theologischen Gegner“), der zur Verhaftung und schließlich zur Hinrichtung von Michael Servet am 27. Oktober 1553 führte. Servet wurde zum Tode verurteilt, weil er die Dreieinigkeit leugnete. Ein aus heutiger Sicht tragischer Vorfall. Die Redakteure hätten Christoph Strohm allerdings nur weiter zu zitieren brauchen, um zu verdeutlichen, dass die Verurteilung Serverts damals ganz im Rahmen des geltenden Rechts geschah (vgl. ab Minute 7:00). Strohm schreibt (Christoph Strohm, „Calvin und die religiöse Toleranz“, in: M.E. Hirzel u. M. Sallmann (Hg.), 1509 – Johannes Calvin – 2009: Sein Wirken in Kirche und Gesellschaft, Theologischer Verlag Zürich, 2008, S. 222).

Die Rechtslage war eindeutig. Das Reichsrecht sah für die Leugnung der Trinitätslehre die Todesstrafe vor. Nicht nur war im ersten Buch des Codex lustinianus die Bestrafung von Gegnern der orthodoxen Trinitätslehre (vgl. Codex lustinianus 1,1,1) wie auch anderer Häretiker (vgl. Codex lustinianus 1,5) gefordert. Vielmehr sah auch die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (1500—1558), an die man sich in Genf hielt, eine strenge Bestrafung der Gotteslästerer „an Leib, Leben oder Gliedern“ vor (Artikel 106). Das bisweilen zu lesende Urteil, dass Calvin Servet habe hinrichten lassen, verdeckt diesen Sachverhalt.

Teil 4:
[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2012/01/05/dlf_20120105_0940_48d53690.mp3[/podcast]

Teil 5:
[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2012/01/06/dlf_20120106_0937_f8d9fbcf.mp3[/podcast]

Calvin (Teil 3): Auf dem Weg zum Gottesstaat

Der dritte Teil der DLF-Serie über Johannes Calvin ist besser als der Titel vermuten lässt. Zum Einstieg wird Calvins Brief an Simon Grynäus zitiert, indem er sich sehr lobend über Martin Bucer äußert. Neben seiner Ehe wird der Abendmahlsstreit angesprochen. Viel Raum bekommt Calvins exzellentes Antwortschreiben an Kardinal Sadolet von 1539. Calvins Vorbehalte gegenüber einem zweiten Dienst in Genf werden treffend dargestellt.

Freilich wird im letzten Drittel Calvin die obligatorische Fundamentalismusschelte verabreicht. Zwar gibt es gute Gründe, die Rigorosität, mit der damals in das Leben der Städter eingegriffen wurde, infrage zu stellen. Festzuhalten ist aber auch, dass Calvin entschieden an der Unterscheidung zwischen dem irdischen und geistlichen Regiment festhielt (vgl. besonders Institutio, IV, Kapitel 20) und gleichzeitig die Erneuerung des geistlichen Lebens die Stadt Genf zur politischen und wirtschaftlichen Blüte führte. Philip Benedict resümiert in seinem Aufsatz über die Umgestaltung Genfs (Philip Benedict, „Calvin und die Umgestaltung Genfs“, in: M.E. Hirzel u. M. Sallmann (Hg.), 1509 – Johannes Calvin – 2009: Sein Wirken in Kirche und Gesellschaft, Theologischer Verlag Zürich, 2008, S. 26):

In weniger als drei Jahrzehnten hatte sich das gespaltene, recht unbedeutende regionale Handelszentrum Genf in eine Stadt verwandelt, die für ihre Bewunderer in ganz Europa wegen ihrer Gesetze und Kircheninstitutionen ein Vorbild war; von Freund und Feind wurde sie als bedeutendster Ausgangspunkt für die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung Europas anerkannt. Die Genfer Bevölkerung hatte sich verdoppelt, die Wirtschaft hatte eine Belebung erfahren. Vor allem aber hatte sich der Charakter der Stadt verändert. Verschiedene Eigenschaften Calvins helfen erklären, wie er einen so grossen Einfluss auf die Stadt, in der er sich immer als Fremder fühlte, ausüben konnte: sein juristisches Fachwissen; seine aussergewöhnlichen Bibelkenntnisse; was seine frühesten Biographen seine „wahrhaft prophetische Vehemenz“ nannten — die er auch in Disputen von Angesicht zu Angesicht über Fragen der Bibel oder des Rechts nicht bändigte, deren Ausgang so kritisch war, wenn Schlüsselthemen der Theologie oder der Kirchenorganisation diskutiert wurden —; das Ansehen, das er in anderen protestantischen Städten der Umgebung genoss und das er mobilisieren konnte, wenn lokale Stimmen ihn in Genf herausforderten. Es ist aber vor allem sein starkes Vertrauen, dass die von ihm vertretenen Ansichten nichts anderes darstellten als das reine Wort Gottes, verbunden mit seiner tiefen Furcht, dass das geringste Zugeständnis einer zügellosen Unordnung Tür und Tor öffnen könnte, das ihn dazu führte, auf seinem Standpunkt zu beharren, wenn man seine Lehren herausforderte.

Hier der DLF-Mitschnitt:

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Calvin (Teil 2): Erste Reformationsversuche in Genf

Hier der zweite Teil der DLF-Serie über Johannes Calvin. Diesmal geht es um seine Zeit in Basel und die ersten Begegnungen mit großen Theologen wie Bucer, Bullinger oder Capito sowie seinen ersten Aufenthalt in Genf. Einen Schwerpunkt bildet die Entstehung der Erstausgabe der Institutio von 1536.

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2012/01/03/dlf_20120103_0937_d8d1d834.mp3[/podcast]

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