Was ist evangelikaler Fundamentalismus?

Was ist Fundamentalismus? Und inwiefern kann man diesen Begriff auf konservative Christen anwenden? Gleich zwei Bücher sind vor kurzem zu diesem Thema erschienen. Der Theologe und Religionssoziologe Thomas Schirrmacher erklärt in seinem Buch, wie man sich selbst vor Fundamentalismus schützen kann. In der Broschüre des Theologen Reinhard Hempelmann (EZW-Texte 206) werden Herkunft und verschiedene Strömungen des Evangelikalismus analysiert. Beide Materialien stellt das Christliche Medienmagazin pro hier kurz vor: www.pro-medienmagazin.de.

Ich habe bisher nur das EZW-Heft von Dr. Hempelmann überfliegen können. Den historischen Teil finde ich, soweit gelesen, informativ und sachlich. Gern lass ich mir natürlich sagen (S. 35):

Im christlichen Fundamentalismus kommen Aspekte zum Tragen, die den Protestantismus von Anfang an bestimmt haben: die Orientierung am Wort Gottes (sola scriptura), die Konzentration auf das Elementare und Fundamentale, das unbedingte Vertrauen auf den einen Gott, der sich in Christus den Menschen zuwendet.

Dass das Zitieren von Bibelsprüchen »nicht selten zum Ersatz für das eigene Nachdenken« geworden ist, mag sein (S. 38). Leider finde ich neben vielen zutreffenden Beobachtungen auch theologische Vorurteile, wie zum Beispiel (S. 35):

Falsch an ihm [dem christlichen Fundamentalismus] ist, dass er die Vielfalt des biblischen Zeugnisses nicht hinreichend wahrnimmt, dass er die christliche Freiheit leugnet, dass er Stilfragen zu Grundsatzfragen macht. Falsch an ihm ist, dass er die Verbindung von Glaube und Vernunft nicht ausreichend berücksichtigt.

Auch der angeboten »Fundamentalismusbegriff« überzeugt mich nicht (S. 31):

Ein Grundprinzip fundamentalistischer Strömungen ist das Prinzip der Übertreibung. Einsichten des Glaubens werden so übertrieben, dass sie das christliche Zeugnis verdunkeln, ja verkehren. Dies bezieht sich zwar zuerst auf das gesteigerte Schriftprinzip – verbunden mit einem Verbalinspirationsdogma –, darüber hinaus aber auch auf andere Ausdrucksformen und Motive der Frömmigkeit.

Überraschend schwach finde ich folgenden Vorschlag (S. 38):

Um einen Wort- oder auch Geistfundamentalismus aufzubrechen und zu öffnen, bedürfte es einer tieferen Wahrnehmung des Verhältnisses von Wort und Geist. Der »Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig« (2. Kor 3,6), meinte Paulus. Fundamentalistische Strömungen sind blind für diese Unterscheidung zwischen Buchstabe und Geist, mit der Folge, dass die christliche Freiheit verdrängt, eingeschränkt und geleugnet wird.

War das das Anliegen von Paulus? War dieser »Aufbruch« die Errungenschaft des Protestantismus. Stellvertretend für andere zitiere ich hierzu Calvin (Institutio I, 9):

Wer die Schrift verwirft und sich dann irgendeinen Weg erträumt, um zu Gott zu kommen, der ist nicht eigentlich dem Irrtum, sondern der Raserei verfallen. So sind neuerdings einige Schwindelköpfe aufgetreten, die sich hochmütig für geisterfüllte Lehrer ausgeben — aber sie verachten alles Lesen der Schrift und machen sich über die Einfalt derer lustig, die nach ihrer Meinung an toten und tötenden Buchstaben hangen. Ich möchte nur fragen, was das denn für ein Geist sei, durch dessen Wehen sie so hoch daherfahren, daß sie die Lehre der Schrift als kindisch und unwesentlich zu verachten sich erkühnen! Sollten sie antworten, das sei Christi Geist, so ist das lächerliche Verblendung. Denn sie werden ja dann doch wohl zugeben, daß die Apostel Christi und die anderen Gläubigen in der Urkirche von keinem anderen Geiste erleuchtet gewesen sind. Aber dieser Geist hat keinen von ihnen die Verachtung des Wortes Gottes gelehrt, sondern sie haben nur größere Verehrung gelernt, wie ihre Schriften deutlichst bezeugen. So war es schon vom Propheten Jesaja vorhergesagt. Wenn er nämlich ausspricht: »Mein Geist, der in dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen nicht von deinem Munde weichen noch von dem Mund deines Samens ewiglich« (Jes. 59,21), so bindet er das Volk des Alten Bundes nicht an eine äußerliche Lehre, als ob es noch in den Anfangsgründen steckte, nein, er lehrt, das werde das rechte und volle Heil der neuen Gemeinde unter der Herrschaft Christi sein, daß sie nicht weniger durch das Wort Gottes als durch den Geist regiert würde! Hier wird deutlich, daß jene Windbeutel in schändlichem Frevel auseinanderreißen, was der Prophet zu unverletzlicher Einheit verbunden hat. Man muß hierzu noch beachten, daß Paulus, der doch bis in den dritten Himmel entzückt worden ist, nicht aufhörte, in der Lehre des Gesetzes und der Propheten fortzu schreiten, wie er denn auch den Timotheus, einen Lehrer von so einzigartiger Vor bildlichkeit, zum Festhalten am Lesen der Schrift ermahnt (1Tim. 4,13). Und wie denkwürdig ist das Lob, das er der Schrift darbringt, wenn er sagt, sie sei »nützlich zur Lehre, zur Ermahnung, zur Besserung, daß ein Knecht Gottes vollkommen sei …« (2Tim. 3,16)! Was ist es doch für ein teuflischer Wahn, von einer bloß zeitlichen und vorübergehenden Geltung der Schrift zu phantasieren – wo sie doch die Kinder Gottes bis zum äußersten Ziele führt! Auch sollten doch jene Schwärmer angeben, ob sie eigentlich einen anderen Geist empfangen haben als den, den der Herr seinen Jüngern verheißen hat. Ich glaube zwar, daß sie vom tollsten Wahn gequält sind – aber das in Anspruch zu nehmen, so toll werden sie doch nicht sein! … Das Amt des Geistes, der uns verheißen ist, besteht also nicht darin, neue und unerhörte Offenbarungen zu erdichten oder eine neue Lehre aufzubringen, durch die wir von der überlieferten Lehre des Evangeliums abkommen müßten – sondern sein Amt ist eben, die Lehre in uns zu versiegeln, die uns im Evangelium ans Herz gelegt wird!

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14 Jahre zuvor

Ein christlicher Fundamentalist ist unter anderem derjenige, der Jesus über andere Religionen stellt – wurde mir gesagt.
Bereits in einem der ersten Seminare an der Goethe-Universität Frankfurt wurde uns vom Dekan (Cheftheologe) der Evangelisch-Theologischen Fakultät zugesichert, dass wer an dieser Universität „Jesus über andere Religionen stellt“, hier „keinen Abschluss“ (Staatsexamen Lehramt) mache.
Ausgebildet sollen wir werden, wie man mit den „Waffen der historisch-kritischen Methode“ gegen den „christlichen Fundamentalismus“ vorzugehen denke, der im Übrigen an einer Universität „nicht geduldet“ werden könne.

Jürgen
14 Jahre zuvor

Danke, allein schon Calvins Zitat war die Lektüre wert! Im Allgemeinen wundert mich die Analyse des Herrn Hempelmann wenig. Ich denke, ich werde mir seine Veröffentlichung dennoch besorgen. Gibt’s ein PDF-Download oder kann es online gelesen werden?

Gruß, Jürgen

14 Jahre zuvor

[…] Was ist evangelikaler Fundamentalismus? | TheoBlog […]

14 Jahre zuvor

Hallo Ron!

Es ist zwar richtig, daß Hempelmanns Analyse nicht in allen Punkten ganz zutreffend ist – umgekehrt trifft Calvins Zitat aber auch Hempelmann nun wirklich ganz bestimmt nicht. Wenn Hempelmann eine „tiefere[n] Wahrnehmung des Verhältnisses von Wort und Geist“ anmahnt, dann doch nicht, um die Schrift zu verachten. Das müßte man ihm wirklich erst einmal nachweisen!

Ich würde im übrigen sagen, daß u.a. diese Verhältnisbestimmung von Wort und Geist sehr wohl ein Anliegen des Paulus war, um der Beschneidung „christlicher Freiheit“ Einhalt zu gebieten. Anders ließe sich schon alleine sein recht eigenwilliger und oft virtuoser Umgang mit den Schriften des Alten Testaments überhaupt nicht erklären. Wer hier schon meint, es werde einer Verachtung der Schrift das Wort geredet, übersieht, daß der Geist selbst im Neuen Testament ganz und gar nicht sklavisch am Wort hängt, sondern sich höchst lebendig daran bindet.

14 Jahre zuvor

Verstehe ich gut, dass Herr Hempelmann bemüht ist, eine vielleicht gerade für Außenstehende nachvollziehbare Analyse zu bringen.
Allerdings scheint er davon auszugehen, dass der Fundamentalismus tatsächlich als kritisch anzusehen ist und übernimmt damit doch die Bewertung, die in den hiesigen Medien oft vertreten wird. Ich finde es schade, dass die ursprünglich eher positiv anzusehende Feststellung des Fundamentalismus idR. nicht gesehen wird (Fundamente des christlichen Glaubens). Wenn es möglich wäre, müsste man für das Bedenkliche oder gar Abzulehnende in christlichen Kreisen ein anderes Wort finden.

14 Jahre zuvor

:

Eben so verstehe ich Hempelmann aber nicht. Ich glaube nicht, daß er Wort und Geist gegeneinander ausspielen will. Aber noch einmal: Paulus selbst hat eine höchst kreative Art, das Alte Testament zu zitieren und auszulegen – ich sage nicht willkürlich, ich sage kreativ. Und wenn ich Hempelmann richtig verstehe, dann geht es ihm beim Hinweis auf das Verhältnis von Wort und Geist darum, nicht sklavisch am Buchstaben zu hängen, sondern zum eigentlichen „Sinn des Buchstabens“ hindurchzustoßen. Daß Paulus mit dem Buchstaben das Gesetz meint, weiß Hempelmann sicherlich auch. Ich würde mich deshalb aber nicht darauf versteifen, daß Hempelmann in seiner eigenen Rede von Buchstabe und Geist wirklich diese Bedeutung im Blick hat, sondern daß es ihm um eine angemessene Schriftauslegung geht.

14 Jahre zuvor

:

Ich verstehe Hempelmann da so, daß er mit dieser Unterscheidung auf ein problematisches Schriftverständnis aufmerksam machen will, das einzelne Schriftaussagen aus dem Zusammenhang reißt, absolut setzt und/oder schlichtweg mißversteht. Sprich: er wendet sich gegen das, was der Volksmund (ich meine nicht den Literalsinn bei Luther etc.!) unter „wortwörtlicher Schriftauslegung“ versteht.

14 Jahre zuvor

:

Ich glaube, Du mißverstehst mich da gründlich. 😀

Für mich hat der Glaube an die leibliche Auferstehung nichts mit Fundamentalismus zu tun. Wenn das bei Hempelmann der Fall ist (wovon ich noch nicht überzeugt bin), muß man ihm deutlichst widersprechen – das heißt aber noch nicht, daß mit diesem Beispiel sein Hinweis auf das Verhältnis von Wort und Geist überhaupt berührt ist.

Mit dem im Volksmund (!) verbreiteten Verständnis von „wortwörtlicher Schriftauslegung“ habe ich auf etwas anderes abgezielt – meinetwegen, wenn man Lk 14,26 als Legitimation zum Mobbing von Familienmitgliedern verstehen würde.

14 Jahre zuvor

@Ron: Ich habe den Text leider auch nicht vor mir liegen, das erschwert die Sache etwas. Ich habe den Begriff „Biblizismus“ vermieden, weil auch er oft unterschiedlich verstanden wird – aber einigen wir uns einmal darauf. Was das Zitat von Hempelmann angeht, so würde ich sagen, daß es zumindest mißverständlich formuliert ist. Der Literalsinn (womit er mit „der Literalist“ ja zumindest anspielt) ist im reformatorischen Sinne ja zunächst einmal etwas entscheidend anderes als eine „wortwörtliche“ Auslegung im Sinne des Biblizismus, nämlich eine bedingte Abgrenzung etwa gegenüber dem allegorischen Schriftsinn. Wenn Hempelmann mit seinem Zitat darauf abzielt, daß jemand alle fünf Fundamentalentscheidungen des Fundamentalismus für unverhandelbar hält und zugleich den grundlegenden Aussagen des „Niagara Creed“ zustimmt, dann könnte ich ihm unter Umständen noch folgen. Mir ist aber nicht klar, ob Hempelmann es bereits als Kennzeichen des Fundamentalismus versteht, wenn man z.B. „nur“ das leere Grab alleine als gegeben voraussetzt. Ich kann mir bei ihm beim besten Willen nicht vorstellen, daß er… Weiterlesen »

14 Jahre zuvor

Hier sind zwei Zitate zum Thema seitens der Kirchenleitung: idea: „Bleibt die Frage: Wer ist eigentlich ein christlicher Fundamentalist?“ Huber: „Da ist es doch gut, sich an den Ursprung des Wortes „Fundamentalist“ zu erinnern: Der Ausdruck „The Fundamentals“ wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA für fünf Aussagen verwendet: 1. Die Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift, 2. Christi Jungfrauengeburt, 3. der Sühneopfertod Jesu, 4. die leibliche Auferstehung, 5. die Wirklichkeit der in der Bibel bezeugten Wunder.“ idea: „Zumindest Jungfrauengeburt und leibliche Auferstehung finden sich auch im Apostolischen Glaubensbekenntnis wieder.“ Huber: „Es gibt dabei aber ein gewisses Spektrum von Auslegungsmöglichkeiten, die sich angesichts der unterschiedlichen Darstellungen in der Bibel auch förmlich aufdrängen. Ohne jeden Interpretationsspielraum diese fünf Aussagen wortwörtlich bejahen zu müssen – das ist für mich Fundamentalismus! Ob jemand Christ ist oder nicht, entscheidet sich nicht an solch einfachen Antworten. Eine Kirche mit der Spannweite von Positionen, wie wir sie haben -, einschließlich der Evangelikalen – kann gar nicht fundamentalistisch… Weiterlesen »

14 Jahre zuvor

@Michael:

Eben um die Frage, die Huber da angesprochen hat, geht es mir: Zielt Hempelmann darauf ab, das Bekenntnis zu diesen oder einigen dieser fünf Aussagen bereits als Fundamentalismus zu bezeichnen, oder geht es ihm um die Feststellung, daß es Fundamentalismus ist, wenn das „Spektrum von Auslegungsmöglichkeiten“ bestritten und anderen eine und nur diese eine ganz bestimmte Definition aufgenötigt werden soll? Das wird aus den Zitaten, die ich bislang gelesen habe, nicht deutlich. In ersterem Fall hätte ich arge Bauchschmerzen, in letzterem würde ich ihm in gewisser Hinsicht durchaus zustimmen.

Die Aussagen von Präses Schneider finde ich im Vergleich mit den Festellungen Hubers dagegen wesentlich weniger intelligent.

ernst
14 Jahre zuvor

Interessante Diskussion – – aber mich erstaunt die Kritik an hempelmann: ich finde seine Ausführungen durchaus sinnvoll und abgewogen, denn – kein Zweifel: es gibt einen christlichen Fundamentalismus, auf den genau diese Kritk zutrifft, die Hempelmann hier artikuliert; – „dass [christlicher F.] die Vielfalt des biblischen Zeugnisses nicht hinreichend wahrnimmt, dass er die christliche Freiheit leugnet, dass er Stilfragen zu Grundsatzfragen macht“ – was ist daran nicht zutreffend? Das bringt die Sache durchaus auf den Punkt (ich konnte das selber schon erleben; man denke bspw. an Auseinandersetzungen zur Stellung der Frau oder auch die´7-Tage´-Schöpfungsauffassung…) -ob nun der angebotene F-Begriff überzeugt oder nicht ( wie lautet denn Deiner, Ron?), es kann , wie ich finde, nicht bestritten werden, dass es in der Tat ein Grundzug ist, „Einsichten des Glaubens (…) so [zu] übertrieben, dass sie das christliche Zeugnis verdunkeln“. -dass F. es mit den „Fundamenten“ zu tun hat, soll nicht bestritten werden, allerdings ist das allein aber auch ziemlich ungeeignet für… Weiterlesen »

ernst
14 Jahre zuvor

@Ron: mir ging es um das, was Hempelmann christlichen Fundamentalismus nennt, nicht um evangelikale Positionen! Beides mag vermischt werden, nicht zuletzt durch Medien, die teils in Unkenntnis, teils in diffamierender Absicht beides miteinander gleichsetzen. Ich möchte da differenzieren; zugegeben: das Spektrum ist weit und nicht eindeutig. Ob die „Unterscheidung zwischen Wort und Geist das Problem lösen“ kann, mag ich letztlich auch nicht entsc heiden, aber dass die Kriterien, die H. nennt, nicht aus der Luft gegriffen sind, scheint mir ganz offensichtlich zu sein. Zudem handelt es sich ja um hermeneutische Fragestellungen (insofern könnte man z.B.auch bei Schiller die Frage nach ´Geist´und ´Wort´ aufwerfen, nur nicht mit den gleichen Konsequenzen), und christlicher F. zeichnet sich auch dadurch aus, dass er da tendenziell zu wenig differenziert. Aber Hempelmann ging es nicht nur um das ´Schriftprinzip´, sondern er nennt ja auch „Ausdrucksformen und Motive der Frömmigkeit“, die durch Übertreibung gekennzeichnet seien – wer wollte ihm da ernsthaft widersprechen? Jedenfalls nicht, wer erlebt hat,… Weiterlesen »

Jürgen
14 Jahre zuvor

@ernst

Du sagst: „- kein Zweifel: es gibt einen christlichen Fundamentalismus, auf den genau diese Kritk zutrifft, die Hempelmann hier artikuliert;“

Das Dumme ist nur, dass die Differenzierung ausbleibt und, dass das Ergebnis dieser Pauschalisierung das ist, was in der öffentlichen Meinung haften bleibt, wie wir es hier vor kurzem durch die Beiträge des Herrn Detsch erfahren konnten. Insofern sind die Aussagen von Hempelmann wenig hilfreich.

Gruß, Jürgen

14 Jahre zuvor

Ich habe die Schrift von Dr. Reinhard Hempelmann bestellt, aber noch nicht erhalten. Aber schon 2005 (und davor) hat er die Unterscheidung zwischen Wort- und Geistfundamentalismus festgestellt: „Fundamentalismus ist eine Strömung innerhalb des konservativ geprägten Christentums. Für sein Selbstverständnis sind verschiedene Abgrenzungen charakteristisch: gegen den Feminismus, gegen die Evolutionslehre, gegen den Pluralismus, gegen die historisch-kritische Bibelauslegung. […] Für die gegenwärtige Wahrnehmung fundamentalistischer Orientierungen ist die Unterscheidung zwischen einem Wort- und einem Geistfundamentalismus von zentraler Bedeutung. Beiden gemeinsam ist, dass sie auf die menschliche Sehnsucht nach Vergewisserung und Sicherheit antworten. Der Wortfundamentalismus sucht rückwärtsgewandt die Glaubensvergewisserung durch den Rekurs auf das unfehlbare Gotteswort in der Vergangenheit. Der Geistfundamentalismus orientiert die Vergewisserung primär an sichtbaren Geistmanifestationen, die als unzweideutige Zeichen, ja Beweise der göttlichen Gegenwart angesehen werden (Heilungen, ekstatische Erfahrungen, …). Der Wortfundamentalismus sieht Christus preisgegeben, wenn Adam nicht als historische Person verstanden wird. Der Geistfundamentalismus meint, dass demjenigen etwas Entscheidendes im christlichen Leben fehlt, der nicht in Zungen redet. Der Wortfundamentalismus… Weiterlesen »

Jürgen
14 Jahre zuvor

@ Michael

Danke, sehr interessant.

@ Alle

Ich habe mir in Hinblick auf diese ganzen Ismen die Frage neu gestellt, was den nun das Gegenstück zu dem hier diskutierten Fundamentalismus-Begriffes ist: Liberalismus..? Oder was passt besser? Immerhin könnte man in dem hier diskutierten Kontext als einer vom Vergewisserungsdruck befreiter auftreten, also als Liberalist. Was meint Ihr..? 😉

14 Jahre zuvor

@Jürgen: Naja, Hempelmann würde für seine eigene Position wohl keinerlei -ismus gelten lassen. In der Regel dient die Benennung von -ismen ja als Abgrenzung gegen Positionen, die man in gewisser Weise als ideologisch belastet betrachtet, während man die eigene Position als ideologiefrei beschreibt. Das mag man solange gelten lassen, wie die Aussagen im Ungefähren bleiben. Spannend wird es erst dann, wenn z.B. die Frage nach dem leeren Grab ins Spiel kommt: Ist der Glaube daran Kennzeichen eines -ismus? Dann würde ich vehement Widerspruch einlegen, weil es durchaus eine starke Strömung innerhalb des (nicht nur evangelikalen) Protestantismus (gerade auch des landeskirchlichen) gibt, der eben diesen Glauben für unverzichtbar hält, während Fragen nach dem Verständnis der Schöpfungsberichte, der Historizität alttestamentlicher Vätergestalten etc. eher zweitrangig sind und hier bewußt ein Interpretationsspielraum offengehalten wird. Diese Strömung als fundamentalistisch zu bezeichnen, wäre in der Tat Liberalismus pur. Insgesamt bin ich mit der Definition von Hempelmann nicht zufrieden. Sie mag eine Diskussionsgrundlage für entscheidende Fragen innerhalb… Weiterlesen »

Jürgen
14 Jahre zuvor

@ Tobias

„In der Regel dient die Benennung von -ismen ja als Abgrenzung gegen Positionen, die man in gewisser Weise als ideologisch belastet betrachtet, während man die eigene Position als ideologiefrei beschreibt.“

Genauso empfinde ich die ganze Diskussion um das Thema.

Gruß, Jürgen

14 Jahre zuvor

Inzwischen habe ich den EZW-Text 206 erhalten. Vorläufig kann ich noch keine neue Strategie sehen, außer der, die „Gemäßigten“ unter den „Bibeltreuen“ zu veranlassen sich von den „Radikaleren“ zu distanzieren um auf diese Weise eine Spaltung des bibeltreuen Lagers und eine Isolierung der engagiertesten Evangelikalen (Gemeinden) herbeizuführen (Evangelikalismus und Fundamentalismus unterscheiden). Nichts Neues also – aber vielleicht funktioniert es ja diesmal. Dr. Margot Käßmann: „Fundamentalismus ist immer ein Problem.“ […] Alice Schwarzer: „Sie sehen den christlichen Fundamentalismus also nicht minder kritisch wie den islamischen?“ Dr. Margot Käßmann: „Selbstverständlich! Aber in Europa sind die christlichen Fundamentalisten in einer absoluten Minderheit. […] In Europa gibt es die weltweit liberalsten Christinnen und Christen.“ Bischöfin Dr. Margot Käßmann (Mai 2005, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, Interviewerin Alice Schwarzer, Margot Käßmann. Keine Lust, mich zu verstellen, EMMA 3/2005, http://www.emma.de) „Europa scheint von dem „fundamentalistischen“ Bazillus aufgrund des Zaubertranks „Säkularität“ weitgehend frei zu sein.“ Prof. Dr. Volkhard Krech (Juli… Weiterlesen »

ernst
14 Jahre zuvor

@Michael:es bringt wirklich nichts, ständig irgendwelche Zitate in die Runde zu streuen, die alles und nichts belegen. Zumal der Begriff, wie wir sahen, derart problematisch und ungeklärt ist, dass man offensichtlich von verschiedenen Positionen aneinander vorbeiredet.

14 Jahre zuvor

@ ernst: Dein Vorschlag?

14 Jahre zuvor

Zum Schluss vielleicht noch ein positives Zitat zur Debatte:

„Gratulation und herzlichen Dank, Dr. Hempelmann, können wir da als Evangelikale nur sagen. Evangelikale wie Nichtevangelikale in den Kirchen sollten diese Studie lesen und als Grundlage für intensivere Gespräche nutzen.“

Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, Sprecher für Menschenrechte der weltweiten Evangelischen Allianz
Dr. Frank Hinkelmann, Vorsitzender der Österreichischen Evangelischen Allianz
(Quelle: 2. Februar 2010, http://www.thomasschirrmacher.info/blog/dr-reinhard-hempelmann-schafft-eine-grundlage-fur-das-gesprach-mit-den-evangelikalen)

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