Bullinger: Vom Leiden unter einer gottlosen Obrigkeit

Heinrich Bullinger gibt Christen, die unter einer gottlosen Regierung leiden, folgende Ratschläge (H. Bullinger, Schriften III, S. 336–338):

Welche Gesinnung aber die Untertanen gegenüber solchen harten und grausamen Regenten oder Tyrannen hegen sollen, entnehmen wir einesteils den Lehren Davids, andernteils den Lehren Jeremias und der Apostel. David wusste genau, was für ein Mensch Saul war, ein gottloser und grausamer Räuber, doch floh er. Obschon sich mehrfach die Gelegenheit ergab, ihn zu töten, tötete er ihn nicht, sondern schonte den Tyrannen und ehrte ihn gar wie einen Vater [vgl. 1Sam 24; 26]. Jeremia betete für Jojakim und Zedekia, die nichtsnutzige Könige waren, und gehorchte ihnen, solange es nicht den Glauben betraf [vgl. Jer 32,16–25; 37,3; 42,2–4]. Als ich darüber sprach, dass man die Eltern ehren solle, habe ich mit der Schrift belegt, dass man gottlosen Geboten gottloser Menschen nicht gehorchen darf. Ebenso wenig steht es einer Obrigkeit zu, gegen das Gesetz der Natur und Gottes zu verstoßen und zu handeln. Die Apostelgeschichte lehrt, wie sich die Apostel gegen eine tyrannische Obrigkeit verhalten haben [vgl. Apg 4,18-21; 5,29-33].

Denen, die unter einer Tyrannenherrschaft leiden oder durch eine gottlose und verbrecherische Obrigkeit gegen jedes Recht und jede Ordnung verfolgt werden, möchte ich den folgenden Rat geben: Zuerst sollen sie bedenken, welcherart und wie groß ihre Sünden des Götzendienstes und der Unreinheit sind, die den strafenden Zorn Gottes wohl verdient haben. Danach sollen sie bedenken, dass Gott seine Geißel nicht zurückziehen wird, bevor die falschen Gottesdienste abgestellt und die verdorbenen Sitten gebessert worden sind. Vor allem muss also eine wahrhaftige Erneuerung des Glaubens sowie eine gewissenhafte Besserung der Lebensweise veranlasst und vollzogen werden. Außerdem gilt es, unablässig zu beten, dass Gott die Unterdrückten retten und dem Schmutz des Bösen entreißen wolle [vgl. Ps 40,3]. Denn dies rät den Unterdrückten der Herr selbst in Lukas, Kapitel 18, indem er ihnen verlässliche Hilfe und sofortige Befreiung verheißt [vgl. Lk 18,1–8]. Was aber und wie die Unterdrückten beten sollen, zeigen die Gebetsworte bei Daniel in Kapitel 9 und in der Apostelgeschichte, Kapitel 4 [vgl. Dan 9,4–19; Apg 4,23–31]. Den belasteten Seelen vermag auch zu helfen, was die ersten unter den Aposteln, Petrus und Paulus, gelehrt haben. Jener sagt [vgl. 2Petr 2,9.7]: »Es weiß der Herr die Seinen aus der Versuchung zu erretten, wie er auch Lot errettet hat.« Dieser spricht [vgl. 1Kor 10,13]: »Gott ist getreu. Er wird nicht zulassen, dass die Seinen mehr versucht werden, als sie es ertragen können, sondern lässt die Versuchung glücklich enden.« Es sollte einem auch die Gefangenschaft des Gottesvolkes in den Sinn kommen, das in Babylon während siebzig Jahren zurückgehalten wurde, und die wunderschöne Trostrede an die Gefangenen, die Jesaja in den Kapiteln 40 bis 49 verfasst hat. Wir 61′ sollen daran denken, dass Gott gut, gnädig und allmächtig ist und es ihm deshalb ein Leichtes ist, uns zu erlösen. Er hat verschiedene Mittel, uns zu befreien. Wir müssen nur darauf achten, dass wir die Tyrannen nicht durch unser sträfliches, schimpfliches und gottloses Leben stärken. Der Herr vermag die Herzen der Fürsten ganz plötzlich zu verändern – »Das Herz des Königs gleicht Wasserbächen in der Hand des Herrn, die er leitet, wohin er will« [Spr 21,1] –, so dass die, welche bis dahin äußerst grausam gegen uns waren, fortan gütig und mild sind, und die, welche bis dahin den wahren Glauben in grausamster Weise verfolgten, ihn nun aufs Glühendste lieben und mit großer Umsicht fördern.

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Matze
2 Jahre zuvor

Tiefgehende und gute Gedanken und herzlichen Dank für das Einstellen.
Was mit dem Abgleich zur aktuellen Situation mit Corona unter bibeltreuen Christen auffällt ist die große Spannungsbreite der Auslegungen der Schrift. Dies betrifft vor allem, ob die Corona Maßnahmen schon den Glauben einschränken und damit Widerstand erfolgen soll oder nicht. Für mich ist es nicht zu verstehen, dass Pastoren, die in vielen Fragen sehr nahe beieinander stehen so unterschiedliche Auslegungen haben, dass es zum massiven Streit kommt, der bis zu Feindschaft führt. Dass man in Sachfragen zu unterschiedlichen Schlüssen kommt ist klar und auch in Ordnung. Dass die Folge hier aber ist, dass man sich bei sonst so hoher theologischer Deckungsgleichheit so verstreitet verstehe ich einfach nicht.

Kann das jemand hier erklären und/oder gibt es schon ähnliches aus der Geschichte der Gemeinde Jesu Christi?

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