Die Schwärmintelligenz der Protestanten

Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD hat durch eine Umfrage ermittelt, wofür das Herz der Evangelischen Kirche auf EU-Ebende schlagen soll: sozialer Ausgleich, Gespräch zwischen den Religionen und eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen sind die gewünschten Hauptanliegen.

Reinhard Bingener beobachtet für die FAZ die EKD-Synode in Magdeburg, die sich dort dem Kampf für mehr Solidarität in Europa verschreibt. Gestern hat er für die Zeitschrift einen ersten klugen Artikel unter der Überschrift „Schwärmintelligenz der Protestanten“ veröffentlicht. Er berichtet nicht nur darüber, dass ein Antrag zur Abstimmung kommt, in dem über die Kürzung der bisherigen Zuschüsse für IDEA entschieden werden soll (FAZ vom 07.11.2016, Nr. 260 S. 6):

Bisher erhält das evangelikale Medium, das die Verlautbarungen der EKD schon lange kritisch bis äußerst kritisch begleitet, jährlich etwa 130 000 Euro von dieser. Manchen Synodalen sehen mit der Positionierung des Magazins in der Islam-Debatte inzwischen jedoch Grenzen überschritten. Das Medium nehme inzwischen eine Scharnierfunktion zwischen Rechtspopulisten und Evangelikalen ein, kritisieren sie.

Er berichtet auch, wie intensiv auf der Synode darüber diskutiert wird, wie sich die Kirche in Zukunft gegenüber Menschen verhalten soll, die AfD-Positionen vertreten oder gar der Partei angehören. Ausschließen möchte man sie vorerst nicht.

Eine Studie über Ressentiments in drei unterschiedlichen Kirchengemeinden habe überdies ans Licht gebracht, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen von Toleranz in den Gemeinden gebe und es sein könne, dass die Intoleranten mehr zu tragen bereit sind als diejenigen, die sich Toleranz groß auf die Fahnen schreiben:

Dass der Kirche der Blick allein auf Parteibücher nicht reichen dürfte, verdeutlicht auch eine kleine, qualitative Studie über Ressentiments in drei unterschiedlichen Kirchengemeinden. Über die Ergebnisse soll auf der Synode debattiert werden. Denn in der untersuchten Dorfgemeinde sind den Forschern Ressentiments gegenüber Homosexuellen oder dem Islam begegnet. Allerdings attestieren die Untersucher der Dorfgemeinde gleichzeitig ein „überraschend großes Verständnis für abweichende Positionen“. Die Studie bringt dies auf die Formel „tolerante Kultur der Intoleranz“. In der Großstadtgemeinde hingegen waren die Ansichten über Islam und Homosexualität im Kirchenvorstand pro- nonciert weltoffen. Jedoch würden dort abweichende Meinungen ausgegrenzt, stellt die Studie fest. Nach außen stehe diese Gemeinde für Pluralismus, nach innen sei sie jedoch homogen und konfliktlos. Die Autoren sprechen hier von einer „intoleranten Kultur der Toleranz“.

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12 Kommentare
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Johannes Strehle
7 Jahre zuvor

Die „tolerante Kultur der Intoleranz“ und die „intolerante Kultur der Toleranz“. „By George she’s got it“, möchte man meinen. (Eliza war lernfähig.) Dass der Mensch auf der Suche nach Bestätigung seiner Vorurteile auf die Realität stößt, ist normal, geradezu alltäglich. Dieser Abgleich zwischen Vorstellung und Realität ist ein wesentliches Merkmal eines mündigen Menschen. Wenn das allerdings in der GRÜNEN EKD-Kultur der Intoleranz passiert, ist es eine Sensation („überraschend“). Wer mit Pippis Virtual-Reality-Brille lebt, ist normalerweise optimal vor der Wahrnehmung der Realität geschützt. (GRÜN sein, heißt bekanntlich, nie erwachsen zu werden – hoher Schwärmintelligenzquotient) Selbstverständlich stellen die Forscher nicht ihre Definitionen und Kategorien in Frage. Der Dorfgemeinde wird in der Arroganz der GRÜNEN Denkungsart Intoleranz bescheinigt, obwohl die Forscher dort auf ein „überraschend großes Verständnis für abweichende Positionen“ stießen. Genau das ist im Sinne der Aufklärung Toleranz, während die Forscher es als „tolerante Kultur der Intoleranz“ bezeichnen. Was sind „Ressentiments gegenüber Homosexuellen oder dem Islam“? Wer Homosexualität für verkehrt hält und… Weiterlesen »

Stephan
7 Jahre zuvor

Ist es Aufgabe einer Kirche, insbesondere einer evangelischen Kirche, Politik zu machen? Es wird ermittelt, wofür das Herz der Evangelischen Kirche auf EU-Ebene schlagen sollte, und dabei werden nur weltliche Themen angerissen. Will die EKD eine politische Partei außerhalb der Parteienlandschaft darstellen?

Manche Berichte in der Idea gefallen mir auch nicht, aber wenn ich über derartige Berichte nachdenke, stelle ich oftmals fest, dass die Idea berichtet und selten wertet. Und dann steht auch mal ein Artikel Pro AfD neben einem Anti AfD, oder differenzierte Meinungen zu Streitthemen (Umgang mit Homosexualität) werden vorgestellt.
Wenn also Mittelkürzungen angedroht werden, dann heißt das doch, daß Stimmen, die die Haltung und Entscheidungen der EKD kritisieren, nicht mehr publiziert werden sollen. Bei diesem tollen Verständnis für Meinungsvielfalt schließt sich der Kreis – die EKD will Politik machen.

Die Kirchen bleiben leer und werden weiter wegsterben- Jesus wird nicht mehr verkündigt, sondern Politik und „Toleranz“ (zw. Intoleranz) bestimmen das Tagesgeschäft.

Richy
7 Jahre zuvor

Der Artikel heißt übrigens
Schwärmintelligenz der Protestanten.

Der Unterschied machts.
Hoffentlich wurde wenigstens der Rest genau gelesen

Johannes Strehle
7 Jahre zuvor

Falls idea den Evangelikalen wichtig ist,
wird der Antrag, idea den Zuschuss zu kürzen, keine Mehrheit finden.
Denn diejenigen in der EKD, die nicht nur ihre Theologie im Kopf haben,
sondern auch an Macht und Geld denken,
wissen um die Bedeutung ihres evangelikalen Fußvolks.
Aber was ist den Evangelikalen schon wichtig,
außer nicht den Anschluss zu verlieren.
Allerdings ärgern sich nicht nur Linke in der EKD über idea,
sondern auch Evangelikale und nicht zuletzt Freikirchler, – diejenigen, die lieber
im Dunkeln munkelten und nur ihre Selbstdarstellung verbreitet sähen.
Idea ist unverzichtbar. Ich finde idea journalistisch überzeugend,
auch wenn mir längst nicht alles gefällt.
Theoretisch wäre es mir lieber, wenn idea finanziell unabhängig wäre.
Aber praktisch freue ich mich über jeden EURO,
mit dem die EKD nicht Klo-Kampagnen und Luther-Events finanziert.

Johannes Strehle
7 Jahre zuvor

In der Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD
wurde zunächst einmal die Vertrauensfrage gestellt.
Glaube, Vertrauen gehören zur Kernkompetenz der Kirchen. Frage:
„Ich lese Ihnen nun einige öffentliche Einrichtungen und Organisationen vor.
Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie diesen eher Vertrauen oder eher kein Vertrauen
entgegenbringen.“ Bei dieser Fragestellung
kommt die Evangelische Kirche auf 52 Prozent „eher Vertrauen“,
das Bundesverfassungsgericht als Spitzenreiter dieser Umfrage auf 78 Prozent.
Ich habe noch nicht herausgefunden, ob die Synode dieses Ergebnis
eher zufriedenstellend oder eher nicht zufriedenstellend findet und ob sie
im letzteren Fall Handlungsbedarf sieht und vertrauensbildende Maßnahmen
beschlossen hat, um sich dem Wert des Bundesverfassungsgerichtes anzunähern.
Oder ob sie darauf setzt, dass die Events zum Reformationsjubiläum
das Vertrauen zur Evangelischen Kirche spürbar steigern.
Nach dem Gottvertrauen wurde nicht gefragt,
obwohl das für eine Evangelische Kirche möglicherweise die wichtigste Frage wäre.
Mein Vorschlag für die nächste Befragung: Vertrauen Sie eher
dem Gott der EKD oder dem Gott Luthers oder dem Gott Muhammads?

Christian B.
7 Jahre zuvor

Ergänzend noch das hier:
Evangelische Kirche sucht Konzept gegen Gender-Gegner
http://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/evangelische-kirche-sucht-konzept-gegen-gender-gegner-98479/

Der Atheist (oder Agnostiker?) Hadmut Danisch schreibt auf seinem Blog dazu:
„Die machen nicht mehr in Jesus und Gott und so, die machen jetzt Gender und wollen so eine Art evangelische Inquisition.

Wer glaubt an sowas?“

Es ist so traurig. Anstatt auf das Kreuz und Jesus als einzigen Weg zum Vater hinzuweisen, macht die EKD fast nur noch durch Anbiederung an den Zeitgeist auf sich aufmerksam. Herr, sei uns gnädig. Wir brauchen Reformation und Erweckung.

Johannes Strehle
7 Jahre zuvor

„Wir brauchen Reformation“
Wir brauchen Reformatoren.

Jutta
7 Jahre zuvor

Zitat:
„Wie von Hirschhausen schreibt, hatte der Reformator Martin Luther (1483–1546) Humor. „Aus einem traurigen Arsch kommt kein fröhlicher Furz“, habe er formuliert. Heute traue sich keiner mehr, über so einen Spruch zu lachen.“

.. man könnte sagen: es gibt bei der EKD gar keinen „Arsch“ mehr … denn nur wer den in der Hose hat .. hat auch was zu sagen … und den seichten Humor, der dort in der EKD und bei den heutigen „Kabarettisten“ anzutreffen ist, können sie sich in selbigen stecken ..

http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/mit-humor-fuer-das-reformationsjubilaeum-werben-99110.html

… bodenlos…

Christian B.
7 Jahre zuvor

: „„Wir brauchen Reformation“
Wir brauchen Reformatoren.“ –> Jo. Dem kann ich genauso zustimmen. 🙂

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