Joachim Küpper, Professor für Romanische Philologie und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin, hat in der WELT die Cancel-Culture wuchtig kritisiert. Er fragt auch, wie es soweit kommen konnte. Seine Antwort ist sehr interessant:
Wie konnte es dazu kommen, dass sich das Territorium der heutigen kulturellen Debatten zu einem Echoraum des puren Irrsinns entwickelt hat? Es gibt politische Megatrends mit langer Vorgeschichte, die hier konditionierend sind. Mit dem Christentum ist der Gedanke universeller Gleichheit in die Welt gekommen – ein Gedanke, der, trotz Nietzsche, für sich genommen zunächst einiges für sich hat. Als im 18. Jahrhundert der Glaube an die wörtliche Wahrheit der Bibel schwand und der industriell produzierte diesseitige Fortschritt einsetzte, wurde die Vorstellung einer Rückkehr ins verlorene Paradies säkular.
Nach einigen Geburtswehen war der Marxismus geboren, 1917 gelang es per Staatsstreich, den Gedanken in die Wirklichkeit zu zwingen. Nach dem von rechtsaußen gestarteten, gründlich gescheiterten Versuch, das kommunistische System mit Waffengewalt zu beseitigen, breitete es sich über die halbe Welt aus. Die Erfolge danach aber blieben mäßig. Es drohte Stagnation. Erst mit Kuba, dann mit diversen Eskapaden auf dem lateinamerikanischen Festland versuchte man, die Revolution von der Peripherie her in die Metropolen zu tragen. Auch das misslang gründlich.
Nach dem Scheitern einer schleichenden kommunistischen Machtergreifung 1973 in Chile stellte der für Internationales zuständige sowjetische Chefideologe Boris Nikolajewitsch Ponomarjow die Diagnose, die Linke könne in entwickelten Gesellschaften die Macht nicht erobern, wenn sie nicht zuvor die Diskurshoheit, vulgo: die Medien und die Universitäten, erobert habe. Theoretisch vorgedacht hatte dies Antonio Gramsci, das heißt eine weniger anrüchige Figur als der Moskauer Ideologieverantwortliche. Dies machte es der westlichen Linken möglich, das Programm der Eroberung des Überbaus, die Inversion des klassischen Marxismus, zu übernehmen.
Mehr hier, allerdings hinter einer Bezahlschranke: www.welt.de. Zu Antonio Gramsci ist hier etwas zu finden: www.evangelium21.net. Zu Antonio Gramsci und den Kulturmarxismus hat Hanniel mal einen Vortrag gehalten, der hier nachgehört werden kann: soundcloud.com.
Vielleicht passt das ja hierher, und leider Bezahlschranke:
https://www.welt.de/kultur/plus229682163/Thomas-Fischer-Als-wahr-gilt-heute-nur-noch-was-Gefuehle-erzeugt.html