Timothy Paul Jones hat im Februar 2023 am Seminar der Südlichen Baptisten (Louisville, Kentucky, USA) einen bemerkenswerten Vortrag über die Verteidigung des christlichen Glaubens gehalten (in der Fachsprache „Apologetik“). Ähnlich wie James R. Wood in seinem Aufsatz „Warum ich mich von Tim Kellers Apologetik abgenabelt habe“ (Glauben und Denken heute, Nr. 22/2022, S. 28–30), macht Jones darauf aufmerksam, dass die Apologetik nicht länger davon ausgehen darf, die Gesellschaft sei für die Option der christlichen Sichtweise aufgeschlossen. Die Zeit, in der die westliche Kutlur gegenüber dem Christentum hin- und hergerissen war, sei vorbei. Die Stimmung sei inzwischen so sehr gekippt, dass die Kirche für die Probleme in der Welt verantwortlich gemacht würde.
Timothy Paul Jones erwartet dabei interessanterweise nicht, dass die Apologetik viele Menschen überzeugt. Vielmehr sei sie notwendig, um den gesellschaftlichen Anspruch der christlichen Kirche zu verteidigen. Vor allem gebrauche Gott die „neue Apologetik“, um seine Kirche dafür zuzurüsten, beharrlich ihren Glauben trotz Gegenwind öffentlich zu praktizieren und verkündigen. Er schreibt („Brothers and Sisters, We Are All Apologists Now“, SBJT, Nr. 27/2, 2023, S. 110-127, hier S. 122):
Ich bin nicht sonderlich zuversichtlich Blick darauf, dass diese Argumente [für den christlichen Glauben] irgendeinen zeitgenössischen säkularen Progressivisten davon überzeugen werden, dass christliche Berufe und Praktiken gut für die Welt sind. Soweit man das heute beurteilen kann, haben die Entschuldigungen von Aristides, Justin und Athenagoras die kaiserliche Wahrnehmung des Christentums nicht verändert. Im zweiten Jahrhundert standen die schlimmsten Verfolgungen ja noch bevor. Warum also habe ich Ihnen diese antiken Beispiele angeführt? Und warum habe ich es gewagt, zu erklären, dass wir jetzt alle Apologeten sind? Nicht, weil ich erwarte, dass diese Praktiken jeden Säkularisten vom sozialen Nutzen des Christentums überzeugen werden. Sondern weil Gott uns durch Handlungen wie diese zu einer Gemeinschaft formt, die über den Aufstieg und Fall jeder Macht, die sich der Wahrheit Gottes widersetzt, hinaus Bestand hat. Was durch diese besonderen Handlungen wahrscheinlich Gestalt annimmt, ist nicht die Überzeugung der Welt, sondern die Formung eines Volkes – eines Volkes, das beharrlich seinen Glauben öffentlich praktiziert und verkündet.
Ich sehe die Dinge etwas hoffnungsoller als Jones und bete weiterhin für ein geistlichen Erwachen in Europa. Nichtsdestotrotz erkenne ich einen bedeutsamen Wahrheitsmoment in seiner Argumentation. Apologetik ist nicht nur für das Erreichen der Menschen draußen notwendig, sondern auch für die Zurüstung der Gemeinde. Und: Es wird uns in Zukunft etwas kosten, unseren Glauben öffentlich zu bekennen.
Der Aufsatz „Brothers and Sisters, We Are All Apologists Now“ kann hier heruntergeladen werden: SBJT-27.2-We-are-All-Apologists-Now-Timothy-P.-Jones.pdf.
Jones hat Recht! Aus westlicher Sicht, aus Sicht von uns alten weißen Männern kann es vermeintlich nur darum gehen, die eigenen Reihen zu schließen und versuchen, den eigenen Laden sauber zu halten.
Die meisten praktizierenden Christen weltweit sind aber nicht weiß, viele davon nicht mal Männer und sehr viele sehr jung.
Der christliche Glaube boomt tatsächlich, nur eben nicht bei uns. Dass wir im Westen in Zukunft nicht nur in Sachen „Erweckung“ kleinere Brötchen backen müssen, muss kein Nachteil sein.
Danke für den Blogbeitrag und verlinkten Artikel.
Bin Laie, daher vielleicht eine dumme Frage, aber gibt es in der Literatur nicht doch irgendwelche Argumentationsmuster/-ansätze, die theoretischer sind, als die genannten (eher) praktischen Aspekte?
Letztlich benötigt manche Gedankenführung etwas Zeit (in der Zeiteinheit Generationen), bis sie fruchtet, ihre Vorteile gegenüber der vorherrschenden Ideologie sichtbar wird?
Meine Meinung ist:
Für ein geistliches Erwachen in Europa ist es wichtig, dass die Menschen in Europa das absolute Gesetz Gottes akzeptieren und sich nicht als den göttlichen Gesetzgeber aufspielen.
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