Die Väterverunsicherung

Früher war klar: Der Vater ist das Familienoberhaupt und bringt dem Sohn Disziplin und Leistung bei. Heute gilt es schon als toxisch, wenn Väter ihre Jungs zur Männlichkeit erziehen. Das führt zu einer weitreichenden Verunsicherung im Blick auf das Selbstverständnis der Väter. Susanne Grautmann schreibt dazu in der FAZ:

Die Idealbilder, Vorstellungen und Anforderungen, die die Gesellschaft für moderne Familien und Väter formuliert, will er sich auf keinen Fall zum Maßstab machen. „Wenn ich mich umblicke, sehe ich so viele Familien, die sich so unter Druck setzen, alles perfekt hinzukriegen, dass sie am Ende komplett überfordert sind.“ Diesem Anspruch, alles richtig zu machen, will er genauso wenig gerecht werden wie dem Ideal des modernen Vaters: Erfolgreich im Job soll der sein, dazu ein Top-Vater und Partner, sportlich, gesund – das könne man doch gar nicht alles gleichzeitig erfüllen.

Ahnert weiß, woher die Überforderung kommt, die viele derzeit empfinden: „Das gegenwärtige Vaterbild weist nach wie vor viele Merkmale des alten auf, die der Versorgung und dem sozialen Status der Familie gelten. Zugleich ist es aber mit neuen Ansprüchen angereichert.“ Kurz: Mann soll nicht nur Karriere machen, sondern auch wickeln, vorlesen, Elterngespräche führen und kochen. Und dabei auch noch männlich herüberkommen. Aber was heißt das überhaupt? Alexander Cherdron, der selbst ein Buch über Väter und Söhne veröffentlicht hat, glaubt, dass die Verunsicherung umso tiefer greife, als die Männlichkeit an sich gerade in der Krise stecke. „MeToo“ und andere MachtmissbrauchsSkandale hätten ihre Spuren hinterlassen: „Viele Väter fragen sich, wie männlich sie eigentlich noch sein dürfen oder ob sie selbst auch Anteile toxischer Männlichkeit in sich tragen.“ Sie seien unsicher, wie sie sich verhalten sollen, um ein gutes role model für ihre Söhne abzugeben.

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Gibt es für Gläubige ein besonderes „Preisgericht“?

Der lutherische Pfarrer Martin Hoffmann hat kürzlich einen Vortrag über die Frage des gesonderten „Preisgerichts“ für Gläubige gehalten, den ich hier gern empfehle.

Worum geht es? In der Einleitung ist zu lesen:

In evangelikalen Kreisen wird seit einiger Zeit viel über das „Preisgericht“ diskutiert und geschrieben. Die Meinungen darüber weisen eine ziemliche Bandbreite auf, wie eine Flut von Internet-Informationen zum Stichwort zeigt. Im Wesentlichen geht es dabei um das Letzte Gericht am Ende dieser Welt und die biblischen Aussagen dazu. In diesen klingt scheinbar Widersprüchliches an. Einerseits sagt der Apostel Paulus, dass alle Menschen vor dem Richterstuhl Christi Rechenschaft über ihr Leben ablegen müssen:

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse (vgl. Apg 17,31; Röm 2,16; 14,10; Joh 5,29; Eph 6,8). 

Andererseits spricht unser Herr Christus selbst davon, dass die- jenigen, die an ihn als Heiland glauben, gar nicht erst ins Gericht kommen:

Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen (vgl. Joh 3,16+18).

Wie passt das zusammen? Um diese Frage dreht sich die Diskus- sion unter den Evangelikalen. Man hat verschiedene Überlegungen dazu angestellt. Sie laufen alle zusammen letztlich darauf hinaus, dass es neben dem allgemeinen Weltgericht noch ein besonderes Ge- richt für die Christusgläubigen geben müsse.

Dies bedeutet, dass Gläubige nicht vor dem Endgericht (dem großen weißen Thron; Offb 20,11) gerichtet werden. Aber trotzdem finden wir im Neuen Testament zahlreiche Stellen, die davon sprechen, dass Gläubige gerichtet werden. Um dieses Gericht näher zu beschreiben … wird es auch als „Preisgericht“ bezeichnet.

Dieses Preisgericht soll sich schon darin vom Endgericht unterscheiden, dass es zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet, nämlich unmittelbar nach der angeblichen Vorab-Entrückung der Gläubigen aus dieser Welt. Danach soll dann die tausendjährige Herrschaft der Gläubigen anbrechen, bevor das Weltende mit dem Endgericht kommt (dazu im Folgenden mehr).

Der verschriftlichte Vortrag kann hier heruntergeladen werden: THI2023-3_WEB-1.pdf.

Tom Holland: Warum ich meine Meinung über das Christentum geändert habe

Der Historiker Tom Holland war kirchlich sozialisiert, hat sich aber schon früh leise vom christlichen Glauben verabschiedet. Seit Jahren erzählt er allerdings davon, dass er das, was der Glaube an Jesus von Nazareth den westlichen Kulturen gebracht hat, immer mehr zu schätzen lernt. Er zeigt in seinen Büchern und Vorträgen die Geschichte des Westens ausgehend von seinem antiken und christlichen Erbe und begründet, dass „genuin christliche Traditionen und Vorstellungshorizonte auch in unserer modernen Gesellschaft sowie ihren vermeintlich universellen Wertesystemen allgegenwärtig sind – sogar dort, wo sie negiert werden: etwa im Säkularismus, Atheismus oder in den Naturwissenschaften“ (siehe hier).

Vor einigen Monaten hat Tom Holland in Rumänien einen Vortrag gehalten, in dem er in englischer Sprache sehr persönlich und verständlich schildert, warum sich seine Sichtweise auf das Christentum ändert. Der christliche Glaube habe die harten Machstrukturen der antiken Kulturen aufgebrochen und den Blick für die Nöte der Schwächeren geschärft und eine Kultur der Fürsorge hervorgebracht. Holland erklärt auch, dass er Anzeichen dafür sieht, dass der heidnische Traum vom starken Menschen (vgl. Nietzsche oder Hitler) wieder an Attraktivität gewinnt, wo sich der christliche Geist verflüchtigt.

Hier gehts zum Vortrag: www.youtube.com.

Interview mit Martin Mosebach

Martin Mosebach ist gläubiger Katholik. Thomas Ribi und Benedict Neff von der NZZ haben ihn interviewt mit ihren sehr klugen Fragen gescheite und teilweise zugespitzte Antworten entlockt. Besonders stark ist Mosebachs Kritik an der Moderne:

Konservativ kann man eigentlich nur vor einer Revolution sein; nach ihrem Erfolg ist das, was man bewahren wollte, verschwunden. Dann kann man sich nur noch an das halten, was immer gilt, ob die Zeitgenossen das anerkennen oder nicht. Wahrheit ist nicht davon abhängig, dass man ihr zustimmt. Ich bin davon überzeugt, dass es keine menschliche Autonomie gibt und dass deshalb die Forderung nach menschlicher Autonomie ein Wahn ist.

Aber auch dieser Absatz hat es in sich:

Ich möchte einfach nur richtiges Deutsch schreiben, sonst eigentlich nichts. Ich habe kein anderes Stilideal vor Augen, als Sprache nach ihren Gesetzen anzuwenden. Es geht mir immer nur um die grammatische Richtigkeit der Sätze, um das Vermeiden von Wortwiederholungen, die Suche nach dem genau passenden Ausdruck und das Beseitigen von Unverständlichkeiten. Stilfragen beschäftigen mich überhaupt nicht. Sie kennen den Satz von Buffon «Le style, c’est l’homme même». Man schreibt, wie man ist,und wie man ist, weiss man nicht, weil man sich nicht von aussen sieht.

Ayaan Hirsi Ali: Die Ideologie des Wokeismus greift um sich

In Gender-, Rassismus- und Klimafragen dominieren radikale Aktivisten die Debatten. Sie sind nicht an der Lösung der Probleme interessiert, sondern an der Umsetzung einer verheerenden Utopie, meint die Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali:

Was sich wie eine schöne und erstrebenswerte Utopie anhört, hat in Wahrheit fatale Folgen. In den USA und auch andernorts hat ein extremer Gender-Aktivismus, der auf dem Woke-Prinzip der Auslöschung aller Grenzen basiert, ein Angebot der genderbejahenden Gesundheitsversorgung geschaffen. Das klingt gut, denn wer würde Kindern in Schwierigkeiten nicht helfen wollen? In der Praxis bedeutet es jedoch, dass Minderjährige auf einen Weg der medizinischen Umwandlung gedrängt werden, der sogar Operationen einschliesst, in einigen Fällen ohne das Wissen, geschweige denn die Zustimmung ihrer Eltern.

Gleichzeitig wird erwartet, dass Schutzräume für Frauen, die Generationen von Feministinnen in langen Kämpfen erstritten haben, für biologische Männer geöffnet werden, einschliesslich Sexualstraftätern, die behaupten, sie seien in Wirklichkeit Frauen. Zwei fundamentale Errungenschaften der westlichen Zivilisation – die Rechte von Frauen und Kindern – werden im Namen einer woken Ideologie infrage gestellt.

Mehr: www.nzz.ch.

Weitere Kirchenprivilegien sollen fallen

Der Staat mischt sich immer stärker in das kirchliche Leben ein. Bisher erlaubt das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kirchlichen Arbeitgebern, Vorgaben zur privaten Lebensführung zu machen, wozu zum Beispiel die sexuelle Orientierung gehört. Der Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, passt das nicht. Sie fordert: „Solche weiter gehenden Rechte gehören abgeschafft.“ 

Die FAZ meldet:

Ataman spricht sich auch dafür aus, die sogenannte Kirchenklausel aus dem AGG zu streichen. Konfessionelle Arbeitgeber dürfen bisher die Religionszugehörigkeit als entscheidendes Kriterium für die Einstellung eines Bewerbers geltend machen. Die von Ataman vorgeschlagene europarechtskonforme Ausgestaltung würde dazu führen, dass Ausnahmeregelungen für Kirchen nur bei Pfarrern zum Tragen kämen, nicht aber bei Erziehern in konfessionellen Kindergärten oder Lehrern in entsprechenden Schulen.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Vergebung ohne Reue?

Es gibt einen Unterscheid zwischen der Vergebungsbereitschaft und dem Zuspruch der Vergebung. John Stott bringt das gut auf den Punkt:

In Lukas 17,3-4 wird eine ähnliche Lehre Jesu aufgezeichnet, jedoch mit einem wichtigen Zusatz: „Wenn dein Bruder oder deine Schwester gegen dich sündigt, so weise sie zurecht; und wenn sie es bereuen, so vergib ihnen. Auch wenn sie siebenmal an einem Tag gegen dich sündigen und siebenmal zu dir zurückkommen und sagen: ‚Ich bereue‘, musst du ihnen vergeben.“

Der Abschnitt im Matthäusevangelium konzentriert sich auf das Zurechtweisen eines Bruders; dieser Abschnitt im Lukasevangelium konzentriert sich eher auf das Vergeben. Wir sollen einen Bruder zurechtweisen, wenn er gegen uns sündigt; wir sollen ihm vergeben, wenn er bereut – und nur, wenn er bereut.

Wir müssen uns davor hüten, die Vergebung zu bagatellisieren. Obwohl Gottes Vergebung für uns und unsere Vergebung füreinander ganz unterschiedlich sind (da Gott Gott ist und wir nur Privatpersonen und außerdem Sünder sind), sind beide doch von der Reue abhängig. Wenn ein Bruder, der gegen uns gesündigt hat, sich weigert, Buße zu tun, sollten wir ihm nicht verzeihen.

Erschreckt Sie das? Es ist das, was Jesus gelehrt hat. Oh, wir müssen ihm in dem Sinne „vergeben“, dass unsere Gedanken ihm gegenüber frei von jeder Feindseligkeit und voller Liebe sind. Aber das ist nicht die christliche Vergebung. „Vergebung“ bedeutet mehr als das; sie beinhaltet die Wiederherstellung der Gemeinschaft. Wenn wir einem sündigenden und unbußfertigen Bruder die volle und innige Gemeinschaft mit uns selbst wiedergeben können, offenbaren wir nicht die Tiefe unserer Liebe, sondern ihre Oberflächlichkeit, denn wir tun das, was nicht zu seinem höchsten Wohl ist. Eine Vergebung, die die Notwendigkeit der Reue umgeht, entspringt nicht der Liebe, sondern der Sentimentalität.

Publikumsverachtung

Der öffentlichrechtliche Rundfunk in Deutschland hat sich verselbständigt. Er ist teuer, politisch einseitig und produziert immer mehr vom immer Gleichen, meint Hans-Hermann Tiedje: 

Und was ist mit Unparteilichkeit und Vielfalt, wo doch die Politiker der Linkspartei ständig auf Sendung sind? Eine Erklärung wäre: Linke behagen den Talkshow-Machern mehr als Rechte. Die Vielzahl von grünen Gästen spricht dafür. Der Meinungskorridor der Gäste wird zusehends schmaler. Liberal-konservative Intellektuelle sind kaum noch dabei.

Aber es gibt Artikel 5 des Grundgesetzes: «Eine Zensur findet nicht statt.» Wer’s glaubt, sehe bitte die ZDF-Nachrichtensendung «heute». Fast jeden Abend gelingt es der Redaktion, politische Tendenzberichte einzuschleusen. Und dann wieder die Sprache: Konsequent werden Klimakleber nicht als Straftäter (Straftatbestand Nötigung), sondern als Aktivisten oder Demonstranten verharmlost. Was hat das mit einer objektiven Nachrichtensprache zu tun? Nichts.

Ganz ernsthaft wird inzwischen die Frage gestellt, ob der öffentlichrechtliche Rundfunk, ein System ausser Kontrolle, eine Gefahr für die Meinungsfreiheit darstellt. Der Journalist Hans-Ulrich Jörges sagt: «Am Zustand der Deutschen Bahn und am Zustand des öffentlichrechtlichen Rundfunks erkennt man den Zustand der Bundesrepublik Deutschland.»

Mehr: www.nzz.ch.

Wer hält das Gendern auf?

Der Rechtschreibrat hat es nicht geschafft, die Einheitlichkeit der deutschen Sprache zu sichern. Dabei dient der Erhalt einer orthographischen Sprachnorm der leichten, zweifelsfreien und rechtssicheren Verständigung. Heiko Schmoll dämpft die Hoffnungen, die mit dem halbherzigen Beschluss des deutschen Rechtschreibrats verknüpft werden: 

Die Befolgung einer orthographischen Sprachnorm ist weder mit Bevormundung noch mit der Unterordnung unter einen autoritären Zwang zu verwechseln. Sie hat pragmatische Zwecke. Sie dient einer leichten, zweifelsfreien und rechtssicheren Verständigung. Geschriebene Sprache sollte idealerweise so formuliert sein, dass sie sich auch automatisiert übersetzen lässt.

Die Inseldiskussionen bestimmter universitärer Vertreter um die geeigneten Genderformen interessieren die Mehrheit der Bevölkerung nicht, die sich ausweislich von repräsentativen Umfragen gegen das Gendern ausspricht. Insofern kann es einen nur wundern, dass der Rechtschreibrat seiner Aufgabe, Sprachentwicklung zu beobachten, nur teilweise gerecht wird. Doch wenn es der Rat für Rechtschreibung nicht kann, wer dann? Ganz gewiss nicht der Duden, von dessen früherem Monopol nur er selbst etwas gehabt hat, nicht aber die deutsche Sprachgemeinschaft.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Mitarbeiter von Richards Dawkins glaubt jetzt

Josh Timonen war sich ganz sicher, dass Gott nicht existiert. Um andere davon zu überzeugen, schrieb er zusammen mit dem bekannten Neuen Atheisten Richard Dawkins das Buch Der Gotteswahn, das folgende dratischen Worte enthält  (Der Gotteswahn, 2007, S. 45):

Der Gott des Alten Testaments ist die unangenehmste Gestalt der gesamten Dichtung: eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.

Das Christian Network Europe meldete vergangene Woche, dass sich die Dinge für Josh Timonen inzwischen geändert haben:

Für Josh Timonen waren die Unruhen um George Floyd, einen von einem weißen Polizisten getöteten Schwarzen, in Verbindung mit den Abriegelungen der Covid-Pandemie das, was sein Leben dramatisch veränderte, sagt er in einem Interview mit Living Waters. Die Unruhen haben ihn aus der Bahn geworfen, da seine Bekannten und Freunde zum Teil daran teilnahmen und er sich von ihnen entfremdet fühlte. Und während alle drinnen bleiben mussten, hatten Timonen und seine Frau das Bedürfnis nach einer sozialen Gemeinschaft. Deshalb gingen sie in eine Kirche. Es waren keine moralischen Gründe, die sie dazu bewogen haben, eine Kirche aufzusuchen, sagt Timonen in dem Interview. „Wir dachten, vielleicht können wir von dort einige der sozialen Vorteile mitnehmen.“

In dem Interview mit Linving Waters erklärt Josh weiter, dass er durch ein Buch von Lee Strobel angeregt wurde, über den christlichen Glauben nachzudenken und inzwischen angefangen hat, seinen Atheismen zu hinterfragen und damit begann, die Bibel zu lesen und dem Evangelium zu glauben, auch wenn noch nicht alle Fragen geklärt sind. 

Hier: cne.news.

VD: BS

Mehr Gender Studies

Der Wissenschaftsrat hat Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in Deutschland verabschiedet. Wer der Meinung war, die Gender Studies in Deutschland seien zu sehr in den Vordergrund gerückt, wird in den Empfehlungen eines Besseren belehrt. Die FAZ schreibt: 

Die deutsche Geschlechterforschung ist zu schwach und zu provinziell, um im internationalen Maßstab mithalten zu können. Sie müsse darum unbedingt ausgebaut werden. Es brauche mehr unbefristete Professuren, eine verlässliche Grundausstattung für die hochschulischen Einrichtungen der Geschlechterforschung und insgesamt eine tiefere Vernetzung des Faches in der deutschen Forschungslandschaft. Vergegenwärtigt man sich die aktuelle gesellschaftliche Debatte um das Gendern von Sprache, die Kritik an binären Konzepten des Geschlechts und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, dann wäre es naheliegend, von dieser enormen öffentlichen Präsenz ihrer Themen auf eine entsprechende Stärke der Geschlechterforschung zu schließen. Doch der Wissenschaftsrat kommt in seiner Evaluation zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Geschlechterforschung spiele im deutschen Wissenschaftssystem quantitativ und institutionell eine eher marginale Rolle, ihre akademische Institutionalisierung sei prekär geblieben. 

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Geschichte und Offenbarung bei Karl Barth

Karl Barth forderte im Rahmen seiner theologischen Wende ein neues Hören auf das Wort Gottes. Die von ihm angestoßene Wort-Gottes-Theologie sah den eigentlichen Auftrag des Theologen darin, Gottes Wort zu hören und es zu verkündigen. In der ersten Auflage seines „Römerbriefs“ bekannte er eindrücklich, dass es ihm darauf ankommt, durch das Historische hindurch den Geist der Bibel zu erkennen (Vorwort zu ersten Auflage, Der Römerbrief 1922, 1984, S. V):

Die historisch-kritische Methode der Bibelforschung hat ihr Recht: sie weist auf eine Vorbereitung des Verständnisses, die nirgends überflüssig ist. Aber wenn ich wählen müßte zwischen ihr und der alten Inspirationslehre, ich würde entschlossen zu der letzten greifen: sie hat das größere, tiefere, wichtigere Recht, weil sie auf die Arbeit des Verstehens selbst hinweist, ohne die alle Zurüstung wertlos ist. Ich bin froh nicht wählen zu müssen zwischen beiden. Aber meine ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, durch das Historische hindurch zu sehen in den Geist der Bibel, der der ewige Geist ist.

Vierzig Jahre später schrieb Barth über seine Abkehr von der liberalen Theologie: „Irre geworden an ihrem Ethos [gemeint ist die sittliche Gesinnung seiner Lehrer, R.  K.], bemerkte ich, daß ich auch ihrer Ethik und Dogmatik, ihrer Bibelauslegung und Geschichtsdarstellung nicht mehr werde folgen können, daß die Theologie des 19. Jahrhunderts jedenfalls für mich keine Zukunft mehr hatte.“

Barth brach mit der Tradition seiner Lehrer. Der Ehrfurcht vor der Geschichte, charakteristisch für die Theologie des 19. Jahrhunderts, stellte er die Ehrfurcht vor dem Wort Gottes gegenüber. Das religiöse Bewusstsein wurde ersetzt durch die göttliche Offenbarung. Statt beim Menschen und seinem Reden und Denken über Gott anzuknüpfen, setzt Barth bei Gott und seinem Reden und Denken über die Menschen an. Er schrieb (Das Wort Gottes und die Theologie, 1925, S. 18):

Den Inhalt der Bibel bilden gar nicht Menschengedanken über Gott, sondern die rechten Gottesgedanken über den Menschen. Nicht wie wir von Gott reden sollen, steht in der Bibel, sondern was er zu uns sagt, nicht wie wir den Weg zu ihm finden, sondern wie er den Weg zu uns gesucht und gefunden hat … Das steht in der Bibel. Das Wort Gottes steht in der Bibel.

Hat diese Rückkehr zum Wort Gottes zu einer nachhaltigen Erneuerung der Theologie geführt? Wurde die kirchliche Verkündigung durch das Vertrauen auf die Offenbarung zu neuem Leben erweckt?

Für Karl Barth oder Emil Brunner war es ausgeschlossen, hinter die Einsichten der historischen Geschichtsauffassung zurückzugehen. Für sie ist die Bibel nicht die uns von Gott anvertraute Offenbarung, sondern lediglich das Zeugnis der Offenbarung. Zeugen sind wichtig. Zeugen irren aber auch. Und so wurde der Graben zwischen kritischer Bibelauslegung und Dogmatik sowie Dogmatik und Verkündigung nicht überbrückt. 

Pastor Wilhelm Jannasch (1888–1966) hat in seinem Aufsatz „Karl Barth und die Praktische Theologie“ (Theologische Literaturzeitschrift, 75. Jg., Nr. 1, Januar 1951, S. 2–16, hier S. 4–5) sehr gut herausgearbeitet, wie die Entkoppelung von Geschichte und Offenbarung die damals junge Theologengeneration massiv belastet hat. Jannasch schrieb über eine ihm zugegangene Barthsche Auslegung von Matthäus 28,16–20.

Es sieht zunächst so aus, als ob Barth tatsächlich dem kritisch erzogenen Theologen weit entgegenkäme. Gehört der behandelte Matthäustext auch in das neutestamentliche Zeugnis „vom Geschehen der vierzig Tage nach Ostern“ (S. 5), so ist nach Barth doch dieses Zeugnis so lückenhaft und widerspruchsvoll, daß es unmöglich ist, „eine Historie in unserem Sinne des Begriffs herauszuschälen“. Auch Matthäus redet nach Barth, „im Stil geschichtlicher Sage“, „ähnlich wie etwa die Schöpfungsgeschichte“ (S. 7). – „Ungefähr sagt das“ in diesem Falle der Neutestamentler auch; und der Student oder angehende Vikar, der solches bei dem Dogmatiker B. liest, wird vielleicht zunächst beglückt aufatmen und hoffen, daß die böse Kluft zwischen kritischer Auslegung und systematischer Besinnung hier überbrückt sei. Aber bei näherem Zusehen zeigt sich, daß Barths kritische Voraussetzungen einem negativen Vorzeichen vor einer eingeklammerten komplexen Größe gleichen, auf das wider alle Regeln bei der Rechnung keine Rücksicht genommen wird. Die so unwidersprechliche Feststellung, daß die österlichen Texte sich nicht harmonisieren lassen, bleibt im Grunde unbeachtet; es entsteht doch eine Art Geschichte der vierzig Tage nach Ostern, die nach Barths vorausgegangenen Erklärungen nicht entstehen dürfte, kurz, der Dogmatiker treibt schließlich lediglich seine eigene Exegese, statt dem Manne der kirchlichen Praxis wenigstens durch ein wirkliches Ernstnehmen der fachlichen Exegese von heut, die in Barths Meditation wohl zitiert, aber nicht eigentlich diskutiert wird, über den fatalen Eindruck hinwegzuhelfen, daß Dogmatiker und Neutestamentler zweierlei Neues Testament vor sich haben.

Dieser Eindruck aber bedeutet nach meiner Erkenntnis eine der schwersten Belastungen unserer jungen Theologengeneration, die entweder unter Ablehnung jeder Dogmatik, bewaffnet lediglich mit einer mehr oder minder einseitigen und kritischen Exegese, an ihre praktischen Aufgaben herangeht, oder die umgekehrt nach ihrer Dogmatik die Exegese reguliert. Das, was die Theologie und die jungen Theologen insonderheit brauchen, ist eine unermüdliche Erörterung dessen, was Barth in unserer Schrift auf den Seiten 6 und besonders 7 (unter 2) gegenüber einer bestimmten Form der neutestamentlichen Exegese in verhältnismäßiger Kürze und sehr viel eingehender in seiner Kirchl. Dogmatik (III, 2, Seite 531 ff.) gegen Bultmann speziell über den biblischen Sinn des Osterereignisses ausgeführt hat. Ich möchte es fast für glücklich halten, daß es an unserer Stelle ohne das Stichwort „Entmythologisierung“ geschieht; so wird deutlich, daß es sich letztlich bei dem heutigen Dissensus in Sachen der neutestamentliehen Exegese um die Frage dreht, ob das Geschehen, das im neutestamentlichen Kerygma vorausgesetzt ist, für uns mehr oder minder belanglos bleibt, weil die Deutung der alten Gemeinde im Vordergründe steht, oder ob vielmehr dies Geschehen selber so entscheidend ist, daß auch der Glaube der späteren Gemeinde von ihm begründet und geformt wird, so daß die Einmaligkeit dieses wirklichen Geschehens (S. 6) auch für die heutige Verkündigung in der Gemeinde gar nicht stark genug betont werden kann.

Gott steht hinter seinem Wort

Hans von Campenhausen sagt in seinen Ausführungen zu Luthers Beichtverständnis (Hans von Campenhausen, „Die Schlüsselgewalt der Kirche“, EvTh 1937 (4), S. 143–169, hier S. 149):

Gott steht weder hinter dem Meinen noch hinter dem Fühlen des eigenen Herzens, sondern hinter seinem Wort. Darum findet ein Mensch, der sich auf seine eigenen Überzeugungen und Empfindungen stützen möchte, niemals den Frieden und niemals die Vergebung. Er verzehrt sich höchstens in immer neuen sittlichen Anläufen und Versuchen zur Selbsterziehung, die ihn doch nicht besser und nicht frei und nicht froh machen.

Kierkegaards Lob der orthodoxen Sündenlehre

Obwohl Sören Kierkegaard der existentialistischen Theologie, etwa Rudolf Bultmann, wichtige Gedankenanstöße geliefert hat, waren für ihn die Lehrpunkte der christliche Kirche nicht Vergegenständlichungen von Existenzerfahrungen wie für die Theologen im Gefolge Schleiermachers. Wunderbar deutlich wird das aus einem Abschnitt über das Dogma der Erbsünde (Die Krankheit zum Tode, 2005, S. 133–134). (Hinweis: Wenn er hier von orthodoxer Dogmatik und Orthodoxie spricht, meint er nicht die Lehre der östlichen Kirchen, sondern die „rechtgläubige Lehrbildung“ im Anschluss an die Reformation.)

Er schreibt:  

Daß dies so ist, ist etwas, wofür die orthodoxe Dogmatik und die Orthodoxie überhaupt beständig gekämpft hat und als pantheistisch jede Definition der Sünde abgewiesen hat, die diese nur zu etwas bloß Negativem, zu Schwachheit, Sinnlichkeit, Endlichkeit, Unwissenheit und dergleichen machte. Die Orthodoxie hat sehr richtig gesehen, daß hier die Schlacht geschlagen werden muß, oder um an das Vorangegangene zu erinnern, daß hier das Ende befestigt werden muß, daß es hier gilt, zurückzuhalten; die Orthodoxie hat richtig gesehen, daß das ganze Christentum, wenn die Sünde negativ bestimmt wird, ohne Halt ist. Darum schärft die Orthodoxie ein, daß eine Offenbarung Gottes da sein muß, um den gefallenen Menschen zu lehren, was Sünde ist welche Mitteilung dann, ganz konsequent, geglaubt werden muß, da sie ein Dogma ist. Und es versteht sich, das Paradox, der Glaube, das Dogma, diese drei Bestimmungen bilden eine Allianz und Übereinstimmung, die der sicherste Halt und ein Bollwerk gegen alle heidnische Weisheit sind.

Das Paradox bei Kierkegaard ist nach wie vor ein Stein des Anstoßes, über den viel zu diskutieren ist. Klar ist aber, dass eben für Kierkegaard es (a) keinen christlichen Glauben ohne Erbsündenlehre geben kann, (b) die menschliche Vernunft aus eigenem Vermögen die Tiefe der Sünde nicht zu erschließen vermag (also auch die Daseinsanalyse an Grenzen stößt) und schließlich (c) Sünde nicht als Mangel (Negation) gesehen werden darf. Diese scharfe Absage an die spekulative Dogmatik und Vermittlungstheologie sollten wir uns in einer Zeit, in der auch in Bekenntniskreisen die Lehre von der Sünde verflacht, zu Herzen nehmen.

Seht unsern Gott

VM Seht unsern Gott Mockup

Das beliebte E21-Liederbuch Seht unsern Gott enthält 136 Lieder, darunter alte Kirchenlieder, bewährte Hymnen sowie neue Anbetungslieder, die Gemeinden, Kleingruppen und einzelne Christen dazu ermutigen sollen, ihren Gesang und ihr ganzes Leben auf Gott auszurichten. Das Buch war jetzt einige Monate vergriffen. Inzwischen kann die dritte Auflage bestellt werden. Im Vergleich zu früheren Auflagen wurden keine Änderungen an den Nummern oder den beinhalteten Liedern gemacht, sodass unterschiedliche Auflagen auch gleichzeitig genutzt werden können. 

Hier: verbum-medien.de.

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