Twitter- und Facebook-Theologie

Geistliche nutzen den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter (Gezwitscher) vor allem dazu, sich über Sport auszutauschen. Dagegen seien Fürbitte oder Gebete um Gottes Hilfe in einer schwierigen Situation kaum zu finden, meldet die Nachrichtenagentur idea mit Verweis auf einen Beitrag, den Scot McKnight für das Online-Magazin Out of Ur geschrieben hat. McKnight sagt dort:

Pastors tweet quotes from their reading, and inform us of what they are reading. Sunday tweets tend to be gratitude tweets. We also regularly discover who is meeting with whom (and the »whom« is always a notch above the »who«), or where someone is traveling. We hear about accomplishments but almost never any failures or disappointments, making the Twitter world largely a happy face community.

Meiner Erfahrung mit Twitter und Facebook entspricht das nicht. Ich entdecke bei meinen Twitter-Partnern häufig Verweise auf geistliche Texte und Anliegen. Zudem fände ich es furchtbar, wenn so öffentliche Medienkanäle wie Twitter oder Facebook für den regelmäßigen Austausch von Gebetsanliegen, Sündenbekenntnissen oder Leidensgeschichten genutzt werden würden. Erstens klärt man solche Dinge nicht über Kurzbotschaften und zweitens ist hier die Achtung der Privatsphäre, wie sonst auch, geboten!

Nicht jedes Medium ist eben für jede Sache geeignet. Noch immer liebe ich Alan Jocobs Leitspruch:

Right now, and for the foreseeable future, the blogosphere is the friend of Information but the enemy of thought.

nachtstudio: Gehet hin in alle Welt!

In der kommenden Nacht strahlt das ZDF um 00:55 Uhr eine Sendung zum Thema »Mission« aus. In der der Ankündigung des öffentlich-rechtlichen Senders heißt es:

Während sich in Deutschland die Kirchenaustritte häufen, erleben christliche Prediger in Afrika, Lateinamerika und Asien ungeahnten Zuspruch. Auch evangelikale Jugendorganisationen in Deutschland, wie z. B. „Jugend mit Mission“ werben erfolgreich junge Gläubige, die bereit sind das Evangelium weltweit zu verkünden. Dass sie sich dabei in Lebensgefahr begeben, wie die Ermordung zweier junger Frauen im Jemen zeigte, ist die tragische Kehrseite ihres missionarischen Auftrages. Welche Formen von Mission heute können sich auf den Missionsauftrag in der Bibel berufen und welche sind kritisch zu betrachten?

Die Ursprünge der Mission standen im Zeichen der Kolonisierung: Sie diente dem politischen Kalkül der Kolonialmacht. Aber gleichzeitig setzte mit den Missionsschulen auch ein Bildungsprozess ein, der gerade in Afrika die Befreiungsbewegungen in Gang setzte. Heute begreifen die Missionswerke der katholischen Kirche und der evangelischen Kirchen Mission als tätige Hilfe: Wie erlebte eine deutsche Nonne die Nachwirkungen des Kolonialismus, während sie ein Krankenhaus in Tansania aufbaute? Wie kann Mission, eine Botschaft der Nächstenliebe transportieren in einer Welt des Hungers und des Krieges?

Stimmt es, dass »die Ursprünge der Mission« im Zeichen der Kolonisierung standen? Für die Neuzeit mag zutreffen, dass bei einigen (überwiegend katholischen) Projekten Mission und Kolonisierung Hand in Hand gearbeitet haben. Man denke aber an die kleine Gemeinde in Jerusalem. Die christliche Mission begann im ersten Jahrhundert, ganz ohne politisches Kalkül.

Wenn die Sendung zu einer angenehmeren Zeit ausgestrahlt würde, wäre ich wohl dabei. So werde ich das Bett bevorzugen. Morgen ist ein ganz normaler Arbeitstag.

Hier mehr: www.zdf.de.

Kierkegaards Sprung (Teil 1)

Das kurze Leben eines Genies

Kierkegaard2.jpgSören Kierkegaard wird am 5. Mai 1813 als jüngstes von sieben Kindern geboren. Sein Vater, ein wohlhabender Wollwarenhändler, ist bereits 57 Jahre alt. Seine Mutter und fünf seiner Geschwister sterben innerhalb weniger Jahre.

Von 1830 bis 1840 studiert Kierkegaard an der Universität Kopenhagen Philosophie und protestantische Theologie. 1841 hört er auch Vorlesungen bei Friedrich Schelling (1775–1854) in Berlin, wendet sich nach anfänglicher Begeisterung jedoch schnell wieder von ihm ab. Kierkegaard lernt gemächlich (über zwanzig Semester bis zu seinem Examen) und genießt das Kulturleben in vollen Zügen. Bei seinen Kommilitonen ist er für seine Schlagfertigkeit und den »bissigen Witz« bekannt. Gern besucht er die Theater und Salons Kopenhagens. Am 8. Dezember 1937 schreibt er in sein Tagebuch: »Ich denke, wenn ich einmal ein ernster Christ werde, dann werde ich mich am meisten darüber schämen, dass ich dies nicht früher geworden bin, sondern alles andere versuchen wollte.«

1837 verliebt sich Sören in die fünfzehnjährige Regine Olsen (1823–1904). Eine 1840 eingegangene Verlobung wird von Sören 1841 überraschend aufgelöst. Der genaue Grund liegt bis heute im Dunkeln. Die gescheiterte Liebesbeziehung wirkt katalysierend auf Kierkegaard’s einsamen Kampf gegen das etablierte Christentum.

Während dieser Zeit beschäftigt sich Kierkegaard intensiv mit den Werken von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) und promoviert über das Thema »Über den Begriff der Ironie mit mit steter Bezugnahme auf Sokrates«.

Als sein Vater 1838 starb, hinterließ er seinem Sohn ein beträchtliches Erbe. Bis Ende der 40er Jahre kann Kierkegaard so ein gut situiertes Leben als freier Schriftsteller führen. 1843 veröffentlicht er unter dem Pseudonym Victor Eremita sein Hauptwerk Entweder – Oder. Das Buch, das ihn über Nacht (in Kopenhagen) berühmt macht, enthält das berüchtigte »Tagebuch eines Verführers«, in dem er mittelbar seine unglückliche Liebe zu Regine aufarbeitet. Im Verlauf der nächsten zwölf Jahre publiziert er pseudonym oder unter eigenem Namen zahlreiche Bücher, Streitschriften, erbauliche Predigten und Flugblätter. Kierkegaard verwickelt sich dabei in erbitterte Auseinandersetzungen mit der lutherischen Kirche Dänemarks, die für ihn augenfällig durch den Bischof Jakob Peter Mynster (1775–1854) verkörpert wird.

Am 2. Oktober erleidet Kierkegaard einen Schlaganfall und bricht in Kopenhagen auf der Straße zusammen. Da sich sein Zustand nicht bessert, wird er in das Frederiks Hospital überführt. Die Ärzte ahnen, dass das Ende gekommen ist. Der letzte verbliebene Freund, Emil Boesen, darf ins Sterbezimmer und fragt Kierkegaard, ob er im Frieden zu Gott beten könne. Kierkegaard bejaht: »Ja, das kann ich; ich bitte denn zuerst um die Vergebung der Sünden, daß alles vergeben sein möge.« Er gibt Boesen noch eine Bitte mit auf den Weg: »… grüß alle Menschen, ich bin ihnen allen insgesamt sehr zugetan gewesen …«.

Als einen Tag später sein Bruder Peter Christian eintrifft, verweigert Sören ihm das Gespräch. Auch das Abendmahl will er im Sterbebett nicht aus der Hand eines Geistlichen empfangen. Am 11. November 1855 stirbt er, bereits im Koma liegend, im Alter von nur 42 Jahren.

Bei Kirchgang Lebensgefahr!

Deutschlandradio Kultur hat heute über die weltweit zunehmende Christenverfolgung berichtet und dabei auch das Jahrbuch zur Christenverfolgung erwähnt. Es heißt unter anderem:

Auch was derzeit im Irak geschieht, sind keine Einzelschicksale. Denn in den letzten zehn bis zwanzig Jahren sind Christinnen und Christen überall in der Welt immer mehr zur Zielscheibe von Übergriffen geworden: in muslimischen Ländern wie Irak, Iran, Sudan, Ägypten oder der Türkei ebenso wie in den wenigen verbliebenen kommunistischen Ländern: in Nordkorea, China und Vietnam etwa. Aber auch im hinduistischen Indien und im buddhistisch geprägten Sri Lanka gibt es brennende Kirchen und massive Verletzungen der Religionsfreiheit.

Schirrmacher: »Eine der grundlegenden Veränderungen ist, dass in den Sechziger-, Siebzigerjahren die Hauptverfolgung gegen alle Religionen, auch gegen das Christentum, von nicht religiösen – also von atheistischen Regierungen etc. ausging – während heute die Hauptverfolgung von Religionsgemeinschaften von Religionen selber ausgeht. Das ist statistisch gesehen eine ganz große Verschiebung und gibt dem ganzen natürlich auch eine ganz andere Dimension.«

Der Theologe Thomas Schirrmacher, der von einer neuen Dimension der Verfolgung spricht, ist Leiter des kleinen Internationalen Instituts für Religionsfreiheit in Bonn, Sprecher für Menschenrechte in der konservativen Weltweiten Evangelischen Allianz und einer der bekanntesten evangelikalen Fürsprecher verfolgter Christen.

Hier mehr: www.dradio.de.

Calvin zum zweiten Gebot

Die Institutio zum zweiten Gebot (II,8,16):

»Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, noch des, das im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht …«

Wie Gott im vorigen Gebot kundtat, daß er der eine ist, außer welchem keinerlei andere Götter zu denken oder zu verehren sind, so gibt er jetzt deutlich zu verstehen, was für ein Gott er ist und welcher Gottesdienst ihm zu seiner Verehrung wohlgefällt, damit wir ihm nicht etwas Fleischliches anzudichten wagen! Die Absicht dieses Gebotes geht dahin, daß er seine rechte Verehrung nicht durch abergläubische Gebräuche entweihen lassen will. Deshalb will er uns — und das ist im wesentlichen der Inhalt des Gebots — von allen fleischlichen Vorstellungen, die unser Sinn, wenn er Gott nach seiner eigenen, groben Art denken will, notwendig aufbringt, gänzlich wegrufen und abziehen und uns zu dem rechtmäßigen Gottes­dienst, der da geistlich ist und den er selbst angeordnet hat, bereit machen. Das scheußlichste Laster, das bei der Übertretung dieses Gebots eintreten kann, nennt er mit Namen: den offenen Götzendienst.

Kierkegaards Sprung

Kierkegaard.jpgÜber den dänischen Philosophen Sören Kierkegaard (1813-1855) gibt es sehr viel zu sagen. Er hielt sich für ein Ausnahmetalent (und war es auch). Er führte ein furchtbar verwirrtes Leben. Er misstraute allem, was vor ihm in der Philosophie behauptet worden war. Er verlagerte das Denken vom Allgemeinen und Objektiven weg in das wirkliche Leben des Einzelnen. Und er erklärte den Menschen in den protestantischen Kirchen, was es bedeutet, an Jesus Christus ›entschieden‹ zu glauben.

Ich will hier über Kierkegaard nur wenig sagen. In einer kleinen fünfteiligen Reihe werde ich mich mit seinem »Sprung« auseinandersetzen. Die Reihe enthält folgende Teile:

  1. Das kurze Leben eines Genies
  2. Der Sprung als leidenschaftliche Entscheidung
  3. Wider die leidenschaftslose Theologie
  4. Die drei Ebenen des Glaubens
  5. Dürfen Christen ihren Glauben durchdenken?

Ich verzichte bei den einzelnen Blogbeiträgen auf die Angabe von Quellen, werde aber später das Skript mit den Literaturangaben zur Verfügung stellen.

Augustinus hat heute Geburtstag

augustinus.jpgDer Kirchenvater Augustinus wurde am 13. November 354 in Thagaste (im Norden des heutigen Algerien) geboren. Eine gute Gelegenheit, etwas aus seinem Leben zu erzählen. Ich überlasse das Possidius von Calama (ca. 370–437), einem Mönch und Bischof, der als Schüler und Wegbegleiter des Augustinus von Hippo zwischen 431 und 437 einen Lebensbericht über seinen Lehrer geschrieben hat.

Possidius erzählt uns in seiner Vita Augustini (Kap 5), wie sich unter dem Einfluss des Kirchenvater ein Kloster entwickelte:

Bald nach seiner Priesterweihe richtete Augustinus auf dem Kirchengrundstück ein Kloster ein. Hier begann er mit den Dienern Gottes ein gemeinsames Leben nach der Art und Lebensform der heiligen Apostel zu führen (vgl. Apg 2,44; 4,35; 5,4). Besonderer Wert wurde darauf gelegt, daß niemand in dieser Gemeinschaft persönliches Eigentum besitze. Vielmehr sollte allen alles gemeinsam sein und einem jeden sollte nach Bedarf zugeteilt werden. So hatte er selbst schon gelebt, bevor er aus Italien in die Heimat zurückkehrte.

Der heilige Valerius, der ihn geweiht hatte, ein frommer und gottesfürchtiger Mann, freute sich sehr (vgl. Ps 9,3; 149,2; Lk 1,47). Er dankte Gott, daß er seine Bitten erhört habe (vgl. Gen 30,17; Tob 3,24; Jer 14,12). Später erzählte er, er habe sehr oft zu Gott gebetet, daß ihm ein solcher Mann von Gott geschickt werde, der in der Lage sei, die Kirche des Herrn durch Verkündigung des Wortes Gottes (vgl. Mt 16,18; Apg 9,31) und durch heilsame Lehre aufzubauen. Er selbst sehe sich dazu weniger in der Lage, da er, von Herkunft Grieche, die lateinische Sprache weniger gut beherrsche und ebenso in den Wissenschaften nicht ausreichend unterrichtet sei.

Er räumte darum dem Priester Augustin das Recht ein, in seiner Gegenwart in der Kirche über das Evangelium zu predigen und es so kontinuierlich zu erklären (vgl. Mt 4,23; Mk 16,15; 1 Kor 9,18). Das war gegen den üblichen Brauch der afrikanischen Kirchen. Manche Bischöfe erhoben dagegen Einspruch.

Aber jener verehrungswürdige und umsichtige Mann wußte sicher, daß dies in den östlichen Kirchen fester Brauch war. Einzig das Wohl der Kirche im Auge, ließ er sich von den Stimmen der Kritiker nicht beeindrucken. Er hielt nur fest, daß nun von einem Priester das getan wurde, was er, wie er sah, als Bischof zu tun nicht mehr imstande war. So leuchtete Augustinus wie eine brennende Lampe, die auf einen Leuchter gestellt wurde, allen im Hause (vgl. Mt 5,15). Die Angelegenheit sprach sich bald weit herum. Das ihnen präsentierte gute Beispiel ahmte deshalb eine Anzahl von Bischöfen nach und sie erlaubten einigen Priestern, in ihrer Gegenwart dem Volk das Evangelium zu erklären.

Quelle: Wilhelm Geerlings (Hg.), Possidius: Vita Augustini, Schöhningh 2005.

Der Christ und die Welt

Dietrich Bonhoeffer:

Es gibt keinen Rückzugsort des Christen von der Welt, weder äußerlich, noch in der Sphäre der Innerlichkeit. Jeder Versuch, der Welt auszuweichen, muß früher oder später mit einem sündigen Verfall an die Welt bezahlt werden.

Denker ohne Punkt und Komma

Slavoj_Zizek.jpgSlavoj Žižek ist einer jener Berufsintellektuellen, die vor allem unerwartet sein wollen, ein Hysteriker wider den Zeitgeist. In dem Film »Žižek!«, der über ihn zu sehen war, erklärt er an einer Stelle, dass er nie aufhören könne zu reden. Wenn, so führt er aus, die Kette der Wörter abreißen würde, könnte das Publikum merken, dass dahinter nur ein großes Nichts zum Vorschein komme.

Weiter schreibt die FAZ:

Gestern ergoss sich Žižek orgiastischer Redestrom in die Leitartikelspalten der »New York Times«. Ein Denkanstoß zum 9. November unter der Überschrift »20 years of collaps«. Der gebürtige Slowene (und also ipse facto Osteuropa-Experte) greift zu diesem Anlass ins Repertoire des Unerwarteten und schüttelt den Kopf über den neu entflammten Anti-Kommunismus in Osteuropa – mit der pychoanalytischen Pointe, dass es sich bei diesem Anti-Kommunismus in Wahrheit um einen verdrängten Anti-Kapitalismus handele, weil – nun wieder ins Fach der politischen Theorie wechselnd – der Kapitalismus alle hässlichen Seiten des Kommunismus in sich trage: dessen Personal, dessen Korruption, dessen neue und alte Tricks.

Jemand, der bei Jacques Lacans studiert hat, muss das wahrscheinlich so sehen.

Hier der vollständige Artikel: www.faz.net.

Serielle Monogamie statt Ehe?

Die Deutschen heiraten immer später und immer seltener: Während Frauen 1975 im Durchschnitt bereits mit 23 und Männer mit 25 Jahren heirateten, waren im Jahr 2008 erstmalig heiratende Frauen durchschnittlich 30, Männer sogar 33 Jahre alt. Heiraten war in den 70er Jahren noch eine biographische Selbstverständlichkeit, mehr als 90 Prozent der ledigen jungen Erwachsenen entschieden sich für die Ehe als Lebensform. Seitdem hat sich der Anteil der zeitlebens unverheiratet bleibenden Erwachsenen mehr als verdreifacht: Gegenwärtig schließen noch etwa zwei Drittel der Frauen und etwa 60 Prozent der Männer mindestens einmal in ihrem Leben eine Ehe. Parallel zur sinkenden Heiratsneigung ist das Scheidungsrisiko gestiegen – mittlerweile werden etwa 40 Prozent der Ehen wieder getrennt.

Mehr dazu auf der Internetseite des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie: www.i-daf.org.

Jesus, ich vergebe dir

Meine Frau liest derzeit den Bestseller Die Hütte. In unserem Haus ergeben sich so immer wieder Gespräche über den Roman und die in ihm vermittelten Vorstellungen über Gott, Offenbarung, Erlösung (vgl. hier) und Heilung.

Kürzlich empfing ich via ePost die Empfehlung für eine Live-Sendung des Evangeliumsrundfunks (ERF) über Gottesbilder. Da in dieser Sendung auch über Die Hütte gesprochen werden sollte, habe ich mir gestern »wirklich. Gottesbilder« angeschaut und wurde überrascht.

Vorab: (1) Gewöhnlich schaue ich mir keine frommen Programme im TV an. Ich kann und will nichts über den ERF allgemein sagen. Ich vermute, dass dieses Missionswerk im Radio und im Fernsehen gute Programme ausstrahlt und das Leben vieler Menschen bereichert. (2) Das besagte Format »wirklich.« wird live ausgestrahlt. In einer live-Sendung laufen die Dinge nicht immer so, wie sie laufen sollten und der Handlungsspielraum des Moderators ist begrenzt. (3) Ein Studiengast ist spontan für jemanden eingesprungen, der wegen Krankheit absagen musste. Unvorbereitet an so einer Sendung teilzunehmen, ist ein Wagnis, das bewundernswerten Mut erfordert.

Trotzdem ist es erlaubt, öffentliche Programme wie diese öffentlich zu kommentieren.

Über die Sendung schreibt der ERF:

Die Vorstellungen von Gott reichen vom alten Mann mit Rauschebart bis zum strengen Despoten mit erhobenem Zeigefinger. Durch die verschiedensten Prägungen haben Menschen Bilder von Gott, die den Glauben verharmlosen, blockieren oder sogar zu einer Qual werden lassen. Wie kann man Gott kennenlernen, so wie er wirklich ist?

Als einfacher Christ und Seelsorger kann ich das bestätigen. Unsere Vorstellungen über Gott sind oft »harte Nüsse«, die zu knacken sind. Noch stärker behaupte ich sogar, dass falsche Bilder von Gott ein Haupthindernis für den wahrhaftigen und lebendigen Gottesdienst sind. Genau aus diesem Grund sagt Gott in 2Mose 20,4: »Du sollst dir kein Gottesbild machen«.

Also war ich darauf vorbereitet, dass die Gäste von »wirklich. Gottesbilder« einen willkürlichen Despoten, der Freude daran hat, uns Menschen Angst zu machen, hinterfragen und einen liebenden Gott in den Mittelpunkt des Gesprächs stellen würden. Dass das Gefühl hervorgehoben, der Gott des Alten Testmanents problematisiert und der griechische Dualismus von Kopf und Herz vorausgesetzt wurde, all das hat mich nicht überrascht. Ja, wir Christen dürfen Fehler machen und leben ganz von der Gnade Gottes. Ja, es gibt nicht auf jede Frage eine Antwort. Sogar die Ausführungen über das »herrliche Buch« Die Hütte (O-Ton) ließen mich kalt.

Wach wurde ich, als ein Studiogast darauf verwies, dass auch wir Menschen gelegentlich Gott vergeben müssen. »Moment mal! Geht es nicht um falsche Gottesbilder?«, dachte ich. »Setzt ein Gott, dem wir vergeben müssen, nicht ein verwirrtes und verwirrendes Gottesbild voraus?« »Ist hier nicht ein Punkt erreicht, wo etwas gesagt werden muss?«

Es passierte nichts. So will ich hier, zugegebenermaßen spontan und ungefiltert, kurz etwas dazu sagen.

Vergebung richtet sich auf Sünde und Schuld (vgl. den dritten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses sowie die fünfte Bitte des Vaterunsers). Sie ist immer Bewegung in eine Richtung: Derjenige, an dem jemand schuldig geworden ist, vergibt dem, der Unrecht tat.

Da wir als Menschen untereinander schuldig werden, brauchen wir den gegenseitigen Zuspruch der Vergebung. Weil es unsere Hauptsünde ist, dass wir unser Verhältnis zu Gott verfehlen und ihm nicht die Ehre geben, die ihm gebührt (vgl. Röm 1,21), sind wir auf Gottes Vergebung angewiesen (vgl. Eph 1,7 u. Kol 1,14).

Vergebung, die Gott uns zuspricht, hat nichts mit einem Übersehen unserer Sünde zu tun. Gott kann uns vergeben, weil Jesus Christus die Lasten unserer Gottlosigkeit und unserer Vergehen am Kreuz getragen hat. Da er für uns zum Fluch geworden ist, kann Gott uns von unserer Sünde freisprechen (vgl. Gal 3,13).

Deshalb dürfen wir mit Luther beten: »Wir bitten in diesem Gebet, dass der Vater im Himmel nicht ansehen wolle unsere Sünden und um ihretwillen solche Bitten nicht versagen; denn wir sind nichts von dem wert, was wir bitten, haben’s auch nicht verdient; sondern er wolle es uns alles aus Gnaden geben, weil wir täglich viel sündigen und nichts als Strafe verdienen. So wollen wir wiederum auch herzlich vergeben und gerne wohl tun denen, die sich an uns versündigen« (Kleiner Katechismus, Die fünfte Bitte zum Vaterunser).

Sollte es stimmen, dass wir lernen müssen, Gott zu vergeben, setzt dies voraus, dass Gott Fehler macht und ungerecht ist. Nicht nur das. Vorausgesetzt wird auch, dass Gott an uns schuldig wird und uns gegenüber Rechenschaft abzulegen hat. Kurz: Wir treten Gott gegenüber als Richter auf. Unser HERR sitzt auf der Anklagebank.

Wird hier ein Gottesbild vermittelt, das dem Gesamtzeugnis der Heiligen Schrift entspricht? Natürlich ist die Bibel voller Geschichten, die zeigen, dass wir Menschen Gott oft nicht verstehen. Die Klagepsalmen signalisieren, dass wir mit Gott ringen (dürfen). Ich befürchte allerdings, dass die Empfehlung, Gott zu vergeben, der Selbstoffenbarung Gottes nicht gerecht wird. Auch wenn es manchmal scheint, als sei Gott ungerecht, ist er es nicht. Gott ist »Licht, und Finsternis ist keine in ihm« (1Joh 1,5). »Geht es bei Gott etwa ungerecht zu?« (Röm 9,14). »Gewiss nicht! Denn Gott ist nicht ungerecht« (Hebr 6,10). Gerade weil Gott gerecht ist und uns Menschen in Jesus Christus entgegenkommt (und damit im Fall unserer Sündhaftigkeit Gnade vor Recht gilt), dürfen wir ihm vertrauen.

Es stimmt, unser Gottesbild ist nie fertig. Unsere Vorstellungen von Gott müssen sich immer wieder an dem bewähren, was Gott von sich selbst in seinem Sohn und seinem Wort bezeugt. Aber mit dieser Selbstoffenbarung Gottes haben wir behutsam und sorgfältig umzugehen. Stellen wir das, was Gott sagt, nicht auf den Kopf!

So sehe ich das. Jeder kann sich selbst überzeugen, ob ich »wirklich. Gottesbilder« oder das Zeugnis der Heiligen Schrift falsch wahrnehme.

Hier die Adresse für den Mittschnitt: www.erf.de.

Europa überhebt sich

Hans Michael Heinig lehrt Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Georg-August-Universität Göttingen. Im Nebenamt leitet er das Kirchenrechtliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland. Und er meint, dass »Kruzifix-Urteil« des Europäischen Gerichtshofes ist ein gravierendes Fehlurteil.

Die bloße Anbringung eines Schulkreuzes ist kein Problem menschenrechtlicher Mindeststandards. Setzt sich die Linie des Gerichtshofs durch, wird künftig über zentrale Belange staatlicher Identität, über wesentliche Fragen der schulischen Bildung, des Umgangs mit Religion, über Sprache und kulturelle Identität in Straßburg entschieden. Daran kann niemand Interesse haben. Die italienische Regierung ist deshalb gut beraten, gegen die Entscheidung Beschwerde bei der großen Kammer des EGRM einzulegen; alle anderen Regierungen sollten ihr beispringen.
Eine besondere Hilfe wäre dabei sicher der Rechtsbeistand durch die Bayerische Staatsregierung. Die hat für Bayern eine Lösung gefunden, die einen gewissen Interessenausgleich ermöglicht: Die Kreuze hängen weiter in den bayerischen Klassenzimmern, werden aber im Einzelfall abgenommen, wenn sich jemand ernsthaft in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt sieht. Die Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts boten für diese Lösung eigentlich keinen Raum, und doch scheiterten bisher alle Klagen gegen die bayerische Kompromisslösung. Auch Verfassungsgerichte können lernen. Das lässt für Straßburg hoffen.

Hier der lesenswerte Artikel: www.merkur.de

Das Leben in zwei Reichen

Die Lehre von den zwei Reichen ist in der Theologie der Gegenwart nicht sonderlich beliebt. »Muss die Vorstellung, dass ein Christ gleichzeitig in zwei Reichen lebt, nicht in eine Form von Schizophrenie führen?«, hört man. Ich glaube das nicht und will mit diesem kleinen Beitrag versuchen, einige Stärken von Luthers Sicht (wahrlich nicht nur Luthers Sicht) herauszustellen.

Der Begriff »Zwei Reiche-Lehre« stammt von Harald Diem (1938). Vorher benutzten bereits dialektische Theologen seit etwa 1920 den Ausdruck »Lehre von den Zwei Reichen«. Nach 1945 wurde im Gefolge von Johannes Heckel bevorzugt von der »Zwei-Regimenten-Lehre« gesprochen. Der deutsche Reformator selbst sprach zunächst von »zwei Regimenten«, später auch von »zwei Reichen«. In seiner Schrift »Von weltlicher Obrigkeit« (Neujahr 1523), die für die Entwicklung der Zwei Reiche-Lehre von besonderer Bedeutung ist, benutzt er beide Begriffe.

Was wollte Luther eigentlich deutlich machen?

Luther behauptet (Althaus, »Luthers Lehre von den beiden Reichen im Feuer der Kritik«, Luther-Jahrbuch, 1957, S. 42):

Gott regiert die Welt auf eine doppelte Weise. Die eine Weise hilft zur Erhaltung dieses leiblichen, irdischen, zeitlichen Lebens, damit zur Erhaltung der Welt. Die andere Weise hilft zum ewigen Leben, das heißt: zur Erlösung der Welt. Das erste Regiment führt Gott mit der linken Hand, das zweite mit der rechten Hand.

Im Reiche Gottes mit der rechten Hand ist Christus König und Herr. Jesus regiert durch das Evangelium, das »dargeboten« ist »in Wort und Sakrament«. Er befreit die »Seinen« vom Zorn Gottes durch die Vergebung der Sünden; er bringt die Freiheit »von dem verklagenden Gesetze«. Das Evangelium wird durch Glauben empfangen und führt zur Liebe, welche im Menschen durch den Heiligen Geist gewirkt wird.

Zwei Reiche Lehre.jpg

Gottes Reich mit der linken Hand dagegen umfasst die weltliche Obrigkeit und alles, was zur Erhaltung und Ordnung dieses zeitlichen Lebens dient, also auch Ehe und Familie, Eigentum, Wirtschaft, Stand und Beruf usw.

Beim Verhältnis der beiden Regimente zueinander betont Luther die tiefe Einheit, da sie beide von dem einen Gott eingesetzt sind. Das weltliche Regiment darf keinesfalls mit dem »Satansreich« verwechselt werden. Auch wenn das »weltliche Regiment um der Sünde willen da ist«, ist es trotzdem göttliche Ordnung. In beiden Regimenten waltet Gottes Liebe und Güte. Selbst der Zorn Gottes steht »im Dienste der Barmherzigkeit«, nämlich um die »Bösen … zu zwingen und zu strafen« und »die Frommen zu schützen«.

Auch wenn beide Regimente göttlichen Ursprungs sind, wird Luther nicht müde, vor einer Vermischung der Regimente zu warnen:

Dieser Unterschied zwischen dem weltlichen Regimente, dem Hausstande und der Kirche muß fleißig bewahrt, und ein jeglicher Stand in seinen gehörigen Schranken gehalten werden. Und wiewohl wir aus allen Kräften darauf hingearbeitet haben, so wird doch der Satan nicht aufhören, dieses unter einander zu mischen und zu verwirren, und es wird niemals an Leuten mangeln, die sich nicht in den Schranken ihres Amts halten werden. Die mit falschem Geist erfüllten (spirituosi), schwärmerischen und aufrührerischen Lehrer, mit ihrem Amte nicht zufrieden, reißen auch das weltliche Regiment an sich. Dagegen die weltliche Obrigkeit und die Fürsten senden auch ihre Sichel in eine fremde Ernte, und legen ihre Hände an das Ruder des Kirchenregiments, und nehmen sich auch hier die Herrschaft heraus. So hat der Teufel allezeit seine Werkzeuge, die uns hier Unruhen erregen und die vorgeschriebenen Grenzen ihres Berufs überschreiten. (Luther, Sämtliche Schriften, Bd. 6, Sp. 170)

Mit dieser Unterscheidung untermauert Luther die für das Abendland so bedeutende Unterteilung von Kirche und Staat. Weder darf die Kirche mit staatlichen Mitteln, z. B. mit dem Schwert, geistliche Ziele durchsetzen. Noch darf der Staat sich autoritär in die pastoralen Belange der Kirche einmischen. Durch die Unterscheidung, nicht vollständige Trennung oder Abspaltung, beider göttlicher Regimente, wird also gewährleistet, dass der Staat der Kirche einen eigenen Raum überlässt und die Kirche andersherum nicht den Staat instrumentalisiert. Auch heute sehen wir, welch verhängnisvolle Folgen die Vermischung von Politik und Religion haben kann.

Die Trennung von geistlicher und staatlicher Kompetenz ist nicht etwa eine Erfindung Luthers. Sie zieht sich durch das Neue Testament und wird – entgegen mancher Vorurteile – bereits im Alten Testament gefordert. So finden wir z. B. folgende Unterscheidungen:

  • Könige und Fürsten sowie Priester und Propheten (vgl. z.B. Jer 32,32);
  • Barak als Feldherr und Deborah als Prophetin (vgl. Ri 4,4–9);
  • Nehemia als Statthalter und Esra als Priester: Als der Politiker Nehemia verfolgt wurde, widerstand er der Versuchung, in den Tempel zu flüchten und dort sein Leben zu retten. Es wäre eine Sünde gewesen, seine gesellschaftliche Verantwortung nicht ernst zu nehmen. Gott erwartete von ihm, dass er sich seinem Kompetenzbereich als Statthalter stellt, auch wenn es gefährlich wird (vgl. Neh 6,10–14).

Uns Christen ist es nicht erlaubt, das Reich Gottes mit dem Schwert zu bauen (vgl. Mt 26,52)! Abraham Kuyper (1837–1920), ein bedeutender reformierter Theologe und zeitweilig niederländischer Ministerpräsident, schrieb trotz seines beeindruckenden politischen En­gagements:

In der Regierung des Staates darf die Gemeinde nicht herrschen wollen. Ihr Werkzeug ist das freie Wort, ihre Macht der Einfluss von Mensch auf Mensch in seinem Gewissen, seinem Haus, der Welt sei­nes Denkens, … (Kuyper, Die Kirche Jesu Christi: Worte aus Reden und Schriften, 1926, S. 44)

Anmerkungen:

• Weitere Fragen zur Zwei Reiche-Lehre hat Michael Horton aus reformierter Sicht in einer aktuellen Serie beantwortet, die hier zusammenhängend herunter geladen werden kann. (Leider nur auf Englisch. Will es jemand übersetzen?): www.whitehorseinn.org.

• Empfehlen kann ich ebenfalls das von Thomas Schirrmacher herausgegebene Buch (mit Beiträgen von Titus Vogt und Andreas Peter): Die vier Schöpfungsordnungen Gottes: Kirche, Staat, Wirtschaft und Familie bei Martin Luther und Dietrich Bonhoeffer, Nürnberg, VTR, 2001.

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