Bildung

Meinungsfreiheit an der Uni

Schwappt die Welle von Sprechverboten von den amerikanischen und britischen Universitäten nach Deutschland über? Ist die Welle vielleicht längst angekommen? Thomas Thiel, Redakteur im Feuilleton der FAZ, hat sich eine Veranstaltung zum Thema Meinungsfreiheit an der Frankfurter Goethe-Universität angeschaut:

Fiebrige Stimmung im Hörsaal. Eine Besucherin kommentiert ironisch: „Ich habe mich gewundert, dass es keine Taschenkontrolle gab.“ Die Linke Liste hat ein Flugblatt verteilt mit dem mehrdeutigen Titel: „Die Vernunft zensiert.“ Wer vertritt die Vernunft, und übt sie selbst die Zensur aus, oder wird sie von anderen zensiert? Darüber soll das Streitgespräch über Meinungsfreiheit an den Universitäten Klarheit bringen. Die Temperatur an der Frankfurter Goethe-Universität ist gestiegen, seit der Präsident der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt im Oktober erst ein- und dann wieder ausgeladen worden ist. Ein offener Brief von sechzig Wissenschaftlern, der ihm Rassismus und rechtspopulistische Hetze vorwarf, hatte das Auftrittsverbot gefordert. Gibt es eine grassierende Toleranzschwäche im akademischen Milieu? Schwappt die Welle von Sprechverboten von den amerikanischen und britischen Universitäten nach Deutschland über?

Mehr: www.faz.net.

Mehr Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern

Solche „Rechnungen“ kommen heraus, wenn die fiskalische Perspektive den Blick auf die Familie dominiert:

Würden die Betreuungszeiten so stark ausgeweitet, dass Eltern von Grundschulkindern bis abends und samstags arbeiten gehen könnten, so ergäben sich dem Gutachten zufolge je Familie sieben zusätzliche Arbeitsstunden in der Woche. Das führe zu Mehreinnahmen für die Sozialversicherungen in Höhe von ungefähr 2900 Euro im Jahr und zu Steuermehreinnahmen von 3260 Euro im Jahr. Hochgerechnet auf 330.000 Ganztagsschulplätze kommen die hohen Einnahmen von 2,1 Milliarden Euro heraus.

Einseitig. Traurig. Staatlich. Ein kleines Studium der Bindungstheorie könnte die Perspektive weiten.

Hier der Artikel: www.faz.net.

Schule als Experimentierfeld

In einem Artikel auf FOCUS Online hat eine bayerische Grundschullehrerin offen aus ihrem Alltag erzählt. Das hat eine Flut an Reaktionen ausgelöst. Der Tenor: Die Politik investiert beschämend wenig in die Bildung – und legt ein zu großes Augenmerk auf „Gleichmacherei“ und „Kuschelpädagogik“. Einige Reaktionen von Eltern hat FOCUS online zusammengestellt. So heißt es dort:

Ich bin als Therapeut oft in den Schulen. Intelligente Kinder brauchen Futter, um nicht gelangweilt zu sein. Inklusion überfordert die Schwachen und bremst die Guten. Jetzt noch Migrantenkinder dazu zu geben, ist ein Attentat auf die Zukunft des Landes. Gut wären Alphabetisierungskurse und Deutschkurse in getrennten Klassen. Man muss bedenken, dass die asiatischen Kinder zu Hochleistern gedrillt werden, während unsere Kinder in gesellschaftlichen Experimenten aus ideologischen Gründen am Lernen eher gehindert werden. Wenn man es richtigmachen wollte, müsste man den zehnfachen finanziellen und organisatorischen Aufwand betreiben.

Diese Situation ist von der Politik so gewollt. Egal ob SPD, Grüne oder CDU/CSU: Die Schule ist seit Jahrzehnten zu einem Experimentierfeld für sogenannte Bildungspolitiker verkommen. Das Resultat kann man an den Hochschulen und an den Berufsschulen bewundern. Studenten, deren Hausarbeiten vor Fehlern wimmeln oder Lehrstellensuchende, die bei der Unterschrift drei Kreuze machen. Ausbildungsbetriebe und Universitäten schlagen seit Jahren Alarm über die Versäumnisse einer verfehlten Bildungspolitik, deren Ziel es war, jedem, aber wirklich jedem, ein Abitur zu ermöglichen.

Hier mehr: www.focus.de.

VD: MS

Mogelpackung Ganztagsschule

Deutschlands Schulen werden seit 15 Jahren mehr und mehr in Ganztagsschulen umgewandelt. Das ist – so sieht es die Politik – ein politisches Investitionsprogramm für die Zukunft von Bildung und Betreuung. Für manche Schüler ist jedoch ein ganzer Tag in der ungeliebten Klasse die reinste Qual. Sie brauchen mehr Zeit für sich. Die FAZ schreibt:

Schon jetzt verbringen Eltern durchschnittlich nur noch 28 Minuten am Tag mit Zuwendung und Betreuung ihrer Schulkinder, stellte kürzlich das Statistische Bundesamt fest. Nein, Schule darf nicht zur Ersatzlebenswelt für die Kinder werden, denn sie vermag nur in besonderen Fällen vergleichbar viel oder mehr als das zu leisten, was elterliche Zuwendung und Erziehung und selbstbestimmtes Entdecken außerhalb jeglicher Institution bieten können. Tatsächlich brauchen Kinder eine ausgewogene Balance zwischen schulischem Bildungsbeitrag, elterlicher Erziehung und persönlicher (Frei)Zeitgestaltung.

Hier der sehr informative Artikel: www.faz.net.

Akzeptanz statt Toleranz

Die Landesregierung von Hessen hat still und leise einen fachübergreifenden Lehrplan zur Sexualkunde eingeführt und lehrt nun die Vielfalt sexueller Orientierungen ähnlich wie in Baden-Württemberg. Der Widerstand wurde per CDU-Ministerentscheid gebrochen (siehe dazu hier, hier und hier).

Zu den Aufgaben und Zielen der schulischen Erziehung gehören nun mehr oder weniger sinnvolle Anliegen wie:

  • Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen;
  • Geschlechtergerechtigkeit;
  • Respekt der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen;
  • sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche unterschiedliche Werte und Normen, die durch die kulturelle Herkunft oder Religionszugehörigkeit geprägt sind;
  • Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen (LSBTI);
  • Partnerschaft und Sexualität von Menschen mit Behinderungen;
  • Verbreitung von HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten;

Immerhin soll neben dem „Coming Out“ und der “Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechteridentitäten“ auch über „die Bedeutung des Schutzes ungeborenen menschlichen Lebens“ aufgeklärt werden.

In der FAZ vom 11. Oktober 2016 erschien zu dem Vorgang ein kluger Leserbrief von E.-M. R., den ich hier in Auszügen wiedergebe (Nr. 237, S. 6):

Aus dem Artikel „Akzeptieren oder tolerieren“ … geht klar hervor, dass Hessens Kultusministerium die Inhalte zur Sexualerziehung strategisch möglichst leise einzuführen versucht hat, um den massiven Widerstand der Bevölkerung zu verhindern, wie sich dieser in Baden-Württemberg formiert hatte. Dies ist für sich genommen politisch schon mehr als fragwürdig. Abgesehen von den Inhalten zur Sexualerziehung selbst, finde ich jedoch den neuen Bildungsplan staatsrechtlich äußerst bedenklich.

Der Kultusminister fordert als Ziel der Unterrichts, dass persönliche Wertvorstellungen und Orientierungen „wechselseitig diskriminierungsfrei akzeptiert“ werden sollen, … „Akzeptanz“ wird verlangt, weil nur sie „diskriminierungsfrei“ sei, „Toleranz“ soll nicht genügen. Die Wahl der Begriffe halte ich für einen wesentlichen Kernpunkt der Auseinandersetzung. Wenn man durch den Unterricht die „Akzeptanz“ bestimmter Werthaltungen fordert, beabsichtigt man, in die Identität des Schülers einzugreifen und sie entsprechend staatlich verordneter Bewertungen zu formen. Es genügt nicht, dass der Schüler andere in ihren Lebensweisen und Wertvorstellungen zu tolerieren lernt, nein, er soll diesen bejahend gegenüberstehen und sie sich selbst zu eigen machen, … Das ist nun ein großer Unsinn: Wo ich mit andern übereinstimme, stellt sich die Frage nach Akzeptanz oder Toleranz sowieso nicht. Da es in der Gesellschaft aber immer Unterschiede in Werthaltungen und Lebenseinstellungen geben wird, muss der Schüler die Toleranz als Wert verinnerlichen. Darum ist sie ein wesentliches Bildungsziel, auch im Hessischen Schulgesetz (HSchG §2). Der Schüler muss verstehen lernen, dass sie notwendig ist, damit in einer Gesellschaft Demokratie gelebt werden kann und der Frieden untereinander in all unserer Verschiedenheit gewährleistet ist.

Einen Bildungsplan, dem die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Toleranz als Bildungsziel nicht genügt, sondern der stattdessen die Akzeptanz ganz spezifischer Weltanschauungen und Bewertungen zu implementieren versucht, kann man nur als Gesinnungslehrplan bezeichnen …

Bildungsreform: Gefühle jetzt als Lösungen für Mathe-Aufgaben akzeptiert

Sylvia Löhrmann (Grüne), Schulministerin in NRW, will noch mehr Bildung. Die Halbtagsschule alter Prägung – so gab sie bekannt – lehne ihre Partei ab. Sie will den Ganztag „weiter ausbauen, denn dadurch kann individuelleres Lernen viel besser gestaltet werden“. Die Schule müsse dringend stärker an die Befindlichkeiten der Kinder angepasst werden. „Kinder sollen im Mittelpunkt stehen, nicht das System“, erklärte Löhrmann während ihres Interviews mit der Tageszeitung DIE WELT.

Ich kann Schulministerin Löhrmann nur empfehlen, sich an der progressiven Bildungsinitiative in den USA zu orientieren. Wie heute bekannt wurde, soll der Bildungsstandard „Common Core“ in Zukunft Gefühle als Lösungen für mathematische Aufgaben akzeptieren. Ein leitender Mitarbeiter von „Common Core“ erklärte gegenüber Journalisten:

Jede Emotion, jedes Gefühl, jede Aussage oder jeder Slogan wird im Neuen Mathematik-Standard als akzeptable Lösung für fast alle Aufgaben anerkannt werden. Was wir als Lehrer von den Schülern erwarten, ist, dass sie aufrichtig, echt, authentisch und sich selbst treu bleiben, wenn sie die Aufgabe lösen.

Die vollständige Pressemitteilung ist bei The Babylon Bee zu lesen: babylonbee.com.

Achtung: Satire! 

Handschriftliche Notizen machen klug

Notebooks und Tablet-Computer lassen Stift und Papier scheinbar alt aussehen. Neue Studien zeigen jedoch, dass Studenten, die sich handschriftliche Notizen machen, besser lernen also solche, die Vorlesungsmitschriften über die Tastatur eingeben. Die „Handwerker“ begreifen neue Ideen schneller und behalten die Informationen länger.

Einzelheiten hier: www.wsj.com.

In den Köpfen Ramsch und Flickwerk

Für den Philosophen Matthias Gronemeyer ist von der vielbeschworenen Wissensgesellschaft nicht viel übrig geblieben. Er prognostiziert: Künftig haben immer mehr Menschen einen Hochschulabschluss, jeder weiß mit einem Klick alles, aber keiner kann mehr etwas. Zitat aus dem Beitrag für das Deutschlandradio:

Die Logik der Politik tendiert immer zur Vereinfachung: Wer den Menschen etwas abverlangt, macht sich unbeliebt.

Reinhören:

 

Resignation macht sich breit

Die Gemeinschaftsschule stellt viele Lehrer vor neue Herausforderungen – viele fühlen sich mit der Umsetzung der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg allein gelassen. Offene Kritik ist unerwünscht.

Heike Schmoll beschreibt die Lage so:

Als „Lernbegleiter“, erzählt eine Hauptschullehrerin an einer Gemeinschaftsschule, unterrichte sie an ihrer Schule zwar die „alte Hauptschulklientel“, müsse nun aber in vier verschiedenen Niveaustufen (Gymnasial-, Realschul-, Hauptschul- und Förderschulniveau) Aufgaben bereitstellen, um alle Kinder gleich gut beim Lernen zu begleiten. „Diese Herkulesaufgabe ist aber aus meiner Sicht nicht zu bewerkstelligen“. Die Darstellung der Lehrerin gleicht den Erfahrungen der meisten Gemeinschaftsschullehrer, die mit der F.A.Z. über ihre Arbeit gesprochen haben. Allesamt Lehrer, die guten Willens und hoch motiviert sind, sich von den neuen Unterrichtsformen und dem Ganztagsbetrieb aber zermürbt fühlen.

Anhaltspunkte dafür bietet auch die soeben vorgestellte Kurzfassung des Abschlussberichts der wissenschaftlichen Begleitforschung. Der Leiter der Studie, der Tübinger Bildungswissenschaftler Thorsten Bohl, hat deshalb weniger Pflichtstunden (Deputat) und mehr Personal verlangt, „um Leistungsunterschiede abzubauen und die große Belastung der Lehrer zu senken“, was Kultusminister Andreas Stoch (SPD) umgehend ablehnte, zumal die Gemeinschaftsschule schon über eine ungewöhnlich gute Ausstattung verfügt und bei der Lehrerzuweisung bevorzugt wird. Das Kultusministerium erinnert daran, dass das Anbieten verschiedener Niveaus zu den Grundelementen der Gemeinschaftsschule gehöre, und gibt zu bedenken, dass auch Schüler mit einer Empfehlung für die Werkrealschule oder Hauptschule von Anfang an in einzelnen Fächern auf dem mittleren oder erweiterten Niveau lernten oder es nach gewisser Zeit erreichen könnten.

Mehr: www.faz.net.

Wer’s glaubt, wird wuselig

Heike Schmoll beschreibt in der FAZ (11.02.2016, Nr. 35, S. 6) die Not an den Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg. Viele Lehre sind mit den an sie gestellten Anforderungen überfordert und haben das Gefühl, dass offene Kritik nicht erwünscht ist.

Der Lehrer hat kapituliert vor der Disziplinlosigkeit seiner Schüler. Nach einem Nervenzusammenbruch im Unterricht ist er krankgeschrieben. Der ausgebildete und erfahrene Gymnasiallehrer mit drei Unterrichtsfächern war zuletzt an einer Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg eingesetzt. „Im Grunde sind wir Dompteure in einem Zirkus, der sich Gemeinschaftsschule nennt, dessen Tiere aber noch lange nicht bereit sind für die Manege, noch nicht gezähmt“, berichtet der Lehrer, dem man keine Fortbildung oder Einführung in die neue Arbeitsweise angeboten hatte.

Allein ist der Lehrer mit seinem Scheitern nicht, es gibt nicht wenige Kollegen, die sich in der neuen Schulform überfordert fühlen. „Ich bin doch kein Psychologe, kein Therapeut, kein Logopäde, kein Förderschullehrer, kein Horterzieher, ich will einfach nur unterrichten, altersgerecht lehren, Wissen vermitteln“, berichtet er. Kleine Brötchen solle er backen, wurde ihm von der Schulleitung gesagt, nicht überfordern, „daran denken, dass es Hauptschüler sind und ich nicht so viel von ihnen erwarten dürfe, wie ich es bisher als Gymnasiallehrer gewohnt war“. Im Landesdurchschnitt besuchen etwa zehn Prozent Grundschüler mit einer Gymnasialempfehlung eine Gemeinschaftsschule, es gibt aber auch den ein oder anderen Schulamtsbezirk mit nicht einmal sieben Prozent Schülern, denen die Grundschule den Besuch eines Gymnasiums empfohlen hat. Das Kultusministerium verweist nach einer Anfrage dieser Zeitung auf die Verantwortung der Schulleitung, die darüber entscheidet, ob ein Lehrer der Fortbildung bedarf. Jedenfalls stünden qualifizierte Fachberatertandems zur Begleitung der Schul- und Unterrichtsentwicklung zur Verfügung.

Die Reformpädagogen werden wahrscheinlich Frau Schmoll wieder „zerreißen“. Gerade deshalb bin ich ihr sehr verbunden, dass sie trotz der Widerstände immer wieder auf die Malaisen aufmerksam macht, die leider zu viele Journalisten und Politiker nicht sehen wollen.

Sollte der Artikel online verfügbar werden, nenne ich die Quelle.

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