Endlich spricht Gott zum Herzen

51oz4iGH1BL SX332 BO1 204 203 200In Predigten und in Blog-Beiträgen habe ich mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass einige Voraussetzungen des sogenannten „Hörenden Gebets“ problembehaftet sind. Zum Beispiel: Jenes uns in der Bibel überlieferte Wort Gottes wird als allgemein und abstrakt betrachtet und deshalb der göttlichen Anrede nachgeordnet. Die „persönliche Offenbarung“ ist eine höhere Offenbarung, da sie die Seele auf einer tieferen Ebene erreicht als die verstaubte und trockene Heilige Schrift.

Die Verfechter des Hörenden Gebets sind in der Regel darum bemüht, diese problematischen Voraussetzungen zu verschleiern oder zu dementieren. Das klingt dann etwa so: „Wir müssen natürlich die inneren Stimmen und Eindrücke an der Bibel überprüfen! Wenn wir die Stimme Gottes hören, die in eine bestimmte Situation in unserem Leben spricht, wird sie der Schrift nie widersprechen. Vielmehr wird es die zeitlosen Wahrheiten der Bibel bestätigen, ergänzen und anwenden.“

In der Praxis ist dieses Prüfen allerdings schwierig. Denn oft geht es ja um private Einsichten, zu denen die Bibel schweigt. Die Bibel sagt mir nicht, wen ich heiraten, wohin ich in den Urlaub fahren oder mit welcher Person ich ein Versöhnungsgespräch führen soll. Für die bestimmten Anwendungen dessen, was die Bibel sagt, soll ich als Christ ja in der Regel die Verantwortung übernehmen und nicht auf göttliche Kommentare warten.

Inzwischen scheint die Zeit, in der die problembehafteten Voraussetzungen des „Geistlichen Hörens“ erklärt oder entkräftet werden, vorbei zu sein. Die Hörer und Leser sind inzwischen so leicht für die „esoterische Gottesanrede“ zu gewinnen, dass das eigentümliche Offenbarungsverständnis offensiv und werbewirksam eingesetzt werden darf. Das Buch Ich sehe dich von Nancy Taylor, das im Herbst bei SCM erscheinen soll, wird vom Verlag etwa mit folgenden Worten angekündigt:

Gott spricht zu uns – auf jeder einzelnen Seite der Bibel. Doch seine Worte erreichen häufig nicht unser Herz, wirken trocken oder schwer verständlich. In diesem Andachtsbuch kommen die Auslegungen der Bibelverse direkt von Gott selbst. Er erklärt sie und spricht dadurch direkt zu unserem Herzen, jeden Tag aufs Neue. Eine einzigartige Entdeckungsreise zu einem vertieften Verständnis des Wortes Gottes. Und hin zu unserem persönlichen Gott.

Nimmt man ernst, was da steht, heißt das nicht weniger als: Gott macht sich endlich auf, um die nebulösen Worte der Heilige Schrift selbst zu erklären, jeden Tag neu. Kauft euch also diese Bibel 2.0 von Nancy Taylor und am Ende des Tages werdet ihr verstehen, was Gott euch zu sagen hat.

Also ehrlich. Das ist wenig überzeugend. Macht euch lieber die Mühe, um in der Bibel zu graben. Ja, das ist anstrengend und kostet Zeit. Aber es lohnt sich! Gott will sich nicht neben dem Wort finden lassen, sondern in seinem Wort.

Eine echte Hilfe zum Graben findet ihr übrigens in dem Buch: Tiefer graben: Werkzeuge, um den Schatz der Bibel zu heben von Nigel Beynon und Andrew Sach (Bethanien, 2019), das von „Josia – Truth for Youth“ in deutscher Sprache herausgegeben wurde.

VD: TB

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17 Kommentare
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Arnold Schwarzenegger
4 Jahre zuvor

Warum soll ich Gottes verstaubtes Reden von vor 2000 Jahren hören? Ich will lieber ein frisches Wort vom Herrn.

Matze
4 Jahre zuvor

@Arnold Schwarzenegger
richtig, und dann am besten auch nur noch das, was ich auch hören will … 🙂

Johannes
4 Jahre zuvor

Das ist ja gruselig… Woher kommt denn dieser Text? Auf der Seite von der SCM steht eine andere Beschreibung, die zwar auch sehr wischi-waschi ist (Spricht Gott jetzt direkt oder durch die Bibel zu mir?), aber zumindest nicht so unverhohlen esoterisch.

Raffa
4 Jahre zuvor

Ich frage mich immer: wie geht man mit solchen oft geliebten (vielleicht aus der eigenen Familie) Menschen um, die diese Andachtsbücher oder Gebetstechniken gutheißen?
Was entgegne ich Ihnen? Mit sachlichen Argumenten sind sie ja nicht mehr zu erreichen…

Theophil Isegrim
4 Jahre zuvor

Ich denke, eines der Hauptprobleme unserer Zeit ist unser oberflächliche Glaube. Wir bräuchten eine vertiefte Beziehung mit Gott. Dann wüßten wir besser um seinen Willen und würden auch entschiedener mit ihm leben, was auch ein überzeugenderes Leben zur Folge hätte. Weil seine Nähe uns befrieden würde und wir uns seiner Liebe bewußter wären. Allerdings gibt es da bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt werden müßten. Das Kernproblem scheint mir die fehlende Selbstaufgabe zu sein. Ich lasse Jesus nicht Herr über mein Leben sein. Nicht wirklich. Da wir in einer sehr egositischen Zeit leben und der oberflächliche Glaube eher eine Last ist, weil wir den hohen Ansprüchen nicht gerecht werden, sind auch bei uns Christen viele Bedürfnisse unbefriedigt. Letzten Endes ist es unsere Sehnsucht nach Gott, die nicht gestillt wird. Also, werden alle Dinge, die die Welt so anbietet, um Bedürfnisse zu befriedigen (zumindest ist es die Absicht, die aber nicht gelingt) mit einem christlichen Farbanstrich versehen. Und das soll uns helfen. Tut… Weiterlesen »

FrankS
4 Jahre zuvor

Das Zitat aus dem Buch ist bedenklich. Gut zu wissen. In meinem Umfeld werde ich es nicht empfehlen.

David
4 Jahre zuvor

@ Raffa, Ron:
Sogar eine sehr gute Frage: ich denke, kurzfristig macht man da nix. Langfristig Katechese, gesunde Lehre von Seite eins bis zum Ende und Förderung „philosophischen“ Denkens.

Ich bin zuletzt bei kritischen Anfragen an diverse Praktiken immer wieder dem Argument begegnet: „Er/sie hat aber Segen dadurch erfahren.“ Gut und wahr ist also, was (vermeintlich) funktioniert. Ich meine, den Ansatz hätte ich schon mal woanders explizierter gehört…
Der oft vorliegende Mangel an Bewusstsein über die Denkvorraussetzungen resultiert mitunter darin, dass Kritik falsch eingeordnet wird und teils persönlich genommen wird. Evtl. kann man zunächst da ansetzen und versuchen, die Menschen (fragend) darauf hinzuweisen, was ihre Prämissen sind, um von dort ausgehend dann ihre (wieder unbewussten) Schlussfolgerungen zu untergraben…

Matze
4 Jahre zuvor

@ Raffa
In meinem Glaubensunterricht vor 45 Jahren hat man dazu sinngemäß auf die heutige Sprache übertragen gesagt: „Wenn neben der Schrift eine weitere Offenbarung mit der gleichen Bedeutung gilt ist ein Zeichen für eine Sekte“. Wir haben vieles theologisch so glattgebügelt, dass mir diese Aussage heute als anmaßend und übertrieben vorkommt, aber ist es in der Sache etwas anderes wie bei Mormonen oder Christliche Wissenschaftler (interessante Lektüre dazu aus dem Jahr 1974: „7 Sekten“ Heinrich Jochums, 1974, wo es u.a. neben den beiden bereits genannten auch um die NAK geht) ?

Andreas
4 Jahre zuvor

Grundsätzlich stimme ich der hier genannten Kritik an dem Werbetext zu. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie auf das genannte Buch tatsächlich zutrifft. Das englische Original heißt „God’s Call to a Deeper Life“ und bei Amazon gibt es dafür auch eine kurze Buchvorschau: https://www.amazon.de/Gods-Call-Deeper-Nancy-Taylor/dp/1496430115/ref=tmm_hrd_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=1563995720&sr=8-2-fkmr0 Beim Lesen des Vorworts merkt man schnell wo die hier genannten Sätze in etwa herkommen. Allerdings erscheinen sie dort mit einem deutlich anderen Schwerpunkt. Die Autorin gibt den Bibeltext in eigenen Worten wieder und formuliert ihn dabei als direkte Anrede Gottes an die Leserin („I’ve tried to take each passage and paraphrase it in God’s voice so you can hear it with your heart rather than just your mind“). Man kann diesen Ansatz kritisieren, ich wäre auch sehr vorsichtig damit meine Interpretation eines Bibeltextes als direkte Rede Gottes zu formulieren. Aber ich kann die Motivation nachvollziehen. Z.B. ist man beim Lesen der Gerichtstexte in den Propheten schnell bei der Denkweise „die Menschen damals waren… Weiterlesen »

Jörg
4 Jahre zuvor

„Die [gegenstandsgemäße] Verkündigung des Wortes Gottes ist Gottes Wort“ – so der schweizer Reformator Bullinger, mehrmals zitiert in Helge Stadelmanns Evangelikaler Predigtlehre, verbunden mit dem Anspruch, dass seine/die/eine bibeltreue kommunikative Auslegungspredigt genau das ist, indem sie Inhalt und Anliegen der Quelle und norma normans in eine konkrete aktuelle Situation hineinübersetzt und anwendet. Und zwar unter Führung und Begabung durch den Heiligen Geist und damit – insoweit dies tatsächlich in Vorbereitung und Predigtvollzug geschenkt wird – aus Gottes Herz/Sinn (vgl. 1Kor 2:11f).

Entscheidend scheint mir, dass der „Autor“ sich dem als Anspruch und Zumutung an ihn stellt (statt es für sich und seine Gedanken und Gefühle einfach zu beanspruchen), und die Rezipienten das Prinzip verinnerlicht haben, alles anhand der Schrift zu prüfen. Um ersteres zu beurteilen, reichen die gegebenen Informationen nicht aus.

ConfessorReformatus
4 Jahre zuvor

So sehr ich deinen Blog mag, bei diesem Thema muss ich dir – wie so oft – widersprechen. Vorab: Ich bin kein Anhänger des sog. „Hörenden Gebets“ oder von Anhänger Sarah Young o.ä., kein Charismatiker oder Esoteriker. Ich kann auch zu dem Buch nichts sagen. Möglicherweise hast du Recht mit der Kritik. Es geht mir aber um deine Argumentation. Und hier verstehe ichden Punkt irgendwie nicht. Besteht das Kennen von Gott bloß darin, die Bibel mit dem Verstand mit linguistischen, historischen, archäologischen Methoden etc. zu analysieren , also all das anzuwenden, wozu ein (halbwegs) Intelligenter Mensch, der nicht wiedergeboren ist, ebenso imstande wäre? Geht es beim Christsein etwa bloß darum moralische Prinzipien aus der Bibel abzuleiten, und diese verantwortungsvoll „anzuwenden“ (Irgendwie kann ich das Wort „anwenden“ in diesem Kontext nicht mehr hören, als ob die Bibel ein Rezept, eine Bedienungsanleitung, ein Gesetz wäre). Nein, Gott kennen ist weit mehr. Es ist nicht nur, seinen moralischen Willen aus der Bibel abzuleiten,… Weiterlesen »

Ron
Reply to  ConfessorReformatus
4 Jahre zuvor

L

Rolf Eicken
4 Jahre zuvor

, ich bin sicher, dass Du längst weißt, dass ich nicht der gläubigste Christ bin.
Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es auch für mich in der Bibel Worte gibt, die mich sehr nachdenklich machen und die mich auch ins Herz treffen.
„Nur mit dem Herzen hört man am besten“ – das gilt auch für die Bibel und „wirkt“ im Sinne von verstehen, glauben und einsehen auf mich ein.
LG
Rolf

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